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Politik und Zeitgeschehen => Aus Presse und Medien => Thema gestartet von: Timid am 12. Dezember 2010, 17:16:59

Titel: Tagesschau: Serbien tut sich schwer mit Wahl im Kosovo
Beitrag von: Timid am 12. Dezember 2010, 17:16:59
An diesem Wochenende wird erstmals seit der Unabhängigkeit im Kosovo eine Parlamentswahl durchgeführt. Auf Tagesschau.de wird darüber berichtet, wie schwierig der Umgang mit der Wahl für Serbien ist.

Das Kosovo war lange Jahre Teil von Jugoslawien. Seit dem Kosovokrieg 1999 befinden sich dort auch Bundeswehrsoldaten im Rahmen von KFOR im Einsatz. 2008 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo.

Erste Parlamentswahl seit Ausrufung der Unabhängigkeit
Serbien tut sich schwer mit Wahl im Kosovo


Die gesamte Meldung gibt es hier auf Tagesschau.de.
Titel: Re:Tagesschau: Serbien tut sich schwer mit Wahl im Kosovo
Beitrag von: schlammtreiber am 13. Dezember 2010, 08:56:16
Normalität wäre, wenn Belgrad mal die Finger aus der kosovarischen Politik lässt. Berlin gibt schließlich auch keine Empfehlungen zu Wahlen in Kaliningrad ab  ::)
Titel: Re:Tagesschau: Serbien tut sich schwer mit Wahl im Kosovo
Beitrag von: Andi am 13. Dezember 2010, 16:00:50
;) Defacto wäre es wohl eher normal, wenn andere Länder die Finger von den inneren Angelegenheiten Serbiens lassen. Unabhängigkeitserklärung hin oder her ist das Kosovo wohl nach wie vor Teil Serbiens.

Daran ändern auch Genozid und Vertreibung herzlich wenig.

Gruß Andi
Titel: Re:Tagesschau: Serbien tut sich schwer mit Wahl im Kosovo
Beitrag von: wolverine am 13. Dezember 2010, 16:46:55
Wobei die Bundesrepublik Deutschland das Kosovo als eigenständigen Staat anerkannt hat.
Titel: Re:Tagesschau: Serbien tut sich schwer mit Wahl im Kosovo
Beitrag von: StOPfr am 13. Dezember 2010, 17:02:08
Und damit standen wir nicht einmal allein...
Titel: Re:Tagesschau: Serbien tut sich schwer mit Wahl im Kosovo
Beitrag von: Andi am 13. Dezember 2010, 17:28:54
Zitat von: wolverine am 13. Dezember 2010, 16:46:55
Wobei die Bundesrepublik Deutschland das Kosovo als eigenständigen Staat anerkannt hat.

Stimmt und damit ist das die offizielle Meinung zum Thema. Man könnte das böswillig aber natürlich durchaus als Einmischung in innere Angelegenheiten sehen.
Aber gut. Die Welt ist halt primär grau und nicht schwarz oder weiß.

Gruß Andi
Titel: Re:Tagesschau: Serbien tut sich schwer mit Wahl im Kosovo
Beitrag von: wolverine am 13. Dezember 2010, 17:42:31
Interessantes Thema: Nach Kant "Vom ewigen Frieden" hast Du recht. Aber ist das Stillhalten immer die moralisch richtige Position? Darf der Staat A nicht aktiv werden wenn der Nachbarstaat B plötzlich gegen eigene Minderheiten einen Genozid begeht? Oder wo fängt Einmischung an? Ist das schon der Piratensender an der Grenze, der staatliche Informationsmonopole untergräbt? Oder was ist das Vorenthaltung von Nahrungsmittelhilfen für z. B. Nordkorea? Muss man ein Nachbarregime damit am Leben halten oder ist man da frei für wertende Aspekte? Fragen über Fragen...
Titel: Re:Tagesschau: Serbien tut sich schwer mit Wahl im Kosovo
Beitrag von: schlammtreiber am 14. Dezember 2010, 08:58:32
Zitat von: Andi am 13. Dezember 2010, 16:00:50
Unabhängigkeitserklärung hin oder her ist das Kosovo wohl nach wie vor Teil Serbiens.

Falsch, und zwar sowohl de jure als auch de facto. Nicht nur, dass Kosovo von den meisten europäischen Staaten (inkl Berlin) anerkannt ist, und sich Serbien dieser Linie wird beugen müssen wenn es in die EU will, Belgrad hat auch seit über 10 Jahren dort keinerlei Kontrolle und staatliche Funktion mehr. Kosovo ist kein Teil Serbiens.

Zitat von: Andi am 13. Dezember 2010, 16:00:50
Daran ändern auch Genozid und Vertreibung herzlich wenig.

Genozid und Vertreibung waren immerhin der Auslöser für die ,,Einmischung in innere Angelegenheiten Serbiens" (bzw Ex-Yugs), die Du so zu verurteilen scheinst. Erst in Bosnien, dann im Kosovo. Wären die Serben nicht über jedes Volk hergefallen, das seine Unabhängigkeit wollte, DANN wäre Kosovo heute vielleicht noch ein Teil Serbiens. Ist es aber eben nicht.
Titel: Re:Tagesschau: Serbien tut sich schwer mit Wahl im Kosovo
Beitrag von: Andi am 15. Dezember 2010, 06:34:29
Zitat von: schlammtreiber am 14. Dezember 2010, 08:58:32
Falsch, und zwar sowohl de jure als auch de facto.

Nö, denn der IGH hat nicht über die Rechtmäßigkeit der Unabhängigkeitserklärung entschieden, sondern über die Rechtmäßigkeit der Einmischung anderer Staaten. ;)
Und selbst da haben es sich die Richter meines Erachtens etwas einfach gemacht.

Zitat von: schlammtreiber am 14. Dezember 2010, 08:58:32
Nicht nur, dass Kosovo von den meisten europäischen Staaten (inkl Berlin) anerkannt ist,  und sich Serbien dieser Linie wird beugen müssen wenn es in die EU will,

Die Anerkennung ist leider kein Argument, denn zum einen gibt es genügend Staaten, die das Kosovo nicht als Staat anerkennen und zum anderen ist eine Anerkennung etwas Rechtlich nichtigem oder etwas Rechtswidrigem nicht geeignet das dann plötzlich rechtmäßig zu machen.

Zitat von: schlammtreiber am 14. Dezember 2010, 08:58:32
Belgrad hat auch seit über 10 Jahren dort keinerlei Kontrolle und staatliche Funktion mehr. Kosovo ist kein Teil Serbiens.

Die Kontrolle besteht nicht, weil Serbien dazu nicht in der Lage wäre, sondern weil Serbien dazu gezwungen wird. Abgesehen ist die Kontrolle an sich nicht zwingend ausschlaggebend und auch die Kosovaren (inklusive KFOR und EULEX) haben keine volle staatliche Kontrolle über das Kosovo, polizeilich, wie auch militärisch.

Zitat von: Andi am 13. Dezember 2010, 16:00:50
Genozid und Vertreibung waren immerhin der Auslöser für die ,,Einmischung in innere Angelegenheiten Serbiens" (bzw Ex-Yugs), die Du so zu verurteilen scheinst. Erst in Bosnien, dann im Kosovo. Wären die Serben nicht über jedes Volk hergefallen, das seine Unabhängigkeit wollte, DANN wäre Kosovo heute vielleicht noch ein Teil Serbiens. Ist es aber eben nicht.

Und eben das ist eine Meinung, die aber m.E. keine rechtliche Grundlage hat.
Zudem wird die Anerkennung der Unabhängigkeit und die Erklärung an sich wohl auf Dauer mehr Konflikte bringen, als lösen.

Gruß Andi
Titel: Re:Tagesschau: Serbien tut sich schwer mit Wahl im Kosovo
Beitrag von: schlammtreiber am 15. Dezember 2010, 08:55:51
Zitat von: Andi am 15. Dezember 2010, 06:34:29
Nö, denn der IGH hat nicht über die Rechtmäßigkeit der Unabhängigkeitserklärung entschieden, sondern über die Rechtmäßigkeit der Einmischung anderer Staaten. ;)

Nein, der IGH hat ausdrücklich die Vereinbarkeit der Unabhängigkeitserklärung mit dem Völkerrecht festgestellt:

http://www.sueddeutsche.de/politik/internationaler-gerichtshof-unabhaengigkeit-des-kosovo-ist-rechtens-1.978367

Die rechtliche Seite könnte man (wohlwollend für Belgrad) als "Patt" bezeichnen, da dem Souveränitätsanspruch der Republik Kosovo ein Gebietsanspruch Serbiens gegenüber steht. Allerdings löst sich der juristische Anspruch Belgrads angesichts der Fakten umgehend in Wohlgefallen auf, denn in der Tat ist die tatsächliche Kontrolle sehr wohl ein relevanter Faktor (auch wenn Du das gerne anders sehen kannst), nicht umsonst ist die "Staatsgewalt" eines der drei klassischen konstituierenden Staatsmerkmale.

Ergo: Belgrad mag "beanspruchen" was immer sie wollen, das ist nicht das Papier wert auf dem es steht, Kosovo ist kein Teil Serbiens mehr.
Titel: Re:Tagesschau: Serbien tut sich schwer mit Wahl im Kosovo
Beitrag von: Andi am 16. Dezember 2010, 19:06:19
Zitat von: schlammtreiber am 15. Dezember 2010, 08:55:51
Nein, der IGH hat ausdrücklich die Vereinbarkeit der Unabhängigkeitserklärung mit dem Völkerrecht festgestellt:

Und eben das ist kein Urteil über die Rechtmäßigkeit, denn dafür muss man eben serbisches Recht heranziehen und kein internationales, da es sich hier um eine innere Angelegenheit eines souveränen Staates handelt. International ist so ein Fall nämlich gar nicht geregelt, wie die Richter ja selbst sagen.
Abgesehen davon ist das "Urteil" an sich nur eine Ansicht oder Expertise, aber keine Erweiterung geltenden Rechts. Abgehesen davon erscheint die Argumentation eher gutmenschlich in Bezug darauf, dass das Existenzrecht von Völkerrechtssubjekten (Staaten) hier plötzlich hinter dem Recht auf Selbstbestimmung als Individualrecht zurückstehen sollte. Das ist zwar eine nette Idee, steht aber in krassem Gegensatz zum Zweck der Staatlichkeit, insbesondere in Bezug auf das Demokratieverständnis (da sind Minderheitenmeinungen nämlich vorprogrammiert, sie müssen sich aber trotzdem der Mehrheit beugen).
Weiter fehlt hier auch (mindestens auf Grund der politischen Auswirkungen des "Urteils") eine Einordnung der Entwicklung der Gewalt während der Balkankriege nach dem Zerfall Jugoslawiens, eine Betrachtung der Entwicklung seit Ende des Konflikts in Serbien und die Betrachtung von Alternativen. Aber das wäre wohl zu viel des Guten.

Zitat von: schlammtreiber am 15. Dezember 2010, 08:55:51
Allerdings löst sich der juristische Anspruch Belgrads angesichts der Fakten umgehend in Wohlgefallen auf, denn in der Tat ist die tatsächliche Kontrolle sehr wohl ein relevanter Faktor (auch wenn Du das gerne anders sehen kannst), nicht umsonst ist die "Staatsgewalt" eines der drei klassischen konstituierenden Staatsmerkmale.

Das es hier um einen relevanten Faktor geht streite ich nicht ab, aber ich stelle in Abrede, dass dieser Faktor hier ausschlaggebend wäre, denn Serbien wäre sehr wohl in der Lage die Kontrolle auszuüben, wird daran aber (verständlicher Weise) gehindert.
Der sinnvollere, wirtschaftlichere und rechlich einwandfreie Weg wäre wohl gewesen Kosovaren und Serben zu einem Kompromiss zu bringen - beispielsweise mit Teilautonomie. Das wäre zwar ein langer Weg gewesen, aber man hätte sich mit den problemen auseinandergesetzt.

Was wir jetzt produziert haben ist ein wirtschaftlich nicht überlebensfähiger, international nicht allgemein anerkannter "Staat" ohne funktionierende Staatsgewalt, durchsetzt durch organisierte Kriminalität und Korruption auf den ein Nachbarstaat Gebietsansprüche erhebt, wobei es eine offene Feindschaft zwischen beiden Ethnien gibt. Sobald "wir" das Interesse am Balkan zewitweise wieder verlieren wird es da sofort wieder knallen.
Sinnvoller wäre es wohl gewesen den Kosovaren nicht den Arsch nachzutragen und nicht jeden noch so unrealistischen Wunsch zu erfüllen und gleichzeitig die Serben als alleinige Täter dastehen zu lassen. Der Köder EU-Beitritt hat hier sicherlich zu vielen Veränderungen geführt, ändert aber keine Denkweisen.

Zitat von: schlammtreiber am 15. Dezember 2010, 08:55:51
Ergo: Belgrad mag "beanspruchen" was immer sie wollen, das ist nicht das Papier wert auf dem es steht, Kosovo ist kein Teil Serbiens mehr.

Das ist deine Ansicht, die auch von vielel geteilt wird, andere sind aber der Meinung dass sie nicht mit dem hier relevanten (dem serbischen) Recht vereinbar ist. Und wenn man das ausblendet stellt man sich mit Rechtsbrechern aus Gewohnheit, wie beispielsweise den USA auf eine Stufe. Man kann Recht nicht nur anwenden, wenn es einem passt und wenn es einem nicht passt ignorieren oder "interpretieren".

Gruß Andi
Titel: Re:Tagesschau: Serbien tut sich schwer mit Wahl im Kosovo
Beitrag von: schlammtreiber am 20. Dezember 2010, 09:19:33
Ich teile Deine Ansicht zum desolaten Zustand der Republik Kosovo (und der dort regierenden Kräfte).

Was ich aber absolut nicht nachvollziehen kann ist die Konstruktion, dass eine Unabhängigkeitserklärung dem Recht des "verlassenen" Staates entsprechen müsste - das ist schon eine sehr seltsame Position.
Ebenso die Aussage, das Selbstbestimmungsrecht eines Volkes (i.e. Kollektiv) falle unter "Individualrechte"...

Das innerstaatliche Recht Serbiens ist für diese Frage nicht relevant, da es sich bei der Staatsgründung bzw Unabhängigkeitserklärung an sich schon um einen völkerrechtlichen Akt handelt. Und völkerrechtlich geht dieser ok - siehe oben IGH.