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Fragen und Antworten => Allgemein => Thema gestartet von: snake99 am 25. September 2009, 11:02:02

Titel: Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: snake99 am 25. September 2009, 11:02:02
Auf heute.de habe ich diesen Artikel gefunden.

Demnach sind 245 Soldaten alleine 2008 traumatisiert aus einem Auslandseinsatz (meistens ISAF / AFG) zurückgekehrt. Im ersten Halbjahr 2009 waren es schon 163 Betroffene, wovon 152 Kameraden in AFG waren.

Da ich selber mit PTBS meine Erfahrungen gemacht habe stufe ich diese Meldung als sehr ernst ein.

Ihre Meinungen zu dem Thema?


grobe Erklärung PTBS: Tritt meistens erst nach einem Einsatz auf und ist die Reaktion des Körpers / Psyche auf eine nicht verarbeitete psychische Ausnahmebelastung. Symptome können sein: Gefühlskälte, Schlaflosigkeit, Panikattacken, Alpträume, Atemnot, Herzrasen, Aggressivität. Die Symptome dauern oftmals monatelang an und können die Teilnahme am normalen Leben erheblich erschweren.


Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: sgbo79 am 25. September 2009, 11:24:01
Das Problem ist, dass die Dunkelziffer weitaus höher liegt. Viele haben Angst sich zu offenbaren, da sie Angst vor Nachteilen für ihre weitere Laufbahn haben.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: miguhamburg am 25. September 2009, 11:24:32
@ snake: Diese Meldung ist ernsthaft und ernst zu nehmen.

Lassen Sie uns zurückblicken. Das posttraumatische Belastungssyndrom, wie die Fachleute sagen (Sie haben die mglichen Folgen gut beschrieben), wurde während des Vietnam-Krieges von amerikanischen Militärärzten vereinfacht ausgedrückt "entdeckt". Über die Folgejahre hinweg wurde es immer weiter erforscht und Ärzte/Psychologen spezialisierten sich darauf, Vorbeugungs- und Behandlungsmöglichkeiten immer weiter zu verbessern. Hierzu können unsere beiden Ärzte (m/w) im Forum sicher Genaues beitragen.

Merkwürdigerweise waren diese Kenntnisse aber dem Sanitätsdienst der Bundeswehr verborgen geblieben und so gingen die deutschen Truppen in den ersten Jahren Auslandseinsätze diesbezüglich unvorbereitet und begleitet und nachgesorgt. Dies hat sich insbesondere durch die furchtbaren Ereignisse in AFG nun grundlegend verändert - und verbessert. Eisatzvorbereitung, -begleitung und -nachsorge durch Psychologen und medizinisches Personal (Spezialabteilungen in den BwK!).

Meine Vermutung ist es, dass die Zahl der tatsächlich belasteten erheblich größer ist, als die bei heute.de veröffentlichten. Ich leite dies aus meinem Verantwortungsbereich und Gesprächen mit Kameraden ab. Leider haben wir immer wieder damit zu tun, Dienstgraden zu befehlen, an der vorbereitenden und nachbereitenden Ausbildung durch die TrPsych teilzunehmen. Wir haben gottlob bis hinunter in die Brigadeebene Truppenpsychologen, aber noch immer wird das Segensreiche dieser Möglichkeiten von zu vielen Soldaten verdrängt, als "Seelenklempnerei" o.a. abgetan. Noch immer scheinen manche "harten Burschen" unter den Dienstgraden zu meinen, Kameraden wären Weicheier oder Weichduscher, wenn sie seelische Belastungen verspürten und sich in Behandlung begeben wollen. Leider herrscht hier in der Bw weiträumige Sprachlosigkeit außerhalb der verpflichtenden Veranstaltungen (s.o.).

Und das Schlimme daran: Diese belasteten und unbehandelten Soldaten
-  gefährden sich bei erneuten Belastungen selbst und ggf. ihre Geführten, wenn sie dann seelisch/körperlich ausfallen, wenn ihre wache Präsenz am notwendigsten wäre,
-  werden durch die permanente Verdrängung der eigenen Schwäche zu oft unnachgiebig, übertrieben hart und sarkastisch gegenüber anderen Menschen und verlieren dadurch Respekt, Autorität und Eignung als Vorgesetzte
-  erleben schwerste Konflikte in ihrem privaten Umfeld/Partnerschaft, die sich auf die Leistungsfähigkeit im Dienst auch wieder degativ auswirken
- werden im Extremfall aus dem Dienst der Bw entlassen und kommen in ihrem Folgeleben immer weniger zurecht.

Aus meiner Sicht tut die Bundeswehr schon sehr viel im Sinne einer präventiven und begleitenden Fürsorge. Leider wird diese Thema nach meiner Kenntnis aber immer noch zu wenig Aufmerksamkeit und Respekt in der Ausbildung an den Uffz/Offz-Schulen entgegen gebracht. Diesem Thema müsste sehr viel mehr Zeit in den Lehrgängen gewidmet werden, so dass als Ausbildungsziel erreicht wird, dass psychologische Aufklärung und Begleitung ganz normal zum Soldatenberuf dazugehören wie die anderen Ausbildungsgebiete auch. Es MUSS erreicht werden, dass Kenntnis und Einsicht in die seelischen Vorgänge bei Belastungen und deren Behandlungsmöglichkeiten und -angebote als vollkommen normaler Berufsbestandteil gewertet werden.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: Rollo83 am 25. September 2009, 11:25:12
Also ich kann dazu nur sagen das ich mich persönlich schon für "hart" halte.
Wenn es sein muss kan ich Gefühle ausschalten und bin halt nicht so ein weichei der bei jedem Mist rum jammert.
Aber wenn ich mir so vorstelle ich seh in AFG tote Menschen erst recht tote Kameraden mit abgetrennten Gliedmaßen also der Gedanke alleine ist übel.
Ich kann absolut nachvollziehn das einige damit Probleme haben und darunter psychisch leiden.Ich find die Zahl sogar recht gering.Kann leider nicht mit sprechen wie BW mit den Kameraden um geht, aber ich dachte immer oder ich denke immer noch das man die best mögliche Nachbereitung bekommt.Dazu gehören aufjedenfall Gespräche mit einem Psychologen.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: PvtM am 25. September 2009, 11:33:12
Habe das Ganze gestern auch durchs Radio erfahren.
Aber was soll man großartig ändern?
Jeder Soldat muss wissen, was auf ihn zukommt.
Wenn man weiß, dass man anfällig ist, sollte man sich auch die angebotene Hilfe holen.

Zitat von: miguhamburg am 25. September 2009, 11:24:32

Aus meiner Sicht tut die Bundeswehr schon sehr viel im Sinne einer präventiven und begleitenden Fürsorge. Leider wird diese Thema nach meiner Kenntnis aber immer noch zu wenig Aufmerksamkeit und Respekt in der Ausbildung an den Uffz/Offz-Schulen entgegen gebracht. Diesem Thema müsste sehr viel mehr Zeit in den Lehrgängen gewidmet werden, so dass als Ausbildungsziel erreicht wird, dass psychologische Aufklärung und Begleitung ganz normal zum Soldatenberuf dazugehören wie die anderen Ausbildungsgebiete auch. Es MUSS erreicht werden, dass Kenntnis und Einsicht in die seelischen Vorgänge bei Belastungen und deren Behandlungsmöglichkeiten und -angebote als vollkommen normaler Berufsbestandteil gewertet werden.

Unterschrieben
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: snake99 am 25. September 2009, 12:01:26
@Rollo83

Man muss nicht immer gleich vom schlimmsten Szenario ausgehen, um ggf. PTBS Symptome aufzuweisen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen und grob meine Geschichte erzählen:

Ende 2000 kam auch aus meinem ersten SFOR Einsatz zurück. Stationiert war ich in der MND(SE), wo die Sicherheitslage durchaus noch als "heiß" bezeichnet werden konnte. Sie war zwar sicher, aber nicht stabil. Sie konnte jederzeit kippen.

Ich habe den 4 monatigen Einsatz als Belastung wahrgenommen. Am Einsatzort hatten wir mitunter 47 Grad im Schatten, was zu Buschbränden um das Lager herum führte. Die Brände waren nicht das schlimme, doch die Brände ließen oftmals Minen lautstark explodieren, was einen zusammenzucken lies, denn der Knall kam diesmal nicht von einem "Übknallkörper DM52" sondern von einer realen Mine!

Auf einer Versorgungsfahrt nach Sarajevo wurde unser ziviles SFOR Fahrzeug einmal mit Steinen beworfen. Das war die extremste Situation meines Einsatzes.

Als ich wieder zu Hause war sagte ich meine Begrüßungsparty die Freunde organisiert hatten sofort ab, da ich keine Lust hatte. Auch den Kontakt zu meiner Familie vernachlässigte ich. Als ich am 3. Tag zu Hause in ein Kaufhaus ging, bekam ich meine erste Attacke. Wahnsinniges Herzrasen, Schweißausbrüche, Schwindel und eine noch nie zuvor erlebte Panik. Ich rannte aus dem Kaufhaus raus und beruhigte mich erst langsam vor der Tür. Ich konnte diese Menschenmassen nicht vertragen.

Diese Symptome konnten auch ohne Grund von jetzt auf gleich auftreten. Das war echt beängstigend! Mein Truppenarzt befand mich für vollkommen gesund, nachdem ich ihm von den Beschwerden erzählte. PTBS war bis dato nicht bekannt. Erst 2 Jahre später verschwanden die Symptome, wobei ich selbst heute nicht mit dem Rücken zum Ende der Schlange an der Supermarktkasse stehen kann. Ich hasse es Menschen in meinem Rücken stehen zu haben, selbst heute noch.  
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: miguhamburg am 25. September 2009, 12:07:55
@ rollo und privatm: Der Schönheitsfehler an Ihrer Argumentation ist es leider, dass wirklich NIEMAND vor Eintritt eines Ereignisses weiß, wie belastend es tatsächlich werden wird. Für den einen ist das Leiden seines geliebten Haustiers eine hohe Belastung, beim nächsten sind es die Folgen einer Massenkarambolage auf der Autobahn, in die man hineingerät. Das Problem dabei: Sie können noch so viele Berichte über kriegerische- und Unfallereignisse im Fernsehen gesehen haben, in der Realität - hier im militärischen Einsatz - kommen ja noch ganz andere Aspekte hinzu: Die Dauerspannung, in der Sie stehen, die Angst vor dem unsichtbaren Gegner, permanenter Adrenalinausstoß, Lärm im Basar in Kunduz, eine fremde Sprache, die man nicht versteht, Misstrauen gegenüber Vielem, was man vorab selbst erlebt oder durch Kameraden gehört hat - und dann passiert es. Und da kann es selbst dem härstesten Menschen passieren, dass er urplötzlich im wahrsten Wort ausgeschaltet ist: Weder lageangemessen noch sonst irgendwie reflektierend handelt, im wahrsten Wortsinn kopflos durch die Gegend rennt. Und dies kann dem Mannschaftsdienstgrad ebenso wie dem General und Angehörigen aller Dienstgradgruppen dazwischen passieren.

Also, niemand weiß, ob sie/er hierfür anfällig ist, wenn es passiert, dann passiert es. Und genau deshalb gehört es für mich zu einer militärischen Ausbildung für alle SaZ genauso, wie die Asbildung am Waffensystem, Innere Führung und Recht usw. mit einem gleichwertigen Anteil dazu. Die Bundeswehr hat ausreichend Vorsorge getroffen, dass Betroffenen nachhaltig hgeholfen wird. Die blöden Sprüche zu unterbinden, ist Aufgabe der Vorgesetzten. Die Einstellung zu ändern, Aufgabe der Ausbildung an Schulen und der Truppe
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: snake99 am 25. September 2009, 12:26:56
Ich stimme ihrem Posting vollkommen zu Miguhamburg.

Niemand ist vor PTBS Symptomen geschützt. Es kann jeden treffen, und das sollte jedem Soldaten klar sein, wenn er sich verpflichtet.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: Rollo83 am 25. September 2009, 12:31:36
Das ist ja auch ein Grund für das Gespräch mit dem Psychologen am ZNWG.
Dort werden labile Menschen direkt aussortiert wo man direkt merkt das der jenige sowas nicht verpacken würde.
In wie weit man sowas vorab herausfinden kann weiss ich nicht bin ja kein Psychologe, aber denke geschultes Personal kann das schon.
Aber wie schon erwähnt wurde, selbst den härtesten Kamerad kann es erwischen.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: snake99 am 25. September 2009, 12:50:35
Zitat von: Rollo83 am 25. September 2009, 12:31:36
Dort werden labile Menschen direkt aussortiert wo man direkt merkt das der jenige sowas nicht verpacken würde.

Sollte man meinen, doch leider liegen sie mit dieser Auffassung falsch. 
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: Rollo83 am 25. September 2009, 12:55:00
Aber da sist doch aufjedenfall auch eine Aufgabe der psychologen oder nicht.
Bei wirklich labilen Menschen merkt man dies doch auch.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: snake99 am 25. September 2009, 13:04:28
Das Einstellungsgespräch bietet nicht die Zeit dafür einem Bewerber wirklich auf den Zahn zu fühlen. Außerdem kann man die Einsatzbelastung nicht theoretisch á la "Jetzt stellen sie sich folgende Situation vor ...." simulieren.

Während der ZEAKK in Wildflecken / Hammelburg & Co. wird die Belastung simuliert, jedoch ist auch dieses nicht mit der Realität vergleichbar. Eine Übung ist halt immer nur eine Übung. Einsatz ist Einsatz. Man kann die Kameraden und Kameradinnen nur so gut wie möglich versuchen vorzubereiten, doch selbst dabei kann man nicht im Vorfeld sagen, wer der Einsatzbelastung gerecht werden wird und wer nicht.

Wie miguhamburg es schon sagte, jeder nimmt die psychische Belastung eines Einsatzes anders war.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: Rollo83 am 25. September 2009, 13:08:47
das ist klar aber die Härtefälle da denke ich schon das der psychologe da eine Nichteignung feststellen kann.Immerhin kann er auch eine Nichteignung feststellen wenn es um Führungsqualitäten geht.Immerhin bekommen ja von den Bewerbern nur ein geringer Anteil die Laufbahn die sie möchten und viele scheitern am Psychologen.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: snake99 am 25. September 2009, 13:18:08
Zitat von: Rollo83 am 25. September 2009, 13:08:47
Immerhin kann er auch eine Nichteignung feststellen wenn es um Führungsqualitäten geht. Immerhin bekommen ja von den Bewerbern nur ein geringer Anteil die Laufbahn die sie möchten und viele scheitern am Psychologen.

Auch hier kann meiner Meinung nach keine sachliche Beurteilung über der Befähigung zum "Führer" festgestellt werden, da einfach die Zeit dafür an den ZNGw's fehlt. An der OPZ wird wesentlich genauer hingeschaut und geprüft, ob "Führungsqualitäten" vorliegen oder nicht.

Aber damit wären wir wieder beim Thema unseres beliebten Threads. Von einem Uffz FD wird nur sekundär eine militärische Führungspersönlichkeit erwartet ;)

Wir sollten uns jedoch wieder dem Topic PTBS nähren.

In einer AGA im Feb. 2009 wurde der Film "Willkommen zu Hause" gezeigt, der sich mit einem traumatisierten Afghanistanrückkehrer beschäftigt hat. Am Ende des Films war die Betroffenheit den Rekruten ins Gesicht geschrieben. Der ein oder andere SaZ war auch schon ganz kräftig am Schlucken. Offensichtlich wurde ihm ein Stück mehr klar was es heissen kann Soldat zu sein.

Ich persönlich brauchte nach dem Film ganz dringend eine kleine Pause ... da zu viele Dinge bei mir wieder hochkamen.

2003 ist meine EX Freundin nach AFG gegangen. Nach den 6 Monaten Einsatz kam sie als anderer Mensch nach Hause. Unsere Beziehung ging sofort in die Brüche, da sie in ihrer "eigenen Welt" lebte wo kein Platz für mich mehr war. Über ein ganzes Jahr lang war sie nach ihrem Einsatz nicht mehr dienstfähig und musste behandelt werden.

Ich will nicht abschrecken, sondern lediglich aufzeigen, dass es wirklich jeden treffen kann und die Gefahr ernst zu nehmen ist. Ganz egal ob draußen auf Patrouille oder im Feldlagerdienst.

Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: ulli76 am 25. September 2009, 14:36:00
Zum PTBS an sich kann ich folgende Homepage empfehlen: www.angriff-auf-die-seele.de

Gemäß Definition der PTBS muss ein traumatisierendes Ereignis vorausgegangen sein, das regelrecht das bisherige Weltbild erschüttert.
Die Kernsymptome sind: Wiedererleben des Ereignisses in Form von Flashbacks und/oder Alpträumen. Übermäßiges Erregungsniveau- also der Körper ist fast immer in "Alarm", so kommt es auch schon mal, dass ein Betroffener jemanden, der ihm in einer Schlange zu nahe kommt fast verkloppt. Um die Flashbacks zu vermeiden, kann es passieren, dass der Betroffene sich immer weiter zurückzieht, um die Auslöser zu vermeiden. Es gibt inzwischen Therapien, die sich allerdings sehr langwierig gestalten können.

Nicht zu verwechseln ist ein PTBS von einer akuten Belastungsreaktion. Das sind die Reaktionen, die jemand bis zu 4 Wochen nach einem Ereignis zeigt. Die akute Belastungsreaktion gilt nicht als Krankheit im engeren Sinn, sondern als normale Reaktion auf ein ungewöhnliches Ereignis. Allerdings sollte man diese MEnschen entsprechend begleiten und darauf achten, ob sich daraus ein PTBS entwickelt.

Die Häufigkeit einer PTBS liegt bei 20-50% nach einem Psychotrauma, je nach Art des Traumas.
Vorhersehen, wen es erwischt, kann man nicht. Letztendlich ist die Ursache ein Verarbeitungsmechanismus der Psyche, ein entsprechendes Ereignis zu verarbeiten.

Vorbereiten kann man sich in gewisser Weise und es gibt Möglichkeiten der Prävention. Z.B. wird gerade das Peer-System weiter ausgebaut.
Von einem Betroffenen weiss ich, dass ihm das Geiselnahmetraining und die Beschäftigung mit dem Thema Psychotrauma an sich sehr geholfen hat, ein traumatisches Ereignis zu überstehen. Er zeigt keinerlei Anzeichen eines PTBS- wobei sich das noch entwickeln kann. (Derjenige hat mich übrigens gebeten, bestimme Aspekte des Ereignisses weiter zu geben.)

Inzwischen macht ja jeder Soldat nach einem Einsatz eine Rückkehrerbegutachtung mit und soll dabei einen PTBS- Fragebogen ausfüllen. Da kann ich nur an jeden appellieren, den ehrlich auszufüllen. WIr schicken übrigens schon Soldaten zur Abklärung zur FU VI oder zum Psychologen, die bei weitem nicht die Anzahl der Punkte im Fragebogen für PTBS erfüllen- einfach um vorzubeugen und ihnen die Gelegenheit zu einem professionellen Gespräch zu geben.
Die Rückkehrerseminare sind zwar Teil der Präventionsstrategie, nur werden sie nicht immer so durchgeführt dass sie wirklich was bringen.

Unabhängig von einem PTBS verändert einen jeder Auslandeinsatz. Das liegt-denke ich- mit daran, dass man ERlebnisse hat, die man erst in die bisherige Lebenserfahung integrieren muss. Man wird mit recht philosophischen Aspekten des LEbens konfrontiert und muss evtl. LEbenskonzepte überdenken.
Erschwerdend kommt hinzu, dass man die Erlebnisse, die man hatte nur mit bestimmten Menschen und nur in begrenztem Umfang teilen kann.

Ich kann von mir sagen, dass mich beide Einsätze verändert haben, allerdings nicht nur zum schlechteren.
Zum einen war ich nach den Einsätzen aggressiver als vorher- einfach auch weil ich nicht ganz nachvollziehen konnte, was Kleinigkeiten für manche Menschen an Bedeutung haben. Oder auch, weil andere nicht verstehen konnten, dass in A-Stan nicht alles so ist, wie es in den Medien oft dargestellt wird (vor allem nicht so schwarz-weiss.) Wer kann schon nachvollziehen, dass das Land eben nicht nur Krieg und Wüste ist, sondern auch sehr interessante Menschen und eine atemberaubende Landschaft hat.
Sehr dankbar bin ich z.B. für die Erfahrung, wie gut es uns in Deutschland eigentlich geht. Da ich ganze Landstriche ohne brauchbare medizinische Versorgung gesehen habe, bin ich einfach froh und dankbar jederzeit in jedes Krankenhaus gehen zu können und zumindest eine Notfallbehandlung zu bekommen. Wenn 5 mal am Tag der Stom ausfällt und man nie so genau weiss, ob man nach Dienst noch fließend warmes Wasser für ne Dusche hat und nicht weiss wann es wieder läuft wenn es mal ausgefallen ist, dann weiss man einfach mehr zu schätzen, dass immer wenn man den Hahn aufdreht heisses Wasser raus kommt.
Und beim Autofahren bin ich dermaßen entspannt geworden. Kein Stau kann so stressig sein, wie mit einem VIP in einer Millionenstadt im Stau zu stehen und jedes andere Fahrzeug beobachten zu müssen, weil es ein Anschlagsfahrzeug sein könnte.

Das sind natürlich nur ein paar Aspekte, alles werd ich natürlich nicht im I-Net veröffentlichen.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: ulli76 am 25. September 2009, 15:06:40
Bevor ich´s vergesse: Im Rahmen des Helfer im SanDst (zumindest im Wiederholungslehrgang- wir ham ja keine Rekruten) ist bei uns immer ein Arztunterricht zum Thema Streß/Streßbewältigung/PTBS mit bei. Ich weiss aber nicht, wie das an anderen Standorten läuft.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: snake99 am 25. September 2009, 16:45:43
Ulli76, ich kann ihre Erlebnisse nach dem Einsatz nachvollziehen.

Allem voran habe ich mich über meine zurückerlangte Freiheit zu Hause sehr gefreut. Endlich wieder einschränkungsfrei dahin gehen, wohin man wollte. Endlich wieder eine Privatsphäre in den eigenen 4-Wänden zu haben, ohne das ständig jemand reinkommen kann und man niemals wirklich seine Ruhe findet. Endlich wieder unterbrechungsfreien Strom zu haben und eine wirklich heisse Dusche 24Std. am Tag genießen können. Das alles war wahnsinnig toll wieder zu haben.

Ich kam im Monat Dezember nach meinem ersten Einsatz nach Hause. Mir lagen noch die Bilder vor Augen, wie die bosnische Bevölkerung zu Teilen ihre letzten Möbel zu Brennholz verarbeiteten, damit sie ihre Häuser (mit Planen vor den Fenstern) beheizen konnten. In Deutschland rannten die Menschen rum und machten sich einen riesigen Kopf, was man "Tante Trude" und "Onkel Heinz" zu Weihnachten schenken können. Das hat mich damals wahnsinnig aggressiv gemacht weil ich fortan das Wort "Problem" neu definiert habe.

Ich möchte meine Einsätze nicht missen, da ich wahnsinnig viel über mich gelernt habe und mir vor allem klar aufgezeigt wurde, dass wir hier in D eigentlich keine Probleme haben. Wir bezeichnen sie nur als solche. Morgens aufzustehen und nicht zu wissen wie man die Familie satt bekommt, das ist ein Problem ....     
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: wolverine am 25. September 2009, 16:53:09
Manchmal meine ich aber auch, das Thema PTBS wird etwas überbewertet. "Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage" sagt man ja auch.
Ich bin anscheinend auch nicht der Einzige:
"DÜSSELDORF. Kriegsheimkehrer wurden in früheren Zeiten meist als stolze Helden gefeiert. Der Zustand ihrer Seelen interessierte niemanden. Im wieder kriegführenden Deutschland der Gegenwart ist das anders: Statt Paraden und Siegesfeiern erwartet einen Großteil der Soldaten die Couch beim Psychotherapeuten.

Unter den rund 250 000 Soldaten der Bundeswehr gibt es wahrscheinlich keinen mehr, der nicht davon gehört hat: posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS). Fernsehen und Zeitungen berichten immer wieder über Soldaten, die als Psychowracks aus Afghanistan zurückkehren. Die Bundeswehr verschweigt das nicht, im Gegenteil: Im Internet informiert sie über Hilfsangebote und nennt Zahlen: Insgesamt wurden 447 Soldaten wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung therapiert, davon 245 allein 2008.

Zur Einordnung: In Afghanistan sind wenig mehr als 3 000 Soldaten stationiert, ein großer Teil davon verlässt fast nie das Lager. 81 deutsche Soldaten starben bisher bei Auslandseinsätzen, die meisten nicht durch Kampfhandlungen (19 Tote), sondern durch Unfälle und natürliche Ursachen. 109 Soldaten wurden verwundet.

Stellt man diese Zahlen in ein Verhältnis zum Zweiten Weltkrieg, als allein Deutschland rund 18 Millionen Soldaten aufbot, von denen mehr als 3,5 Millionen starben, und die Gewalttaten unvergleichlich häufiger und intensiver waren, dann müsste man folgern, dass Millionen Menschen in den vom Krieg betroffenen Ländern traumatisiert wurden. Und das tun viele Psychologen auch.

Die Nachkriegsgesellschaften hätten zum großen Teil aus Traumatisierten bestanden, sagt die Traumatherapeutin Astrid von Friesen. Um weiterleben zu können, hätten die meisten Menschen das Erlittene verdrängt. "Das ist ein Schutzmechanismus, der überhaupt erst die Aufbauleistung nach dem Krieg ermöglichte", sagt sie. Die Kriegsheimkehrer, Ausgebombten oder Vertriebenen fragte niemand nach ihrem Leid. Traumatherapeuten gab es nicht.

Eine ganze Reihe aktueller psychologischer Studien hat einen hohen Anteil von posttraumatisch Belasteten unter der älteren Generation ausgemacht. 18,3 Prozent der von ihr befragten Menschen, die den Krieg als Kind erlebten, litten heute noch darunter, schreibt Andrea Bauer in ihrer Dissertation. Gerade im Alter, mehr als 60 Jahre nach dem Krieg, durchlitten viele - "angetriggert" durch das Empfinden der Todesnähe - erneut ihre traumatischen Kriegserlebnisse, berichtet Friesen. Der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer führt in seinem Buch "Er hat nie darüber geredet" sogar viele Beziehungsprobleme und Depressionen heutiger Erwachsener auf das Kriegstrauma ihrer Eltern zurück. Die Schlussfolgerungen dieser Psychologen: Unter uns leben Hunderttausende, wenn nicht Millionen Traumatisierte, und ihnen muss man helfen. Auf die Therapeuten warten also jede Menge Patienten, nicht nur in Kasernen, sondern auch in Altersheimen und Privathaushalten.

Ein solches Hilfsangebot zu kritisieren erscheint unangebracht und hartherzig. Klaus Dörner weiß das. Dennoch macht der frühere Leiter einer psychiatrischen Klinik in Gütersloh seinem Berufsstand einen schweren Vorwurf: Das ausufernde "Helfersystem" züchte sich die Patienten selbst heran, und mache mit der Diagnose PTBS "ein neues Fass im Gesundheitsmarkt" auf. Der Grund: Die immer zahlreicheren Therapeuten suchen nach potenziellen neuen Patienten.

Ohne Zweifel gebe es Menschen, die sich von seelischen Schäden nach traumatischen Erlebnissen auch langfristig nicht erholten, und denen müsse man helfen, sagt Dörner, der selbst als Kind Bombenangriffe erlebte. Doch das seien sehr seltene Fälle. Indem die Therapeuten nun einem immer größeren Personenkreis ein Trauma unterstellten, das an allen persönlichen Problemen schuld sei, entstehe bei den Patienten die falsche Hoffnung, durch eine Traumatherapie alle Probleme lösen zu können. "So werden sie erst zu chronisch Kranken gemacht."

Umzingelt von therapeutischer Aufmerksamkeit ist manch einer schnell überzeugt, ein psychisch krankes Opfer zu sein. Zumal wenn der Betroffene das Gefühl hat, das sein Einsatz und sein Leid von der Gesellschaft nicht ausreichend gewürdigt wird.

Britische Psychologen bestätigen dieses Problem. Sie fanden auf der Grundlage von elf Einzelstudien heraus: Die Therapierung kurz nach militärischen Kämpfen, aber auch nach zivilen Unfällen oder Amokläufen verhindert nicht die Entstehung psychischer Schäden, im Gegenteil: "Behandlungssitzungen können die Lage für viele Menschen verschlechtern", sagt Neil Roberts vom Trauma-Dienst der Universitätsklinik Cardiff.

PTBS, so Dörner, sei ein Konstrukt, dass man weder von den ökonomischen Interessen der Helfer und Betroffenen, noch von politischen und historischen Wertungen trennen könne. Die Lobby der Vietnamkriegsveteranen und ihrer Therapeuten sorgte dafür, dass PTBS 1980 als Krankheit akzeptiert, also ins "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders " (DSM) aufgenommen und damit relevant für Renten- und Krankenversicherungen wurde.

Ansichten über Krankheit und Gesundheit werden beeinflusst durch gesellschaftliche Werte und Normen, durch Ideologien und Überzeugungen. Die US-Soldaten kamen aus einer friedlichen Gesellschaft, die ihren Krieg zunehmend ablehnte. Die Weltkriege in Europa dagegen betrafen ganze Gesellschaften. "Ist der Krieg ein Kollektiverlebnis, dann kann der Einzelne mit seinem Leid keinen Eindruck machen. Dann lässt er es sein", sagt Dörner. Dass das Konzept PTBS nicht im kriegsversehrten Europa, sondern im verschonten Amerika aufkam, wundert ihn daher nicht.

Der Jenaer Psychologe Sebastian Lemke ist ähnlich wie Dörner von dem etablierten Bild der PTBS nicht überzeugt. Er analysierte die psychiatrischen Akten aus einem Lazarett des Ersten Weltkrieges in Jena. Ergebnis: "Soldaten mit Kampfhandlungen oder unmittelbarem Betroffensein von Schüssen und Detonationen erkrankten in psychischer Hinsicht seltener als Soldaten, die nie im Kampfeinsatz waren."

Lemke bestätigt damit zeitgenössische Berichte, die besagen, dass gerade Frontsoldaten tendenziell psychisch stabiler waren als die in der Etappe: Zum Beispiel gab es unter den 126 000 deutschen U-Boot-Soldaten des Zweiten Weltkrieges, einer extrem beanspruchten und gefährdeten Truppe, nur 56 psychisch Erkrankte, glaubt man dem Standardwerk "Psychiatrie der Gegenwart" von 1961.

Die Jenaer Lazarettakten zeigen, so Lemke, dass überdurchschnittlich viele der psychiatrisch behandelten Soldaten schon vor dem Krieg seelisch krank waren. Lemke zufolge unterschieden sich außerdem die psychischen Krankheitsbilder der kampferfahrenen Soldaten nicht von denen der -unerfahrenen. Das widerspricht dem Diagnosehandbuch DSM, das das Trauma als Reaktion auf lebensbedrohliche Ereignisse definiert und impliziert: je höher die Dosis des Erlebnisses, desto höher die traumatische Wirkung. Das Konzept der PTBS müsse daher überarbeitet werden, fordert Lemke.

Doch das wird kaum geschehen. Lemke und Dörner sind Außenseiter in ihrer Zunft. "Lemke kennt den Forschungsstand nicht. Seine Studie interessiert mich nicht", kommentiert der Heidelberger Medizinhistoriker und Traumaforscher Wolfgang Eckart. Vermutlich werden noch sehr viele Bundeswehrsoldaten und frühere Kriegskinder auf der Couch liegen - traumatisiert oder nicht."


Quelle: HB 16. Juli 2009
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: snake99 am 25. September 2009, 17:06:46
Hm, ich denke eine Ursache von PTBS liegt darin, dass unsere heutige "Spaßgesellschaft" Angst und Leid nur aus dem TV kennt. Es ist was anderes, wenn ich abgerissene Gliedmaßen im Fernsehen gesehen habe, oder diese plötzlich zum Anfassen vor mir liegen und ich sie riechen kann.

Unsere Psyche muss diesen "Schock" erstmal verarbeiten. Wir leben in Europa in einer "heilen Welt", kommt ein (junger) deutscher Soldat in ein Kriegs- bzw. Krisengebiet wie damals in Bosnien, Kosovo oder AFG, so muss seine Psyche dieses erstmal verarbeiten, dass es doch keine "heile Welt" gibt. Die zu Teilen daraus resultierenden Traumata sind meiner Meinung nach menschlich nachvollziehbar und sollte nicht bagatellisiert werden.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: AriFuSchr am 25. September 2009, 19:19:44
hmm,

das Sterben in unserer Gesellschaft findet ja auch am besten im Krankenhaus statt - ohne dass da jemand hin muß...
wer von den Jüngeren hat Oma oder Opa noch aufgebahrt gesehen ? Überhaupt jemals einen Toten zu Gesicht bekommen ?

wer war mal dabei, wenn ein Tier geschlachtet wurde... das Schnitzel liegt später sauber verpackt im Kühlregal und erinnert nicht mehr daran, wie das Tier mal aussah und zu Tode kam.

Der Tod existiert nicht mehr als solches in unserer Gesellschaft.. er findet irgendwo da draussen vielleicht auch virtuell, aber nicht im eigenen Leben statt.
Um so größer der Schock, wenn dann in unmittelbarer Nähe und unter Schmerzen gestorben wird..

um so schwieriger die Verarbeitung dieser Todesnähe, wenn sie so ohne wirkliche Vorbereitung und ohne den Rückgriff auf bereits verarbeitete Szenarien erfolgen muss
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: mailman am 25. September 2009, 19:38:30
Ich bin der Meinung, das man in der Hinsicht die Bewerber prüfen sollte wer evtl. auf sowas anfällig sein wird.

Eigentlich find ich das Thema auch überbewertet. Rettungskräfte sehen sowas sehr regelmäßig und mind genau so schlimme Dinge wenn nicht schlimmer.

In der Feuerwehr hab ich schon viele Dinge gesehen und auch einiges hat mich beschäftigt.

Und das Gefühl wenn manim ersten Fahrzeug sitzt und bei einem VU ankommt und dann das erste mal das Wrack sieht das wünsch ich keinem.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: ulli76 am 25. September 2009, 20:09:23
REttungskräfte betrifft es aber genauso. Man kann aber wirklich nicht vorhersehen, wen es trifft. Manchmal passiert´s beim ersten Einsatz, manchmal auch erst bei 4. oder 5.
Ich hab schon den ein oder anderen mit PTBS kennengelernt. Das ist nun mal eine schwere Erkrankung. Ich finde überbewertet ist das Thema keineswegs.
Die Symptome sind übrigens schon sehr lange beschrieben worden, allerdings wuste man früher noch nicht, was es damit auf sich hat.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: snake99 am 25. September 2009, 20:33:36
ZitatRettungskräfte sehen sowas sehr regelmäßig und mind genau so schlimme Dinge wenn nicht schlimmer.

Rettungskräfte werden meist Zeugen tragischer Unfälle, im Auslandseinsatz sind solche Verletzungen meistens Ursache von grausam ausgeübter, vorsätzlicher Gewalt. Dieses Wissen bewerte ich als zusätzlich belastend. Wenn man bedenkt zu welchen grausamen Taten Menschen untereinander fähig sind, wird mir einfach nur schlecht ...
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: wolverine am 25. September 2009, 20:44:31
Danach müsste jeder Strafverteidiger und Staatsanwalt traumatisiert sein - und wahrscheinlich die Hälfte aller Jugendamtmitarbeiter.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: mailman am 25. September 2009, 20:47:09
Zitat von: snake99 am 25. September 2009, 20:33:36
ZitatRettungskräfte sehen sowas sehr regelmäßig und mind genau so schlimme Dinge wenn nicht schlimmer.

Rettungskräfte werden meist Zeugen tragischer Unfälle, im Auslandseinsatz sind solche Verletzungen meistens Ursache von grausam ausgeübter, vorsätzlicher Gewalt. Dieses Wissen bewerte ich als zusätzlich belastend. Wenn man bedenkt zu welchen grausamen Taten Menschen untereinander fähig sind, wird mir einfach nur schlecht ...

Bestes Beispiel für sowas bei uns Rettern ist der Schienensuizid. Sowas ist das shclimmste was es gibt :-\
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: snake99 am 25. September 2009, 21:30:50
Ich kenne die Bilder (Bahnleichen), jedoch bzw. Gott sei dank nur von Fotos ...
Meine Ex ist bei der BuPo und hat mich mal in "das Archive" blicken lassen. Grauenhaft was ich das zu sehen bekommen habe.
Mein voller Respekt denen Menschen gegenüber, die damit umgehen müssen.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: mailman am 25. September 2009, 21:43:39
Ich will damit das PTBS nicht "runterspielen". Ich möchte nur aufzeigen das sowas in Deutschland täglich vorkommt und nicht in den Medien vorkommt. Und wir werden oft mit einer BF verwechselt und fahren zwischen 400 und 500 Einsätze pro Jahr.

Weiterhin denke ich aber das die Hilfe bei der Bundeswehr da besser ist als bei uns ist. Leider ist es noch immer nicht überall Standart einen Notfallseelsorger hinzu zu ziehen.

Und ein Soldat der diesen Beruf ergriffen hat, macht das ja freiwillig. Ich als Feuerwehrmann mache das auch freiwillig, wobei in kleineren Gemeinden/Städten der Feuerwehrdienst schon fast eine Pflicht ist. Die Mannschaft bei uns besteht meist aus Familen. Quereinsteiger haben wir kaum.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: snake99 am 26. September 2009, 12:54:05
PTBS kann aber auch alleine durch die Angst / Bedrohungslage ausgelöst werden, mit der man im Einsatz 24 Std. am Tag sowie 7 Tage die Woche klar kommen muss. Ein Feuerwehrmann oder Polizist hat diese Belastung nicht.

Wenn man 4 bis 6 Monate jeden Tag / jede Stunde damit rechnen muss, dass einem eine Rakete "auf den Kopf fällt" bzw. dass man Opfer eines Anschlags wird, stresst dies ungemein. Hinzukommt bei einigen Kameraden die Anspannung darüber, was gerade zu Hause passiert. Sie sind im Einsatz und können ihren Lieben zu Hausen nicht helfen, wenn es dort Probleme gibt. Das ist Stress pur, der verarbeitet werden muss.

Die Anspannung der Soldaten merkt man oftmals nachts im Schlaf ... sehr lautes "Zähneknirschen" bis hin zu "Selbstgesprächen" im Schlaf sind sehr häufig zu sehen. Einige klagen auch über Muskelkater nach dem Schlafen, weil sie während der Schlafphase total angespannt sind.

Auch wenn es ggf. etwas komisch klingen mag würde ich es begrüßen, wenn man im Einsatz die Möglichkeit hätte regelmässig an "Entspannungstrainings" teilzunehmen.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: ulli76 am 26. September 2009, 12:58:48
@snake: nein, dadurch wird kein PTBS ausgelöst! Das kann zwar zu Streß, Schlafstörungen etc. führen, löst aber kein PTBS aus. Dazu ist eine dauerhafte konkrete und nicht die mögliche Gefahr erforderlich.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: snake99 am 26. September 2009, 13:01:47
Das Wort "Gefahr" wird aber von jedem Menschen anders wahrgenommen. Spätestens nach dem ersten RPG Angriff auf ein Feldlager, würde ich diese Gefahr als dauerhaft konkret einstufen. Es kann jederzeit zu einem erneuten Angriff kommen ...
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: ulli76 am 26. September 2009, 13:04:47
Der erlebte Anschlag auf das eigene LAger ist aber was anderes als die ständige Gefahr, dass sowas passieren kann. Versuch nicht, irgentwas in meinen Text reinzuinterpretieren, was ich nicht geschrieben habe.

Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: snake99 am 26. September 2009, 13:11:04
Wenn ich im Einsatzland ankomme, ist eine allgemeine Gefahr gegenwertig über die ich mir im Vorfeld bewusst bin. Ich gehe davon aus, ich kann angegriffen werden, doch es muss nicht passieren.

Ist das Lager mit einer RPG angegriffen worden, würde sich die allgemeine Gefahr eines RPG Angriffs für mich persönlich in eine konkrete sehr wahrscheinliche Gefahr umwandeln und wäre fortan sehr ernst zu nehmen.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: ulli76 am 26. September 2009, 13:20:23
Trotzdem hat der "normale" Einsatzstreß nur indirekt mit PTBS zu tun.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: miguhamburg am 26. September 2009, 14:32:54
Liebe Ulli, vielen Dank, dass Sie die Zusammenhänge hier noch einmal aus fachlicher Perspektive beschrieben und somit mein Eingangsposting bereichert haben.

Es gibt zu allen möglichen Fachgebieten kontroverse Fachdiskussionen. Ob bei den Historikern, den Juristen oder eben bei den Psychologen. Die werden natürlich auch in den Medien aufgeführt. Daraus als Nicht-Fachkundige(r) abzuleiten, dass etwas überbewertet wird, halte ich für vorschnell und meistens einfach unangemessen. Niemand wird doch wohl ernsthaft bestreiten, dass eine erhebliche Anzahl von Menschen, die die Ereignisse im zweiten Weltkrieg miterleben mussten, gleich ob als Zivilist den Bombenkrieg oder als Soldat die Einwirkung von Flach- oder Steilfeuer oder durch Beschuss/Bombenabwurf von Flugzeugen und die Wirkung auf einen durch Lärm, Erschütterung, Verwundung oder Sterben, traumatisiert wurden und dieses Trauma bis in die Jetztzeit nacherleben!

Und gerade, weil es eben nicht vorhersehbar ist, ob, in welcher Form und wann es zu diesen Belastungsstörungen kommt, kann es auch nicht im Rahmen eines Eignungsfeststellungsverfahren ermittelt werden, ob ein(e) Bewerber(in) dafür anfällig ist. Die pschologischen Gutachten bei den ZNwG und der OPZ verfolgen andere Ziele: Ob die Persönlichkeitseigenschaften und Entwicklungspotenziale zu den allgemeinen Anforderungen an den Offz/Uffz-Beruf passen.

Gerade deshalb, weil es niemand wissen kann, ob ein PTBS ihn/sie ereilt, deshalb ist ja die qualifizierte Präventionsarbeit genauso wichtig, wie eine qualiizierte Begleitung und Nachbereitung. Und gerade deshalb ist das Verdrängen nach dem Motto "Es wird überbewertet" oder "Musst Du zum Seelenklempner" etc. genau das Falsche.
Titel: Re:Immer mehr deutsche Soldaten sind traumatsiert (PTBS)
Beitrag von: snake99 am 22. Juni 2010, 10:39:44
Hier ein aktueller Artikel zu dem Thema auf Spiegel Online.

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