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Autor Thema: Gesetz zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften (Entwurf)  (Gelesen 4740 mal)

tank1911

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Gesetz zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften (Entwurf)

Entwurf gem. Thema wurde heute durch die Ministerin dem Kabinett vorgestellt (Quelle: bmvg.de)

Neben u.a. dem kostenlosen Bahnfahren, beschäftigt sich der Entwurf im Schwerpunkt mit dem Disziplinarwesen!

Überblick:

(Vereinfachte) Fristlose Entlassung bis ins achte Dienstjahr (statt bisher vier gem. §55 (5) SG) bei besonders schweren Vergehen künftig möglich

Die Disziplinarvorgesetzten sollen ebenfalls mehr Handlungsspielraum bei unbotmäßigem Verhalten von Soldatinnen und Soldaten an die Hand bekommen. So soll die Höchstgrenze der „Disziplinarbuße“ – einer Geldbuße zur Ahndung einfacher Dienstvergehen – auf den doppelten Monatssold angehoben werden. Bislang lag die Höchstgrenze bei einem Monatssold. Dadurch sollen zukünftig mehr und auch schwerere Fälle schnell und unmittelbar durch den Disziplinarvorgesetzten vor Ort erledigt werden, was auch im Interesse der Soldatinnen und Soldaten liegt, denn ein langwieriges gerichtliches Disziplinarverfahren belastet die Betroffenen schwer.

Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, die Frist zur Ahndung einfacher Disziplinarverstöße von sechs auf zwölf Monate zu verlängern. „Damit erweitern wir den Handlungsrahmen der Disziplinarvorgesetzten und beabsichtigen, die Anzahl gerichtlicher Disziplinarverfahren zu reduzieren“, kommentierte das Verteidigungsministerium.

An den Truppendienstgerichten dauert ein Disziplinarverfahren durchschnittlich zweieinhalb Jahre  – zu lang für das Ministerium, zu lang für die Soldatinnen und Soldaten. Daher soll künftig so oft wie möglich auf eine mündliche Gerichtsverhandlung mitsamt Beweisaufnahme verzichtet werden. „Dadurch werden die Truppendienstgerichte entlastet und die betroffenen Soldatinnen und Soldaten durch eine kürzere Verfahrungsdauer weniger belastet“, so die Erwartung des Ministeriums. Solange das Verfahren läuft und nicht abgeschlossen ist, können die betroffenen Soldatinnen und Soldaten nämlich beispielsweise nicht an Aus- oder Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen.

Das Kabinett stimmte dem Gesetzesentwurf zu. Die Abgeordneten des Bundestages und die Vertreter der Länder im Bundesrat werden sich nun mit dem Entwurf befassen. Die Behandlung des Entwurfs im Bundestag wird für Anfang Oktober erwartet. Passiert der Gesetzesentwurf das Parlament, könnten die neuen Bestimmungen zum 1. Januar 2021 in Kraft treten


Meiner Bewertung nach eine Reihe völlig zweckmäßiger Maßnahmen zur Entlastung von Bürokratie, langen Verfahrensdauern und zur Stärkung des DV.

Link zur PM:

https://www.bmvg.de/resource/blob/262112/28276953f452eca55cd57d168d357540/20200603-download-pm-gesetzesentwurf-zur-aenderung-soldatentrechtlicher-vorschriften-data.pdf

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F_K

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Nun ja, 2 Monatsgehälter wären ja im Strafrecht 60 Tagessätze, dass ist schon eine erhebliche Hausnummer - die in der Regel von einem Amtsrichter ausgeurteilt wird, nachdem ein Staatsanwalt entsprechend plädiert hat  (und ggf. eine Verteidigung durch einen Anwalt erfolgt ist) insoweit kann man schon argumentieren, dass hier die Grenze zur "Erziehung" eher überschritten ist.
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dunstig

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Grundsätzlich begrüße ich es, den DV wieder mehr Verantwortung zuzugestehen. Aber die Argumentation hinkt für mich in diesem Fall ein wenig. Wenn die Truppendienstgerichte so überlastet sind, wäre es meiner Meinung nach angeraten, genau dort anzusetzen und die Überlastung abzubauen. So scheint es mir eher um Symptombekämpfung statt der Ursachenbeseitigung zu gehen.

Auch wenn mir zugegebenermaßen jeglicher Einblick in diesen Bereich fehlt, um die offensichtlich strukturellen Probleme zu beurteilen.

Wie hat das denn früher funktioniert, als man noch Wehrpflicht, deutlich mehr Soldaten und damit maßgeblich auch deutlich mehr schwere - für das Truppendienstgericht maßgebliche - Verfehlungen hatte?
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"Ich stehe vor der Bundeswehr, zu der ich seit 22 Jahren auch "meine Armee" sagen kann. Und bin froh, weil ich zu dieser Armee und zu den Menschen, die hier dienen, aus vollem Herzen sagen kann: Diese Bundeswehr ist keine Begrenzung der Freiheit, sie ist eine Stütze unserer Freiheit." Joachim Gauck

Andi8111

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Mit welchen Kanonen wird denn hier auf Spatzen geschossen? Wer sah denn in Vergangenheit ein Mangel, gerade bei der „fristlose Entlassung“. Welche als Personalmaßnahme nicht selten vom Verwaltungsgericht kassiert wird. Wer hat denn geklagt, dass die dem DV zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichend seien? Ich finde, es mangelt an anderen Stellen extrem an gesetzlicher Nachbesserung und personeller Mehrausstattung. Wenn TG Anträge monatelang unbearbeitet rumliegen, eine Urlaubskartei mangels Bearbeiter ungeführt bleibt, von amtswegen zuzuerkennende Zulagen komplett zur Bearbeitung auf die einzelnen Soldaten abgewälzt wir usw.
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tank1911

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Zitat
Nun ja, 2 Monatsgehälter wären ja im Strafrecht 60 Tagessätze, dass ist schon eine erhebliche Hausnummer - die in der Regel von einem Amtsrichter ausgeurteilt wird, nachdem ein Staatsanwalt entsprechend plädiert hat  (und ggf. eine Verteidigung durch einen Anwalt erfolgt ist) insoweit kann man schon argumentieren, dass hier die Grenze zur "Erziehung" eher überschritten ist.

Zitat
Aber die Argumentation hinkt für mich in diesem Fall ein wenig. Wenn die Truppendienstgerichte so überlastet sind, wäre es meiner Meinung nach angeraten, genau dort anzusetzen und die Überlastung abzubauen. So scheint es mir eher um Symptombekämpfung statt der Ursachenbeseitigung zu gehen.

Sehe ich ähnlich. Aber reine Symptombekämpfung ist es nicht. Im Moment geht aufgrund der Laufzeiten TrDstGericht der Trend zu "Erstmal einfach disziplinieren". Die Laufzeiten bis die Einleitungsbehörde Fahrt aufnimmt sind ja teilweise schon bei Monaten. Mit schärferen einfachen D'Maßnahmen kann ich u.U. bereits der Einleitungsbehörde etwas den Wind aus den Segeln nehmen.

Zitat
Auch wenn mir zugegebenermaßen jeglicher Einblick in diesen Bereich fehlt, um die offensichtlich strukturellen Probleme zu beurteilen.
Wie hat das denn früher funktioniert, als man noch Wehrpflicht, deutlich mehr Soldaten und damit maßgeblich auch deutlich mehr schwere - für das Truppendienstgericht maßgebliche - Verfehlungen hatte?

Bei dem Wandel der Strukturen im Bereich der TrDstGerichte verfüge ich auch über keine Infos. Allerdings sieht man alleine daran, wer was bearbeitet, dass sich ganz wenige Stellen um ganz viele Angelegenheiten kümmern. Bei den WDA sieht man aber deutlich, dass entweder zuviel Vakanz oder eine zu hohe und zu schnelle Personalfluktuation herrscht, welche sich m.M.n. negativ auf Laufzeiten und Beratungskonstanz auswirken.

Zitat
Wer sah denn in Vergangenheit ein Mangel, gerade bei der „fristlose Entlassung“

Ich sehe da schon einen Mangel. Könnte Ihnen da X-Beispiele aufführen. Alleine schon die vielen Fälle, die sich durch Verschleppung ins 5.Jahr gerettet haben. Und die meisten "Dicken Dinger" passieren nunmal in den ersten Jahren.
 
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Andi8111

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Die konsequente Anwendung des Absatzes 4 würde da schon helfen. Das sehe ich den größten Mangel.
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tank1911

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Da gehe ich voll mit. Aber auch hier ist mittlerweile ein positiver Trend zu erkennen, zumal dies sogar von Seiten der Personalführung manchmal schon "nahegelegt" wird.
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LwPersFw

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Zitat
Solange das Verfahren läuft und nicht abgeschlossen ist, können die betroffenen Soldatinnen und Soldaten nämlich beispielsweise nicht an Aus- oder Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen.

Das wurde doch schon erkannt und die Vorschriften angepasst...  ???

Während der Ermittlungen der Disziplinarvorgesetzten, disziplinarer Vorermittlungen gemäß § 92 WDO, eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens 
oder eines strafrechtlichen Ermittlungs- oder Gerichtsverfahrens sollen die Betroffenen nicht gefördert werden. 

Davon ausgenommen ist die Teilnahme an Laufbahnlehrgängen sowie Ausbildungen und Lehrgänge im jeweiligen Regelausbildungsgang. 

Darüber hinausgehende Ausnahmen sind nur in Härtefällen vertretbar.
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aktiver Berufssoldat im Bereich Personalwesen

Löwe von Eutin

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"Ungerecht und unverhältnismäßig: Neuer Gesetzentwurf stellt Soldaten schlechter

Berlin. Das ist kein guter Tag für die Bundeswehr! Heute hat das Kabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, der wesentliche Vorschriften im Soldatenrecht ändert – und zwar zum Nachteil der Soldatinnen und Soldaten. Das geschah in dem Wissen, dass der DBwV die Veränderungen aus guten Gründen ablehnt. Und es geschah mit Begründungen, die nachweislich an der Sache vorbeigehen. „Kurzer Prozess mit Rechtsextremen“ schreibt der „Spiegel“ und zitiert Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer mit der Aussage, die Änderungen würden eine „schnellere und angemessene Reaktion“ gegenüber Extremisten in der Bundeswehr ermöglichen.

Tatsache ist aber: Keiner der spektakulären Fälle von Rechtsextremismus oder Kinderpornografie seit 2017 wäre unter die neuen Regelungen gefallen, Franco A. ebenso wenig wie Philipp Sch., der jüngst verhaftete Waffensammler vom KSK. Das neue Gesetz ist kein Werkzeug gegen Nazis, Reichsbürger, sexuelle Umtriebe oder Mobbing – es geht an der Sache vorbei und stellt Soldatinnen und Soldaten ohne Not schlechter.

Aber im Einzelnen. Zeitsoldaten, die ihre Dienstpflichten schuldhaft verletzen, sollen in Zukunft in besonders schweren Fällen innerhalb der ersten acht Jahre fristlos entlassen werden können, ohne viel Federlesens per Verwaltungsakt. Bislang geht das nur in den ersten vier Jahren, danach kann das Dienstverhältnis nur durch eine strafrechtliche Verurteilung oder im Rahmen eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens beendet werden. Mit dieser Änderung des Paragraphen 55 Absatz 5 sollen die regelmäßig mehrjährigen Verfahren vermieden werden.
 
Die Wehrdisziplinarordnung soll so geändert werden, dass einfache Disziplinarmaßnahmen auch noch nach 12 Monaten verhängt werden können. Derzeit beträgt die Verhängungsfrist sechs Monate. Außerdem wird die Obergrenze für Disziplinarbußen verdoppelt – von einem auf zwei Monatsbezüge.

Was kann man dagegen haben? Niemand – und ganz sicher nicht der DBwV - will Verfassungsfeinde, Rassisten oder Antisemiten schonen, wir alle verdammen Misshandlung Untergebener, Mobbing, sexuellen Missbrauch und Kinderpornografie. Die Verfolgung, Bestrafung und gegebenenfalls Entfernung solcher Menschen ist selbstverständlich auch unser Anliegen. Wir glauben allerdings: Soldatengesetz und WDO bieten schon heute ausreichend Möglichkeiten, schwerem Fehlverhalten angemessen und auch angemessen hart zu begegnen. Über vier Jahre ist bei allen die fristlose Entlassung möglich, darüber hinaus kann allen schon am Tag der Pflichtverletzung die Dienstausübung verboten werden (§ 22 SG), und mit der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens (mit dem Ziel der Entfernung) kann jeder Soldat vorläufig des Dienstes enthoben werden (bei bis zu 50-prozentiger Bezügekürzung).

Blanker Populismus

Wenn jetzt die Entlassungsmöglichkeiten erweitert werden, geht es weniger darum, Verfahren zu verkürzen als vielmehr darum, sie ganz zu vermeiden. Weder rechtfertigen die Zahlen entsprechender Verfehlungen in der Bundeswehr eine derart drastische Maßnahme, noch gibt es eine andere Berufsgruppe, sie sich faktisch einer achtjährigen „Probezeit“ unterwerfen muss. Zudem scheint es ausgesprochen unwahrscheinlich, dass beispielsweise ein Verfassungsfeind seine Gesinnung vier Jahre lang verbirgt, um dann erst auffällig zu werden. Hier gilt es, rechtzeitig und genau hinzuschauen.

Wer allerdings die Dauer gerichtlicher Disziplinarverfahren verringern will, der hat die volle Unterstützung des DBwV. Wir empfehlen dazu, die notwendige Personalausstattung bei den Wehrdisziplinaranwaltschaften und ggf. den Truppendienstgerichten zu schaffen und ggf. die Verfahrensordnungen zu entschlacken.

Unterm Strich: Aus der Sicht des DBwV ist das Gesetz blanker Populismus. Es erfüllt keinen greifbaren Zweck, verschlechtert dafür aber die dienstlichen Rahmenbedingungen erheblich. Der DBwV hat deshalb von den ersten Überlegungen an massiven Widerstand gegen das Vorhaben geleistet und wird das auch weiter tun. Aber wir erkennen an: Dass der Anspruch auf unentgeltliches Bahnfahren in Uniform ins Soldatengesetz aufgenommen werden soll und diese Leistung dauerhaft steuerfrei bleiben soll, das findet natürlich unsere ausdrückliche Zustimmung."

-Jan Meyer (Pressesprecher und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des DBwV) 03.06.2020

https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/politik-verband/beitrag/news/ungerecht-und-unverhaeltnismaessig-neuer-gesetzentwurf-stellt-soldaten-schlechter/
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tank1911

  • Gast

Ich schätze den DBwV und meine Mitgliedschaft, aber hier klingt zumindest teilweise ein "Mimimi, wir sind nicht gehört worden" durch. Populistisch an dem Gesetzesentwurf ist höchstens die Tatsache, dass man dessen erhoffte Wirkung mit der aktuellen Extremismusdiskussion verknüpft.

Zitat
Heute hat das Kabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, der wesentliche Vorschriften im Soldatenrecht ändert – und zwar zum Nachteil der Soldatinnen und Soldaten.

Es muss heißen "und zwar zum Nachteil der Soldatinnen und Soldaten, die ihre Dienstpflichten schuldhaft verletzen" Und das ist gut so.

Zitat
Tatsache ist aber: Keiner der spektakulären Fälle von Rechtsextremismus oder Kinderpornografie seit 2017 wäre unter die neuen Regelungen gefallen, Franco A. ebenso wenig wie Philipp Sch., der jüngst verhaftete Waffensammler vom KSK. Das neue Gesetz ist kein Werkzeug gegen Nazis, Reichsbürger, sexuelle Umtriebe oder Mobbing – es geht an der Sache vorbei und stellt Soldatinnen und Soldaten ohne Not schlechter.

Den Beispielen stimme ich zu, der Pauschalisierung "kein Werkzeug gegen Nazis, Reichsbürger, sexuelle Umtriebe oder Mobbing" jedoch nicht. Das wird die Zukunft sicherlich zeigen.

Zitat
Wenn jetzt die Entlassungsmöglichkeiten erweitert werden, geht es weniger darum, Verfahren zu verkürzen als vielmehr darum, sie ganz zu vermeiden.

Wenn ich viele Verfahre ganz vermeide, verkürze ich dann nicht die Laufzeit anderer Verfahren automatisch?

Ferner ensteht in dem Text auch der Eindruck von Willkür bzgl. der Entlassung. Vllt. mal ein Eindruck aus der Praxis dagegen:

Soldat X hat seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt und befindet sich in den ersten 4 Dienstjahren. Der DV prüft dann:

1. Reicht eine einfache Disziplinarmaßnahme aus, um die Pflichtverletzung gebührend zu sanktionieren? Wenn ja, dann wird das durchgezogen und gut ist.
2. Wenn nein, liegt ein Fall für die Einleitungsbehörde vor? Wenn ja, Abgabe, diese prüft dann, Einleitung truppendienstgerichtliches Verfahren oder ausdrücklicher Hinweis.
3. Ansonsten prüft der DV und/oder die WDA: "Wird das Verbleiben des Soldaten in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden?" (§55 (5) SG). Ggf wird dann ein Antrag auf Entlassung an die zuständige Stelle im BAPersBw gestellt. Von dem Antrag abgesehen, kann dies auch durch BAPersBw selbst erfolgen.
4. Soll der Soldat entlassen werden, wird ihm die beabsichtigte Entlassung eröffnet. Anhörung, Einverstanden ja/nein, Anhörung VP etc etc. Der Antrag wird durch zuständige Juristen im BAPersBw geprüft.
5. Bei positivem Entscheid wird der Soldat fristlos entlassen. Bis das soweit ist, wurde er durch den DV schon darauf vorbereitet, zum Sozialdienst geschickt etc.
6. Die Laufzeit bis zu einer Entlassung beträgt erfahrungsgemäß durchschnittlich 2 Monate.
7. Die Entlassung ist von der sonstigen Führung des Soldaten abhängig, dazu nehmen der DV und der nächsthörere DV Stellung.
8. Beispiele zur Einordnung:  Der einmalige Konsum von BTM führt i.d.R. nicht zur Entlassung, eher zum ausdrücklichen Hinweis. Unerlaubte Abwesenheiten auch nicht, Eigenmächtige Abwesenheiten (bei Wiederholung) schon. Bei "extremistischer" Auffälligkeit wird in der Regel kurzer Prozess gemacht.
9. Es gibt viele verschiedene Verfehlungen die in den ersten vier Jahren auftreten, aber nicht zur Entlassung führen. Einige davon werden kurz nach Überschreiten der vier Jahre erneut auffällig, hier wäre dann eine Entlassung geboten, was derzeit aber nicht mehr möglich ist.
10. Zusammengefasst ist die fristlosse Entlassung also kein willkürliches Instrument, was nach Gutdünken Anwendung findet, sondern ein scharfes Schwert, dass bedächtig durch mehrere Arme geschwungen wird.

Zitat
Weder rechtfertigen die Zahlen entsprechender Verfehlungen in der Bundeswehr eine derart drastische Maßnahme, noch gibt es eine andere Berufsgruppe, sie sich faktisch einer achtjährigen „Probezeit“ unterwerfen muss. Zudem scheint es ausgesprochen unwahrscheinlich, dass beispielsweise ein Verfassungsfeind seine Gesinnung vier Jahre lang verbirgt, um dann erst auffällig zu werden. Hier gilt es, rechtzeitig und genau hinzuschauen.

Nein, Daimler, Lidl und die AOK haben keine 8 Jahre Probezeit, die interessiert es aber auch nicht, wenn deren Mitarbeiter beispielsweise abends Hasch rauchen und bei Verfehlungen die das Arbeitsverhältnis tangieren, ist dort eine Entlassung immernoch deutlich einfacher. Und wenn "Hier gilt es, rechtzeitig und genau hinzuschauen." nicht ein populistischer, völlig politisch-typischer Allgemeinplatz ist, dann weiß ich auch nicht.

Zitat
Wir empfehlen dazu, die notwendige Personalausstattung bei den Wehrdisziplinaranwaltschaften und ggf. den Truppendienstgerichten zu schaffen und ggf. die Verfahrensordnungen zu entschlacken.

+1

Zitat
Es erfüllt keinen greifbaren Zweck, verschlechtert dafür aber die dienstlichen Rahmenbedingungen erheblich.

Eine Verschlechterung der dienstlichen Rahmenbedingungen sehe ich nicht. Alle Soldaten, die ihre Dienstpflichten ernst nehmen, haben weiter nichts zu befürchten. Zu dem greifbaren Zweck. Wer zu heutigen Zeiten das Vergnügen hat, als DV zu dienen, der sieht auf Anhieb einen greifbaren Zweck. Erste Gespräche mit den DV und nächsthören DV darüber, sprechen da eine gemeinsame deutliche Sprache. Wir erleben einen Wandel der Gesellschaft, der militärische Erziehung zu einem Wandel zwingt. Innere Führung, koopererative Menschenführung und dergleichen, rücken zum Glück in den Vordergrund, dem gegenüber stehen aber auch weniger konservative Erziehung, geringerer allgemeiner Leistungsdruck und Bedeutungsverlust von Werten und Normen. Das spürt man im Dienstbetrieb, gerade was den Nachwuchs angeht. Die nächsten DV merken, dass im Dreiklang Führung, Erziehung und Ausbildung, der Aspekt Erziehung leider wieder mehr in den Fokus rückt. Um dem zu begegnen, sind die beschlossenen Maßnahmen sicher nicht alleine zweckmäßig, aber ein guter Schritt in die richtige Richtung.

Ich kann mich noch an den Aufschrei erinnern, als es unter UVdl hieß, wir schwächen die WDO ab und beschneiden die DV in ihren Kompetenzen. Gut, dass es jetzt anders kommt.
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F_K

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Antw:Gesetz zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften (Entwurf)
« Antwort #10 am: 04. Juni 2020, 08:06:26 »

Die fristlose oder fristgerechte Kündigung bei Arbeitnehmern gilt während der GESAMTEN Laufzeit des zivilen Arbeitsvertrages, nicht nur während der Probezeit.

Insoweit ist diese Einlassung des DBwV sachlich (wohl bewusst) falsch und (bewusst) irreführend.

Zusätzlich zu den mehreren Akteuren kommt bei fristloser Entlassung von Soldaten ja der in einem Rechtsstaat übliche ggf. mehrstufige Gerichtsweg dazu.

Zusätzlich sollte mMn aber auch die Rechtspflege in der BW gestärkt werden, also:

- WDA Stellen dauerhaft besetzten ggf. erhöhen
- Bandbreite der Truppendienstgerichte erhöhen, um Durchlaufzeiten von Verfahren abzukürzen
- DV entlasten, ggf. zusätzlich schulen, damit diese mehr ihrem Erziehungsauftrag nachkommen können
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Andi

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Antw:Gesetz zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften (Entwurf)
« Antwort #11 am: 04. Juni 2020, 18:59:28 »

Grundsätzlich begrüße ich es, den DV wieder mehr Verantwortung zuzugestehen. Aber die Argumentation hinkt für mich in diesem Fall ein wenig. Wenn die Truppendienstgerichte so überlastet sind, wäre es meiner Meinung nach angeraten, genau dort anzusetzen und die Überlastung abzubauen. So scheint es mir eher um Symptombekämpfung statt der Ursachenbeseitigung zu gehen.

Die Gesetzesänderung ist da tatsächlich "Symptombekämpfung", aber nicht aus bösem Willen, sondern weil sich strukturelle Änderungen als nicht realistisch möglich erwiesen haben.

Das Problem ist im Zuge der Strukturreform von 2010 entstanden - an sich mit Ansage, aber so weit hat wohl niemand gedacht - in der man ja den weniger brillianten Schritt getan hat die neuen Strukturen von "oben nach unten" aufzubauen. Also erst die neue Führungsstruktur schaffen und dann irgendwann Unterstellungswechsel, Neuaufbau, Aufgabenübernahme. Was erst mal lässig klingt geht aber schlicht nicht, weil das Personal für die neue Struktur ja aus der alten Struktur herausgeschwitzt werden musste. Effektiv hatte man dann also über ein, zwei Jahre z.B. nicht mehr handlungsfähige WBK und gleichzeitig personell nicht für die neuen Aufgaben aufgestellte Landeskommandos (das Personal war ja noch auf den alten Dienstposten).
Aber das nur als Hintergrund, denn im Zuge dieses Vorgehens wurde von einem Tag auf den anderen auch die Anzahl der (aktiven) Kammern an den Truppendienstgerichten und auch die Anzahl der Wehrdisziplinaranwälte spürbar reduziert - natürlich entsprechend der neuen Struktur (also auch weniger Juristendienstposten, ergo weniger Einstellungen). Logischer Weise stammten zu diesem Zeitpunkt aber alle Verfahren aus der alten Struktur (damalige Laufzeit eines Verfahrens war so im Schnitt ein bis anderthalb Jahre) und endeten nicht plötzlich an einem Stichtag, nur weil die Bundeswehr strukturell umgebaut wurde. Weiterhin wurde die Bundeswehr zwar um mehrere 10.000 Soldaten verkleinert, aber die Masse davon war durch den Wegfall des Grundwehrdienstes begründet. Die Anzahl der SaZ und BS, also derjenigen, die vor einem Truppendienstgericht landen können war relativ konstant und sank im Verhältnis kaum.
In der Konsequenz wurde mit einem Schlag - neben einem lustigen Zuständigkeitswechselbingo durch neue Kommandobehörden - die Kapazität der Truppendienstgerichte und Wehrdisziplinaranwaltschaften spürbar gesenkt. Nichtbesetzung von Dienstposten im Rechtswesen führten weiter zu Einschränkungen, die zu in Teilen völlig unhaltbaren zuständen durch nicht mehr zu vertretende Verfahrensdauern führten. Die genannten zweieinhalb Jahre sind ja das Mittel. Ich selbst habe Fälle erlebt mit Laufzeiten von über 5 Jahren bei absolut eindeutigen Sachverhalten - und das sind eben keine "Einzelfälle" mehr, sonden normal. Das führt nicht nur den Zweck von WDO und Disziplinierung ad absurdum, es ist ein für die betroffenen Beschuldigten belastender und unhaltbarer Zustand.

Nachdem des Rechtswesen dieses entstehende Chaos mehrere Jahre mit ansehen musste, hat man dann versucht die nicht besetzten Kammern zu aktivieren, um den Überhang langsam abzuarbeiten. Nur - man greife einem nackten Mann in die Taschen - musste man dann feststellen - was man schon wusste -, dass die Bundeswehr nicht genug Juristen einstellen kann und man somit nur mehr Dienstposten für Juristen hat, die man eh nicht besetzen kann.


Für mich ist die Gesetzesänderung der erste Beweis dafür, dass der öffentliche Dienst den Kampf um qualifiziertes Personal verliert und er insbesondere für Juristen gänzlich unattraktiv geworden ist.

Die Stärkung der Disziplinarvorgesetzten ist m.E. genau vor diesem Hintergrund zu sehen und bekommt insbesondere vor angesichts der Überlegung vdL vor drei Jahren, das Disziplinarrecht in der jetzigen Form abzuschaffen und ausschließlich Juristen zu überlassen, einen ziemlich üblen Nachgeschmack.

Zusätzlich zu den mehreren Akteuren kommt bei fristloser Entlassung von Soldaten ja der in einem Rechtsstaat übliche ggf. mehrstufige Gerichtsweg dazu.

Also ein Rechtsweg steht zwar grundsätzlich jedem fristlos entlassenen Soldaten offen, aber der Normalfall ist er natürlich nicht, denn der Soldat muss ihn ja aktiv beschreiten. An einer Entlassung nach §55 (4) und (5) SG ist kein Richter beteiligt!

Zusätzlich sollte mMn aber auch die Rechtspflege in der BW gestärkt werden, also:

- WDA Stellen dauerhaft besetzten ggf. erhöhen
- Bandbreite der Truppendienstgerichte erhöhen, um Durchlaufzeiten von Verfahren abzukürzen
- DV entlasten, ggf. zusätzlich schulen, damit diese mehr ihrem Erziehungsauftrag nachkommen können

Der Zug ist abgefahren und wird auf absehbare Zeit mangels interessierten Juristen nicht mehr in Sicht kommen.

Gruß Andi
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Antw:Gesetz zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften (Entwurf)
« Antwort #12 am: 04. Juni 2020, 19:38:50 »

@ Andi:

An einer fristlosen Kündigung eines AN ist auch kein Richter beteiligt - auch hier muss der AN tätig werden.

" nicht so gute" Juristen gibt es schon auf dem Arbeitsmarkt - die freuen sich auch über A9.
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Andi8111

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Antw:Gesetz zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften (Entwurf)
« Antwort #13 am: 04. Juni 2020, 19:47:04 »

" nicht so gute" Juristen gibt es schon auf dem Arbeitsmarkt - die freuen sich auch über A9.
Sofern ein Jurist ein zweites Staatsexamen gemacht hat und bestanden hat, wird er mit A13 eingestellt.
Egal wie "schlecht" er abgeschnitten hat, solange er bestanden hat, hat er die formale Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst.
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Antw:Gesetz zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften (Entwurf)
« Antwort #14 am: 04. Juni 2020, 20:13:02 »

@ Andi8111:

Schon klar - und für A13 bekommt man schon einem mittelprächtigen Juristen - ich kenne genug, die sich über A9 / A10 freuen ..
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