Wie ich diese Woche auf mehreren Nachrichtenplattformen gelesen habe, scheinen immer mehr Nationen die an ISAF beteiligt sind ihr Engagement zurück zu fahren.
Die Kanadier haben in Kandahar das Kommando an die USA abgegeben und sind gerade dabei ihre Truppe zu verkleinern. Ebenfalls sind die Briten dabei Zuständigkeiten abzugeben ... und für 2011 hat Westerwelle diese Woche noch mal öffentlich in aller Deutlichkeit gesagt, dass die Bundesregierung bis Ende 2011 die Masse der aktuell in AFG eingesetzten deutschen Soldaten ebenfalls abbauen will ...
Im Grunde könnte man meinen, dass die NATO ihr Ziel erreicht hat, doch in Anbetracht der Meldungen, dass die Taliban in einigen Regionen weiter auf dem Vormarsch sind, kommt bei mir der Eindruck der allgemeinen Resignation hoch, dass es der NATO nicht besser ergehen wird, wie damals Russland ...
Erinnert mich so grob ein bischen an Vietnam. Anno 1971/72 meinten die USA plötzlich (tja, warum wohl) dass die Südvietnamesische Armee nun bestens alleine klarkommen würde und zog sich zurück. Der Rest ist Geschichte.
Mich deucht, dass es in A-Stan nicht anders verlaufen wird. Nur leider werden sich die Talibs mit A-Stan nicht zufrieden geben und als nächstes Pakistan "befreien" wollen (sind schon fleissig dabei).
Da Pakistan Atommacht ist, und tunlichst nicht dem Talib preisgegeben werden sollte, wird uns das Thema wohl noch über 2011 hinaus beschäftigen.
Vor allem muss man sich fragen: Wer gerät anschließend ins Visier der "Gläubigen"??
Verschoben, weil solche Vermutungen keine Pressemeldungen sind und nicht wirklich viel mit der Realität zu tun haben.
Beispiel Brittischer Bereich: Der wurde verkleinert, weil die Amerikaner ihr Engagement im Bereich ausgeweitet haben. Die Truppen wurden aber nicht reduziert. Und wann hat Westerwelle die Masse der Deutschen Soldaten abziehen wollen? Weiß das denn die Bundeswehr, die grade die beiden neuen Btl aufstellt? Richtig ist aber, dass Reduktionen geplant sind, weil im nächsten Jahr erste Distrikte an die Afghanen übergeben werden sollen, wozu evtl. auch Feyzabad zählen soll. Das aber in einen Vietnam Kontext zu bringen ist doch sehr weit hergeholt.
Hier ein Artikel zum Thema von Boris Barschow (Chef vom Dienst bei phoenix und OTL d.R.)
Also erst mal wieder die üblichen Korrekturen.
Zitatfür 2011 hat Westerwelle diese Woche noch mal öffentlich in aller Deutlichkeit gesagt, dass die Bundesregierung bis Ende 2011 die Masse der aktuell in AFG eingesetzten deutschen Soldaten ebenfalls abbauen will ...
Der Abzug soll 2011
beginnen und nicht "in der Masse" beendet sein.
Was die Kanadier angeht: die ziehen sich nicht nur aus Afghanistan zurück, sondern aus
allen Auslandseinsätzen, und zwar für mehrere Jahre, um ihre Armee zu regenerieren. Die sind "overstretched", und zwar offensichtlich recht spürbar.
Zitat von: ARMY STRONG am 18. Juli 2010, 09:43:02
Erinnert mich so grob ein bischen an Vietnam. Anno 1971/72 meinten die USA plötzlich (tja, warum wohl) dass die Südvietnamesische Armee nun bestens alleine klarkommen würde und zog sich zurück.
Aua Aua aua. Bitte folgende Begriffe recherchieren: Vietnamization, Osteroffensive, Linebacker, Linebacker II - der Ablauf war doch etwas komplexer ;)
ZitatDa Pakistan Atommacht ist, und tunlichst nicht dem Talib preisgegeben werden sollte, wird uns das Thema wohl noch über 2011 hinaus beschäftigen.
Exakt deswegen sind Vietnamvergleiche auch immer sehr dünnes Eis ;)
"Klare Worte vor Beginn der Afghanistan-Konferenz: Nato-Generalsekretär Rasmussen rechnet damit, dass Afghanistan auf unabsehbare Zeit Hilfe benötigen wird - und dass die Opferzahlen weiter steigen. Die internationale Gemeinschaft habe den Einsatz unterschätzt."
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,707184,00.html
Zitat von: TheAdmin am 18. Juli 2010, 11:12:18
Das aber in einen Vietnam Kontext zu bringen ist doch sehr weit hergeholt.
Wirklich?
Ich habe bisher noch keinen Bericht gelesen, in dem festgestellt wuerde dass die Afghanen in der Lage waeren hier irgendwas zu uebernehmen. Das wird sich voraussichtlich in einem oder zwei Jahren auch nicht wesentlich veraendern.
Die Politiker wären (zwar wünschenswert, aber Wahltaktischer Selbstmord) auch schön blöd wenn sie dem Wähler sagen würden: Abzug nicht vor 20xx...
Dann haste bei Maischberger und Co. wieder min. vier Irre sitzen und einen konservativen auf den eingedroschen wird und zwei Monate negativ Presse...
Heute ist erneut ein Kamerad getötet und mehrere verletzt worden. Ich hoffe unsere Volksvertreter kommen nun endlich zur Vernunft und ziehen unsere Soldaten aus diesem aussichtslosen Kampf zurück. Es ist tragisch, wie viele Kameraden schon ihr Leben in AFG verloren haben und wie wenig man zu antworten weiss, wenn nach dem ,,warum" gefragt wird. Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen und wir sollten uns im Interesse unserer Soldaten aus ihm zurückziehen.
Zitat von: Smoover am 07. Oktober 2010, 14:58:39
Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen und wir sollten uns im Interesse unserer Soldaten aus ihm zurückziehen.
Mir kommt jedesmal die Galle hoch wenn ich lesen muss wie gefallene Kameraden für solchen Bullshit auch noch instrumentalisiert werden.
Unser Abzug liegt im Interesse der Taliban.
Und mir kommt jedes mal die Galle hoch, wenn die Zeitungen wieder mal titeln, dass deutsche Soldaten gefallen sind. Mir tut das immer wahnsinnig leid für die Angehörigen. Es ist völlig legitim zu hinterfragen, ob es sinnvoll ist, diese Risiken einzugehen und ob dieser Krieg überhaupt zu gewinnen ist. Das Engagement unserer Soldaten ist aller Ehren wert, aber ich bezweifele, dass die Probleme in den Griff bekommen werden können. Es wäre nicht das erste mal, dass in AFG erfolglos abgezogen wird. Ob das jetzt sofort der Fall ist oder in 5 Jahren.
Zitat von: Smoover am 07. Oktober 2010, 15:12:24
Es ist völlig legitim zu hinterfragen
"Hinterfragen" und "postulieren" sind zwei Paar Schuhe. Wenn man unmittelbar nach dem Tod eines Kameraden anfängt, GENAU DAS zu fordern was dessen Mörder wollen (Abzug sofort), dann spielt man diesen in die Hände, ob gewollt oder nicht. Das dann noch als "unser Interesse" verkaufen zu wollen, und das Verschulden am Tod implizit unseren Politikern (statt den Mördern) unterzuschieben setzt dem Ganzen noch eins drauf.
ZitatEs wäre nicht das erste mal, dass in AFG erfolglos abgezogen wird.
Und wir wissen auch was beim letzten Mal rausgekommen ist. Bürgerkrieg nonstop und ein Disneyland für Terroristen. Was lernen wir daraus? Abzug asap bringt exakt GAR NICHTS.
ZitatOb das jetzt sofort der Fall ist oder in 5 Jahren.
Mit dem leichten Unterschied, dass ein sofortiger Abzug das Land definitiv den Taliban überantworten würde. Ob die afghanische Armee in 5 oder 10 Jahren in der Lage ist alleine klar zu kommen weiß man noch nicht, nur dann KANN sie es sein und JETZT ist sie es definitiv nicht.
Ein bewaffneter Konflikt fordert immer Opfer; der Einsatz von Militär impliziert zwangsläufig tödliche Gewalt anzuwenden. Ebenso gehören Opfer dazu: Die des Gegnders, eigene und meistens auch einige grundsätzlich am Konflikt Unbeteiligte.
Wer dazu nicht bereit ist, lehnt zwangsläufig jeden militärischen Einsatz ab.
ZitatWenn man unmittelbar nach dem Tod eines Kameraden anfängt, GENAU DAS zu fordern was dessen Mörder wollen (Abzug sofort), dann spielt man diesen in die Hände, ob gewollt oder nicht.
Man spielt vor allem unseren Soldaten in die Hände, die nicht mehr ihr Leben riskieren müssen für einen Kampf gegen einen unsichtbaren Gegner.
ZitatDas dann noch als "unser Interesse" verkaufen zu wollen
Das ist eben Ansichtssache. Man kann gegenteilige Meinungen auch ruhig mal respektieren.
Zitatund das Verschulden am Tod implizit unseren Politikern (statt den Mördern) unterzuschieben setzt dem Ganzen noch eins drauf.
Ich kritisiere die Politiker dafür, dass sie an diesem Einsatz immer noch festhalten. Und da bin ich in guter Gesellschaft von einem Großteil der Bevölkerung.
ZitatUnd wir wissen auch was beim letzten Mal rausgekommen ist. Bürgerkrieg nonstop und ein Disneyland für Terroristen. Was lernen wir daraus? Abzug asap bringt exakt GAR NICHTS.
Aber da bleiben bringt auch GAR NICHTS. Außer das Risiko, noch weitere Opfer beklagen zu müssen. Nach 9 Jahren hat man die Taliban noch immer nicht in den Griff bekommen. Ob man das überhaupt schaffen kann, ist genauso fraglich.
ZitatMit dem leichten Unterschied, dass ein sofortiger Abzug das Land definitiv den Taliban überantworten würde. Ob die afghanische Armee in 5 oder 10 Jahren in der Lage ist alleine klar zu kommen weiß man noch nicht, nur dann KANN sie es sein und JETZT ist sie es definitiv nicht.
Ja, theoretisch möglich. Aber wie lange will man noch warten? 9 Jahre sind bereits rum!
Was ist, wenn es in 10 Jahren immer noch nicht geschafft wurde, die Taliban zu besiegen? Nochmal 10 Jahre?
ZitatEin bewaffneter Konflikt fordert immer Opfer; der Einsatz von Militär impliziert zwangsläufig tödliche Gewalt anzuwenden. Ebenso gehören Opfer dazu: Die des Gegnders, eigene und meistens auch einige grundsätzlich am Konflikt Unbeteiligte.
Wer dazu nicht bereit ist, lehnt zwangsläufig jeden militärischen Einsatz ab.
Nicht unbedingt. Wenn ein Einsatz sinnvoll ist und man eine Perspektive hat bin ich nicht dagegen. Nur ob dieser Einsatz sinnvoll ist muss hinterfragt werden dürfen, auch wenn das in einem BW-Forum vielleicht nicht gern gesehen wird.
Zitat von: Smoover am 07. Oktober 2010, 16:13:01
Man kann gegenteilige Meinungen auch ruhig mal respektieren.
Respektieren heisst nicht widerspruchslos stehen lassen. Nicht wenn sie schlicht falsch sind. Und was man vor allem erwarten sollte ist Kritik an der eigenen geäußerten Meinung – Meinungsfreiheit ist keine Einbahnstraße.
Zitat von: Smoover am 07. Oktober 2010, 16:13:01
Aber da bleiben bringt auch GAR NICHTS. Außer das Risiko, noch weitere Opfer beklagen zu müssen.
Doch, zum ersten ist Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen so lange wir dort sind, und zum zweiten scheinen die Taliban das mittlerweile pessimistischer zu sehen als Du – die haben nämlich Verhandlungen angeboten. Vielleicht sehen (im Gegensatz zu Dir) die Taliban ja ein, dass sie auf diese Weise nicht gewinnen können, so lange ISAF durchhält – was ISAF natürlich nicht tun würde wenn es nach Dir ginge. Merkst Du was?
,,Da bleiben" bringt also sehr wohl etwas – die Perspektive auf Erfolg. Der ist erreicht wenn wir abziehen können OHNE dass Afghanistan gleich kollabiert.
Zitat von: Smoover am 07. Oktober 2010, 16:13:01
Ja, theoretisch möglich
Ich rieche so was wie Einsicht.
Zitat von: Smoover am 07. Oktober 2010, 16:13:01
Was ist, wenn es in 10 Jahren immer noch nicht geschafft wurde, die Taliban zu besiegen?
Vielleicht schaffen wir es nicht, dann haben wir verloren. Wenn wir jetzt sinnlos abziehen, haben wir definitiv sofort (nicht ,,vielleicht", nicht ,,möglicherweise") verloren.
Zitat von: Smoover am 07. Oktober 2010, 16:13:01
Nur ob dieser Einsatz sinnvoll ist muss hinterfragt werden dürfen, auch wenn das in einem BW-Forum vielleicht nicht gern gesehen wird.
Nicht schon wieder diese alte Leier. Wir sind kein offizielles Forum der Bundeswehr, hier sitzen keine Zensoren, Du bist kein Märtyrer der Meinungsfreiheit. Wenn uns was nicht passt kostet das Löschen nur einen Mausklick, einen User bannen ebenso. Wir tun es nicht, also komm nicht auf diese Tour.
Bitte noch mal überlegen: die Taliban wissen, dass sie die gesammelten Streitkräfte ISAFs nicht militärisch besiegen können, sie wissen aber auch, dass die Schwachstelle solcher Einsätze die Unterstützung zu Hause ist. GENAU DAS was hier gerade läuft versuchen sie durch ihre Anschläge zu erreichen: dass ,,Abzug sofort" geschrien wird. GENAU DAS ist ihr Ziel. Ob man ihnen diesen Gefallen tun will, sollte man sich gut überlegen.
ZitatNicht wenn sie schlicht falsch sind.
Das ist deine Meinung.
ZitatDoch, zum ersten ist Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen so lange wir dort sind
Vielleicht nicht. Fragt sich nur, ob dadurch das Problem aus der Welt ist (stark zu bezweifeln!) oder es nur umverlagert wurde. Wenn Terroristen nicht in Afghanistan ausgebildet werden, dann eben irgendwo anders in der Region. Damit ist soweit auch nicht viel erreicht. Ganz davon abgesehen, dass die ISAF längst nicht ganz Afghanistan unter Kontrolle hat.
Zitatund zum zweiten scheinen die Taliban das mittlerweile pessimistischer zu sehen als Du – die haben nämlich Verhandlungen angeboten.
Ich bin gespannt, was daraus wird. Bei solchen Angeboten kann man eigentlich nur höchst skeptisch sein und sollte es auch.
ZitatVielleicht sehen (im Gegensatz zu Dir) die Taliban ja ein, dass sie auf diese Weise nicht gewinnen können, so lange ISAF durchhält – was ISAF natürlich nicht tun würde wenn es nach Dir ginge. Merkst Du was?
Natürlich können sie nicht gegen ISAF militärisch gewinnen. Aber das brauchen sie auch gar nicht. Für sie sind andere Dinge ein Erfolg, z.B. ein Anschlag wie heute. ISAF kann leider andersherum auch nicht gegen die Taliban gewinnen. Zumindest sieht es von außen betrachtet stark danach aus nach mittlerweile 9 Jahren. Gegen einen unsichtbaren Gegner ist kaum anzukommen.
Zitat,,Da bleiben" bringt also sehr wohl etwas – die Perspektive auf Erfolg.
Das ist eben die entscheidende Frage, ob diese Perspektive wirklich da ist. Aus meiner Sicht ist es im Grunde aussichtslos, aus deiner ist es möglich. Da werden wir wahrscheinlich nicht auf einen Nenner kommen.
ZitatIch rieche so was wie Einsicht.
Wenn es diese Perspektive gäbe, wäre ich absolut einsichtig. Ich bezweifele das aber stark.
ZitatVielleicht schaffen wir es nicht, dann haben wir verloren. Wenn wir jetzt sinnlos abziehen, haben wir definitiv sofort (nicht ,,vielleicht", nicht ,,möglicherweise") verloren.
An dieser Stelle ist eine Abwägung vonnöten. Man muss sich einfach fragen, wie wahrscheinlich es ist, dass wir nicht verlieren und welche Risiken man bei welcher Wahrscheinlichkeit eingehen will. Mich würde aber durchaus interessieren, wie lange du dem Einsatz noch Zeit geben würdest, bis man abziehen sollte, falls sich nichts Entscheidendes ändert.
Ich denke unsere Ansichten sind einfach zu weit voneinander entfernt. Letztlich wird die Zeit zeigen, wer recht gehabt hat. Wenn in 10 Jahren erfolglos abgezogen wird, war es
leider ich. Wollen wir es nicht hoffen.
Zitat von: Smoover am 07. Oktober 2010, 18:09:05Das ist deine Meinung.
Nicht nur seine ...
ZitatISAF kann leider andersherum auch nicht gegen die Taliban gewinnen. Zumindest sieht es von außen betrachtet stark danach aus nach mittlerweile 9 Jahren. Gegen einen unsichtbaren Gegner ist kaum anzukommen.
Doch, ISAF, bzw. der von ISAF unterstützte afghanische Staat, kann gewinnen. Die Bundeswehr ist derzeit dabei, ihre Strukturen im Norden entsprechend anzupassen, mit den beiden Ausbildungs- und Schutzbataillonen, mit denen man offensiver gegen die Taliban vorgehen kann als das bisher der Fall war. Das KSK hat erst vor kurzem einen Talibanführer geschnappt. Die US-Truppen im Norden gehen seit Monaten aggressiv gegen die Taliban vor und haben das Führungspersonal schon kräftig ausgedünnt. Genauso gehen ISAF, ANA und ANP in anderen Landesteilen offensiver gegen die Taliban vor.
Man muss nur mal die Geduld aufbringen, diese Strategie, die auf deutscher Seite vor gerade mal einem halben Jahr erst beschlossen und deren notwendigen neuen Strukturen noch nicht einmal eingenommen sind, umzusetzen! Und nicht bei jedem Gefallenen, so bedauerlich er auch ist, direkt den gesamten Einsatz für gescheitert erklären!
ZitatAn dieser Stelle ist eine Abwägung vonnöten. Man muss sich einfach fragen, wie wahrscheinlich es ist, dass wir nicht verlieren und welche Risiken man bei welcher Wahrscheinlichkeit eingehen will. Mich würde aber durchaus interessieren, wie lange du dem Einsatz noch Zeit geben würdest, bis man abziehen sollte, falls sich nichts Entscheidendes ändert.
Es ändert sich ja schon etwas ... Die Taliban, oder die gemäßigteren Teile davon, sind zu Gesprächen bereit. Was auch ein Erfolg der neuen Strategien ist.
Zitat von: Smoover am 07. Oktober 2010, 18:09:05
ZitatDoch, zum ersten ist Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen so lange wir dort sind
Vielleicht nicht. Fragt sich nur, ob dadurch das Problem aus der Welt ist (stark zu bezweifeln!) oder es nur umverlagert wurde. Wenn Terroristen nicht in Afghanistan ausgebildet werden, dann eben irgendwo anders in der Region. Damit ist soweit auch nicht viel erreicht. Ganz davon abgesehen, dass die ISAF längst nicht ganz Afghanistan unter Kontrolle hat.
Natürlich werden Terroristen auch woanders ausgebildet. Im Jemen, in Pakistan, in Tschetschenien, in Somalia, etc... aber der Unterschied ist, dass sie in keinem Land ihre Lager offen betreiben können und von der Regierung unterstützt werden wie diese Kombination in Afghanistan mit Taliban-Al Quaida gegeben war (und nach einem Abzug jetzt wieder sein würde). Natürlich wird der internationale Terrorismus nicht aufhören, auch wenn Afghanistan stabil ist – aber solche ,,sicheren Häfen" dürfen eben nicht mehr zugelassen werden, denn sie erleichtern den Terroristen ihre Arbeit enorm und steigern somit ihre Fähigkeiten. Und den Gefallen sollten wir ihnen nicht tun.
Zitat von: Smoover am 07. Oktober 2010, 18:09:05
Ich bin gespannt, was daraus wird. Bei solchen Angeboten kann man eigentlich nur höchst skeptisch sein und sollte es auch.
Natürlich muss man skeptisch sein. Es zeigt aber sehr gut, dass die ,,Insurgents" kein monolithischer Block sind, und dass neben den hoffnungslosen Fanatikern auch weite Teile existieren die nicht mehr wirklich Lust haben zu kämpfen und mittlerweile denken, dass sie mit Reden mehr für sich erreichen können als mit Gewalt.
Zitat von: Smoover am 07. Oktober 2010, 18:09:05
Natürlich können sie nicht gegen ISAF militärisch gewinnen. Aber das brauchen sie auch gar nicht. Für sie sind andere Dinge ein Erfolg, z.B. ein Anschlag wie heute.
Dieser wird für sie erst zum Erfolg, wenn er die gewünschten Konsequenzen hat. Sprich: wenn ISAF abzieht, weil durch die Anschläge der politische Rückhalt daheim schwindet, waren die Anschläge erfolgreich. Wenn ISAF trotzdem bleibt, waren die Anschläge erfolglos.
Zitat von: Smoover am 07. Oktober 2010, 18:09:05
ISAF kann leider andersherum auch nicht gegen die Taliban gewinnen.
ISAF, sprich das Militär alleine, kann Afghanistan nicht alleine gewinnen. Das versucht aber auch niemand. Counterinsurgency bedarf militärischer, polizeilicher, psychologischer, ziviler, wirtschaftlicher, juristischer, etc Mittel und Kräfte. Es ist ein ganzheitlicher Ansatz. Es funktioniert nicht nur mit Militär, aber es funktioniert eben auch definitiv nicht ohne Militär. Das muss jeder bedenken, der ,,andere Mittel" fordert – diese Mittel sind bereits im Einsatz, können aber ohne Schutz des Militärs nicht wirken.
Zitat von: Smoover am 07. Oktober 2010, 18:09:05
Das ist eben die entscheidende Frage, ob diese Perspektive wirklich da ist. Aus meiner Sicht ist es im Grunde aussichtslos, aus deiner ist es möglich. Da werden wir wahrscheinlich nicht auf einen Nenner kommen.
(...)
Wenn es diese Perspektive gäbe, wäre ich absolut einsichtig. Ich bezweifele das aber stark.
Die Perspektive ist vorhanden, wenn auch alles andere als gesichert und schon im Sack. Siehe Irak. Bis zur ,,surge" und Petraeus´ Kommandoübernahme sah es dort mindestens so schlimm aus wie in Afghanistan, eher deutlich schlechter. Die Sache hat sich gedreht, die Amerikaner haben es geschafft die irakische Regierung halbwegs zu stabilisieren und die Sicherheitsverantwortung bereits weitestgehend an die Iraker übertragen. Wenn sich die Lage jetzt nicht noch einmal massiv ändert, die Regierung stürzt und durch ein Al-Quaida-Emirat oder ähnliches ersetzt wird, ist der Erfolg gegeben. Vor fünf Jahren hätte das kaum jemand geglaubt. Jetzt ist Petraeus in Afghanistan und setzt ein ähnliches Konzept um. Nicht dasselbe Konzept, denn jede Insurgency ist etwas anders. Dem muss man sich anpassen. Gewisse Kernpunkte sind aber gleich, z.b. ist der Ansatz nicht mehr ,,enemy centric" sondern ,,population centric", statt ,,search & destroy" gilt ,,clear, hold & build", der Aufbau der ANA und ANP wird als zentral betrachtet, das ,,Schlachtfeld" ist nicht mehr national sondern regional, lokale Lösungen werden gesucht und lokale Kräfte halbautonom eingebunden. Und so weiter. Übrigens schon teilweise seit McChrystal.
Es geht nicht darum, dass ISAF die Taliban militärisch besiegen muss. Das ist gar nicht das Problem, denn ISAF schlägt die Taliban in praktisch jedem Gefecht. Aber wenn man nach diesen Gefechten nicht ,,die Früchte erntet", d.h. langsam lokale Kontrolle gewinnt und der Bevölkerung staatliche ,,Dienstleistungen" zur Verfügung stellt, ist das völlig umsonst. Dafür braucht man vor allem Zeit. Die Zeit bevor man ISAF abzieht. Sobald ISAF nicht mehr militärisch notwendig ist, weil ANA und ANP diesen Job machen können, haben die Taliban praktisch schon verloren – denn dann gibt es den kritischen Faktor ,,Zeit bis zum Abzug" nicht mehr. Die einzig realistische Chance der Taliban scheint also ein vorzeitiger Abzug zu sein – und genau darauf zielen sie hin, indem sie mit ihren Anschlägen die öffentliche Meinung in der Heimat ins Visier nehmen. Das schwächste Glied ist nicht ISAF, ist nicht der Mangel an Geld oder anderen Mitteln – es ist der Durchhaltewille der Bevölkerung hier.
Zitat von: Smoover am 07. Oktober 2010, 18:09:05
An dieser Stelle ist eine Abwägung vonnöten. Man muss sich einfach fragen, wie wahrscheinlich es ist, dass wir nicht verlieren und welche Risiken man bei welcher Wahrscheinlichkeit eingehen will.
Wenn unser Durchhaltewille ausreicht stehen die Chancen sehr sehr gut. Der Ansatz, der seit 2009 gewählt ist, hat sich in anderen CI-Konflikten als sehr erfolgreich erwiesen. Siehe die einschlägige Literatur zum Thema:
Daniel Marston u.a.: ,,Counterinsurgency in Modern Warfare"
John A. Nagal: ,,Learning to Eat Soup with a Knife. Counterinsurgency Lessons from Malaya and Vietnam"
David Kilcullen: "Counterinsurgency"
Den Tenor vorweg genommen: es gelingt den Insurgents praktisch niemals, ihren Gegner militärisch zu besiegen. Sie müssen hoffen dass er entnervt aufgibt oder schwerwiegende Fehler macht. Hält die CI-Partei durch und handelt auch nur halbwegs vernünftig, sind ihre Chancen überaus gut, wie die historische Erfahrung zeigt.
Zweiter Teil der Frage: welche Risiken wir eingehen? Du meinst Verluste an Menschenleben? Das ist kein ,,Risiko", sondern mit Gewissheit werden wir weitere Verluste haben. Die Frage ist, können wir sie ertragen? (Jetzt kommt der Teil, den man mir gleich als menschenverachtend ankreiden wird) Wir haben bis heute 44 Tote in Afghanistan, davon 27 Gefallene durch Feindeinwirkung (Quelle: Spiegel). Über 9 Jahre hinweg. Das sind militärisch gesehen keine signifikanten Verluste. Jeder Gefallene ist ein toter Kamerad, und jeder hinterlässt eine Familie in Trauer. Das steht außer Frage. ABER es sind keine Verluste die unsere reale Fähigkeit zum Weitermachen auch nur im Geringsten tatsächlich (!) beeinflussen. Wir haben (ohne Feindeinwirkung!) auch in Ex-Jugoslawien zig Tote gehabt (Unfälle etc) ohne abziehen zu müssen. Am Ehrenmal der Bundeswehr in Berlin sind tausende Namen verzeichnet, tausende Tote Soldaten ohne einen Krieg gesehen zu haben. Es ist eine rein psychologische Sache. Man kann und muss um jeden Toten trauern. Aber die Parole ,,Jeder einzelne Tote ist zuviel" klingt zwar toll, ist aber in der Realität nicht zu halten. Wir geben in Afghanistan Geld aus und verlieren Menschenleben. Das sind die Fakten, die realen Kosten, kein ,,Risiko".
ZitatMich würde aber durchaus interessieren, wie lange du dem Einsatz noch Zeit geben würdest, bis man abziehen sollte,
Ich persönlich? Locker 15-20 Jahre bis der Abzug zu 100% abgeschlossen ist, beginnen kann er schon sehr viel früher. Aber so lange wird es nicht werden, da so lange kaum jemand bereit ist weiter zu machen.
Zitatfalls sich nichts Entscheidendes ändert.
Hier liegt der Punkt. Du meinst damit ,,falls sich nichts Entscheidendes zum Positiven ändert". Es hat sich aber schon einiges zum Positiven geändert, siehe oben den neuen Ansatz seit 2009. Wenn wir jetzt diesen Ansatz durchziehen muss sich vielmehr etwas Entscheidendes zum Negativen ändern, damit es im Schlamassel endet.
Das Hauptziel ist doch, Aghanistan so weit zu stabilisieren und die afghanischen Sicherheitskräfte so lange zu unterstützen, bis sie selber mit den Taliban fertig werden.
Dazu gehört aber nicht der militärische Sieg über die Taliban durch die NATO (bzw. deren Vernichtung), sondern die übrige Bevölkerung so weit zu unterstützen, dass sie die Taliban nicht nur aus Angst unterstützen, dem Land zu Bildung zu verhelfen, so dass sich der gemeine Afghane selber ein Bild machen kann, die Sicherheitskräfte so auszubilden, dass sie erstens taktisch/strategisch in der Lage sind, die Taliban im Zaum zu halten und 2. die Unterstützung der Bevölkerung haben und natürlich noch meherere Askpekte mehr.
Nicht zuletzt natürlich auch ein gewisses Vertrauen in die "westliche" Welt für diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen.
Dieser Weg braucht natürlich seine Zeit, aber so langsam wird´s. Mal ein paar Beispiele: Mädchen haben in einigen Teilen des Landes die Möglichkeit zur Schule zu gehen, in Kabul herrscht ein Bauboom, es haben zum zweiten Mal Wahlen statt gefunden und die Afghanen haben diese Möglichkeit trotz der Gefahr von Anschlägen genutzt. Und die Wahl hat- denke ich - brauchbar funktioniert. (Und bevor wieder die Stimmen in Richtung Wahlbetrug kommen- was erwartet ihr denn? Dass von Anfang an alles völlig reibungslos und geordnet wie bei uns funktioniert?) Frauen konnten sowohl wählen als auch zur Wahl stellen. Aus dem Gebiet um FEY zieht sich die NATO weitgehend zurück und überlässt die Angelegenheiten der dort ansässigen Clans und War Lords (hört sich auf den ersten Blick zwar auch nicht übermäßig demokratisch an- aber diese haben immerhin die Taliban ganz gut im Griff und es ist dort halbwegs friedlich.)
Man vergleiche mal die Zeit, die es gebraucht hat, bis in Irland Frieden geherrscht hat, die ETA ist in Spanien auch noch am rumoren, wie lange waren Deutschland und Frankreich Erzfeinde. Die Liste ließe sich wohl noch um einige Konflikte weiter führen.
Allein die Tatsache, dass bestimmte Taliban zu Gesprächen bereit sind ist doch schon ein toller Erfolg. Für mich zeigt das, dass diese sich wohl was einfallen lassen müssen um nicht komplett unter zu gehen.
Bevor ich ins verlängerte Wochenende verschwinde hier noch ein kleiner Beitrag zum Thema
[gelöscht durch Administrator]
o.t.
FF
- es steht ja hoffentlich kein Eilmarsch an -
Ende o.t.
;D