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Autor Thema: hib-Meldung 174/2014 vom 2. April 2014  (Gelesen 1892 mal)

StOPfr

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hib-Meldung 174/2014 vom 2. April 2014
« am: 02. April 2014, 18:24:39 »

Gemischte Zwischenbilanz zu ISAF
 
Auswärtiger Ausschuss - 02.04.2014

Berlin: (hib/AHE) Wenige Tage vor der afghanischen Präsidentschaftswahl haben Experten am Mittwoch in einer Anhörung des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag eine gemischte Zwischenbilanz nach zwölf Jahren der Präsenz internationaler Truppen am Hindukusch gezogen: Von einem „verlorenen Krieg“ bis zur einer „positiven Bilanz der Entwicklung“ zumindest einiger Landesteile reichten die Einschätzungen der Gäste, die ihren Blick nicht nur auf Fehleinschätzungen, etwaige Misserfolge und mögliche Erfolge des ISAF-Einsatzes seit 2001 richteten, sondern auch auf die Perspektiven des Landes nach dem geplanten Truppenabzug bis Ende 2014.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), bezeichnete zum Auftakt der Anhörung 2014 als „Schlüsseljahr“ für Afghanistan: Das Land sei zwar „stabiler, aber nicht stabil“ geworden und bedürfe auch weiterhin der Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft. Ein Erfolg des Afghanistan-Einsatzes sei deshalb nicht heute messbar, sondern werde erst auf Jahre hinaus daran zu messen sein, ob eine Stabilisierung des Landes mit der „Befähigung zur Eigenverantwortung“ gelinge.

Der Sachverständige Otto Jäckel nannte die Übernahme der Sicherheitsverantwortung durch afghanische Kräfte - und damit perspektivisch eine Rückkehr zu staatlicher Souveränität einen „prinzipiell richtigen Weg“. Allerdings seien die Erfolgsaussichten fraglich: Das von der internationalen Gemeinschaft etablierte Regierungssystem leide unter „schweren, strukturellen Mängeln“. Das bisherige „Regime“ unter Präsident Hamid Karzai stehe für Inneffektivität, „Überzentralisierung“ und Korruption, es lähme die „subnationale Ebene“ und marginalisiere das Parlament. Vor allem aber werde es - genauso wie die aussichtsreichsten Kandidaten als Nachfolger Karzais - als „einseitige Interessenwahrnehmung der ehemaligen Nordallianz“ wahrgenommen, was einem Versöhnungsprozess in Afghanistan im Wege stehe. Die internationale Staatengemeinschaft habe von Anfang an den Fehler gemacht, auf Warlords mit ihren Truppen zu setzen, statt diese zu entwaffnen und eine allgemeine Wehrpflicht einzuführen. Zu einem Versöhnungsprozess gehöre zudem, Gesprächsangebote auch der Taliban wahrzunehmen und diese einzubinden, sagte Jäckel.

Jan Köhler vom Sonderforschungsbereich „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“ am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin warnte indes davor, „die Chance auf die Entwicklung einer legitimen Ordnung nach Wahl schon jetzt abzuschreiben“. Es sei - unterschiedlich ausgeprägt in den Regionen - manches erreicht worden bei staatlichen Basisleistungen wie Grundbildung, Gesundheit, Zugang zu Trinkwasser und Energie. Dort wo der Staat auf lokaler Ebene mit solchen Angeboten besser funktioniere als andere Kräfte, könne er auch von einer „Legitimationsdividende“ profitieren. Entscheidend sei, ob das bisher Erreichte auch nach Abzug der internationalen Truppen bewahrt werden könne.

„Mehr Realismus statt Zweckoptimismus“ fordert Thomas Ruttig vom „Afghanistan Analysts Network“ in Kabul. Große Teile der afghanischen Bevölkerung hätten sich von einer Mission abgewendet, die sie anfangs noch unterstützt hätten. Wichtige politische Weichenstellungen hätten seit 2001 in die falsche Richtung gewiesen, darunter etwa der Verzicht auf die Wehrpflicht als Instrument des „Nation-building“ oder die Einführung eines Präsidialsystems mit seiner starken Machtzentrierung. Zwar blieben nach mehr als zwölf Jahren ISAF „Freiheitserfahrungen“ und „Bildungsfortschritte“, aber die Grundbildung bleibe in der Breite nach wie vor unzureichend, gute Bildungsangebote seien hingegen teuer und nur für einen kleinen Teil der Afghanen überhaupt erreichbar. Auch Fortschritte beim Aufbau der Wirtschaft blieben fraglich, solange diese nicht beim Großteil der Bevölkerung ankommen würden. Afghanistan sei immer noch eines der ärmsten Länder: Rund ein Drittel der Bevölkerung lebe in Armut, etwa die Hälfte der Kinder seien unter- und mangelernährt, argumentierte Ruttig.

Mehr Realismus forderte auch der Publizist und langjährige Auslandskorrespondent Peter Scholl-Latour. Bei den anstehenden Wahlen würde weiterhin vor allem nach Clan-Zugehörigkeit abgestimmt: „Wir können die Leute nicht in unsere Schablonen pressen“, sagte Scholl-Latour. Zu einer Bestandsaufnahmen gehöre zudem das Eingeständnis, dass der Krieg in Afghanistan verloren und das Konzept des „Nation-building“ gescheitert sei. Scholl-Latour lenkte zudem den Blick auf Russland, das in der Betrachtung Afghanistans zu kurz komme. Ein zerfallendes oder im Bürgerkrieg versinkendes Afghanistan würde das gesamte Gefüge im postsowjetischen asiatischen Raum ins Wanken bringen: „Russland ist der eigentlich Bedrohte.“

Den pessimistischen Einschätzungen setzte Adrienne Woltersdorf von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kabul eine Reihe von aus ihrer Sicht positiven Entwicklungen entgegen. Trotz gegenteiliger Unkenrufe wählen die Afghanen am Wochenende eine neuen Präsidenten, und die Tatsache, dass einige der Kandidaten durchaus fragwürdig seien, werde auch in der afghanischen Zivilgesellschaft lautstark kritisiert. „Das ist ein Erfolg.“ Woltersdorf sprach zudem von einer „neuen Art der Kompromisskultur“. Es gehe es nicht mehr nur um das Prinzip „eine Ethnie gegen die andere“, die Kandidaten hätten sich mit ihren Vizekandidaten über die ethnischen Grenzen hinweg aufgestellt. Woltersdorf forderte zudem insbesondere mehr Engagement für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes: 65 Prozent der Bevölkerung seien unter 25 Jahre alt - und wenn diese keine Perspektiven sähen, nützen Fortschritte bei Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit wenig.

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Antw:hib-Meldung 174/2014 vom 2. April 2014
« Antwort #1 am: 03. April 2014, 08:11:45 »

Bei PSL bin ich mir mittlerweile nicht mehr sicher, wie viel Kontakt mit der Realität der alte Mann noch hat.  :-\

Was ist aus meinem einstmals bewunderten Lieblingsautor geworden?
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Antw:hib-Meldung 174/2014 vom 2. April 2014
« Antwort #2 am: 03. April 2014, 16:29:22 »

Aber seinen Satz: „Wir können die Leute nicht in unsere Schablonen pressen“ finde ich sehr gut. Den genau das machen sehr viele, habe ich den Eindruck.
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StOPfr

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Antw:hib-Meldung 174/2014 vom 2. April 2014
« Antwort #3 am: 03. April 2014, 17:16:13 »

Das würde ich unterstreichen, aber dafür ist die Aussage

Zitat
„Russland ist der eigentlich Bedrohte.“

fast schon ein wenig grenzwertig.
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schlammtreiber

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Antw:hib-Meldung 174/2014 vom 2. April 2014
« Antwort #4 am: 04. April 2014, 08:25:42 »

Aber seinen Satz: „Wir können die Leute nicht in unsere Schablonen pressen“ finde ich sehr gut. Den genau das machen sehr viele, habe ich den Eindruck.

Das ist eine Binsenweisheit, die immer so verwendet wird, wie es der eigenen Argumentation gerade zuträglich scheint.
Beispielsweise werfen Gegner des ISAF-Einsatzes der NATO seit Anfang an vor, die Afghanen "in westliche Schablonen pressen zu wollen", was Unfug ist, denn ISAF war von Anfang an klar, dass man in Afghanistan unter besonderen Bedingungen operieren würde, wenngleich in den ersten Jahren einiges an Erfahrung im Umgang mit den Einheimischen fehlte. Dieselben Kritiker legen dann aber westliche Schablonen als Maßstab an, um das "Scheitern" des Einsatzes zu "beweisen": die Frauen sind immer noch nicht 100% gleichberechtigt, der Lebensstandard ist immer noch katastrophal verglichen mit Westeuropa, man hat immer noch keine basisdemokratische Schweiz am Hindukusch errichtet, und es gibt immer noch lokale Machtstrukturen außerhalb des zentralstaatlichen Gewaltmonopols. Wagt es ISAF dann gar, außerhalb der europäischen Schablone zu agieren, z.B. durch notwendige Kooperation mit den landestypischen lokalen Machthabern, ist die Empörung groß weil diese unseren strengen ethischen Maßstäben nach westlicher Schablone als alles entscheidendem Maßstab nicht genügen  ;)

Ach ja, zu den "eingetroffenen Voraussagen" PSLs hier eine kleine Anekdote: in einem frühen TV-Bericht aus Kabul stand PSL auf einer Anhöhe mit Blick auf das frisch eingerichtete Camp Warehouse, und sagte mit Blick auf die Lage im Tal zwischen Bergen ein "zweites Dien Bien Phu" vorher. Wie damals die Viet Minh würden die Taliban dieses Camp von den umgebenden Anhöhen unter Trommelfeuer nehmen und überrennen, man käme da dann nicht mehr raus, das sei eine Todesfalle ohne Entkommen.

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TraderJoe

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Antw:hib-Meldung 174/2014 vom 2. April 2014
« Antwort #5 am: 04. April 2014, 10:33:58 »

Dieselben Kritiker legen dann aber westliche Schablonen als Maßstab an, um das "Scheitern" des Einsatzes zu "beweisen": die Frauen sind immer noch nicht 100% gleichberechtigt, der Lebensstandard ist immer noch katastrophal verglichen mit Westeuropa, man hat immer noch keine basisdemokratische Schweiz am Hindukusch errichtet

Das ist so ziemlich genau das, was ich sagen wollte.  :) 
Es werden bei der Bewertung von ISAF oft solche "westlichen Schablonen" angelegt. Dementsprechen schlecht fällt dann das Ergebnis aus.

PSLs Voraussage zum Camp Warehouse finde ich nicht unbedingt falsch, eher etwas übertrieben, aber durchaus nachvollziehbar.
Aber um das näher zu erörtern ist hier nicht der richtige Ort, denke ich. Außerdem will ich so früh nicht schon so viel tippen.  ;D
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schlammtreiber

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Antw:hib-Meldung 174/2014 vom 2. April 2014
« Antwort #6 am: 04. April 2014, 11:52:42 »

PSLs Voraussage zum Camp Warehouse finde ich nicht unbedingt falsch, eher etwas übertrieben, aber durchaus nachvollziehbar.

Der Punkt ist nicht, dass die Voraussage absolut nicht nachvollziehbar oder irrwitzig gewesen wäre... falsch ist sie trotzdem, da nicht eingetreten. Es geht aber darum, dass gerade PSL sich sehr gerne rühmt, alles mögliche ja schon lange vorausgesagt zu haben, aber dabei eine sehr selektive Wahrnehmung hat  ;)
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