Quelle : deutschesheer.de vom 18.08.2017
"Kollabierte Soldaten – Suche nach Ursachen noch nicht abgeschlossen
Seit dem 30. Juli 2017 klärt eine Untersuchungsgruppe die Ursachen der Vorfälle vom 19. Juli in Munster auf. Diese Untersuchungsgruppe besteht aus einem zwölfköpfigen Kernteam, das unter anderem die Kompetenzen aus den Bereichen Ausbildung und Übung, Innere Führung, Truppenpsychologie, Sanitätsdienst und Recht im Kommando Heer abdeckt. Die Untersuchung ist umfangreich gefasst und spannt einen Bogen von der Prüfung der Weisungs-, Befehls- und Vorschriftenlage über Untersuchungen zu den Ausbildungsumständen und -methoden bis hin zu medizinischen Fachfragen.
Der zuständige Disziplinarvorgesetze ermittelt und führt Vernehmungen durch, um eine umfassende, in alle Richtung offene Aufklärung der Vorgänge sicherzustellen.
Die Untersuchungen ergeben folgendes Bild:
Neben der im Dienstplan angesetzten praktischen Ausbildung im Gelände mit dem anschließend vorgesehenen Eingewöhnungsmarsch war zuvor ein weiterer Marsch durchgeführt worden.
Dieser Hin- und Rückmarsch vom Ausbildungsort in die Kaserne und zurück war im Dienstplan nicht vorgesehen. Beide Märsche wurden von einem überwiegenden Teil der Soldatinnen und Soldaten des Ausbildungszuges sowie einigen Ausbildern absolviert, um vergessene, jedoch befohlene Ausrüstungsgegenstände in der Kaserne zu ergänzen.
Die betroffenen Offizieranwärter legten dabei eine Strecke von insgesamt rund 6,5 Kilometern, über kurze Strecken im Laufschritt, zurück.
Die bisherigen Untersuchungen ergaben, dass der verstorbene Offizieranwärter die ersten drei Kilometer zurücklegte und rund 250 Meter vor Erreichen des Unterkunftsgebäudes zusammenbrach. Er wurde in das Heideklinikum Soltau gebracht und anschließend in das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf verlegt, wo er am 29. Juli 2017 starb.
Drei weitere Offizieranwärter mussten im Rahmen des späteren, am Nachmittag durchgeführten Eingewöhnungsmarsches notfallmedizinisch behandelt werden.
Einer davon war nach 3,4 Kilometern nicht mehr marschfähig und musste per Rettungshubschrauber in ein Universitätsklinikum geflogen werden. Dieser wurde bereits aus der stationären Behandlung entlassen und befindet sich in einer Anschlussheilbehandlung.
Die anderen zwei Offizieranwärter mussten innerhalb der Kaserne, kurz vor Erreichen der Unterkunft, den Marsch abbrechen und wurden per Rettungshubschrauber in ein Bundeswehrkrankenhaus geflogen. Einer davon wurde inzwischen aus der stationären Behandlung entlassen und absolviert ebenfalls eine Anschlussheilbehandlung.
Der andere befindet sich nach Verlegung in ein Universitätsklinikum immer noch in einem kritischen Zustand.
Des Weiteren haben Befragungen der Teilnehmer ergeben, dass eine Offizieranwärterin während des Rückmarsches zum Ausbildungsort einmal und während des Eingewöhnungsmarsches zwei weitere Male kurzzeitig benommen und nicht ansprechbar war. Sie hat den Marsch allerdings auf eigenen Wunsch fortgesetzt und beendet.
Ein weiterer Soldat war nach dem Eingewöhnungsmarsch in der Unterkunft kurzfristig nicht ansprechbar. Er konnte nach kurzer Pause seinen Dienst wieder aufnehmen.
Fünf weitere Offizieranwärter zeigten während und nach den Märschen typische Beschwerdemuster wie Schmerzen im Unterschenkel sowie Bauch- und Fußschmerzen. Zwei davon mussten aufgrund ihrer Verletzung (Sturz auf das Knie) bzw. wegen Erschöpfung den Eingewöhnungsmarsch abbrechen.
In Summe traten nach jetzigen Erkenntnissen bei insgesamt elf Soldatinnen und Soldaten Beschwerden zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlichen Maßen auf. Die genauen Details zu den Ausfällen im Zusammenhang mit den Märschen sind gegenwärtig noch Gegenstand der Untersuchung. Nach allen Befragungen und bislang angestellten Untersuchungen sind keine Erkenntnisse über einen Konsum von verbotenen Rauschmitteln vorhanden.
Die an den Märschen beteiligten Offizieranwärter hatten die Gesundheitsprüfung im Rahmen ihrer Einstellungsuntersuchung im Assessmentcenter für Führungskräfte der Bundeswehr in Köln absolviert.
Die konkrete körperliche Disposition der betroffenen Soldaten am fraglichen Tage ist ebenfalls Gegenstand der medizinischen Untersuchungen.
Die genauen Ursachen, die zum Tod des Offizieranwärters und zu den schwerwiegenden medizinischen Symptomen weiterer Soldaten führten, konnten bisher nicht aufgeklärt werden.
Es gibt noch keine stichhaltige Erklärung für das Gesamtbild an Ereignissen und Auffälligkeiten dieses Ausbildungstages.
Die Ausbildungsgestaltung des Tages, die getroffenen Maßnahmen in Vorbereitung und Durchführung der Märsche, der Bekleidungs- und Ausrüstungsumfang sowie gesundheitliche Faktoren stehen dabei im Fokus der Untersuchungen.
Sowohl die ausbildenden Truppenteile aller Organisationsbereiche als auch das Personal der regionalen Sanitätseinrichtungen wurden in Reaktion auf die Vorfälle explizit erneut für die Einhaltung der präventiven Maßnahmen bei Hitze sensibilisiert und auf die diesbezügliche Weisungslage ausdrücklich hingewiesen."