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Fragen und Antworten => Reserve => Thema gestartet von: snake99 am 11. November 2010, 07:48:52

Titel: Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: snake99 am 11. November 2010, 07:48:52
Hallo zusammen,

ich habe gestern die Loyal zugestellt bekommen und muss sagen, dass ich wahnsinnig erschüttert war, als ich den Bericht über den Kameraden SG Mario Weißenfels gelesen habe! Wer den Bericht noch nicht gelesen hat, sollte es tun ....

Das Verhalten der Bw dem (geschädigten) Reservisten gegenüber ist meiner Auffassung nach eine bodenlose Frechheit! Wie kann man einen Kameraden so dermaßen "gegen die Wand" laufen lassen??

Mich würden eure Meinungen zu dem Fall interessieren. Ich persönlich schlussfolgere aus dem Artikel, dass die Bw mit dem Thema "PTBS" und den daraus resultierenden Folgen für den Betroffenen immer noch hoffnungslos überfordert ist und sich für entstandene psychische Schäden durch eine Einsatzteilnahme nicht wirklich verantwortlich fühlt. Wenn man dann zusätzlich noch Gefahr läuft, sich von seiner Krankenkasse anhören zu müssen "Es hat sie ja niemand gezwungen nach AFG zu gehen!", läuft das Fass an Unverschämtheiten über! Geht man etwa so mit einem Staatsbürger um, der unter Einsatz seines Lebens für die Interessen seines Landes gedient hat? Ich sage nein!
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: wolverine am 11. November 2010, 10:09:39
So, dann mache ich mich jetzt ´mal unbeliebt. Der erste Eindruck nach dem Bericht ist verständlich und ging mir zunächst ganz genau so. Wenn man aber genau ließt und ein bisschen Erfahrung mit den "medialen Verzerrungen" hat, sind da schon ein paar Punkte, über die man länger nachdenken sollte. Zunächst wird ganz kurz, knapp und lapidar darüber hinweggegangen, dass M. W. einige fehlerhafte Bescheide hat bestandskräftig werden lassen. Dieses Risiko trägt aber jeder Staatsbürger! Es gibt Bescheide nach Aktenlage mit Rechtsmittel und Belehrung (auf jedem Schreiben!). Nutzt man das nicht, trägt man die Konsequenzen und dann hilft einem regelmäßig kein Bundestagsabgeordneter, Wehrbeauftragter oder Interessenverband. Dann PTBS an und für sich: Als psychische Erkrankung ist das immer so eine Sache. Klar, wer das hat und so darunter leidet ist gekniffen. Aber ist die Lösung, dass man jedem Soldaten, der nach dem Einsatz über schlechte Träume klagt, sofort eine lebenslange Rente zahlt? Nicht missverstehen: Ich bestreite nicht, dass es Fälle von PTBS gibt und da geholfen werden muss. Aber es ist nun einmal nicht so eindeutig zu diagnostizieren wie ein Beinbruch. Und jeder Nichtnaive erkennt hier auch eine Riesenmissbrauchsgefahr. Das gleiche Problem haben übrigens psychisch Erkrankte im Zivilberuf auch; wer versucht auf "Burn Out" etc. eine Rente einzuklagen, wird sich wundern. Also auch das nur z. T. ein soldatenspezifisches Problem. Letzter Punkt und dann höre ich auch auf: Nach Z4 (nichtversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis!) arbeitet M. W. weniger als ein Jahr (also wieder keine Pflichtversicherungsansprüche!) und wird betriebsbedingt entlassen. Als "Ausweg" wählt er den  Einsatz. Stellen wir ´mal die Frage, ob es hier in dieser spezifischen Konstellation nicht der Fürsorge entsprochen hätte, ihn nicht zum Einsatz zuzulassen? Dann wäre wieder das Geschrei groß gewesen: Warum lasst ihr ihn nicht wenn er will; dafür müssen andere die nicht wollen! Wo ist die "Truppenlösung" abseits solcher Bedenken? Und weiter: M. W. ging somit schon mit starken mitgebrachten Belastungen in den Einsatz: Gekündigt ohne Anspruch auf ALG mit Familie und berechtigten Existenzsorgen. Ob das die richtige Situation ist, um in eine Extremsituation zu gehen, lasse ich ´mal dahingestellt (und wieder die Frage nach falschverstandener Fürsorge!). Und ob nicht viele Familen in dieser Situation beinahe oder tatsächlich zerbrechen? Junger Mann mit Familie verliert den Job und hat lediglich Anspruch auf ALG II - das ist die klassische Konstellation für gescheiterte Ehen oder zumindest Konflikte in der Ehe und verhaltensauffällige Kinder.

Also ich sehe das nicht alles so einseitig: Klar ist die Aussage der KV-Mitarbeiterin völlig daneben; dafür hat sie sich zurecht entschuldigt. Hier ist ein klarer Fall von mangelndem Verständnis für den Auftrag der Streitkräfte und die Leistungen der Soldaten ("freundliches Desinteresse"). Dann ist der Übergang des beamtenrechtlichen Zeitsoldatenverhältnisses in die versicherungspflichtigen Angestelltenverhältnisse einmal grundlegend zu überdenken. Hier sehe ich ganz gewaltige Schwachpunkte in Bezug auf Rentenversicherungs- und eben Arbeitslosengeldansprüche. Da müssten tatsächlich ´mal Experten ´ran (insbesondere wenn der SaZ demnächst der Normtypus des Soldaten werden soll). Man muss schon mit klaren Zielvorstellungen in den BFD gehen  und auch alle diese Vorstellungen ereichen, um nicht mit "Minus" aus seinem Soldatenstatus zu gehen. Ich kann das sagen, da ich wohl einer der ganz wenigen bin, der das geschafft hat. Aber schon wer in den TVöD eintritt, bekommt Probleme und die Verbandszeitschrift des DBwV ist voll davon.
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: snake99 am 11. November 2010, 11:01:11
Ich stimme dir in dem Punkt zu, dass juristisch keine Verstöße / Fehler feststellbar waren, doch wenn selbst schon ein Richter von "dumm gelaufen" spricht, sollte dies den zuständigen Instanzen / Behörden zu denken geben.

Ich stimme dir ebenfalls bezüglich der Diagnosemöglichkeiten von PTBS zu. Wie bei allen psychischen Erkrankungen ist es sehr schwer zwischen arbeitsfähig und arbeitsunfähig zu entscheiden. Somit werden es wohl immer Einzelentscheidungen sein, weil man nur sehr schwer bis gar nicht einen Rahmen für diese Art von Erkrankungen festlegen kann.

Mich stört an dem Bericht, dass der Kamerad erstmal mit seinen ganzen Problemen mehr oder weniger alleine gelassen wurde. Wenn schon im Einsatznachbereitungsseminar ein "harter Kerl" plötzlich vor (?) seinen Kameraden zusammenbricht, dann sollte dies die Alarmglocken bei Vorgesetzten laut aufschrillen lassen.

Mein Vorschlag:
Zeigt ein Kamerad nach einem Einsatz PTBS Symptome, die von mehreren Ärzten unabhängig bestätigt werden, so sollte er so lange im Dienst verbleiben bis eine angemessene Rehabilitation des Kameraden sichergestellt ist.

Sicherlich würde diese Maßnahme eine Menge Geld kosten, doch es kann meiner Meinung einfach nicht sein, dass man Staatsbürger, die sich im besonderen Maße für ihr Land eingesetzt haben, einfach so fallen lässt, weil man sich auf undurchsichtige Gesetzte mit Auslegungsspielraum beruft.

Jeder Soldat im Einsatz (egal ob auf Patrouille oder hinterm Schreibtisch) kann aufgrund der nicht alltäglichen Erlebnisse im Einsatz sowie der ganzen Einsatzsituation  PTBS bekommen. Da ist es meiner Meinung nach das Mindeste, dass er sich im Falle von PTBS auf die Rückendeckung seines Dienstherrn verlassen kann.
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: wolverine am 11. November 2010, 11:17:01
Und was machst Du mit Leuten, die zwei Jahre nach den Einsatz Symptome zeigen? Auch M. W. hat die Symptome zunächst nicht gezeigt oder überspielt oder wollte sie sich nicht anmerken lassen. Das plötzliche Ausbrechen nach irgendwelchen "Triggern" ist eben Teil der Krankheit aber auch überhaupt nicht objektivierbar.

Und "dumm gelaufen" muss es ja sein. Wenn Du einen fehlerhaften Bescheid bestandskräftig werden lässt - sei es, dass er rechtswidrig war oder nur der Geldbetrag falsch - dann ist eben nun einmal Schluss. Selbst wenn man im Gerichtssaal klar den Fehler erkennt: Hätte man früher was gegen machen müssen. Sonst: dumm gelaufen!
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: Timid am 11. November 2010, 11:26:07
Zitat von: snake99 am 11. November 2010, 11:01:11so sollte er so lange im Dienst verbleiben bis eine angemessene Rehabilitation des Kameraden sichergestellt ist.

Das Einsatz-Weiterverwendungsgesetz ist bekannt? ???
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: snake99 am 11. November 2010, 12:43:05
Jawohl, das Gesetz ist mir bekannt. Habe es mir gerade eben noch mal durchgelesen. Bin bei meiner Recherche jedoch nicht explizit auf das Wort PTBS gestoßen, dafür aber auf eine Ansammlung von Definitionen, die meiner Auffassung nach sehr viel Auslegungsspielraum zu lassen.

Da mir nur Fälle bekannt sind wo der Auslegungsspielraum dazu missbraucht wurde, dass Staat / Bw (erstmal) nicht zahlen mussten, sehe ich hier noch eindeutig vorhandenen Verbesserungsbedarf der Rechtslage. Aber das wurde ja schon häufiger vom DBwV angesprochen und bemängelt.

Mich persönlich regt es einfach wahnsinnig auf, dass der Staat seine Soldaten in ausländische Krisengebiete befiehlt, ohne sich ausreichend Gedanken darüber zu machen was mit einem Soldaten passiert wenn er psychisch geschädigt nach Hause kommt, denn wir reden mittlerweile nicht mehr von den berühmten Einzelschicksalen.

Ich erinnere daran, dass Vater Staat keine Mühen gescheut hat um die Gesetze so anzupassen, dass die Bw im Ausland eingesetzt werden darf. Also sollte der Gesetzgeber auch keine Mühen und finanzielle Mittel scheuen, wenn der Soldat nach einem Einsatz Hilfe benötigt. In schwer zu klärenden Fällen wie einer PTBS-Diagnose sollte daher erst immer zugunsten des Betroffenen entschieden werden und nicht andersrum!

Sofern der Gesetzgeber nicht bereit ist dies zu ändern, sollte er bei jeder Verpflichtungserklärung seine Infoblätter zum Thema Auslandseinsatz erweitern, um dem Bewerber bestmögliche Aufklärung über die möglichen Folgen einer Einsatzteilnahme zu geben. Wir könnten ja hier im Forum eine Umfrage aufmachen, wer von den Bewerbern Kenntnis darüber hat, dass er im Falle eines Auslandseinsatzes mit einer Erkrankung namens PTBS nach Hause kommen kann .... Ich denke, die wenigsten wissen darüber wirklich Bescheid. Das PTBS in Einzelfällen wesentlich schlimmer sein kann, als eine körperliche Verletzung aufgrund von Kampfhandlungen, wissen wahrscheinlich die Wenigsten. Sie sollten dies aber mitgeteilt bekommen, vor allem dann, wenn die Versorgungslage bei PTBS Diagnosen offensichtlich nicht eindeutig geklärt ist.
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: wolverine am 11. November 2010, 13:10:28
Und bei Geburt und wieder nach Vollendung des 18ten Lebensjahres wird jedem ein Infoblatt ausgeteilt, dass er evtl. un- oder schlecht versorgt ist und wird wenn er eine neuartige und unbekannte oder anderweitig noch nicht eindeutig diagnostizierbare Erkrankung erleidet.

Die Frage ist doch nicht, ob einem geholfen wird wenn man unter PBTS leidet. Wenn einer einsatzbedingt erkrankt wird ihm geholfen. Punkt. Nur wann ist es PTBS oder was ist PTBS überhaupt? Und im Namen steht "Stress-Syndrom": War es einsatzbedingter Stress? Oder leidet der Patient einfach daran, dass seine Beziehung schon vorher in die Brüche ging, er sich finanziell übernommen hat, seine Lebens-, Berufs- und Finanzplanung nicht aufgeht? Ich weiß das nicht und unterstelle im Einzelfall niemandem etwas. Aber die Risiken muss man doch erkennen?! Deine "Beweilastumkehr" würde dazu einladen, wenn man drei Jahre nach der Dienstzeit erkennt, dass man mit dem BFD in die falsche Richtung gelaufen ist oder plötzlich zivil 300 € weniger verdient als vorher, einfach mal Alpträume zu bekommen. Den Rest erledigt dann schon der Staat!
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: justice005 am 11. November 2010, 13:46:30
Ich kann mich wolverine nur vollumfänglich anschließen. Sehr schöne Statements....

Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: snake99 am 11. November 2010, 13:56:15
Das was du ansprichst Wolverine, ist genau das, was ich kritisiere ...

Fakt ist, es gibt eine psychische Erkrankung die man als PTBS bezeichnet. Fakt ist auch, dass eine PTBS Erkrankung im schlimmsten Fall dazu führt, dass man kein normales Leben für den Zeitraum X führen kann. Ebenfalls gilt es als erwiesen, dass PTBS bei Soldaten mit belastenden Verwendungen (z.B. Patrouillen) eher auftreten kann, als bei Soldaten die nur im Feldlager ihren Dienst verrichtet haben.

Der Dienstherr erklärt sich via Versorgungsgesetzt bereit, die geschädigten Soldaten / Angehörigen im eingetretenen Fall zu versorgen, doch was ist mit PTBS? Wenn ein Bein ab ist, ist es ab und der "Schaden" sowie die Nachteile sind klar erkennbar. Doch was ist, wenn die Psyche so dermaßen verrückt spielt, dass ein normales Leben (erstmal) unmöglich wird? Auch dies sollte in eindeutiger Weise vom Staat definiert werden, auch wenn es hier sicherlich sehr schwer werden wird eine passende Definition zu finden ;)

Bei der Bw ist ALLES bis ins kleinste Detail über Gesetze und Dienstvorschriften geregelt, also sollte man beim Thema "Versorgung des Soldaten bei Diagnose PTBS" nachbessern. Die ist zumindest meine Meinung.
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: StOPfr am 11. November 2010, 13:59:13
Das sehe ich auch so!

Die Diskussion ist dann irgendwann auch schwierig zu führen: Wer unterhalb des Sicherheitsnetzes ein weiteres für erforderlich hält und - wenn das ausnahmsweise reißen sollte - noch ein zusätzliches Netz einziehen will, verkennt die Realität.
Und immer wieder der Hinweis: Wir haben bei der Bundeswehr mit erwachsenen Menschen zu tun, die sich zusätzlich zum gereichten Infomaterial des Arbeitgebers heutzutage über alles, aber auch wirklich alles informieren können.


@snake99
Wenn die Diagnose erst einmal gestellt ist gibt es mW keine oder nur geringe Defizite.   
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: snake99 am 11. November 2010, 14:13:23
Ich sehe es so, dass das Thema PTBS wahrscheinlich aufgrund seiner enormen Komplexität nur sehr stiefmütterlich vom Gesetzgeber behandelt wird. Bevor man Gefahr läuft sich die Finger zu verbrennen tut man lieber nur das Notwendigste bzw. nimmt Klagen der Betroffenen billigend in Kauf.

Doch ist das der Dank des Staates dafür, dass man unter Einsatz seines Leib und Lebens die Interessen seines Landes vertreten hat? Wenn ja, fällt mir nur ein Wort dazu ein -> Traurig!

Beispiel USA:
Auch hier wollte lange niemand PTBS wahr haben. Erst als vermehrt einsatzheimkehrende Soldaten im Inland wild um sich schießend durch die Gegend liefen, nahm der Staat sich dem Thema ernsthaft an.

Muss etwa in DEU erst ein Soldat Amok laufen, und womöglich mehrere unbeteiligte Menschen töten, damit der Gesetzgeber sich PTBS Erkrankungen ersthaft annimmt? Ich hoffe nicht!!!
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: Rosered am 11. November 2010, 14:19:40
Wartet die Auswertung und die Conclusio meiner Diss. ab. Das Ergebnis wird Vieles klären und neue Perspektiven zeigen - hoffe ich.
liebe Grüße
Rosered
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: wolverine am 11. November 2010, 14:23:00
Und was wäre Deine Alternative: Einfach mal auf Verdacht jeden alimientieren, der vorgibt krank zu sein? Gesetzlich regeln kann man nur Sachverhalte; hier ist aber gerade der Sachverhalt strittig. Stünde der fest, ist die Regelung klar und eindeutig. Ob der Sachverhalt feststeht, ist aber gerade die Frage und nichts ist dabei so erwiesen, wie Du es hier darstellst. Ich weiß gar nicht, ob PTBS als Diagnose völlig unumstritten ist.

Und im Ergebnis: es ist wie immer: Probleme sind nun einmal Probleme weil es keine einfachen Lösungen gibt. Wäre es einfach, wäre es eben kein Problem und irgendwelche Behörden, deren Mitarbeiter machen sich nicht um sonst einen Kopf darum oder treffen aus Bosheit zweifelhafte Entscheidungen.

Zitat von: snake99 am 11. November 2010, 14:13:23
Beispiel USA:
Auch hier wollte lange niemand PTBS wahr haben. Erst als vermehrt einsatzheimkehrende Soldaten im Inland wild um sich schießend durch die Gegend liefen, nahm der Staat sich dem Thema ernsthaft an.

Muss etwa in DEU erst ein Soldat Amok laufen, und womöglich mehrere unbeteiligte Menschen töten, damit der Gesetzgeber sich PTBS Erkrankungen ersthaft annimmt? Ich hoffe nicht!!!
Findest Du nicht, dass Du wieder ein ganz klein wenig übertreibst?
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: snake99 am 11. November 2010, 14:30:12
Du kennst die behördliche Denkweise, die auch sehr weit in der Bw vertreten ist:

Ist ein Fall strittig bzw. nicht sofort klar ersichtlich, wird erstmal die Zuständigkeit hinterfragt, dann weitergeleitet oder sofort abgelehnt. Tage, Wochen, Monate vergehen ... das kann jedoch in gewissen Fällen dann schon für den Betroffenen zu lang sein, da sein Ruin dadurch eintritt und die Probleme Folgeprobleme nach sich ziehen ....
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: justice005 am 11. November 2010, 14:35:08
ZitatIch sehe es so, dass das Thema PTBS wahrscheinlich aufgrund seiner enormen Komplexität nur sehr stiefmütterlich vom Gesetzgeber behandelt wird.

Das ist ja Unsinn, denn man kann ja nicht für jede einzelne Wehrdienstbeschädigung ein eigenes Gesetz machen. Es gibt EIN Gesetz, welches regelt, wie Soldaten, die eine Wehrdienstbeschädigung erhalten haben, entschädigt werden und wie Ihnen geholfen wird.

PTBS ist eine Wehrdienstbeschädigung und damit ist bereits alles geklärt. Wer PTBS hat, dem wird entsprechend geholfen. Das ändert aber doch nichts an dem Problem, wie man PTBS sicher diagnostizieren kann. Wie soll man denn medizinische Diagnosen per Gesetz erstellen ??????

ZitatIst ein Fall strittig bzw. nicht sofort klar ersichtlich, wird erstmal die Zuständigkeit hinterfragt, dann weitergeleitet oder sofort abgelehnt. Tage, Wochen, Monate vergehen ... das kann jedoch in gewissen Fällen dann schon für den Betroffenen zu lang sein, da sein Ruin dadurch eintritt und die Probleme Folgeprobleme nach sich ziehen ....

Das ist polemischer Unfug, der vorliegend nicht zielführend ist. snake stellt seine Beiträge so dar, als wäre PTBS einfach nicht als Krankheit oder WDB anerkannt, was schlichtweg falsch ist. Er erkennt nicht, dass man schwierige Diagnosen, die gemacht werden müssen, nicht einfach per Gesetz vorgenommen werden können.

Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: AriFuSchr am 11. November 2010, 15:40:16
@ snake,

ich verstehe Deine Aufregung und  finde es zunächst mal positiv, wie Du nach dem Lesen des Artikels für den betroffenen Kameraden Stellung bezogen hast.
Aber, dann sollten Fakten sprechen:
Die stellen sich aus meiner Sicht so dar:
Der Betroffene hat ihm zugestellte (für ihn negative) Verwaltungsakte bestandskräftig werden lassen, d. h., er hat innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Fristen hierauf nicht reagiert. Selbst wenn er an einer Reaktion durch seine Krankheit verhindert war, sieht das deutsche Recht hier eine Lösung vor. Er hat dann nämlich die Möglichkeit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen und die versäumte Handlung nach zu holen.
Nach meinem Wissenstand ist es im vorliegenden Einzelfall aus Sicht der Bw ernstlich zweifelhaft, ob ein PTBS-Syndrom welches durch den Auslandseinsatz hervorgerufen wurde, oder eine andere psychische Belastungsstörung (hervorgerufen durch andere persönliche, private, familiäre, finanzielle unbewältigte Probleme) vorliegt.
Wer Ansprüche an einen Dritten stellt, muß diese Ansprüche nachweisen, beweisen, glaubhaft machen.

Gelingt ihm dies nicht, und sind die Rechtswege - aus welchem Grunde auch immer - ausgeschöpft, dann bleibt noch der Weg über eine Petition. Wenn auch diese Möglichkeit keinen Erfolg zeitigt, ist es so.

Fristen dienen auch dem Rechtsfrieden, und auch dieser ist ein hohes Gut.
Wenn Du über Deine Gedankengänge nochmals ganz ruhig nachdenkst, wirst Du sicher (auch als kritischer Steuerzahler der Du bist -und übertrage diese Ansätze mal auf alle Staatsdiener  ;)) zu dem Schluß kommen, dass eine vorsorgliche Versorgung und Umkehr der Beweislast zur Zahlungsunfähigkeit dieses Staates binnen kurzer Zeit führen würde.
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: snake99 am 11. November 2010, 16:33:18
@justice005

Frage, an wie vielen Auslandseinsätzen haben sie selber schon teilgenommen?

@AriFuSchr

Im diskutierten Fall von W. hast du Recht mit deiner Anmerkung bezüglich der Rechtmässigkeit von Beschlüssen, doch W. ist nur einer von etlichen öffentlich diskutierten Fällen, wo die Betroffenen (im Gegensatz zu W.) keine Fehler im Umgang mit Behörden gemacht haben und trotzdem erstmal klagen mussten um versorgt zu werden.

Trennung:
Mir persönlich geht es nicht nur konkret um W. sondern darum, dass ein über psychische Probleme klagender Einsatzheimkehrer immer im vollen Umfang ernst genommen werden sollte. Ob eine PTBS tatsächlich dahinter steckt, müssen dann die Ärzte klären ...

Wir sollten eins nicht vergessen:
Gem. §12 SG ist der Soldat zur Kameradschaft verpflichtet und für jeden Vorgesetzten gilt zusätzlich noch der §10 Abs. 3 SG "Der Vorgesetzte hat für seine Untergebenen zu sorgen'".
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: wolverine am 11. November 2010, 17:10:34
Da waren in der Tat ein paar Punkte über die man reden muss und soll. Z. B. dass M. W. keinerlei Ansprechpartner in seinem Einsatzverband hatte. Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Der Verband ist eh schon sehr stark belastet und wenn man dann quasi "Fremdkörper" ist als Reservist, geht das sehr schnell in die Hose. Alles bekannt, verständlich und erklärbar aber trotzdem nicht gut und hier muss nachgearbeitet werden.

Aber was hat justice Einsatzerfahrung damit zu tun, dass Diagnosen nicht per Gesetz zu stellen sind oder eben PTBS als Krankheitsbild anerkannt ist? Das sind Fakten für man nicht im Ausland gewesen sei muss. Und die Diagnose der Ärzte ist ja gerade das Problem: Die werden sich selbst uneins sein und sicher diagnostizieren kann man psychische Erkrankungen fast nie. Man hat Verdachtsmomente und Symptome, die auf etwas hindeuten: Kann sein, oder auch nicht. Genau das ist das Problem. Habe ich einen geschädigten Hilfebedürftigen vor mir oder möchte da nur ein Faulpelz in staaatliche Frührente! Nutzen wir ´mal die Anonymität hier und drücken es hart aus.

Und Deine pauschalierende Kritik an allen Bundeswehrverwaltungsvorgängen ist polemisch und unsinnig. Ich bin regelmäßig an vielen beteiligt und es gibt - wie immer im öffentlichen Recht - gesetzlich geregelte Zuständigkeiten. Die sucht man und dann entscheidet der Richtige. Das ist eigentlich auch selten das Problem (war es auch im beschriebenen Fall nicht).Und ein vorschnelles Ablehnen von Anträgen oder grundsätzliches Handeln gegen den Soldaten kenne ich auch nicht. Im Gegenteil: Oft versucht man gerade dem Soldaten seinen Willen zu geben und macht es dadurch gerade schlimmer. Ich habe das nicht umsonst angemerkt: M. W. war von Arbeitslosigkeit bedroht und das hätte wahrscheinlich ALG II bedeutet. Also hat man ihn auf Wunsch in den Einsatz gehen lassen. Vielleicht hätte man genau das ablehnen müssen und statt dessen gucken, dass er zivilberuflich unterkommt. So hat er vier oder sechs Monate Wehrsold, USG und AVZ gewonnen aber sicher keine Bewerbung (aus AFG) geschrieben. Und das das eine superbelastende Situation ist und er genau in diese Misere zurückgekehrt ist, das war mein Ausgangspunkt.
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: snake99 am 12. November 2010, 07:56:31
Ich versuche mal zu erklären, warum ich so auf dem Thema PTBS rumreite und das Thema sehr ernst bewerte.

Mit 20 Jahren habe ich an meinem ersten Auslandseinsatz teilgenommen. Sicherlich war die Vorbereitung auf den Einsatz aufgrund des damaligen VN Lehrgangs (Vorgänger der heutigen EAKK) in Hammelburg gut, und es wurde einem sehr gut gezeigt, auf was man sich militärisch im Einsatzland einzustellen hat.

Dann kam der Tag der Verlegung ins Einsatzland und ich stellte fest, dass ich von den Eindrücken im Einsatzland "erschlagen" wurde. Es ist was anderes, ob man das vorhandene Leid und die Zerstörung in Videos / TV sieht und mögliche Einsatzlagen trainiert, oder man es sehen, schmecken, riechen, fühlen und anfassen kann, denn darauf wird man nicht so sehr vorbereitet.

Gerade bei einem jungen, lebensunerfahrenen Menschen, der womöglich erst seit kurzem auf eigenen Beinen im Leben steht, sollten diese Eindrücke recht heftig einschlagen. Ich persönlich war jedenfalls zutiefst schockiert als ich sah, wie Menschen außerhalb vom sicheren und geregelten DEU leben müssen. Als ich dann noch sah was Menschen im Stande sind anderen Menschen anzutun, wurde mir erstmalig richtig bewusst was es hieß Soldat in einem Krisengebiet zu sein.

Diese Erfahrungen haben mich und mein späteres Leben bis heute sehr intensiv geprägt und auch verändert. Da ich selber die Einsatzbelastungen 2x live erfahren habe weiß ich wovon ich spreche. Gerade in jungen Jahren ist es nicht einfach solche "krassen Erlebnisse" mal eben wegzustecken, denn hinter jedem noch so angeblich "harten Soldaten" steckt auch ein Mensch, der sich Gedanken macht.

Als eine junge Kameradin vor mir stand und mir berichtete, dass sie in ihren ersten Einsatz nach AFG verlegen wird, gab ich ihr nur den Tip nicht über die Geschehnisse und Erlebnisse im Einsatz groß nachzudenken. Als sie aus dem Einsatz zurück kam verstand sie was ich damit meinte. Lässt man die Erlebnisse die man im Einsatz außerhalb der Feldlager macht zu nah an sich ran kommen, so können diese (auch wenn man es gar nicht wahr haben will) unterbewusst eine Menge im Menschen verändern.

Ich weis das dieses Thema oftmals tabu ist, denn Gefühle werden unter "harten Soldaten" ungern bis gar nicht diskutiert, oder es wird sofort alles in lächerliche gezogen. Doch kommt man nach einem Einsatz nach Hause und merkt plötzlich, dass das Leben nicht mehr das ist, was es vorm Einsatz war, dann kann dies zu teils sehr krassen Veränderungen im privaten Bereich führen. Wenn man dann noch merkt, dass selbst der Arbeitgeber in Form des Dienstherrn keine 100%tige Rückendeckung bietet wird es eng ...
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: Rosered am 12. November 2010, 08:42:08
Guten Morgen, snake
Vielen Dank erst einmal für deine ehrliche und offene Einschätzung, die ja auch ein bisschen Offenbarung ist.
Tatsächlich kann man natürlich viele Dinge und Situationen trainieren, man kann manches automatisieren und das ist ja auch eine Hilfe zu reagieren und hoffentlich angemessen zu reagieren.
Tatsächlich kann man noch so viel lesen, hören, reden und Informationen über Einsatzbedingungen austauschen, die natürlich hilfreich sind, aber die originäre Erfahrung können sie nie ersetzen. Wie wir Informationen, die auf uns "einstürzen" verarbeiten ist nicht nur individuell verschieden, sondern von den Urbedingungen geprägt, die wir in den ersten 3 - 4 Lebensjahren erfahren haben. Die prägen uns nämlich vor allem in bezug auf Bindungsfähigkeit zu anderen Menschen, Vertrauen und psychischer Stabilität.
Je nachdem wie viel Stabilität wir in diesen Jahren aufbauen konnen, hängt es davon ab, wie leicht oder schwer wir zu traumatisieren sind. Traumatisieren kann man jeden Menschen - man muss nur wissen wo man bei ihm den Hebel ansetzen muss.
Die Taliban wissen genau wie - insofern gehen sie psychologisch gesehen "klug" vor: die schlimmsten Traumatisierungsformen, die wir erleben können, sind sogenannte "man-made" Traumatisierungen. Also ein Trauma, das uns von einem anderen Menschen beigebracht wird- weil es uns in der Urstabilität von Bindung und Vertrauen in den Menschen an sich zutiefst erschüttert. Wir wollen und dürfen nicht davon ausgehen, dass uns ein anderer Mensch Böses will - sonst verlieren wir das Urvertrauen.
Naturkatastrophen, Zugunglücke, auch Krieg im Allgemeinen (blockbuster) - verursachen/oder können Traumatisierungen verursachen. Diese sind aber für den Menschen Schicksal, das relativ schnell mit Unterstützung überwunden werden kann - es ist ja nicht persönlich gemeint.
Man -made Traumatisierungen können deshalb dazu führen, dass wir uns von uns selbst entfremden: Affektverflachung, Verlust der Libido, Potenzstörungen, fehlendes Körpergefühl - der Mensch erlebt sich als Zombie.
Er muss erst wieder zu sich selbst seinen Gefühlen finden. Da wir Informationen immer als Gefühl verarbeiten, springen uns diese Gefühle des Ausgeliefertseins hinterhältig an, sie können nur schwer unterdrückt werden. Man kann das lernen, diese bedrohlichen Gefühle zu neutralisieren.
Als Positives (wenn man von PTBS VON POSITIV ÜBERHAUPT SPRECHEN WILL): 50% der Holocaust-Überlebenden (man-made traumatisiert) konnten innerhalb von 5 - 10 Jahren ihre Traumatisierung überwinden. Ob sie aber psychisch so stabil sind wie vorder Traumatisierung müsste untersucht werden. Dazu lese ich gerade etwas.
liebe Grüße
Rosered
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: snake99 am 12. November 2010, 09:42:12
Weist du, ich selber will gar nicht verleugnen, dass auch ich damals Kameraden belächelt habe, die leicht bis stark "verballert" nach ihrem Einsatz nach Hause kamen.

Als ich dann selber meine erste Panikattacke (Schweißausbrüche, Herzrasen, Schwindel, Orientierungslosigkeit, Atemnot) in einem sehr gut besuchten Kaufhaus (nach meinem ersten Einsatz) bekam, verging mir das Lachen ganz schnell, denn das was ich da mitgemacht habe war alles andere als lustig. Das schlimme war, ich hatte keine logische Erklärung für diese Reaktionen meines Körpers, denn ich wusste doch, dass ich wieder im sicheren DEU war ... doch offensichtlich ist die Message nicht bei meinem Unterbewusstsein angekommen?!?

Es dauerte ca. 2 Jahre, bis ich endlich wieder ohne Angst vor einer Attacke Orte betreten konnte, wo viele Menschen aufliefen. Eins ist jedoch bis heute (11 Jahre nach meinem ersten Einsatz!) immer noch geblieben ... ich hasse es, wenn mir Menschen im Rücken stehen und betrete ich einen mir unbekannten Ort, wird dieser sofort ausführlich mit den Augen gescannt (Wer befindet wo? Wie viele Menschen sind anwesend? Wie viele Ausgänge gibt es? Über was wird sich unterhalten? Wie ist die Stimmung?).

Für Unbeteiligte mag dies paranoid klingen, doch so ist es und kann mittlerweile sehr gut damit umgehen :)

Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: Rosered am 12. November 2010, 10:06:22
Lieber snake,
Das wusste ich nicht. Ich hatte dich nur deshalb persönlich angesprochen, weil mir deine Antworten so gut gefielen. Die Info war mehr im Allgemeinen gehalten, damit man überhaupt einschätzen kann, welche Auswirkungen PTBS haben und wie groß der Leidensdruck ist. Mein Ziel ist es, mit meiner Arbeit, Menschen (Soldaten) im Vorfeld also präventiv so stark zu machen, dass man solche Erlebnisse und Traumatisierungen leichter, schneller und nachhaltiger verarbeiten kann und Verarbeitungszeit sich nicht über Jahre hinzieht, denn das macht den Menschen, der darunter leidet, mürbe.
Das ist ja das Ziel von man-made (durch den Menschen verursachte) Traumata, den anderen paranoid (er fühlt sich ständig verfolgt) zu machen.
Das hat auch einen Ketteneffekt. Man berichtet anderen Soldaten/Kameraden darüber, diese werden verunsichert, fragen sich, "Kann mir das auch passieren?" und werden unter Stress gesetzt.
So schafft man es den anderen "mürbe" zu machen und zwar auf psychischer Ebene.
Ich erinnere mich an den Film über das Busunglück in Afg. als der damals verantwortliche Feldwebel/Hauptfeldwebel seine Aussage dazu machte und sich in der Doku immer wieder selbst beschuldigte, dass er falsch gehandelt hätte. Kurz zusammengefasst war seine Aussage in der Doku damals folgende: Ich habe gesehen, dass die Straße leer war, es waren keine Fahrzeuge und keine Menschen unterwegs. Ich hätte veranlassen müssen, dass der Bus umkehrt und wieder ins Lager zurückfährt...ungefähr so war seine Aussage
1. Wir nehmen Informationen emotional und visuell wahr, bevor wir sie zu einer kognitiven Information zusammensetzen - nicht sofort zu verstehen, was das bedeutet ist also menschlich normal
2. Was wäre die Alternative gewesen - der Bus hätte gewendet, er wird langsamer und muss auf der Straße drehen....Ich bin davon überzeugt, dass die Abfahrt des Busses bis zum Unglücksort beobachtet worden ist (auch wenn ich natürlich nicht vor Ort war) - dann wäre eben Plan B angelaufen - was ist, wenn der Bus die entsprechende Stelle nicht
passiert...
3. Es ist also klar, das Attentat war unausweichlich, weil von Menschen gewollt, die andere Menschen bewusst schädigen wollen....
Ergo: Niemand aus den Attentäter und denen, die dieses Attentat geplant haben trifft irgendeine Schuld....und trotzdem fühlt sich der Feldwebel dafür verantwortlich - weshalb: Wir wollen nicht Opfer sein - ein Opfer kann sich nicht wehren, es ist der Situation ausgesetzt und es hat keine Möglichkeit die Situation irgendwie zu beeinflussen.
Wir sind ausgeliefert und hilflos und in volkommener Abhängigkeit von anderen- die schlimmste Situation, die ein Mensch erleben kann.
Gruß
Rosered
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: wolverine am 12. November 2010, 10:13:17
Auch das berührt meiner Meinung nach wieder einen Punkt, der diskutiert werden muss: Im Artikel steht, dass M. W. in der Einsatzvorbereitung ein völlig falsches Bild vermittelt bekommen hat. Wenn das stimmt - ganz kann ich es mir nicht vorstellen, denn allmählich weiß ja jeder was dort abgeht - muss da sofort nachgesteuert werden. Zu Anfang der Balkaneinsätze war tatsächlich noch viel Neuland. Obwohl man damals ein Konzept gefahren ist, dass die Rückkehrer aus dem Einsatz die Ausbilder für die Vorausbildung gestellt haben. Ich weiß aber nicht, ob das heute noch gilt. Und bei IFOR oder SFOR von Traumata zu reden, ist schon ein bisschen übertrieben, wie ich finde. Es war ein armes Land (ich habe es damals etwa mit entlegenen Ecken Portugals verglichen) und es gab Kriegsschäden. Aber ganz im ernst: Was hat man denn erwartet? Ich hatte Jahre lang vorher jeden Abend den Krieg imFernsehen gesehen; Sarajewo, Srebrenica - das war doch alles bekannt! Am Verstörensten empfand ich den unverblümten Hass zwischen den Volksgruppen; Menschen, die ich optisch und sprachlich gar nicht auseinanderhalten konnte. Aber mir war ja klar, dass die sich wenige Monate vorher noch massakriert hatten - also war ich nur mäßig überrascht. Irgendwie gewinne ich den Eindruck, dass die Probleme immer da auftauchen, wo einem nicht klar ist, dass er "in den Krieg zieht". Wer sich den Einsatz zum romatischen Klassenausflug schönredet, nur das Brunnenbohren sieht oder meinetwegen auch nur den AVZ, der bekommt Probleme.
Bei uns ging die Ausbildung immer dahin, den Auftrag zu verstehen und damit sind wir immer gut gefahren. Dazu die damalige Maßgabe des HFüKdo: Wer die drei Gefechtsarten beherrscht ist für alles gut gerüstet. Da sollte man wieder ansetzen.
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: Rosered am 12. November 2010, 10:26:27
Richtig, Wolverine,
Massakrierungen gehören ja auch sozusagen zum Leben dazu....massakrieren wir doch mal deine Familie und sehen dann gelassen zu wie du darauf reagierst (Ironie)
Also allein die Tatsache ausreichende oder nicht ausreichende Informationen zu haben, schützt ja nicht vor Traumatisierungen. Wolverine scheint zu meinen, was einem der Verstand eingibt, das beherrscht man auch - weit gefehlt.
Und ich glaube kaum, dass Wolverine über ausreichend Sachkenntnisse im Bereich psychischer Erkrankungen verfügt. Tja, um es mit der Bw zu sagen "ISSO"
liebe Grüße
Rosered
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: snake99 am 12. November 2010, 10:38:05
Zum Thema Einsatzvorbereitung:

Auch wenn ich den Wahrheitsgehalt der Aussagen nicht verifizieren kann höre ich leider sehr oft, dass die unangenehmen persönlichen Themen, die mit einem Einsatz verbunden sein können, den jungen Soldaten oftmals verschwiegen werden bzw. sie nur sehr mangelhaft und oberflächig über die Schattenseiten aufgeklärt werden. Man sieht es alleine schon daran, dass das Wort Krieg bis heute nicht offiziell in Verbindung mit unseren Einsätzen genannt wird, weil dies zu einer Veränderung des juristischen Rahmens führen würde.

Zweiter Punkt:
Die Bw muss sich bezüglich der Schattenseiten der Einsätze sehr zurück halten, da sie sonst Personalprobleme bekommen würde. Ich erinnere gerne an die vielen SaZ und BS, die ihren Dienst niedergelegt haben, weil der Bundestag die deutsche Teilnahme am AFG Einsatz beschlossen hatte. Bei Beginn IFOR haben sich ähnliche Fälle zugetragen.

Selbst heute haben sehr viele Soldaten Probleme damit in den Einsatz zu verlegen, weil ihnen erst zu spät bewusst wird, was sie damals im ZNwG unterschrieben haben und welchen Einfluss diese Unterschrift auf ihr Leben haben kann. Hier sehe ich eindeutigen Nachbesserungsbedarf, da gerade bei jungen Menschen die sich als SaZ bewerben immer noch von jugendlichen Leichtsinn oder einer jugendlichen Naivität ausgegangen werden muss. Aber das ist nur meine Sichtweise der Dinge.
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: Troubleshooter am 12. November 2010, 10:50:18
Zitat von: wolverine am 12. November 2010, 10:13:17
Und bei IFOR oder SFOR von Traumata zu reden, ist schon ein bisschen übertrieben, wie ich finde.

Ach ja?!? Sprechen Sie mal mit den Kameraden, die auf dem Balkan bei der Exhumierung der Opfer aus Massengräbern mitgewirkt haben, die malen ein anderes Bild. Wir sollten bei der Diskussion nicht außer Acht lassen, daß PTBS auch ohne Waffeneinwirkung entstehen kann.
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: wolverine am 12. November 2010, 11:06:55
Das habe ich, Troubleshooter, das habe ich. Das war genau der Auftrag der französischen Einheit, der ich seiner Zeit abgestellt wurde. Und ganz vereinzelt gab es so etwas bei deutschen FJg. Das kann man in der Tat diskutieren. So etwas diskutiere ich aber auch nur mit Leuten, die wissen, wovon sie reden und nicht in anonymen internetfora. Aber mittlerweile ist das Thema einfach schick und man muss sich fast schon rechtfertigen, nicht traumatisiert zu sein, obwohl man nur in der Telefonzentrale des Feldlagers gesessen hat.
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: StOPfr am 12. November 2010, 11:08:08
Zitat von: Rosered am 12. November 2010, 10:26:27
Und ich glaube kaum, dass Wolverine über ausreichend Sachkenntnisse im Bereich psychischer Erkrankungen verfügt. Tja, um es mit der Bw zu sagen "ISSO"

???  ::)

Um es mit meinen Worten zu sagen fragen: Was soll es uns sagen?
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: wolverine am 12. November 2010, 11:11:47
Ist doch völlig unerheblich, was sie uns fragen oder sagen will. Mich zumindest interessiert es schon lange nicht mehr, weshalb ich das Geschreibsel sowieso ignoriere. Ich suche jedenfalls nicht solange in mir, bis ich endlich etwas finde und rate das auch keinem sonst!
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: Rosered am 12. November 2010, 11:14:33
Ich knüpfe noch einmal an das an was wolverine, snake und Troubleshooter gesagt haben.
1. Es gibt niemanden, der sich vor einer Traumatisierung schützen kann - man kann jeden traumatisieren, wie viel Gewalterfahrung damit verbunden sein muss, ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Traumatisierungen gehen immer einher mit unverarbeiteter Angst, mit der Bedrohung für Leib und Leben und mit Erfahrungen, die kognitive Erfahrungsverarbeitung überschreiten - ähnlich einem Dampfkochtopf der explodiert (das Beispiel hinkt - aber ich habe kein besseres)
2. Allein Informationen und rationale Auseinandersetzungen schützen deshalb nicht vor Traumatisierungen, weil sie an den emotionalen Lerneingangskanal ansetzen und nicht am rationalen.
3. Unsere Generation hat keinerlei Kriegserfahrung - orientieren wir uns an den Erlebnissen der Geburtsjahrgänge 1920 - 30, hat dort jeder Kriegserfahrung- entweder als Soldat oder als betroffener Zivilist.
4. Wir haben in der Regel keinerlei Erfahrung mit Tod und Sterben...
5- Man kann Verhaltensweisen trainieren, die Verarbeitung belastender Situationen kann man besprechen - aber nicht trainieren. bITTE JETZT NICHT KOMMEN MIT "Geiselnahmetraining" oder ähnlichen Dingen - auch da geht es um das Trainieren von Verhaltensweisen, nicht um das tatsächliche Erfahren einer direkten existentiellen Bedrohung.
Wie gut die Vorbereitung der Soldaten ist, kann ich nicht beurteilen.
liebe Grüße
Rosered
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: miguhamburg1 am 12. November 2010, 11:35:12
Dies hier ist eine wirklich sehr interessante und wichtige Diskussion, die durch von PTBS-Betroffenen und Nicht-Betroffenen geführt wird!

Fakt ist, dass die Bundeswehr - was PTBS anbelangt - vollkommen unvorbereitet in die Einsätze hineinging, obgleich Erfahrungen unserer Verbündeter in den USA und Großbritannien reichlich vorhanden waren. Aus meiner Beurteilung heraus fehlte nicht das Bewusstsein, sondern der Wille der damaligen politischen/militärischen Leitung der Bw, sich dieses Themas ernsthaft anzunehmen. Im Übrigen genauso, wie das Bewusstsein fehlte oder ausgeblendet wurde, was man im Falle schwerer Verwundungen mit Schwerbehinderungsfolgen oder gefallener Soldaten tun wollte. Alles, was heute Stand der Dinge ist, wurde in einem mühseligen Prozess zwischen BwVerband, Versicherungswirtschaft militärischen FüSt und politischer Leitung mit vielen Widerständen nach und nach erstellt. Und nach 15 (!!) Einsatzjahren haben wir immer noch eine in Teilen unbefriedigende Situation für einzelne Soldaten, die auch unverschuldet durch das mitunter immer noch sehr grob gestrickte Netz fallen.

Sicher ist es schwieriger, eine posttraumatische Störung zu diagnostizieren, als einen körperlichen Schaden. Sicher ist es auch schwieriger zu prognstizieren, welche Behandlungsart und -dauer zu erwarten sind, bis die Betroffenen wieder arbeitsfähig sind. Das Probem allerdings liegt auch immer noch daran, dass (Rosered hat es geschildert) auch noch so gutes Verhaltenstraining, das es mittlerweile wirklich gibt keinen individuellen Schutz vor Traumatisierungen bietet. Dass ein und dasselbe Ereignis bei dem einen Menschen zu (schweren) Traumatisierungen führt, von vielen anderen aber mehr oder minder problemlos verarbeitet werden kann. Und das Problem liegt auch immer noch daran, dass seelische Erkrankungen/Beeinträchtigungen von immer noch zu vielen Soldaten aller Dienstgrade als "Weicheiigkeit" angesehen werden, nicht ernst genommen werden, blöde Sprüche daraus abgeleitet werden oder dass man mit schein-sachlichen (oft juristisch vollkommen richtig geführten) Argumenten diese Erscheinungen relativiert, wie es auch hier teilweise geschehen ist.

Ich fürchte, solange das "Harte-Kerle-Gehabe" Einzelner (wie viele es auch immer sein mögen) in der Truppe nicht nachhaltig angegangen wird, solange die Trupppsychologen als "Seelenklempner" und solange ein Soldat, dessen Verhalten sich ändert, der sich zurücknimmt, der weint oder umgekehrt vollkommen überdreht ist, nicht kameradschaftlich und fürsorglich unter konsequenter Unterbindung blöder Sprüche aufgefangen und behandelt wird, solange das medizinische System der Bw, Versorgungsregularien bis hin zu WDB einschließlich ggf. Überleitung in das zivile Gesundheitssystem nicht vorbehaltlos auch diese Erkrankungen genauso großzügig berücksichtigt, wie andere Verletzungen/Erkrankungen und deren Folgen, solange werden wir immer wieder Fälle wie die geschilderten in der Presse haben (auch wenn keine schuldhaften Versäumnisse vorliegen).
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: Timid am 12. November 2010, 11:38:18
Zitat von: snake99 am 12. November 2010, 10:38:05Man sieht es alleine schon daran, dass das Wort Krieg bis heute nicht offiziell in Verbindung mit unseren Einsätzen genannt wird,

Der Minister war in der Beziehung seit seinem Amtsantritt eigentlich sehr deutlich ... Und seither hat sich auch die offizielle Sprechweise ganz gewaltig geändert - wer Berichte etwa auf Bundeswehr.de verfolgt, wird dort häufiger über Wörter wie "Krieg", "Gefecht", "Gefallene" etc. stolpern!

Zitatweil dies zu einer Veränderung des juristischen Rahmens führen würde.

Es würde eigentlich exakt überhaupt gar nichts ändern ...
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: snake99 am 12. November 2010, 11:48:22
Dem Posting von migu kann ich nur vollkommen zustimmen!

@Timid

Sicherlich hat sich die allgemeine Umgangssprache bezüglich AFG geändert, doch es ist nach wie vor juristisch immer noch KEIN "Kriegseinsatz".
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: wolverine am 12. November 2010, 11:59:29
Denn das würde bedeuten ....?
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: snake99 am 12. November 2010, 12:07:54
Das fragst du mich? Du bist von uns beiden da wesentlich kompetenter als ich, also gebe ich die Frage zurück  ;D

nachträgliches Edit:

Wäre es ein offizieller Kriegseinsatz, hätten die Soldaten Probleme bezüglich ihrer Lebensversicherungen. Nur ein Punkt, der zwischen Stabilisierungseinsatz und Kriegseinsatz einen Unterscheid machen würde.
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: wolverine am 12. November 2010, 12:25:44
Nach meinem Dafürhalten: Gar nichts! Und ein "Krieg" im klassischen Sinn ist es halt nun einmal nicht. Sonst soll mir ´mal einer das "Kriegsziel" nennen oder den "Gegner". Wir kämpfen ja nicht "gegen" sondern "für" und unter Unterstützung des Einsatzlandes.
Aber es werden ganz klar Gefechte geführt und dadurch ist es für den eingesetzen Soldaten eben "Krieg" und es ist gut, das heute so bezeichnen. Verbales ´Rumgeeiere hat da zu Verzerrungen geführt; z. B. wird nach Gefechten mit Verletzten oder toten Afghanen immer noch eine "Rechtfertigung" gesucht und dabei verkannt, dass das Schädigungsrecht schlicht aus dem militärischen Auftrag folgt. Soldaten werden eigesetzt um militärische Gewalt anzuwenden und dabei auch zu verletzen und zu töten! Alles andere geht an der Sache vorbei und ist juristisch falsch. Versorgungtechnisch ist das aber seit dem Fall des im Kosovo getöteten Arztes (Dr. Eckelmann) bereits erledigt. Wer in einem Einsatz zu schaden kommt und eben nachweislich erkrankt, dem wird geholfen. Vorher gab es den elenden Streit um den qualifizierten Dienstunfall. Das Problem hier ist der Nachweis der Krankheit und die besondere Situation des Geschädigten (eben Zivilist mit eingeschränkten zivilen Ansprüchen, Reservist ohne konkreten Ansprechpartner im Leitverband, evtl. mangelhafte Ausbildung und Vorbereitung etc.). Solche Fälle gibt es aber auch unter aktiven Soldaten ohne Einsatz oder zivilen Arbeitnehmern. Wenn einer an einer völlig exotischen Krankheit - die vielleicht noch unbekannt oder eben nur sehr schwer zu diagnostizieren ist - leidet, dann kann es sein, dass er Nachteile erleidet. Das ist nun einmal so und nicht zu ändern. Wenn ich - völlig unabhängig jetzt von Einsatz oder auch Militär - an "eingebildeten" Schmerzen leide und keiner nachweisen kann, ob es eben ein pathologisches Krankheitsbild oder schlichtes Symulieren ist, wie soll man das abschließend zur Zufriedenheit aller behandeln?
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: Timid am 12. November 2010, 12:39:33
Zitat von: snake99 am 12. November 2010, 12:07:54Wäre es ein offizieller Kriegseinsatz, hätten die Soldaten Probleme bezüglich ihrer Lebensversicherungen.

Nein, hätten sie nicht ...

Die "Kriegsklausel" hat nichts mit einer völkerrechtlich korrekten Definition des Krieges zu tun, sondern liegt weitestgehend im Ermessensspielraum des Versicherers! Und von diesem machen die Versicherer bereits Gebrauch, obwohl in Afghanistan kein Krieg herrscht (sondern ein "Bewaffneter Konflikt im Sinne des Humanitären Völkerrechts").

Und für den geschädigten Soldaten ergibt sich daraus auch kein Problem, da der Dienstherr gesetzlich dazu verpflichtet ist, in so einem Fall einen Schadensausgleich zu leisten. Und auch das hat der Dienstherr bisher getan ...
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: miguhamburg1 am 12. November 2010, 12:51:56
Stimmt, Vieles ist gottlob erreicht, politisch durchgesetzt und in der Bw umgesetzt worden, keine Frage.

Dennoch ging es uns hier weniger um körperliche Schädigungen und mittlerweile sind wir auch weit über den in Loyal geschilderten Fall (dessen besondere Umstände hier auch gewürdigt wurden) hinausgekommen und die dahinter liegende, allgemeine Frage ist in den Fokus gekommen.

Wir dürfen uns daran erinnern, dass erst in diesem Jahr, also im 15. Jahr seit dem Bosnien-Einsatz, am BwK Berlin ein Zentrum zur Erforschung und Behandlung PTBS-erkrankter Soldaten gegründet wurde - und zwar, weil die vorherigen Behandlungskapazitäten in den übrgen BwK, namentlich Hamburg, Koblenz und Ulm nicht nur überlastet waren, sondern weil die Forschung hierüber vorangetrieben werden sollte. Ich darf auch daran erinnern, dass die Behandlungskapazitäten in den BwK zu Beginn der regelmäßigen Einsätze gar nicht vorhanden waren und erst nach und nach ausgeplant und personell besetzt wurden. Deshalb halte ich fest: Der Dienstherr hat diese, spätestens seit dem Vietnam-Krieg als Realität bekannte Erkrankung PTBS, über Jahre schlicht und ergreifend ignoriert. ich halte weiterhin fest, dass auch heute noch gelegentlich Tendenzen zur Verharmlosung in Stäben und der Truppe virhanden sind, bis hin zu den von mir und anderen beschriebenen blöden Sprüchen. Und ich halte schließlich fest, dass zwar Vieles unternommen wurde (und auch unzweifelhaft Gutes), um Soldaten für ihre Einsätze vor- und nachzubereiten, dass jedoch ein vollkommen angst- und vorurteilsfreier Umgang mit PTBS noch immer nicht durchgesetzt wurde. Und ich darf auch festhalten, dass es immer noch Probleme gibt, diesem Krankheitsbild den ihm gebührenden Platz in den Versorgungsprozessen zu geben (und zwar den juristischen Rahmenbedingungen, wie der verwaltungstechnischen Umsetzung).

Schließlich bin ich auch etwas besorgt, dass diese ungelösten Fragen auch negative Auswirkungen auf die Attraktivität der Bw haben werden..
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: Rosered am 12. November 2010, 14:15:48
Ich halte es für relativ unwahrscheinlich, dass jemand eine Posttraumatische Belastungsstörung simuliert. Die schlicht und ergreifende Frage: Welche Vorteile zöge er daraus? Zumal er über einen sehr langen Zeitraum glaubhaft vorspielen müsste, dass er an PTBS erkrankt ist...das ist nicht sehr wahrscheinlich.
Nur kurz zusammengefasst:
Eine Posttraumatische Belastungsstörung tritt vor allem dort auf, wo der Betroffene Opfer einer Situation wurde. Bei Soldaten Opfer eines von Menschen verursachten Gewalteinflusses (psychisch und/oder physisch) man-made-Traumatisierungen.
Typische Situationen sind hier: Geiselnahme, Verschleppung, Vergewaltigung, Raubüberfall, Entführung, Bedrohung, Folterung, Attentate usw. Imer dann, wenn dem Menschen die Handlungsfähigkeit in einer Situation genommen wurde, er also aktiv nichts an der Situation ändern kann.
Die Traumatisierung setzt deshalb ein, weil ihm seine eigene Hilflosigkeit (Ausgeliefertsein) bewusst wird. Das Denken ist ausgeschaltet und er ist Opfer der Willkür eines anderen. Die Situation ist für ihn weder abschätzbar noch beeinflussbar.
Die Angst- und Panikattacken aufgrund ungewisser Situationen, wie sie snake schilderte, also paranoides Verhalten (weil man nicht weiß wo der Feind steckt, wann er auftaucht und wann er zuschlagt - und wie er aussieht) ist auch belastend. Der Unterschied ist nur, dass snake handlungsfähig ist.  Seine Angst und das paranoide Verhalten ist eine erlernte Verhaltensweise, die sein Leben sichern und schützen soll.
Dass diese Verhaltensweise in Deutschland nicht notwendig ist, kann das erlernte Verhalten so schnell nicht verändern. Das braucht seine Zeit.
lieben Gruß
Rosered
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: StOPfr am 12. November 2010, 15:57:55
Dem Statement von miguhamburg kann ich voll und ganz zustimmen, zumal wir uns von dem beschriebenen "Fall" des M.W. zu einer grundsätzlichen Betrachtung hin bewegt haben.
Unstrittig scheint mir zu sein, dass es beklagenswerte Anlaufschwierigkeiten gab, obwohl nicht nur im Ausland sondern auch in Deutschland Erfahrungen über die traumatischen Belastungen als Folge von Kriegshandlungen vorlagen. Nach mE (TV-Dokumentation mit Verweis auf medizinische Studien; leider gerade keine Quelle verfügbar)) ist sogar die Forschung der Folgeerkrankungen nach Gefechten im 1. Weltkrieg inzwischen gut dokumentiert.
Aufgrund aktueller Einsatzerfahrungen und der Zunahme von Einsätzen haben sich Vorbereitung, Begleitung und Nachbereitung wesentlich verbessert. Ein großer Schrittt wurde in der Nachsorge getan, angefangen bei der Behandlung von typischen Kriegsverletzungen bis hin zur Diagnose und Behandlung psychischer Folgeschäden. Dass hier und da bei einem dieser Schritte immer noch Defizite zu beklagen sind, ist bedauerlich. Summieren sich solche Fehler in einer Einheit kann das katastrophale Folgen haben, - besonders für einzelne betroffene Kameraden.

Niemals werden alle denkbaren Krankheitsbilder vorsorgend "abzudecken" sein. Umso wichtiger ist für die hier angesprochenen Folgerkrankungen das neue Zentrum in Berlin. Aufgrund qualifizierter Forschungsergebnisse ist z.B. mit einer Verbesserung der Diagnostik zu rechnen mit positiven Folgen auch für bzw. in den angesprochenen Versorgungsprozessen. Die hier verschiedentlich aufscheinende Sorge hinsichtlich möglicher Trittbrettfahrer muss man ernst nehmen. Sie schaden in erster Linie den wirklich schwer erkrankten Kameraden.
Die Diskussion insgesamt ist überwiegend von ernsthafter Sorge um das Wohl unserer unter PTBS leidenden Kameraden bestimmt. Das allein stimmt schon optimistisch.
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: Rosered am 12. November 2010, 16:52:44
Guten Abend, Pastor,
nicht die Erkrankung ist das Problem, wenn man denjenigen richtig hilft, die davon betroffen sind, sind die Heilungschancen so schlecht nicht. Das ganze ist eben ein Kampf gegen "den Feind in meinem Kopf"
Letztendlich trägt das gesamte Deutsche Volk die Verantwortung für seine Soldaten, schließlich hat es sie der Gefahr auch ausgesetzt.
Und damit auch für deren "Beschädigungen", seien es nun physische oder psychische. Nicht vergessen sollte man aber vor allem die Familien also Partner/In und die Kinder, die der Unterstützung bedürfen. Mit einem psychisch kranken Partner (auch wenn das hoffentlich nur zeitweise ist) zusammenzuleben ist auch eine enorme Belastung.
Wir dürfen nicht vergessen, dass Traumatisierungen übertragbar sind von einer Generation auf die nächste. So hat man z.B bei den Kindern der Kriegsgeneration, also die nach 1942 Geborenen nachweisen können, dass sie teilweise unter emotionalen Defiziten als Kinder zu leiden hatten, vor allem dann, wenn die Mutter traumatisiert war.
liebe Grüße
Rosered
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: ARMY STRONG am 12. November 2010, 16:57:33
Gibt es eigentlich eurer (ich meine jetzt mal die einsatzerfahrenen) Meinung nach die Möglichkeit PTBS in irgendeiner Weise vorzubeugen? Ich meine damit, wäre es unter Umständen möglich die Soldaten vor dem Einsatz in irgendeiner Weise "abzuhärten" damit ihn das was er evtl. in Gefechten usw. erlebt nicht beeinträchtigt? Also ich meine jetzt, (schwer auszudrücken...) eine psychologische Vorbereitung, die gewisse Bilder nicht so sehr an den Soldaten heranlassen....
Sorry, wenn sich das alles etwas blöd oder theoretisch anhört, aber ich denke ihr wisst was ich meine.
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: ulli76 am 12. November 2010, 16:58:34
Bei einigen Aussagen hier kann ich nur mit dem Kopf schütteln:
1. Die Einsatzvorbereitung läuft sicher noch nicht 100% optimal- ist aber sehr von der Truppengattung und dem Verband abhängig. Seit den ersten Einsätzen wurde auch einiges dazu gelernt.
Was ich übehaupt nicht bestätigen kann, ist dass "unangenehme Wahrheiten" in der Einsatzvorbereitung bewusst verschwiegen werden.
Schon im Rahmen der Ersthelferausbildung gibt es einen Unterricht zum Thema PTBS/Stress/Einsatzbelastungen. Die Frage ist natürlich auch, in wie weit der Einzelne bereit ist, sich auf das Thema einzulassen. Von Tränen in den Augen über pures Entsetzen bis zu "was geht mich das an" hab ich schon alle Reaktionen erlebt.
Auch in den verschiedenen Lehrgängen/Übungen der Einsatzvorbereitung ist Tod und Verwundung durchaus ein Thema.
Die in dem Artikel zitierten Aussagen von wegen "Bad Kunduz" kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Selbst 2008 hatte sich die Sicherheitslage dort schon deutlich verschlechtert gehabt.

2. Vorherige Beschäftigung mit möglichen Traumatisierungsszenarien incl. Geiselnahmetraining ist tatsächlich hilfreich beim Durchleben dieser Situationen. Nach den Berichten vieler Kameraden, die insbesondere letzteres Training durchlaufen haben soll das Gefühl einer gestellten Situation auch in der Übung recht schnell schwinden. Im Übrigen kenn ich auch mindestens einen Kameraden ,der solch eine Situation in echt durchlebt hat- dieser hat mir beschrieben, dass genau dieses Training ihm beim Überleben und ÜBerstehen der Situation sehr hilfreich war. Kameraden in der gleichen Situation, die soch ein Training nicht durchlaufen hatten, hatten wesentlich mehr Probleme.
Und nicht dass mir das Wort im Mund umgedreht wird: Natürlich ist eine gute Vorbereitung KEINE Garantie, kein PTBS zu bekommen- es ist aber ein Baustein der Prävention.

3. Natürlich gibt es auch traumatisierte Kameraden aus den Balkaneinsätzen. Natürlich ändert ein Einsatz den BLick auf die Welt. ABER ein PTBS setzt per Definition das Erleben einer Situation voraus, die das bisherige Weltbild auf den Kopf stellen kann. Allein das Erleben von Armut, Zerstörung etc. ist zwar eine Einsatzbelastung- aber das sollte man nicht per se übebewerten.
Sonst müssten auch Millionen von Urlauben, die z.B. in afrikanische Länder reisen, traumatisiert sein.

Gewisse Irritationen nach Rückkehr und kleinere "Macken" kurz nach der Rückkehr aus dem Einsatz sind völlig normal.Die FRage ist natürlich, in wie weit man sich damit auseinander setzt und in wie weit man sich vorher damit beschäftigt.

4. Wir haben in der Bundeswehr ein sehr gut entwickeltes System von Hilfen. Viele davon sehr niederschwellig. Dafür werden wir von einigen anderen Organisationen durchaus beneidet. Alleine das Peer-System gibt es z.B. bei der Polizei nicht.
Jeder Soldat muss sich nach der Rückkehr aus einem Einsatz beim Truppenarzt untersuchen lassen- incl. PTSS10. Selbst Soldaten, die erstmal kein persönliches Gespräch mit dem Truppenarzt wünschen, werden bei auffälligem PTSS 10 einbestellt.
Rückkeherseminare sind inzwischen Pflicht. Präventivkuren werden bei jedem Einsatzrückkehrer, der dafür gesund genug ist ohne gesonderte Begründung genehmigt.
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: ARMY STRONG am 13. November 2010, 14:16:16
Danke Ulli, für diesen Beitrag. Die Einsatzvorbereitung scheint wirklich wesentlich besser zu sein als ihr Ruf. Da wird offenbar auch vieles schlechtgeredet...
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: ARMY STRONG am 13. November 2010, 14:20:18
Zitat von: Rosered am 12. November 2010, 16:52:44
Letztendlich trägt das gesamte Deutsche Volk die Verantwortung für seine Soldaten, schließlich hat es sie der Gefahr auch ausgesetzt.
Liebe Rosenrot, mit dieser Aussage wirst du leider recht alleine dastehen. Vor allem die Bevölkerungsteile die gegen diesen Einsatz sind, werden sich kaum hier in der Pflicht sehen. Die roten Fahnenschwinger aus dem Osten schon gar nicht und Leute wie Ströbele und Co. werden hier wohl auch eine gaaaaanz andere Meinung vertreten.
Titel: Re:Loyal Ausgabe 11/2010 Bericht über Mario Weißenfels
Beitrag von: Insider am 01. Dezember 2010, 15:20:00
Hallo,

ich kenn etwas den Mario und die Situation nebst Hintergründen.

Nur so viel: wer ein Psychotrauma hat, der hat Probleme mit der Wahrung von Rechtsfristen, ist voll ausgelastet mit dem Sorgen für den Unterhalt seiner Familie, dort, wo sich Rechnungen stapeln und nichts auf dem Konto ist.

Halb-Hirntot kann auch keiner Rechtsfristen wahren und nur weil Mario äußerlich kräftig und gesund aussah???

"Normal nach Hartz_IV" ist was anderes als krank aus dem Einsatz für Deutschland zurückgekommen ins Krankengeld oder ins Nichts zu fallen.

Überbrückungen bis zum Bescheid über Anerkennung der Erkrankung als Wehrdienstschaden (weiß nicht, was er jetzt bekommt), dass sowas von karitativen Organisationen bezahlt werden soll, das ist erbärmlich vom in-den-Einsatz-schickenden Staat!

Siehe auch vom DBwV "Die Bundeswehr" 09/2010 "Ein Stück Normalität ist wieder da"
Siehe http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-71558784.html über Mario.

Da tut sich nichts, gar nichts in Bonn und Berlin, das interessiert keinen!
Ob loyal Entscheidungsträger aufrütteln kann?

Ich wünsche das dem Mario und seinen Leidensgenossen und Nachfolgern!

Kameradschaftlichen Gruß!
Gast