Meine Bewerbung auf Einstieg als Seiteneinsteiger in die Laufbahn der Offiziere der Reserve, gemäß §43(3) in Verbindung mit §26(2) SLV hat mich – nach erfolgreicher Annahme der Unterlagen und positivem Zwischenbescheid - nun am 05. Dezember 2018 zu dem eintägigen Assessmentcenter nach Erfurt geführt.
Da hier viele unterschiedliche Berichte und Ratschläge kursieren, möchte ich für den o.g. Weg des Seiteneinsteigers in die Laufbahn der Offiziere der Reserve nach §43(3) in Verbindung mit §26(2) SLV (und nur dafür) für Klarheit sorgen.
Bei diesem Ausbildungsweg geht es darum, dass ein von der Bundeswehr benötigtes externes Studium Voraussetzung ist und man dann in Anlehnung an sein Studium/berufliche Erfahrung mit zunächst höherem Dienstgrad in die Ausbildung übernommen wird und dann auf seine Verwendung ausgebildet wird.
Ich für meinen Teil bin studierter Diplom-Chemiker, zivil in der chemischen Industrie in leitender Managementposition tätig und habe mich als Chemiker für o.g. Laufbahnweg beworben. Eine entsprechende Stelle habe ich mir im Vorfeld in einer Einheit bereits „gesichert“ (in Anführungszeichen, da eine Einheit nicht den Soldaten XY anfordern kann, sondern nur einen entsprechenden Bedarf anmelden kann und dann über die sogenannte „Besten-Auswahl“ einen geeigneten Kandidaten zugewiesen bekommt. Aber als Chemiker hat man offensichtlich recht gute Chancen, da es nicht so viele Bewerber gibt.
Jetzt aber zu den Fakten des Assessmentcenters:
Wir waren ausschließlich Kandidaten nach §43(3) in Verbindung mit §26(2) SLV. An dem Prüfungstag waren 6 Kandidaten anwesend – naturgemäß alles bereits im Beruf stehende und somit bereits „ältere“ Kandidaten.
Wir wurden um 7:30 von dem Prüfoffizier empfangen und in den Tagesablauf eingewiesen. Es begann nach Erledigung der Formalitäten (Einladungsüberprüfung, Fahrtkosten, Vervollständigen der Unterlagen, u.ä.) mit dem Ausfüllen des biometrischen Fragebogens. Hier wurden erste, sehr allgemein gehaltene Fragen gestellt, zu den Themen Auslandseinsätze, Stärken/Schwächen, Erwartungshaltung an die Ausbildung, u.ä….
Weitere Positionen des Tages (von Teilnehmer zu Teilnehmer in unterschiedlicher Reihenfolge, je nach Prüfungsgruppe):
• CAT-Test & PMO-Fragebogen
• Arztuntersuchung
• Persönliches Interview
• Gespräch MAD
• Einplanungsgespräch
1. CAT-Test
Der CAT Test ist der computerbasierte, adaptive Test zu den Themen Sprache, Mathematik und Logik (die berühmten Matrizen). An hat pro Frage max. 3 Minuten Zeit, was im Bereich Sprache mehr als ausreichend ist, im Bereich Mathematik schon eng werden kann, da alles im Kopf gerechnet werden muss (mit Notizen) und im Bereich Logik eher sportlich wird, da sich die Logik nicht zwingend sofort erschließt. Also – Ruhe bewahren, aber die Uhr im Auge behalten …
2. PMO Fragebogen
Der PMO Fragebogen schließt sich direkt im Anschluss an den CAT Test, ebenfalls am Computer an. Hier wird man in max. 40 Minuten mit ca. 140 Statements konfrontiert, zu welchen man Stellung beziehen muss – über verschiedene Abstimmungs-Buttons („stimme voll zu“ – „stimme eher zu“ – „neutral“ – „stimme eher nicht zu“ – „stimme nicht zu“ – „keine Meinung“). Die Statements wiederholen sich in gleicher oder ähnlicher Form immer wieder. Vieles dreht sich um Alkohol, um Drogen, um fremde Kulturen, um den Umgang mit Waffen, um Gewalt und deren Legitimation, um Führungsverhalten und um Teamfähigkeit.
Auch hier sollte man sich nicht verrückt machen – aber man sollte definitiv ehrlich antworten, da einiges aus diesen Antworten später am Tage wiederkehrt. Es dient nämlich in hohem Maße zur Vorbereitung des persönlichen Gesprächs seitens der Prüfer.
3. Ärztliche Untersuchung:
Die ärztliche Untersuchung (für uns alle, aufgrund des Alters im Übrigen der größte Nervositätspunkt) war alles in allem extrem gründlich – bei mir mit fast zwei Stunden an dem Tage der umfangreichste Tagesordnungspunkt.
Die Untersuchung beginnt mit Vermessen (Größe, Gewicht), mit einer Urinabgabe für diverse Tests (Drogen, Schwangerschaft, Krankheitsindikatoren, usw…) und mit den klassischen Grunduntersuchungen, wie dem Seh- und dem Hörtest.
Im Anschluss geht es dann zum Arzt und da habe zumindest ich einen sehr gründlichen Arzt bekommen. Die Untersuchung war um einiges umfangreicher, als die Musterungsuntersuchung im Rahmen meiner ersten Musterung. Jede Vorerkrankung, jede OP und jede Verletzung wurde en detail durchgesprochen und dokumentiert. Ich wurde von Kopf bis Fuss begutachtet und untersucht (Gelenke, Wirbelsäule, Ohren, Rachen, Zähne, Genitalien, Fußstellung, Beinstellung, usw., usw…). Kreislauf wird untersucht, indem man Blutdruck und Puls gemessen bekommt, dann 20 zügige und saubere Kniebeugen machen muss und dann direkt danach und nochmal 15 Minuten später erneut Blutdruck und Puls gemessen bekommt. Wenn beides dann wieder runterkommt ist alles in Ordnung.
Ein wichtiger Punkt noch – der BMI ist nicht mehr Bewertungsgrundlage! Es wird mittlerweile die WtHR (waist-to-height-ratio) als Kriterium herangezogen. Berechnung: Bauchumfang in cm durch Größe in cm teilen. Bis zu einem Wert von 0,68 ist die Tauglichkeit im Übrigen nicht beeinträchtigt.
4. Gespräch MAD
Das Gespräch war bei allen Teilnehmern ein rein formaler Akt. Man muss die Sicherheitsüberprüfung sowieso im Rahmen der Bewerbung absolvieren und das Gespräch dient bei Ungedienten nur der Ergänzung. Bei bereits Gedienten ist nur wichtig, ob die Ausbildung zum Wach- und Sicherungssoldat durchlaufen worden ist – in dem Fall war die Befragung auch bereits wieder beendet.
5. Persönliches Interview
Das persönliche Interview war hochprofessionell und hat sich in 2 Teile gegliedert. Zunächst interviewt der Prüfungs-Stabsoffizier ca. 30 Minuten. Die Themen sind naturgemäß bei jedem Bewerber andere. Die Themen speisen sich aber aus dem biometrischen Fragebogen und aus dem PMO-Fragebogen. Bei mir war das große Thema Auslandseinsätze, meine Einstellung dazu, die Einstellung meiner Familie, usw. Der zweite Themenbereich war etwas abstrakt – da ging es darum, welche politischen Spannungsfelder sehe ich für die kommenden sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit und wie könnte man diesen Herausforderungen meiner Meinung nach begegnen. Wir haben dann über die Ukraine-Krise, Russland und die Flüchtlingsproblematik gesprochen. Abschließend ging es dann um Führungserfahrung, Umgang mit Mitarbeitern, unterstellten Personenkreisen und Umgang mit „schwierigen Fällen“.
Den zweiten Teil hat dann die Dame vom psychologischen Dienst übernommen. Da ging es dann um mich in Person. Hier wurden Frage zum Lebenslauf gestellt, Fragen zum Ausbildungsweg, Fragen zu der Berufserfahrung und dem Berufsalltag. Es wurde nochmal auf Stärken und Schwächen eingegangen, der persönliche Background wurde beleuchtet und obligatorische Fragen zu den Themen Alkohol, Drogen, Gewalt, evtl. Strafverfahren, usw. gestellt.
Insgesamt hat das Gespräch eine gute Stunde gedauert und war wirklich hochprofessionell. Die Interviewer hören aufmerksam zu und stellen auch konkrete Rückfragen zu Aussagen, was das ehrliche Interesse und die Aufmerksamkeit unterstreicht.
Es war auch kein Witzchen hier und Witzchen da – Gespräch. Ich habe ab und an versucht die Atmosphäre etwas aufzulockern, aber mehr als en Schmunzeln (und auch das nicht immer) gab es nicht.
Man hat wie gesagt das Gefühl, dass das Gespräch wirklich sehr ernst genommen wird und sehr überlegt und gezielt Fragen gestellt werden. Von allgemeinem „Rum-Labern“ kann ich hier nur abraten.
6. Einplanungsgespräch
Der Abschlusspunkt des Tages war das Einplanungsgespräch mit BAPersBw Abt. VI, welche die Ausbildung, wenn sie losgeht koordiniert und plant.
Hier wurde dann erklärt, dass losgelöst von dem positiven Ergebnis des Assessmentcenters die Einstellung noch nicht garantiert ist, da es im März eines jeden Jahres die sogenannte Auswahlkonferenz im BAPersBw gibt. Im Rahmen des Programms §43(3) in Verbindung mit §26(2) SLV gibt es pro Jahr ca. 100 offene DP und ca. 300 Bewerber, ergo können hier 2 von 3 Kandidaten nicht berücksichtigt werden. Abhängig ist es von dem mitgebrachten Studium (bei Juristen und BWLern ist die Quote noch schlechter und bei Chemikern oder Bibliothekswissenschaftlern ist die Quote deutlich besser). Also – man bekommt keine Einplanung, sondern nur eine Erläuterung des weiteren Verfahrens, inkl. dem genauen Ablauf der zu absolvierenden Ausbildung (zeitlicher und inhaltlicher Ablauf) und allen Erfordernissen hinsichtlich Bestehen von Abschnitten.
Alles in allem ein interessanter und auch durchaus fordernder Job. Es war nach vielen Jahren interessant mal wieder auf der anderen Seite des Bewerbertisches zu sitzen. Und man fühlt sich wirklich gut aufgenommen und durchaus ernst genommen. Es ist kein „walk in the park“, ist aber mit ein bisschen Vorbereitung und dem nötigen Ernst gut zu meistern.
Abschließend muss ich noch etwas über die Liegenschaft in Erfurt loswerden. Ich habe noch keine vergleichbare Unterkunft im BW Bereich gesehen. Einzelstuben mit Bad im Zimmer und Flachbildfernseher an der Wand. Man kann also gut am Vorabend anreisen und muss nicht in einem Hotel übernachten …
In diesem Sinne – allen weiteren Bewerbern wünsche ich viel Erfolg – und nochmal – das ganze bezieht sich ausschließlich auf Bewerber nach §43(3) in Verbindung mit §26(2) SLV!