Spiegel online - Matthias Gebauer, Hasnain Kazim und Shoib Najafizada - berichtet heute (21.02.2011) über die
Bundeswehr-Mission in Afghanistan
Deutsche Soldaten zweifeln am Partnering-SystemZitat:
"Ist die Ausbildungsmission der Bundeswehr am Hindukusch zu riskant? Nach den Todesschüssen eines afghanischen Rekruten auf deutsche Einsatzkräfte zweifeln viele Soldaten am Konzept des Partnering. Der Angreifer wurde nach Informationen von SPIEGEL ONLINE offenbar von den Taliban angeworben."Quelle
Wunderbar, da scheint die Rechnung der Taliban ja perfekt aufzugehen - unterwandern, Anschlag verüben, Zusammenarbeit zwischen Bw und ANA torpediert, Mission erfüllt.
So langsam fällt offenbar auch einigen Soldaten auf, was es bedeutet Soldat zu sein...
Zitat von: Andi am 22. Februar 2011, 10:16:34
So langsam fällt offenbar auch einigen Soldaten auf, was es bedeutet Soldat zu sein...
Sorry, aber das finde ich diesem Zusammenhang etwas geschmacklos.
Andis Äußerung klingt natürlich in dem Kontext etwas hart, gibt aber die bittere Realität wieder: die Aufgabe ist lebensgefährlich, und man kann nicht einfach sagen "also dies und das mach ich jetzt nicht mehr".
Der Aufbau der ANA ist unumgänglich. Jetzt kann man über alternative Wege der Durchführung debattieren, aber ehrlich gesagt sehe ich nicht, dass die türkische Armee das alleine erledigen könnte.
Dass es für die Soldaten auf Patrouille mehr als nur unangenehm ist, einen afghanischen Kameraden im Rücken zu haben dem sie nicht trauen, ist klar. Dass in der ANA einiges schief läuft und korrigiert werden muss, ist ebenso klar. Aber es sollte auch klar sein, dass sich das nicht eben mal über Nacht mit Zack-und-Basta Methoden lösen lässt.
Der Meinumg bin ich nicht. Wenn die Soldaten der ANA weder zuverlaessig noch motiviert sind, sich von Westeuropaeern ausbilden zu lassen, was soll das dann? Warum Leben auf's Spiel setzen nur weil jemand meint dass das aus politischen Gruenden eine gute Idee sei?
Wenn schon die Leute vor Ort - das wohl besser beurteilen koennen als wir im sicheren Deutschland - sagen dass der Ansatz zum Scheitern verurteilt ist, glaube ich denen das.
Wenn Andi so ein harter Kerl ist, kann er sich ja gerne mal ins naechste Kontingent zum "Partnering" melden. Ich finde solche bloeden Sprueche einfach nur zynisch.
Zitat von: ARMY STRONG am 22. Februar 2011, 12:30:14
Wenn die Soldaten der ANA weder zuverlaessig noch motiviert sind, sich von Westeuropaeern ausbilden zu lassen, was soll das dann?
Bitte nicht aus einem Beispiel, oder einer Einheit, auf das Ganze schließen. Amerikaner, Briten, etc bilden seit Jahren so afghanische Soldaten aus. Auch sie hatten bittere Erfahrungen mit solchen Vorfällen, auch sie klagen teilweise über völlig unfähige Haufen, aber sie haben auch gute Erfahrungen gemacht.
Zitat von: ARMY STRONG am 22. Februar 2011, 12:30:14
Warum Leben auf's Spiel setzen nur weil jemand meint dass das aus politischen Gruenden eine gute Idee sei?
Das ist das Argument der Linkspartei gegen den ganzen Afghanistaneinsatz, bitte das nächste Mal korrekt zitieren, sonst ist der Titel weg.
Aber die Antwort ist relativ einfach: weil es sein muss. Dass die Afghanen den Kampf selbst führen müssen hält nicht irgendjemand ,,aus politischen Gründen" für eine gute Idee, sondern das ist unumgänglich. Oder wollen wir die nächsten 50 Jahre in Afghanistan bleiben? Es ist unumgänglich, die ANA auszubilden. Und es ist mit Risiken verbunden. Genau wie z.B. das Patroullieren außerhalb der Camps.
Zitat von: ARMY STRONG am 22. Februar 2011, 12:30:14
Wenn schon die Leute vor Ort - das wohl besser beurteilen koennen als wir im sicheren Deutschland - sagen dass der Ansatz zum Scheitern verurteilt ist, glaube ich denen das.
Die einfachen Soldaten vor Ort sehen nur einen winzigen Ausschnitt, die Lage in ihrem COP, in ihrer Kompanie, etc... gerade die können definitiv nicht beurteilen, ob der ganze Ansatz gescheitert ist. Denn wie oben bereits gesagt, woanders gibt es andere Erfahrungen.
Zitat von: ARMY STRONG am 22. Februar 2011, 12:30:14
Wenn Andi so ein harter Kerl ist, kann er sich ja gerne mal ins naechste Kontingent zum "Partnering" melden. Ich finde solche bloeden Sprueche einfach nur zynisch.
Was soll das? Meinungsäußerung nur noch erlaubt, wenn man sie in Kunduz von sich gibt? Dann können wir dieses Forum ja gleich dicht machen und durch einen Stammtisch in Isa Khel ersetzen.
Zitat von: schlammtreiber am 22. Februar 2011, 13:00:10
Bitte nicht aus einem Beispiel, oder einer Einheit, auf das Ganze schließen. Amerikaner, Briten, etc bilden seit Jahren so afghanische Soldaten aus.
Ja, und da liegt doch die Crux. Die Amis bilden nach US Gusto aus, die Briten britisch und wir eben deutsch. Wie soll denn da eine homogene Armee entstehen, wenn verschiedene Truppenteile, unterschiedliche Ausbildungshintergruende haben?
Ein Problem, das auch die Polizei hat.
Dein Optimismus in allen Ehren, aber ich glaube einfach nicht dass die afghanischen Soldaten sich durch das Partnering zu einer "besseren" Armee machen lassen. Da steht die Religion, die Erfahrung des endlosen Krieges seit 1979 und die Mentalitaet sowie die so ganz andere Kultur der Staemme entgegen. Die machen da gerne mit weil sie ihren Sold bekommen, aber welcher kampferprobte ANA-Offizier laesst sich denn von einem einem deutschen "Buerschchen" (nicht boese gemeint) erklaeren wie man kaempft? Das ist in einen Augen einfach unrealistisch.
@ Army Strong: Das, was Sie in Ihrer letzten Zuschrift beschreiben, ist ja das Problem bei derartigen Interventionen schlechthin.
Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn eine tiefgründige, differenzierte Debatte im Bundestag und in den Parteien stattgefunden hätte, bevor dort die Entscheidung über das erste AFG-Mandat stattfand. Und die seither erfolgten "Begründungen" lassen sich mit vielen mindestens genauso guten Gegengründen entkräften, und dabei lasse ich mal die "Gründe" unserer Post-SED-ler vollkommen außen vor.
Da nun aber seit geraumer Zeit Jahr für Jahr das Mandat für die Bw verlängert wird und wir Soldaten dem Primat der Politik unterliegen, hat Andi mit seiner Bemerkung im Kern durchaus recht, auch wenn ich die Art des Vorbringens durchaus rustikal finde. Ja, zum Soldat gehört auch die Bereitschaft "Jawohl" zu sagen und den Aufträgen der übergeordneten Führung zu folgen, auch wenn es persönlich sehr gefährlich wird. Aber zum "A-Sagen", nämlich sich in AFG (militärisch) zu engagieren, gehört auch das "B", nämlich für eine verantwortungsvolle Exit-Strategie zu sorgen. Und die wird mit dem Partnering umgesetzt.
Zitat von: ARMY STRONG am 23. Februar 2011, 08:50:05
Dein Optimismus in allen Ehren, aber ich glaube einfach nicht dass die afghanischen Soldaten sich durch das Partnering zu einer "besseren" Armee machen lassen.
Ich will jetzt nicht arrogant wirken, aber ich habe mich ja nun mit der Thematik etwas intensiver auseinandergesetzt. Daher führe ich hier keinen "Optimismus" ins Feld, der auf "glauben oder nicht glauben" beruht, sondern beschäftige mich lieber mit Fakten, zu denen bsp. die Erfahrungen der Verbündeten mit dem Aufbau der ANA gehören.
Die ANA soll nicht das preußische Gardegrenadierregiment mit blitzblanken Stiefeln werden, sondern eine Kampftruppe, die in der Lage ist sich gegen die Taliban durchzusetzen. Wenn Du jetzt meinst, man könne wegen der kulturellen Gegebenheiten aus Afghanen keine Kämpfer machen... ;)
P.S.: die "kampferprobten" ANA-Soldaten sind nicht das Problem, die haben schon den halben Weg geschafft, die "nicht kampferprobten" muss man ausbilden.
P.P.S.: die "deutschen Bübchen" haben den Taliban regelmäßig ganz mächtig in den Arsch getreten, so wie die "Bübchen" praktisch aller ISAF-Armeen dem Gegner im Gefecht haushoch überlegen sind, und die Message kommt bei den Afghanen durchaus an.
Ich wuensche mir sehr dass du recht hast und auch behaelst. Trotzdem ist das Problem mit dem vielen Nationen die auf verschiedene Art ausbilden und doch eine einheitliche ANA gestalten moechten m.E. noch nicht geloest.
Aber wenn Partnering einen Schritt zu einer erfolgreichen Exit-Strategie darstellt, ist das nur zu begruessen und ich hoffe es funktioniert.
Zitat von: ARMY STRONG am 23. Februar 2011, 09:58:41
Ich wuensche mir sehr dass du recht hast und auch behaelst.
Glaub mir, ich auch ;D
Zitat von: ARMY STRONG am 23. Februar 2011, 09:58:41
Trotzdem ist das Problem mit dem vielen Nationen die auf verschiedene Art ausbilden und doch eine einheitliche ANA gestalten moechten m.E. noch nicht geloest.
Dieses Problem sehe ich als nicht sooo groß an. Warum? Nun, mehrere Gründe:
Zum einen gibt es durchaus halbwegs einheitliche Grundsätze in der Ausbildung, diese werden durch COMISAF ausgegeben. Zum anderen kooperieren die an der Ausbildung beteiligten Nationen (USA, UK, Kanada, Deutschland, Frankreich, Türkei, etc) seit Jahrzehnten in der NATO und haben gewisse Gemeinsamkeiten entwickelt. Na gut, die Franzosen sind komisch, aber was soll´s. Es ist also nicht so, dass die Soldaten der ANA miteinander völlig inkompatibel sein werden.
Zudem wird ein wenig ,,Vielfalt" nicht schaden. Afghanistan hat sehr unterschiedliche Regionen (Flachland im Süden, zentrales Gebirge, etc) und die Kandaks müssen ihrer jeweiligen Region angepasst sein – dass Afghanistan ohnehin ein sehr ,,dezentraler" Staat ist, verstärkt diesen Effekt noch. Um sich zu verdeutlichen, dass Armeen oft nicht so homogen sind wie sie scheinen, kann man die sehr selbständigen Traditionen britischer Regimenter heranziehen (die sich tatsächlich auch in der Ausbildung niederschlagen), oder einfach die Unterschiede in Ausbildung und Grundsatzdenken bei verschiedenen Waffengattungen... Panzergrenadiere agieren anders als Gebirgsjäger, die wiederum sind ganz anders als Fallschirmjäger, etc
Was ist also das Ziel? Eine kampffähige ANA, die Afghanistan im Inneren stabilisieren kann. Mag sein, dass die Truppe verlottert aussieht, wie ein Haufen Rambos und Penner. Sei´s drum, nicht so wichtig. Mag sein, dass Paschtunen, Tadschiken, Hazaras, Usbeken et al sich innerhalb der ANA eifersüchtig um Posten und Pöstchen reißen – solange es nicht in Bürgerkrieg ausartet ist es nicht so schlimm. Mag sogar sein, dass Drogenkonsum, Amtsmissbrauch, Misshandlung etc etc auf Dauer Probleme bleiben (mag nicht nur sein, würde ich sogar drauf wetten). Diese Unsitten sind leider im Land mittlerweile recht fest verankert. Bis das Problem gelöst ist, werden wir eventuell nicht mehr dort sein...
Danke fuer die Info - du scheinst dich mit dem Thema ja recht intensiv auseinander gesetzt zu haben.
Hoffe nur du hast da jetzt keine Fussnoten vergessen, sonst weisst du ja was passiert.... :D
Zitat von: ARMY STRONG am 23. Februar 2011, 10:37:57
Hoffe nur du hast da jetzt keine Fussnoten vergessen, sonst weisst du ja was passiert.... :D
Ich liege bisher bei durchschnittlich zehn Fußnoten pro Seite :D
Aus Gründen der Sicherheit werde ich jeden Dreck mit Quelle versehen, sogar bei Bindewörtern gebe ich eine Quelle (Duden) an, bei den Seitenzahlen nenne ich ein Mathebuch als Quelle. Die Herkunft des Papiers, auf dem geschrieben wird, ist genau so dokumentiert wie der Hersteller meiner Tastatur. Die eidesstattliche Erklärung ist mit einem disclaimer versehen, außerdem ist eine schriftliche Bestätigung von Mensa beigefügt, nach der mein IQ knapp unter 89 Punkten liegt und ich die eventuelle rechtliche Tragweite meines Handelns ohnehin niemals auch nur im Ansatz begreifen konnte, etc etc etc
Ich bin vorbereitet :)
ZitatIch bin vorbereitet
es wird trotzdem reichen, Dich wieder zur Lustwaffel zurück zu versetzen und Dich als Fliescher S durch den Schlamm eines Horstes zu treiben.
:D
Zitat von: schlammtreiber am 23. Februar 2011, 10:22:10
...Bis das Problem gelöst ist, werden wir eventuell nicht mehr dort sein...
...und vermutlich nicht einmal mehr leben (da bin ich also etwas pessimistischer).
Der Vorfall von letzter Woche hat mich persönlich nur bedingt überrascht. Es war abzusehen, dass irgendein Depp der ANA irgendwann mal durchdreht.
Viel schlimmer stufe ich gerade die Gefühle der Kameraden ein, die aktuell mit den ANA Leuten Dienst tun. Normalerweise ist ein Feldlager für jeden Soldaten im Einsatz die "letzte Schutzzone". Hier kann man ein wenig abschalten und zur Ruhe kommen, doch wenn man nun den Feind schon im eigenen Lager vermuten muss, stresst dieses unwahrscheinlich. Verlässt man das sichere Feldlager, ist in der Regel jeder Soldat sehr angespannt. Wenn diese mentale Anspannung nun auch im Feldlager herrscht, sollte die Bw schnellstens die Kapazitäten im BwK Hamburg erhöhen ... was ich damit meine, sollten die Insider verstehen ;)
Mein Vorschlag:
Klare räumliche Trennung der Bw und ANA Soldaten. Nur zu Ausbildungsvorhaben sollten die ANA Soldaten die Bw Liegenschaften betreten dürfen. Noch bessere Lösung, die Ausbildung findet nur noch in ANA Lagern statt. Sofern dies nicht überall lösbar ist, sollte es, rein präventiv, ab sofort ANA Soldaten verboten werden, die Unterkunfts- und Aufenthaltsbereiche der Bw betreten zu dürfen.
Ich weis nicht wie ihr es seht, doch würde der Dienstherr von mir verlangen, dass ich nach diesem schrecklichen Vorfall mit ANA Soldaten ein Feldlager teile, würde ich auch auf die Barrikaden gehen. Vertrauen ist gut, doch Kontrolle und Prävention ist besser ... vor allem wenn es womöglich um das Leben meiner eigenen Kameraden geht!
Spontan fällt mir da der Vorfall des 7.6.2003 ein ... bis dato hatte die Bw darauf verzichtet die Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen zum KIA zu transportieren. Das Vertrauen der Bw gegenüber der Afghanen sollte gestärkt werden. Erst nachdem es zu dem Anschlag auf den Bus gekommen ist, wurden gepanzerte Fahrzeuge eingesetzt. Der Preis für den gewährten Vertrauensvorschuss war jedoch sehr hoch ... 3 tote Kameraden und zahlreiche Schwerverletzte! Von den Langzeitfolgen der Verletzten will ich gar nicht anfangen ... noch heute, fast 8 Jahre nach dem Anschlag überstehen die betroffenen Kameraden (z.B. HF a.D. Frank Dornseif) den Tag nur durch die Einnahme von straken Medikamenten, die "den Film" im Kopf erträglich machen sollen.
Ich könnte keinem ANA Soldaten vertrauen. Nach dem Vorfall von Freitag erst Recht nicht mehr. Die ANA ist in meinen Augen keine Armee, sondern eine Organisation, wo alle jungen Afghanen stranden, die bisher keinen Platz bei einem Warlord und dessen Privatarmee gefunden haben. Nach Presseberichten soll in der ANA ein sehr hohe Fluktuation herrschen, da die ANA nur sehr schlecht besoldet und der Sold sehr häufig beim Vorgesetzten in der Tasche landet statt beim Soldaten.
Da die Masse der Afghanen einen täglichen Überlebenskampf führen, würde ich mich wahrscheinlich auch nur demjenigen anschließen, der mir das meiste Geld bietet ... und wenn mein Geldgeber Taliban heißt ...
Letztendlich wollen die Afghanen alle nur überleben, doch dazu sollten die Regierungen der Truppensteller alles unternehmen, die erbärmliche Korruption in AFG endlich abzustellen. Diese ist meiner Ansicht nach die Ursache für Vorfälle wie z.B. am vergangenen Freitag ....
Mit Vielem einverstanden, lieber Snake, was Sie schreiben. Doch stehen der Realisierung einige hard facts so im Wege, dass nichts daraus wird.
Gemäß UNO-Resolution sind die alliierten Truppen und die sie stellenden Staaten in AFG, um der dortigen (Zentral-) Regierung zu helfen, das Land so zu stabilisieren, dass es dort einen Mindeststandard im öffentlichen Leben sowie Frieden gibt. Da die Vertreter dieser AFG-Regierung - allen voran Präsident Karsai - selbst in die Stammes- und Kooruptionsklüngel involviert sind, lässt sich allein in Bezug auf diese beiden Fragen kaum eine Lösung in Ihrem Sinne finden.
Wir werden wohl mit anderen interessierten Personen schnell zu einer übereinstimmenden Beurteilungen der Stammesfürsten (vulgo: Warlords) gelangen. Aber, was hilft es uns weiter, wenn diese Personen eine, wenn nicht die entscheidende Rolle in der Fläche des Landes spielen. Soll hier stabilisiert werden, dann werden die Truppen und NGO's nicht umhinkommen, mit diesen zu kooperieren.
Und dass die weitaus größten Teile der AFG Bevölkerung so arm sind, dass sie nach allem greifen, was ihnen ein einigermaßen erträgliches (Familien) Auskommen ermöglicht, dürfte doch allein mit gesundem Menschenverstand zu erfassen sein. Und wenn dieses Auskommen durch Drogenanbau, Korruption oder Söldnerschaft, die schnell gewechselt werden kann, erzielt wird, dann liegt es einmal sicher daran, dass dieses Land einfach zutiefst geschunden ist, zum anderen daran, dass Viele über Jahrzehnte hinweg nie etwas anderes kennengelernt haben und dass das Informationszeitalter unserer Prägung eben dort fast im Mittelalterstatus stehen geblieben ist.
Und genau wegen dieser Fragen hätte es - ich hatte es zu einem früheren Zeitpunkt hier bereits angemerkt, ernsthafte Diskussionen quer durch Politik und Gesellschaft erfolgen müssen, bevor der Bundestag über ein Mandat für den Bw-Einsatz erstmals abstimmte. Doch dieser Zeitpunkt ist vorbei.
Zitat von: snake99 am 23. Februar 2011, 15:59:20
Ich weis nicht wie ihr es seht, doch würde der Dienstherr von mir verlangen, dass ich nach diesem schrecklichen Vorfall mit ANA Soldaten ein Feldlager teile, würde ich auch auf die Barrikaden gehen.
Und genau darauf bezieht sich meine Aussage: Es ist der ganz simple Auftrag eines Soldaten dieses Risiko auf sich zu nehmen und es gehört schlicht dazu.
Es gibt in diesem Land offenbar immer noch einige bei denen noch nicht angekommen ist, dass wir in Afghanistan nicht mit Förmchen spielen. Deutsche Offiziere Und Unteroffiziere entscheiden vor Ort mit ihrer Lagebeurteilung unmittelbar über Leben und Tod ihrer Leute. Ständiges Risiko sind Lokals in den Camps, ständiges Risiko sind die Kameraden der ANP und der ANA mit denen man zusammen kämpft. Dieses Risiko ist keine Frage von Diskussionen oder von "auf die Barrikaden gehen" - es ist schlicht da und Teil des militärischen Auftrags. Ich denke manche müssen sich einfach wieder ins Gedächtnis rufen, dass das ausführen eines Befehls beinhalten kann, tödliche Risiken auf sich zu nehmen - sonst könnten wir auch das THW schicken!
@Army Strong:
Wenn du das für einen "blöden Spruch" hältst kann ich dir leider nicht helfen. Ich bete jeden Tag, dass meine Leute - körperlich und geistig - unversehrt wiederkommen und jeden Tag kann auch ich den Marschbefehl nach Afghanistan bekommen. Wie bereitet man seine Leute und sich darauf am besten vor? Mit Ehrlichkeit und vernünftiger Ausbildung!
Aber sicherlich nicht mit einer Einstellung à la: "Da passiert schon nichts und wenns gefährlich wird fahren wir halt wieder ins Camp oder "gehen auf die Barrikaden"."
Gruß Andi
Zitat von: Andi am 23. Februar 2011, 16:55:09
Und genau darauf bezieht sich meine Aussage: Es ist der ganz simple Auftrag eines Soldaten dieses Risiko auf sich zu nehmen und es gehört schlicht dazu.
Vollkommen d'accord, doch in Anbetracht der Erfahrungen, die wir in AFG reichlich gesammelt haben, sollte es nach wie vor der primäre Auftrag eines jeden militärischen Führers sein, seine ihm anvertrauten Soldaten stets heil und gesund wieder nach Hause zu bringen.
Mir wurde in meiner bisherigen Ausbildung zum militärischen Führer stets gelehrt, dass das Leib und Leben meiner anvertrauten Soldaten nur im absoluten Ausnahmefall vorsätzlich gefährdet werden darf. Wo es auch nur geht, hat die körperliche Unversehrtheit stets Vorrang, da von dieser Schlagkraft und Moral der ganzen Truppe erheblich abhängig ist.
Aufträge, die vorsätzlich das Leben eines Soldaten besonders gefährden, sind äußerst detailliert nach Sinn und Zweck zu prüfen.
Ja, und genau dieser Sinn und Zweck ergibt sich aus der UN-Resulution und demzufolge in deren militärischer Umsetzung durch ISAF....
Zitat von: snake99 am 23. Februar 2011, 17:26:06
Vollkommen d'accord, doch in Anbetracht der Erfahrungen, die wir in AFG reichlich gesammelt haben, sollte es zusätzlich nach wie vor Auftrag eines jeden militärischen Führers sein, seine ihm anvertrauten Soldaten stets heil und gesund wieder nach Hause zu bringen.
Das ist wünschenswert, kann aber nicht Hauptaugenmerk sein, denn dann wäre die Bundeswehr militärisch handlungsunfähig. Viel wichtiger ist es den Soldaten klar zu machen, was im Fall des Falles für ihre Rettung unternommen wird und wie es um die sanitätsdienstliche Versorgung steht. Da hat die Bundeswehr beispielsweise beim Karfreitagsgefecht an sich die Moral der Truppe vor Ort zu Grabe getragen!
Ansonsten kann ich als militärischer Führer nur gut ausbilden, ein möglichst klares lagebild nach unten weitergeben und versuchen Vertrauen aufzubauen und zu erhalten.
Es kann und darf aber nicht das Ziel sein militärisch notwendige Aufträge halbherzig oder gar nicht anzugehen, aus Angst vor Verlusten - die gehören leider dazu!
Zitat von: snake99 am 23. Februar 2011, 17:26:06
Mir wurde in meiner bisherigen Ausbildung zum militärischen Führer stets gelehrt, dass das Leib und Leben meiner anvertrauten Soldaten nur im absoluten Ausnahmefall vorsätzlich gefährdet werden darf.
In Afghanistan ist dieser Ausnahmefall rund um die Uhr gegeben. Und glaub mir, als militärischer Führer fühlt man sich nicht wohl dabei, wenn man gegenrechnet welche Handlungsoption die wenigsten Verluste bedeutet, man aber mit Verlusten kalkulieren muss. Bestes beispiel aus Afghanistan: verdächtiges abgestelltes Kfz am Straßenrand, weiträumiges Umfahren nicht möglich, Marsch muss fortgesetzt werden, schneller Durchbruch zu riskant, also einen Mann absitzen lassen der das Fahrzeug untersucht. Im schlimmsten Fall ist der tot, der Rest kann aber den Auftrag weiter fortführen.
Und je mehr uns der infanteristische Kampf aufgezwungen wird und wir ihn annehmen, desto mehr entsprechende Entscheidungen sind zu treffen, Sturmangriffe, Orts- und Häuerkampf, vorgehen gegen MG-Nester usw.
Gruß Andi
Ich verstehe was du meinst Andi.
Militärischer Führer zu sein mag zwar im friedlichen Inlandsdienst "schick" sein, doch im Einsatz kann diese Führerposition auch mit einer menge harter Entscheidungen verbunden sein, die es u.U. im Nachhinein sehr schwer machen, sich selber danach noch im Spiegel anzuschauen, wenn was schief gelaufen ist.
"Wirkung geht vor Deckung"
Im Übrigen, lieber Snake würde Ihre Interpretation auch im Ausbildungsdienst fast täglich Gesundheit und Leben Unterstellter vorsätzlich zu gefährden: Beim Nacht-O-Marsch, Schießen, Schanzen...
Also ich finde der Vergleich zwischen Ausbildungsbetrieb und Einsatzsituationen hinkt ...
Zitat von: snake99 am 24. Februar 2011, 10:11:01
Also ich finde der Vergleich zwischen Ausbildungsbetrieb und Einsatzsituationen hinkt ...
Nein, denn um für den Einsatz vorbereitet zu sein muss man realistisch üben - das ist auch so etwas, was in viele Köpfe der Generation "Bürostuhlakrobat" nicht reingeht. Sicherheitsbestimmungen sind wichtig, allerdings wird man da mehr und mehr Kompromisse eingehen müssen. Klassische Ausbildungen, wie bespielsweise das Überschießen mit MG und Handwaffen finden ja schon lange nicht mehr statt, sind aber elementar, wenn ich nicht will, dass sich meine Leute im Gefecht erst mal mit sich selbst beschäftigen.
Schweiß spart Blut!
Gruß Andi
Zitat von: Andi am 24. Februar 2011, 17:25:10
Klassische Ausbildungen, wie bespielsweise das Überschießen mit MG und Handwaffen finden ja schon lange nicht mehr statt
Was?
Überschießen findet weiterhin statt in den InfTr...
Wie sieht es in der heutigen EAKK / VN Ausbildung damit aus?
Persönlich halte ich diese Ausbildungsstation für sehr wichtig! Wie soll man sonst lernen, wie man Stellungen und Waffentypen aufklären kann?
Zitat von: miguhamburg1 am 25. Februar 2011, 10:08:51
...Überschießen...
Ich wusste bis jetzt nicht mal das es so was gibt....
1999 war das eine feste Ausbildungsstation der damaligen VN Ausbildung (heute ZEAKK) in HAMMELBURG, die jeder Soldat vor seinem Einsatz durchlaufen musste.
Die Ausbildungsgruppe lag in einem Tal und wurde dann von verschiedenen Waffensystemen (G3, G36, MG3, AK47, 20mm Zwillingskanone) überschossen. Sinn und Zweck sollte sein, Stellungen am Mündungsfeuer sowie am Geräusch zu erkennen und aufzuklären.
War eine sehr interessante Station, da man dort live erlebt hat, dass man gerade Handwaffen (wie z.B. ein Gewehr) nur sehr schwer aufklären kann. Um uns die Arbeit etwas zu erleichtern, wurde mit Leuchtspur geschossen. So konnte man beim Betrachten der Schüsse wenigstens grob die Position des Schützen bestimmen. Ohne Leuchtspur war es fast unmöglich ...
Interessant ist dabei auch der Sound. Man meint ja, wenn man eine Waffe geschossen hat wisse man wie sie klinge.
Ja, von hinten. Ein MG3 das ich selbst abfeuere klingt hart, rotzend, "männlich" ;)
Von vorne, aus einiger Entfernung, klingt es irgendwie nach Popcorn :D
Zitat von: schlammtreiber am 25. Februar 2011, 12:08:36
Interessant ist dabei auch der Sound.
Oh ja!
Das "Zischen" der Geschosse in der Luft war sehr beeindruckend!
Generell war es super interessant mal die "andere Seite" einer Waffe zu erleben :)
Ja genau, ich halte es da immer mit Gunnery Sergeant Tom Highway... "This is the AK 47, the preferred weapon....." ;D
http://www.youtube.com/watch?v=oIv_RrgCfWs
Überschießen war zumindest in meiner EAKK 2009 und auf den TrpÜbPl-Aufenthalten jedes Mal enthalten.
Auch gab es einst Mal so genannte Vorbeischießen.
Habe ich aber persönlich noch nie mitgemacht.
Der Vergleich mit dem Popcorn beim MG 3 passt sehr gut.
Weiterhin ist es natürlich auch interessant den Sound von einschlagenden Geschossen in der Anzeigerdeckung zu hören. Hört sich wie hart geworfene Kieselsteine an.
MKG Firehawk