Hallo zusammen,
Hier kommt ein weiterer kleiner Einblick in das Assessmentcenter der Bundeswehr. Ich habe mich nach abgeschlossenen Abitur (Hamburg; 1,8) als SanOA beworben und wurde im Karriecenter Nord in Hannover im Oktober vorgetestet. Vom 05.-07.12.2017 ging es dann nach Köln zum Assessmentcenter. Von Hamburg aus ging es recht früh um 07:40 los. In Köln war ich dann um 12 Uhr, sodass ich um 12.30 Uhr an der Mudra-Kaserne war. Zur Anreise innerhalb Köln lässt sich noch sagen, dass ihr die Fahrkarte für die Straßenbahn (2,80 Euro) selbst bezahlen müsst. Die Straßenbahn ist dann auch der Ort, an dem ihr die ersten Mitbewerber treffen werdet (Spätestens beim Aussteigen an der Haltestelle
). Vorort könnt ihr dann noch etwas zu Mittagessen und bezieht eure Stuben (4-Bett-Zimmer). Genug vom Vorgeplänkel, die einzelnen Tage werde ich in Form von Unterüberschriften abhandeln.
AnreisetagNachdem wir alle angereist waren und unsere Stuben bezogen hatten, ging es für uns zum Einführungsvortrag. Hier wurden wir von unserem Personalberater, einem Stabsfeldwebel empfangen, der uns den Ablauf der nächsten Tage erklärte. Je nachdem, wie anstrengend eure Anreise war seid ihr mehr oder weniger aufnahmefähig aber keine Sorge: Ihr erhaltet einen Laufzettel auf dem euer individueller Ablauf vermerkt ist und auch im Verlauf der Tage geändert werden kann.
Nach dem Vortrag gab es noch für alle Bewerber einen Fragebogen, der darauf abzielte uns kennenzulernen. Ihr solltet euch auf Fragen wie: "Wieviele Stunden wenden Sie wöchentlich für die Informationsbeschaffung auf? Welche Quellen nutzen Sie hierzu? Was waren ihre Lieblingsfächer in der Schule? Was sind ihre Stärken/Schwächen?" vorbereiten aber es geht auch zum Beispiel um den familiären Rückhalt hinsichtlich eines Auslandeinsatzes oder den Gebrauch von Schusswaffen. Um hier nicht alles zu wiederholen, was in anderen Threads thematisiert wurde halte ich die Ausführung dessen, was ich dort schon gelesen habe möglichst kurz.
Für die Bewerber für die Offizierslaufbahn des Sanitätsdienstes gab es im Anschluss noch einen medizinspezifischen Fragebogen, wo es um meine persönliche Vorbildung (theoretisch und/oder praktisch) und Motivation geht. Nach einer kurzen Pause kamen wir dann wieder in den Raum, wo uns ein Offizier nochmal etwas zur Bundeswehr erzählt hat und sich unsere Betreuungsoffizier vorstellten. Diese Leute sind Offiziere, die im Laufe ihrer Karriere aus der Truppe für ein paar Wochen abgeordert werden um uns Bewerbern zwischen den Prüfverfahren Fragen zur Bundeswehr oder zu ihrem eigenen Weg in der Bundeswehr zu beantworten.
Der Tag endete mit einem Zusammenkommen beim sog. "Griechen", wo ihr etwas zu Abend essen könnt oder einfach bei einem Getränk mit den Mitbewerbern und den Betreuungsoffizieren zusammensitzen könnt.
1. PrüftagAm ersten Prüftag ging es bei uns mit dem Aufwachen um 05 Uhr los, da meine Stube und ich unbedingt morgens Duschen wollten und, naja die Sache mit dem Wurm und dem frühen Vogel sollte euch ja bekannt sein.
Es handelt sich bei den Duschen der Bewerberunterkünfte um eine 4er Gruppendusche. Das Frühstück fängt erst um 05.45 an und da wir bereits um 06.10 zum Aufsatz erscheinen sollten, war die Zeit für das Frühstück knapp bemessen: Ein Brötchen für jetzt, eins geschmiert zum Mitnehmen.
Dann ging es also los zum Aufsatz, bei dem ihr 30 Minuten Zeit habt um ein Wortpaar (bei mir Fairness und Anstand) zu definieren und voneinander abzugrenzen. Zeigt, dass ihr sortiert denken und schreiben könnt, drückt euch nicht zu kompliziert aus und zeigt, dass ihr der deutschen Sprache mächtig seid. Dann sollte das auch nicht die große Hürde sein.
Weiter ging es zur PMO, einem Computertest, in dem nocheinmal 116 Fragen zu eurer Persönlichkeit (Andere Kulturen, Drogenkonsum, Teamarbeit etc.) gestellt werden, über die ihr euch natürlich Gedanken machen solltet aber im Assessmentcenter "aus der Hüfte" und vorallem ehrlich euch selbst gegenüber beantworten solltet. Es geht darum euch kennenzulernen, und nicht darum zu sehen, wie gut ihr den Archetyp eines Offiziers gelernt habt.
Auf die PMO folgte bei mir die ärztliche Untersuchung. Im selben Gebäude bleibend geht ihr in das Erdgeschoss zur Anmeldung des ärztlichen Dienstes und setzt euch geduldig ins Wartezimmer. Von hieraus wurden wir zu den verschiedenen Untersuchungen (Sehtests, Hörtests, Urintest, Vermessung) geholt, welche die Grundlage für die Hauptuntersuchung bildeten.Ich wurde hereingerufen und zunächst folgte das Anamnesegespräch, wo es um Sport, familiäre Prädispositionen und ähnliches geht. Es ist sicher ratsam, Operationsberichte, kieferorthopädische Befunde oder Brillenpässe im Backup zu haben, da solche im Nachhinein aufwendig nachgereicht werden müssten: Spart euch das einfach
.Da ich einen erhöhten Blutdruck (allgemeine Aufregung
) aufwies wurde ich noch am gleichen Tag zum Belastungs-EKG angemeldet (betrifft auch Bewerber der Marine), wo ich 10 Minuten mit steigendem Widerstand radeln durfte, während mein Elektrokardiogramm und mein Blutdruck untersucht wurde. Wenn bei euch auch nichts dramatisches vorliegt, werdet ihr auch als volltauglich oder tauglich mit Einschränkungen (unbedrohliche Fehlstellungen, Sehschwäche etc) eingestuft.
Danach sollten wir alle einmal zu unserem Personalberater und ihn einmal über unseren Laufzettel gucken lassen, da er mögliche Änderungen oder Verschiebungen eintragen kann. Daraufhin nahmen alle im Warteraum platz und wurden in 4er Gruppen zum Gruppenstiuationsverfahren (GSV) gerufen. Hierbei handelt es sich um ein 3-teiliges Prüfverfahren bestehend aus dem "Leiterplanspiel", dem Ressourcenengpass und dem ominösen Interview.
Unser Leiterplanspiel setzte voraus, dass wir vier die Leiter einer Jugendgruppe waren, die mit ihrer Jugendgruppe ein Campinglager an einem See veranstalteten. Nun entzündete sich ein Feuer an dem unserem Camp gegenüberliegenden Seeufer ein Feuer und wir sollten entscheiden, ob wir mit den Jugendlichen (12-14) in die Stadt wandern (10 km) und gucken ob wir möglicherweise eine Unterkunft bekommen oder im Camp bleiben.
Als Tipp kann ich euch nur geben: Setzt, über den gegebenen Rahmen, den ihr nicht ändern könnt, Sachen vorraus die euch helfen können, seid kreativ. Ein weiterer Tipp wäre, dass ihr euch nicht einschüchtern lasst, höflich seid und versucht die unterschiedlichen Vorschläge zu moderieren und auch stille Mitbewerber versucht mit einzubeziehen. Für diese Prüfung habt ihr 2 Minuten stille Vorbereitungszeit und 12 Minuten um eine Lösung zu erarbeiten.
Hierauf folgte der Ressourcenengpass: Eine für jeden Teilnehmer interessante Ressource liegt in ihrer Anzahl so vor, dass einer von euch auf diese Ressource verzichten muss. In meinem Fall: Eine Reise in die USA mit einwöchigem Aufenthalt in einem 4-Sterne-Hotel. Ein Mitbewerber verzichtete (mangels Selbstbewusstsein ?!) recht schnell auf sein Ticket. Ruht euch als Gruppe nicht auf so etwas aus, versucht für denjenigen einen Ausgleich zu schaffen. Hier gilt an Tipps gleiches, oben genanntes. Der zeitliche Rahmen hierfür beträgt 1 Minute stiller Vorbereitung und 8 Minuten Planspielzeit.
Abschliessend tut das GSV mit einem kurzen Vortrag, wie man etliche Male in der Schule gehalten hat: Ihr steht in der Position, dass ihr etwas (alltägliches) entscheiden sollt, bspw. ob ihr mit euren Kommilitonen auf Studienabschlussfahrt nach Prag oder Sizilien. Wichtig ist, dass ihr eure Entscheidung von allen Seiten beleuchten sollt, also auch euch selbst kritisch hinterfragt.
Ihr werdet herausgebeten, nehmt im Warteraum platz und begebt euch nach einiger Zeit zum Interview, welches von dem gleichen Offizier und Psychologen durchgeführt wird, die euch bereits im GSV beobachtet und kennengelernt haben. Das Kennenlernen ist meiner Meinung nach der hauptsächliche Teil aus dem dieses Gespräch besteht. Es wird individuell auf Sachen eingegangen, die ihr vorher in den diversen Fragebögen beantwortet habt. Je nachdem, was ihr da so angebt kann da auch näher drauf eingegangen werden. Die Prüfer möchten euch genauer verstehen und auf Herz und Nieren testen aber stellt euch das nicht so vor, als würden die beiden versuchen euch ins stressige Kreuzverhör zu nehmen, wo ihr euch in einer ausweglosen Situation befindet. Bereitet euch aber darauf vorher, dass Sachen wie Alkoholkonsum, Feierverhalten oder Ähnliches thematisiert werden und seid ehrlich! Ich habe bisher nicht davon gehört, dass jemandem der Kopf abgerissen wurde, nur weil in seiner Jugend mal an einem Joint gezogen hat. Das Interview kann unterschiedlich lange dauern, aber ich meine etwas von einem Zeitansatz von 20-40 Minuten gehört zu haben .
Ihr wartet also ein weiteres Mal danach, bis die beiden Prüfer auf der Grundlage aller Tests, die ihr vorher absolviert habt, entscheiden ob euch eine allgemeine Offizierseignung bescheinigt werden kann oder nicht. In diesem Mitteilungsgespräch könnt ihr auch um Feedback bitten, welches euch auch sehr ausführlich gegeben wird und in der Regel sehr interessant ist. Zu der Quote, die die Offizierseignung attestiert bekommt lässt sich nicht viel sagen: Bei uns gingen 4-5 Leute nach dem ersten Tag, bei der Gruppe, die einen Tag vor uns angereist war bereits die Hälfte raus. Es hängt also nicht von eurer Leistung im Vergleich zu euren Mitbewerbern ab, sondern eher davon, ob die kumulierten Testergebnisse es schaffen eine gewisse Punktemarke zu überschreiten.
Am ersten Prüftag stand dann noch für uns Bewerber der Sanität der computergestützte Sanitätstest statt. Ich finde den Vergleich zu den Teilbereichen "Formelle Probleme" (Rechnen, Umstellen, Einsetzen) und naturwissenschaftliches Textverständnis (aus einem Sachtext entnehmbare Zusammenhänge mit medizinischem Hintergrund) aus dem TMS sehr passend und würde zu Vorbereitung eben solche Vorbereitungshefte empfehlen und das Wiederholen des Kopfrechnens empfehlen. (Letzteres hätte mir sicher nicht geschadet und Zeit und Kopfzerbrechen erspart
) Ihr habt für die formellen Probleme (20 Aufgaben) 40 Minuten Zeit und für das Textverständnis (20 Aufgaben) 45 Minuten Zeit. Zu dieser Prüfung ist glaube ich noch zu sagen, dass bei uns kein einziger Bewerber alle Aufgaben beantworten konnte, bevor die Zeit abgelaufen war. Im Endeffekt geht es, denke ich, darum zu sehen, wie ihr unter Zeitdruck arbeitet. Nehmt euch also die Zeit, die ihr braucht um die Aufgabe zu verstehen, statt loszuraten. Ich habe, glaube ich, bei dem ersten Teil 15 Aufgaben und beim zweiten Teil 18 Aufgaben bearbeitet.
Nach dieser letzten Aufgabe für den Tag folgt für die Sanitätsoffizierbewerber ein sanitätsspezifischer Vortrag, in dem euch eine der beiden Prüfärztinnen erzählt, was es für Studiengänge neben der Humanmedizin im Sanitätsdienst noch so gibt, wie es denn mit euch nach und während des Studiums weitergeht, was euch von zivilen Studenten unterscheidet etc. Darauf folgte für alle ein Vortrag eines Einplanungsoffiziers, der uns aufzeigte, welche anderen Verwendungsmöglichkeiten es noch so gibt. Er klärte uns auch darüber auf, dass es neben Absage/Zusage auch noch sein kann, dass ihr einen Platz auf der Warteliste bekommt, wenn es noch Bewerber in der Zukunft geben könnte, die in dem Maße besser sind als ihr, dass sie euch aus dem Zusagebereich "Herauskicken". Je früher ihr also geprüft werdet (Anfang Dezember ist noch immer sehr früh, da bis Ende Mai geprüft wird) desto wahrscheinlicher ist also ein Platz auf der Warteliste für euch.
Nach all diesen Vorträgen, die das Prinzip der "Bestenauslese" betonen, hatte man entsprechend viel Hoffnung eine Sofortzusage zu bekommen. Es gilt wieder: Nicht verunsichern lassen, alles geben und die Hoffnung auf das bestmögliche Ergebnis nicht verlieren!
Es ging für uns noch kurz zum Griechen und nach einer Runde Billard und einem kleinen Abendessen ins Bett.