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Wer bestimmt den GdS // GdS bei PTBS

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MikeDelta:
Hallo zusammen,

ein sehr spannendes Thema!!!

Auch ich hätte mal 1-2 Fragen, zu denen ich seit Wochen keine Antworten finde… vielleicht weiß hier jemand mehr.

Aufgrund einiger Vorfälle im letzten Einsatz habe ich bereits vor über 2 Jahren eine PTBS entwickelt. Diese wurde nun endlich während einer stationären Diagnostik im BWK „offiziell“ diagnostiziert (habe lange geschwiegen…). Die Psychologin vor Ort schien überzeugt, dass die PTBS seit mindestens 2 Jahren vorliegt (Einsatzende war vor weniger als 2,5 Jahren).

I.d.R. bekommt man als Soldat mit einer einsatzassoziierten PTBS einen GdS von 30-40 zugeschrieben, zumindest höre und lese ich das oft.

Wer bestimmt überhaupt den GdS?! Macht das die Psychologin, die im BWK diagnostiziert hat oder der Chefarzt der Station bzw. beide? Oder macht das erst jemand beim BAPers im Rahmen der beantragten WDB?

Laut der aktuellen „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ (an die sich m.W.n. auch die BW halten muss) liegt der GdS von „schweren psychischen Störungen“ bei 50-70, wenn „mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten“ vorliegen. Wenn „schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten“ vorliegen, dann wiederum bei 80-100.

Ich denke, aufgrund der Auswirkungen meiner PTBS auf meine Lebensbereiche (seit langer Zeit starke Isolation, starke Gefühlskälte ggü. Frau + Tochter, KzH seit 1,5 Jahren, mehrfache kurzzeitige Trennungen, keine Hobbies mehr, kaum Autofahren möglich etc.) bin ich theoretisch im Bereich GdS 80-100, aber gilt eine PTBS überhaupt als eine „schwere psychische Störung“, die somit einen GdS >50 grundsätzlich zulässt?

Bisher konnte mir Google dabei nicht helfen. Den höchsten GdS bei einer PTBS, den ich im Internet finden konnte, lag zwar bei 60, das erschien mir aber als Einzelfall, denn hinzu kamen in diesem Fall auch körperliche Probleme (hab ich zwar auch, aber kognitiv bedingt)…

Hat hierzu jemand Erfahrungswerte und kann meine Fragen beantworten?

Vielen Dank bis hierhin…

MkG
Max


EDIT LwPersFw : Ich habe die Frage hierher verschoben und umformuliert

LwPersFw:
Der GdS wird in einem gutachterlichen Verfahren beim BAPersBw festgelegt.
Darin fließen u.a. die Facharztbefunde mit ein.

Der Grad des sich ergebenden GdS ist abhängig vom individuellen Einzelfall und deshalb nur schwer zu prognostizieren, insbesondere bei Erkrankungen mit veränderlichen Schweregraden.

Wenn ein Bein ganz verloren wurde ist dies eindeutig, da offensichtlich.

Bei psychischen Erkrankungen "sieht" man ja oft nicht das sie überhaupt vorliegen... obwohl die Auswirkungen für die Betroffenen langwierig und erheblich sein können.



Andi:
Problematisch ist hier insbesondere, dass bei psychischen Erkrankungen ausschließlich Befunde von wehrmedizinischen Psychiatern - also Angehörigen der Bundeswehr - relevant sind. Man kann vom besten zivilen Spezialisten der Welt eindeutige Befunde haben, das muss die Bundeswehr nicht kratzen.
Problematisch ist das insbesondere deswegen, weil in den seltensten Fällen eine dauerhafte Behandlung durch Therapeuten und Fachärzte der Bundeswehr erfolgt, diese also im Normalfall nur kurze Zeit mit dem Patienten verbringen. Zudem haben sich in den letzten beiden Jahren die ICD-Definitionen für PTBS zugunsten der Patienten verändert, was die Bundeswehr aber erst mit großem Zeitverzug umsetzt, was zu einer entsprechenden Schlechterstellung führt.

Und ob es nachträglich dann möglich sein wird ein PTBS anerkannt zu bekommen, das zwar der neuen, aber nicht der alten Definition entspricht werden vermutlich irgendwann Gerichte klären dürfen. Zumindest wenn jemand, der sowieso schon täglich mit PTBS zu kämpfen hat die Energie und den Mut hat diesen Weg zu gehen.

Trotz aller Veränderungen in den letzten zwei Dekaden sind Betroffene hier nach wie vor vollständig dem "System Sanitätsdienst" ausgeliefert. Und das ist mittlerweile genauso verlässlich und belastbar, wie die Deutsche Bahn.

Aus eigener Erfahrung und auch durch den Austausch mit Betroffenen ist die größte Hürde zunächst die Anerkennung der Wehrdienstbeschädigung. Und dann eine WDB 50% aufwärts zu bekommen und als schwerbehindert zu gelten ist "nur" mit PTBS aber eher eine absolute Ausnahme. Und der Grad der WDB bestimmt den Grad der Behinderung im Zivilen.

LwPersFw:
Regelungen in die man sich einlesen kann:

C1-800/0-4015 Behandlung und Begutachtung Einsatzgeschädigter

A-2120/5 Verordnung über die Vermutung der Verursachung einer psychischen Störung durch einen Einsatzunfall

C-1463/22 Verfahren bei Ansprüchen nach §§ 41 Absatz 2, 85 und 86 Soldatenversorgungsgesetz (Zweck: Entscheidung über das Vorliegen einer Wehrdienstbeschädigung)


Aus der C-1463/22:

"110. Nach Abschluss der Sachverhaltsermittlung veranlasst das BAPersBw die versorgungsmedizinisch gutachtliche Stellungnahme.
Dabei begründet es die beabsichtigte WDB-Entscheidung in einer Aktenverfügung schlüssig und ausführlich und weist ggf. gezielt auf
Gesetzesvorschriften, Verwaltungsvorschriften, Urteile, Erlasse usw. hin.

111. Nach Eingang der versorgungsmedizinisch gutachtlichen Stellungnahme erteilt das BAPersBw regelmäßig einen Bescheid über
den Ausgleich nach § 85 SVG bzw. die Grundrente nach § 80 SVG i. V. m. § 31 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG)."


Probleme zur Nr 110 können sein :

"Beschädigtenversorgung

In diesem Berichtsjahr gab es erneut Kritik an der Dauer der Bearbeitung von Anträgen im Rahmen des Sozialen Entschädigungsrechts durch das Bundesamt für das Personalmanagement.
Insbesondere die Verfahren zur Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung können eine gewisse Dauer in Anspruch nehmen.
Allerdings werden inzwischen 70 bis 80 Prozent der Verfahren innerhalb eines Jahres abgeschlossen.
Bei Wehrdienstbeschädigungsverfahren, in denen es um eine einsatzbedingte psychische Erkrankung geht, liegen die Laufzeiten bei durchschnittlich 22 Monaten.

Zeitliche Verzögerungen können sich hier im Rahmen der Sachverhaltsermittlung vor allem dann ergeben, wenn es um lang zurückliegende Sachverhalte geht, die nicht aufgrund
Vorliegens eines sogenannten TIC (Troops in contact)-Zettels als feststehend angenommen werden können. Dann müssen Zeugen gefunden werden, die die Angaben der
Antragstellerin oder des Antragstellers bestätigen können. Dabei kann es zu erheblichen Verzögerungen kommen, wenn etwa Zeugen nicht auffindbar sind, nicht antworten oder
sich nicht mehr erinnern können.

Verzögerungen können sich im Falle einsatzbedingter psychischer Erkrankungen auch bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs einschließlich des Grades der Schädigungsfolgen ergeben.
Zunächst prüft der Versorgungsmedizinische Dienst des Bundesamtes für das Personalmanagement, ob alle erforderlichen Informationen vorliegen, anschließend erstellt ein benannter Gutachter das
erforderliche Gutachten entweder durch Begutachtung nach Aktenlage oder – falls dies nicht ausreicht – durch Präsenzbegutachtung.

Erschwerender Faktor ist hier, dass es einen Mangel an psychiatrischen Gutachterinnen und Gutachtern gibt, die sowohl über die erforderliche versorgungsmedizinische Expertise verfügen als auch die
wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse kennen. Denkbar wäre, geeignete Bundeswehrangehörige nebenamtlich zu beauftragen, dem stehen jedoch die Hinzuverdienstgrenzen entgegen.
Dass die geschilderten Umstände zu einer überdurchschnittlichen langen Verfahrensdauer im Einzelfall führen können, ist für die Betroffenen sicherlich schwer auszuhalten.
Eine umfassende und vor allem fachlich fundierte Begutachtung sollte aber auch in deren Interesse sein.

Die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung erfolgt mit der Festlegung eines Grades der Schädigungsfolgen. Erst wenn dieser über 25 liegt, stehen der oder dem Betroffenen zum Ausgleich
Rentenleistungen zu. Eine einsatzbezogene psychischer Erkrankung kann sich allerdings bei einer entsprechenden Behandlung verbessern, weshalb in der Regel eine Nachuntersuchung von Amts
wegen vorgesehen ist. Diese Untersuchung kann dann zu einer Herabsetzung des Grades der Schädigungsfolgen führen:


Mehrere Petenten reagierten mit Unverständnis darauf, dass der Grad der Schädigungsfolgen ihrer als Wehrdienstbeschädigung anerkannten psychischen Einsatzschädigung ausschließlich nach Aktenlage
herabgesetzt werden solle. Das Verteidigungsministerium legte dar, dass es sich dabei um die übliche Vorgehensweise handele. Zur Feststellung der Höhe des Grades der Schädigungsfolgen sei das Ausmaß
der Teilhabebeeinträchtigungen zu beurteilen. Diese seien in Auswertung der (fach-)ärztlichen Behandlungsdokumentation festzustellen und könnten nicht auf einer Momentaufnahme unter Berücksichtigung
der vom Betroffenen vorgetragenen Beschwerden beruhen. Diese Darlegung ist nicht zu beanstanden."

Quelle: Wehrbeauftragte, Jahresbericht 2022

Griffin:

… @Andi, bezüglich Deines Beitrags möchte ich gern wissen:
Was hat sich konkret in den letzten beiden Jahren bezüglich der „ICD-Definitionen zur PTBS“ zu Gunsten der Betroffenen geändert?

Deinen Beitrag ergänzend darf ich anmerken, dass Betroffene, welche die Bw verlassen haben respektive sich im Ruhestand befinden, keinesfalls mehr dem sanitätsdienstlichen Wesen/ Apparat der Bw verpflichtend ausgeliefert sind.

Insofern sind hier zivil-ärztliche Unterlagen (Befunde, Gutachten, etc.) von enormer Relevanz – auch für die Gutachter der Bw.
Denn eine andere medizinfachliche Rechtsgrundlage, außer der Maßnahme einer Präsenzbegutachtung im Rahmen der Nachbegutachtung, existiert für diesen Personenkreis m.W.n. nicht bzw. kann nicht einfach angeordnet der gar befohlen werden.

Schönes Wochenende & 3. Advent!

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