Um so mehr fühle ich mich darin bestätigt, dass Teile der Offiziere ein Haltungsproblem haben.
Das mag ja auch so sein, aber das ist ja kein für sich allein stehendes Problem, denn bis zum Bundespräsidenten gibt es immer ein "darüber", das sich auf Haltung und Geist auswirkt. Und so oft, wie seit bestehen der Bundeswehr durch wechselnde politische Winde an den wichtigsten Stellen herumgedoktert wurde ist das ja auch kaum verwunderlich. Dazu kommt ja dann noch, dass seit 1991 quasi tagespolitisch und heuristisch darüber entschieden wird wofür die Bundeswehr eigentlich da ist ohne Konzept und vor allem ohne langfristige politische Agenda.
Dazu kommt, das eben viele Offiziere mittlerweile keinen soldatischen Auftrag mehr wahrnehmen, sondern ausschließlich Verwaltungsaufgaben - und hinter denen (oder später wieder in der Truppe hinter den gemachten Verwaltungserfahrungen) kann man sich durchaus auch vortrefflich verstecken. Letztlich ist es ja eine Binse, das in der deutschen Verwaltung Juristen immer wichtiger werden, von ihren internationalen Kollegen aber vor allem dadurch zu unterscheiden sind, dass sie nichts entscheiden und im Normalfall sagen dass etwas nicht geht und nicht, wie es gehen könnte. Das wirkt sich in mehreren Jahrzehnten selbstverständlich nachhaltig auf ein verwaltungsdominiertes Offizierkorps aus.
Früher galt ein Offizier mal ein Gentlemen, der sich auch eloquent ausdrücken konnte und nach langen Dienstjahren auch unbestreitbare Fachkenntnisse hatte.
Das könnte aber in Teilen auch eine verklärte Romantik resultierend aus eigenen Wahrnehmungen aus entfernterer Vergangenheit sein, wobei ich dir da natürlich grundsätzlich absolut recht gebe. Dieses Bild habe ich eigentlich auch. Nur hat es dienstlich kaum noch eine Relevanz, da es weder gefördert, noch gefordert wird - es fehlt die Zeit und für viele Vorgesetzte auch die gesehene Notwendigkeit.
Wobei ich weder die Fachkenntnisse in Abrede stelle (die haben sich eher deutlich gebessert), noch die Eloquenz. Aber der zwischenmenschliche Umgang und die Wertschätzung hat sich deutlich geändert - da kommen wir dann zum Thema Gentleman - und dies hat
auch etwas mit der von den unterschiedlichen Leitungen vorgelebten Führungskultur zu tun.
Heute scheint es sich tatsächlich - zumindest teilweise - um Proleten zu handeln, denen es selbst an rudimentären Kenntnissen mangelt und die statt ihre Arroganz ausleben und die Ministerin anpöbeln. Das finde ich sehr traurig.
Also zum einen: Schlammi ist kein Offizier und würde sich vermutlich deutlich gegen jeden diesbezüglichen Vorwurf verwehren.
Aber: Der Mangel an "rudimentären Kenntnissen" hat eher deutlich ab- als zugenommen in den letzten 30 Jahren - "damals" hat ein Offizier aber regelmäßig mal genau das gemacht, wofür er da ist: Entscheidungen treffen (und das eben auch ohne Sach-/Fachkenntnis). Heute wird da eher ausgesessen und die Verantwortung nach unten abgegeben. Wobei es natürlich durchaus schwierig ist sich was Fachkenntnisse angeht up-to-date zu halten, wenn der Dienstherr der Meinung ist alles nur noch online zu verstecken und sobald irgendwer irgendetwas online gestellt hat würden das dann auch "alle" sofort wissen.
Und was den Umgang mit der Ministerin angeht sehe ich das etwas ambivalenter.
1) Die Ministerin hat den Schauplatz der aktuellen Ereignisse - also die mediale Öffentlichkeit - selbst gewählt. Ohne Not, ohne das dies in dieser Form m.E. erforderlich oder zunächst zweckmäßig gewesen wäre. Dass das Feedback dementsprechend öffentlich kommt ist doch klar und ebenfalls auf ihre Wahl der Örtlichkeit zurückzuführen. Von daher erscheinen mir die doch sehr deutlichen Worte von Oberstleutnant Wüstner nicht als überraschend oder unangemessen.
2) Die Ministerin hat - als einzige Ressortchefin bundesweit - eine umfassende Fürsorgepflicht gegenüber jedem einzelnen der ihr anvertrauten Soldaten (das schließt übrigens auch einen mutmaßlichen schwerkriminellen Oberleutnant mit ein, solange er noch Soldat ist). Fürsorge umfasst selbstverständlich auch Kritik, auch das Einleiten und/oder rechtsstaatliche Durchführen von Disziplinar- und Strafverfahren und deutlichen Tadel bei Mängeln. Aber Fürsorge umfasst eben auch den Schutz derjeniger, die ihrer Treuepflicht jeden Tag auch unter Einsatz ihres Lebens nachkommen und den Schutz dieser Schutzbefohlenen vor falschen Verdächtigungen und übler Nachrede.
3) Soldaten und Dienstherr stehen in einem
gegenseitigen Treueverhältnis. Wenn also eine Verteidigungsministerin die alle Führungsebenen der Bundeswehr undifferenziert und unnötig
in der Öffentlichkeit angreift, dann greift sie für mich persönlich gefühlt damit nicht nur fast jeden Soldaten persönlich an, sie kündigt vielmehr gefühlt dieses Treueverhältnis durch einen eigentlich nicht mehr heilbaren Vertrauensbruch einseitig auf. Das ist das, was ich an Meinungen in meinem Umfeld mitbekomme.
Dass in den Medien gerade sehr aktiv ein völlig verzerrtes Bild von der Bundeswehr gezeichnet wird ist für mich unmittelbare Folge der Pressearbeit der Ministerin und das macht mich persönlich ziemlich traurig.
Kritik ist nicht das Problem - das ist Teil ihres Jobs - aber sie muss diejenigen treffen, die sie betrifft, sie muss lösungsorientiert sein, muss Lösungen anstoßen und ermöglichen und sie darf niemals den Eindruck erwecken (insbesondere in einem Wahljahr) ausschließlich durch persönlichen und/oder parteipolitischen Nutzen motiviert zu sein. Und in der Öffentlichkeit hat das so für mich persönlich absolut gar nichts zu suchen! Ich spreche mit meinen Leuten persönlich und nicht über das Mitteilungsblättchen der Gemeinde. Dass die Öffentlichkeit einen Informationsbedarf hat ist doch klar, aber so?
Gruß Andi