Was ist durch das BAPersBw zu beachten wenn
beide Eheleute
Soldat/in sind und
eine/r versetzt werden soll... ?
BVerwG 1 W-VR 23.22 , Beschluss vom 12.01.2023
https://www.bverwg.de/de/120123B1WVR23.22.0"
Leitsatz:Werden gegen eine Versetzung persönliche Belange geltend gemacht, die - wie die gemeinsame Betreuung von in häuslicher
Gemeinschaft lebenden Kindern - eine gesamte familiäre Situation betreffen,
und sind
beide Elternteile Soldaten, so gebietet
der Schutz von Ehe und Familie, dass unter dem Blickwinkel der
Fürsorgepflicht nicht nur die Belange des von der
Personalmaßnahme Betroffenen,
sondern auch die Belange von dessen Ehepartner
in die Ermessensausübung eingestellt werden."
Auszüge:
"26 Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz
hat Erfolg.
28 2. Der Antrag ist
auch begründet.
30 Bei summarischer Prüfung bestehen gegen die Versetzungsverfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 25. April 2022
durchgreifende rechtliche Bedenken.
43 bb) Der Antragsteller kann sich nach summarischer Prüfung jedoch auf das Vorliegen eines schwerwiegenden persönlichen Grundes berufen.
44 Gemäß Nr. 206 AR A-1420/37 kann von einer Versetzung abgesehen werden, wenn schwerwiegende persönliche Gründe vorliegen und vorrangige dienstliche Belange nicht entgegenstehen.
Nach Nr. 207 Buchst. d AR A-1420/37 kann ein schwerwiegender persönlicher Grund darin liegen, dass durch eine Versetzung wegen der Eigenart des Dienstes die Betreuung eines mit dem
Soldaten in häuslicher Gemeinschaft lebenden Kindes unter 14 Jahren nicht sichergestellt werden kann, weil weitere Betreuungspersonen nicht zur Verfügung stehen.
45 Derzeit leben zwei Kinder unter 14 Jahren (4 und 12 Jahre) sowie ein weiteres Kind im Alter von 14 Jahren im Haushalt des Antragstellers und seiner Frau und werden von diesen gemeinsam betreut.
Die Ehefrau des Antragstellers ist ebenfalls Soldatin am Standort ... Sie befindet sich aktuell im Bereich ... in Ausbildung. Nach dem Vortrag des Antragstellers verlasse sie die Wohnung um 05:45 Uhr
und kehre am Nachmittag gegen 17:30 Uhr zurück; bei einer Spätschicht erfolge die Rückkehr erst um 23:30 Uhr. Der Antragsteller macht geltend, dass eine Betreuung der Kinder durch ihn als Tages-
oder Wochenendpendler nicht mehr möglich wäre. Im Falle seiner Versetzung wäre seine Ehefrau gezwungen, aus dem mit ihrer derzeitigen Verwendung verbundenen Schichtdienst auszuscheiden oder
ihre wöchentliche Arbeitszeit zu reduzieren. Durch die in Aussicht gestellte teilweise Telearbeit wird die Betreuungsproblematik nur gemindert, aber nicht gelöst. Ein Umzug der gesamten Familie nach ...
vereitle die weitere Ausbildung und Verwendung der Ehefrau in der ... am Standort ...; in Bezug auf die Kinder werde von dem Wohnortwechsel durch die Kinderärztin abgeraten.
46 Werden für die Begründung eines schwerwiegenden persönlichen Grundes persönliche Belange geltend gemacht, die - wie hier die gemeinsame Betreuung der Kinder durch den Antragsteller und seine
Ehefrau - eine gesamte familiäre Situation betreffen, und sind beide Elternteile Soldaten, so gebietet es der Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG), dass unter dem Blickwinkel der Fürsorgepflicht
des Dienstherrn und der Vorgesetzten (§ 10 Abs. 3, § 31 SG) nicht nur die Belange des von der Personalmaßnahme Betroffenen (hier des Antragstellers), sondern gleichzeitig und gleichermaßen auch die
Belange von dessen Ehepartner in die Bewertung und Abwägung eingestellt werden. Die Frage, wie die negativen Rückwirkungen der Versetzung des Antragstellers nach ... aufgefangen werden, ist zwar
vorrangig, aber
in dieser Konstellation nicht alleine eine innerfamiliäre Privatangelegenheit. Denn die Bedingungen, unter denen die Ehefrau des Antragstellers Dienst leistet (Standortgebundenheit, noch
laufende Ausbildung, Schichtbetrieb),
sind von demselben Dienstherrn gesetzt, der auch die Verwendung des Antragstellers steuert. Wird infolge der Versetzung des Antragstellers die Ausbildung oder
weitere Verwendung der Ehefrau am Standort gefährdet oder die Ehefrau gezwungen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder aus dem verwendungstypischen Schichtbetrieb oder der Verwendung in der ...
überhaupt auszuscheiden, so fällt dies
nicht allein, wie das Bundesministerium der Verteidigung meint, in die Risikosphäre des Antragstellers oder seiner Familie,
sondern unterliegt auch der
Folgenverantwortung und Fürsorgepflicht des Dienstherrn der Soldatin.47 Bei der Bewertung eines schwerwiegenden persönlichen Grundes sind deshalb
in Fällen wie dem vorliegenden die Folgen für den Antragsteller
und dessen Ehefrau
ganzheitlich zu betrachten und insgesamt
in die Abwägung der persönlichen mit den entgegenstehenden dienstlichen Belangen einzustellen. Dies wird in der Regel bedeuten, dass die zuständige personalbearbeitende Stelle des Antragstellers auch
die personalbearbeitende Stelle seiner Ehefrau in die Entscheidungsfindung
einbezieht.
48 Aus den vorliegenden Akten und dem Vortrag des Bundesministeriums der Verteidigung ist
nicht erkennbar, dass die Rückwirkungen der Versetzung des Antragstellers auf die künftigen dienstlichen
Verhältnisse der Ehefrau und die auch ihr gegenüber bestehende Fürsorgepflicht in der dargelegten Form in die Bewertung eingeflossen sind. Die der Versetzung zugrunde liegende Ermessensausübung
stellt sich deshalb insoweit
als fehlerhaft dar.
49cc) Ob sich auch aus der gesundheitlichen Situation des Antragstellers ein schwerwiegender persönlicher Grund nach Nr. 207 Buchst. a AR A-1420/37 ergibt und ob die Schutzvorschriften für
schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte (Nr. 217 AR A-1420/37) Personen auf den Antragsteller anzuwenden sind und ggf. beachtet wurden, bedarf aber an dieser Stelle nach dem
oben Ausgeführten auch keiner Entscheidung mehr."
Zum Vorgang gehört das folgende Verfahren
BVerwG 1 WB 20.23 , Beschluss vom 24.07.2024
https://www.bverwg.de/de/240724B1WB20.23.0Auszug:
"11 Als
offen einzuschätzen ist zum anderen auch die Frage der Sicherstellung der Kinderbetreuung.
Die verschiedenen Arbeitszeitmodelle und Optionen der Arbeitszeitgestaltung, die eine Aufteilung der Kinderbetreuung
zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau ermöglichen sollen,
werden in ihrer Praktikabilität von den Beteiligten mit jeweils plausiblen Gründen kontrovers bewertet. Auch insoweit wäre für eine tragfähige Beurteilung durch das Gericht
eine weitere Sachverhaltsaufklärung
erforderlich, die für die Entscheidung nach dem "bisherigen Sach- und Streitstand"
(§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO) jedoch nicht mehr stattfindet
(vgl. Schübel-Pfister, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2022, § 161 Rn. 15 m. w. N.)."