Bundeswehrforum.de

Politik und Zeitgeschehen => Aus Presse und Medien => Thema gestartet von: Timid am 16. März 2010, 10:25:25

Titel: Jahresbericht 2009 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
Beitrag von: Timid am 16. März 2010, 10:25:25
Reinhold Robbe, der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, stellt heute den Jahresbericht für das Berichtsjahr 2009 vor. Vorab sind schon einige Kritikpunkte bekannt, wie etwa das Fehlen von 600 Sanitätsoffizieren, ein Inspekteur des Sanitätsdienstes, der seinen Aufgaben nicht gewachsen sei, das Fehlen von geschützten Fahrzeugen, Hubschraubern oder Transportflugzeugen.

Der Spiegel berichtet in seinem Online-Angebot vorab über den Bericht und die Diskussion um den Nachfolger von Herrn Robbe. Robbes Amtszeit endet am 12. Mai 2010, die FDP, sein Nachfolger soll der FDP-Abgeordnete und Reserveoffizier Hellmut Königshaus werden. Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen und der Bundeswehrverband machen sich jedoch weiterhin für eine zweite Amtszeit Robbes stark.

Kritik des Wehrbeauftragten
Bundeswehr braucht 600 Militärärzte


Den gesamten Artikel gibt es hier bei Spiegel Online.




Im Internetangebot des Deutschen Bundestages wurde zudem ein Interview mit Reinhold Robbe veröffentlicht.

"Wachsendes Risiko für die Bundeswehr"

Den gesamten Artikel gibt es hier auf Bundestag.de.




Der Jahresbericht soll heute um 11:30 Uhr auf der Internetseite des Wehrbeauftragten veröffentlicht werden. Diese Seite ist zu finden unter
http://www.bundestag.de/bundestag/wehrbeauftragter/index.html
Titel: Re:Jahresbericht 2009 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
Beitrag von: schlammtreiber am 16. März 2010, 10:34:47
Ich fürchte nur, dass der Ruf nach mehr finanziellen Mitteln verhallen wird.
Titel: Re:Jahresbericht 2009 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
Beitrag von: Rollo83 am 16. März 2010, 10:44:01
Puh, ich wusste ja das Militärärzte rar sind aber das ca. 600 Sück fehlen.
Ich hoffe das Robbe eine zweite Amszeit bekommt kann mich eigentlich nicht beklagen über diese Besetzung.
Titel: Re:Jahresbericht 2009 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
Beitrag von: snake99 am 16. März 2010, 11:07:40
Eine mir bekannte Bw Ärztin (nein, nicht Ulli) offerierte mir ganz offen, dass die verdammt froh sei, wenn sie endlich ihr DZE hat.
Der Hauptgrund sei vor allem, der immer größer werdende Vorschriftenirrsinn innerhalb der Bw, der die eigentliche Arbeit mehr behindert, als das er sie voran bringt.

Mein Hausarzt ist ResSanOffz gewesen. Er hatte keine Probleme damit, regelmässig WÜ's als OSA zu machen, doch die Bw hatte ein großes Problem damit seine Kosten und Auslagen zu bezahlen, die für die Aufrechterhaltung seiner Praxis der Bw (bzw. USG) in Rechnung gestellt wurden ;)
Nach wenigen WÜ's bekam er somit seine Entlassungsurkunde ...

Was die HH Mittel angeht meine ich schon seit etlichen Jahren zu erkennen, dass es innerhalb der Kasernen kräftig am brennen ist. Es fehlt an allen Ecken und Kanten, weil die Auslandseinsätze immer teurer werden. Doch woher sollen noch mehr Mittel genommen werden, wenn die Staatskasse leer ist?  
Titel: Re:Jahresbericht 2009 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
Beitrag von: schlammtreiber am 16. März 2010, 12:36:35
Zitat von: snake99 am 16. März 2010, 11:07:40
Es fehlt an allen Ecken und Kanten, weil die Auslandseinsätze immer teurer werden.

Diese Aussage ist nur halb richtig. Richtig ist, es fehlt an allen Ecken und Kanten. Nicht zutreffend ist jedoch, dass dies durch die Auslandseinsätze bedingt ist. Große Teile der Finanzmittel für die Einsätze werden durch Sonder-/Nachtragshaushalte zugeschossen und belasten somit nicht den "eigentlichen" Verteidigungshaushalt. Dieser ist schlicht und einfach seit Ende des Kalten Krieges viel zu niedrig für ein Land der Größe und Wirtschaftskraft Deutschlands. Aber das wird nicht ernsthaft diskutiert weil "mehr Geld für das Militär" in diesem Land beim Wähler etwa so gut ankommt wie "Straffreiheit und finanzielle Unterstützung für Kinderschänder" (man verzeihe die leichte Überspitzung).

Allerdings ist für manchen Politiker der ,,teure Auslandseinsatz" natürlich eine bequeme Ausrede um die finanziellen Probleme der Bw mit ,,höherer Gewalt" zu erklären und dann schnell abzuhaken. Kein Wunder, dass wenig getan wird um die in gefühlten/geschätzten 90% + X der Bevölkerung vorherrschende Fehlperzeption vom ,,Einsatz, der den finanziellen Mangel bedingt" zu korrigieren. Natürlich entstehen durch den Einsatz im Ausland zusätzliche Kosten auch im ,,gewöhnlichen" Verteidigungsetat, aber nicht in dem Maße, dass sie die finanziellen Mängel erklären würden.

ZitatDoch woher sollen noch mehr Mittel genommen werden, wenn die Staatskasse leer ist?

Die Staatskasse ist nicht leer, allein der Bundeshaushalt umfasst circa 300 Milliarden Euro. ;)

Ernsthaft: obige Aussage lässt sich so für JEDE staatliche Ausgabe treffen, oder GAR NICHT. Je nachdem, ob man gerade für mehr oder für weniger Ausgaben argumentieren will.

Um Mittel frei zu kriegen muss eben an anderer Stelle gekürzt werden. Es gibt da so einige Ausgabenposten, deren Priorität ich mal ganz spontan niedriger bewerten würde als den Verteidigungshaushalt. Oder, um es mal ganz polemisch und griffig zu erklären:

Herr Müller verdient gut und baut sich ein Eigenheim im Grünen. Dafür erhält er staatliche Zulagen, finanziert aus Steuergeldern. Unter anderem aus den Steuergeldern von Herrn Huber, der in einer kleinen Plattenbauwohnung lebt und viel weniger verdient als Müller, sich also wohl niemals ein Eigenheim leisten können wird. Als ob das nicht schon ungerecht genug wäre, hat Herr Huber auch noch einen Sohn bei der Bundeswehr, der ist gerade in Afghanistan, aber da fehlt es aus finanziellen Gründen an Ärzten, gepanzerten Fahrzeugen, Lutschern, whatever. Dafür ist nämlich kein Geld da, weil der Staat ist klamm und das bisserl Geld das er hat verbaut der Herr Müller gerade in seinem mediterranen Terrakotta-Zimmer. Klingt komisch, is aber so. Und während Herr Müller bei seinem kleinbürgerlichen Einfamilienhaus Richtfest feiert, nimmt Herr Huber am Flughafen den Sarg seines Sohnes entgegen, der leider leider verstorben ist weil irgendwas gerade fehlte als die Taliban ihn unter Beschuss nahmen. Ja was denn? Ist halt so, shit happens. Müssen sie schon verstehen Herr Huber, Geld ist eben ein knappes Gut. Und Herrn Müller herzlichen Glückwunsch zum schmucken Häuschen!

Natürlich ist das schwachsinnige Polemik. Aber genau das ist die Ebene auf der das Thema oft diskutiert wird.

Titel: Re:Jahresbericht 2009 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
Beitrag von: snake99 am 16. März 2010, 12:46:54
In deinem Posting steckt leider viel Wahrheit drin Schlammi.
Titel: Re:Jahresbericht 2009 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
Beitrag von: Timid am 16. März 2010, 13:44:01
Der Bericht ist mittlerweile unter dem oben angegebenen Link auf der Webseite des Deutschen Bundestages (bzw. des Wehrbeauftragten) verfügbar.
Titel: Re:Jahresbericht 2009 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
Beitrag von: miguhamburg1 am 17. März 2010, 12:43:04
Liebe Kameraden, der Wehrbeauftragte hat - leider! - in vollem Umfang Recht! Und ebenso Recht hat er dazu, diejenigen Missstände mit mehr als deutlichen Worten der Enttäuschung niederzulegen, die er in Teilen seit seinem Amtsantritt festststellte, die jedoch nie zu einer nachhaltigen Änderung führten!

Das Argument mit den Kosten für die Einsätze geht tatsächlich nur zu einem Viertel aus dem Einzelplan, in dem der Wehretat geregelt ist. Nein, diese Situation ist mit Masse dem geschuldet, dass die Bundeswehr seit Jahren chronisch unterversorgt ist, weil vor allem in der Zeit des BMVg Rühe zum HH-Steinbruch wurde. Die moderaten Erhöhungen der letzten Jahre konnten diese massiven Einschnitte jedoch nie wieder aufholen. Eine hiermit verbundene weitere Ursache ist jedoch der Umstand, dass sich sowohl die militärische, als auch politische Führung der Bundeswehr über viele Jahre ihrer Verantwortung fürs Ganze nicht ausreichend gerecht wurden.

Ich darf z.B. an die Truppenreduzierungen, beginnend in den 1990er Jahren erinnern. Obgleich es hieß, dass maßgeblich für die zu treffenden Entscheidungen betriebliche und betriebswirtschaftliche Gründe herangezogen würden (Stichwort BMVg Struck "Ich bin nicht für Struktrpolitik zuständig"). Im Ergebnis wurden die meisten der Großverbände der Brigadeebene, die zuvor in einem Stationierungsraum von oftmals nicht mehr als 30 km Umkreis stationiert waren so disloziert, dass durch Auflösung bestehender Einheiten und Verbände und Neuzuordnung anderer TrTle eine großflächige Verteilung über die halbe Bundesrepublik erzeugt wurde. Ein besonders prägnantes Beispiel mag die PzLehrBrig 9 sein. Die war vor dieser Operation in einem Standort, nämlich in Munster. Am Ende dieser "betriebswirtschaftlichen und betriebsoptimierten" Reorganisation hatte die Brigade ein Bataillon in Schwanewede, eins in Lüneburg und eins in Celle in ihren Reihen. Mit dem Ergebnis, dass der BrigKdr nicht mehr an einem Tag Dienstaufsicht in seinen Bataillonen durchführen konnte und dass die Fahrt- und Transportkosten immens anstiegen. Denn für den Kernauftrag der Brigade Lehrvorführungen/Übungen musste nun jeweils Großgerät aus den dislozierten Standorten nach Munster verbracht werden... Ein weiteres Beispiel war die LLBrig 31. Vorher in Oldenburg, Varel und Wildeshausen stationiert, wurde ein Bataillon in Oldenburg aufgelöst und eines in Doberlug-Kirchhain (bei Cotbus) unterstellt. Besonders "sinnvoll" wurde diese Reorganisation, weil die Brigade gleichzeitg den Auftrag erhielt, einen Kampfverband "Schutz" (heute OpIK) bestehend aus der Masse der beiden FschJgBtl auzustellen...

In diesem Zusammenhang darf auch daran erinnert werden, dass Standortentscheidungen mitunter nicht mehr nachvollziehbar getroffen wurden (siehe Munster), ehemals einer der soldatenstärksten Standorte... Ein anderer Fall war Schleswig: Eine Kasernenanlage, in der zuvor über 3.000 Soldaen stationiert waren. Beste Verkehrsanbindungen und Übungsmöglichkeiten: Geschlossen. Oder Boostedt bei Neumünster: Die dort stationierte Panzerbrigade hatte ihre TrTle in Bad Segeberg und in Boostedt (25 Km auseinander gelegen) und am Standort Boostedt befand sich ein sehr großer StOÜbPl mit allen Einrichtungen für mechanisierte Verbandsausbildung und groß genug, dass sich 2 ausbildende Kp nie begegnen mussten. Ergebnis heute: Der StoOÜbPl wird verkauft, weil in der Kaserne Logistiktruppen stationiert sind. Letztes Beispiel: Kurz vor der Entscheidung des BMVg Rühe, diverse (Groß) Verbände aufzulösen, wurden die Kasernen sehr aufwändig grundsaniert, um danach Komfortunterkünfte für Asylbewerber zu werden, leerzustehen oder abgerissen zu werden.

Schließlich darf auch darauf hingewiesen werden, dass wir überwiegend noch heute Strukturen und Ausbildungsparadigmen (vor allem im Heer) haben, die sich eher an den Normen des Kalte Krieges ausrichten, als an der heutigen Ensatzrealität. Soll also u.a. heißen: Für den Feldlagerbau und -betreb haben wir in der SKB zwar zwei SpezPiBtl, die extrem überlastet sind. Andererseits hat das Heer eine ganze eihe von "normalen" PiBtl, so als ob es gelte, die Landesverteidigung mit dem Bau und der Beseitigung von Sperren im Schwerpunkt zu realisieren. Genauso sieht es bei den fliegenden Verbänden der Luftwaffe aus: Während vor allem Aufklärungskapazität benötgt wird (und fehlt) , leisten wir uns definitiv zu viel JaBo Geschwader, die in den absehbaren Einsatzszenarien zumindest in der Stückzahldefinitiv nie gebraucht werden.

Also, sinnvolle Einsparpotenziale gäbe es genug, die sich auch sinnvoll erweitern ließen, wenn der Joint/Combined Ansatz konsequent auf den Zuschnitt der Fähigkeitspotenziale der Mitgliedsstaaten umsetzen ließe (ähnlich wie beim europäischen Lufttransportkommando, das jüngst in Dienst gestellt wurde.