Hallo,
ich habe eine Frage an die älteren, mittlerweile wohl nicht mehr oder so eben noch im Dienst befindlichen Soldaten/Reservisten, die ihre AGA im Zeitraum zwischen Ende der 60er und Mitte der 70er Jahre gemacht haben. Oder an jemanden, der sichere Kenntnisse über die damaligen Bedingungen hat. Anlass ist eine Diskussion zwischen mir, der vor 2 Jahren in seine AGA gemacht hat, und einer älteren Person darüber, ob die AGA härter oder lascher im Laufe der Jahre geworden ist oder es etwa gleich geblieben ist. Ich kann nur für mich sprechen- ich war bei den Pionieren- und empfand meine AGA als sehr hart. Mir fehlt natürlich ein Vergleichsmaßstab, ich war vor 40 Jahren noch nicht dabei, aber ich glaube einfach nicht, dass es damals härter war.
Insbesondere interessiert mich Folgendes: Ist es denkbar bzw. auch wahrscheinlich, dass damals Märsche mit einer Länge von 50 km gemacht wurden? In meiner AGA sind wir 30 km marschiert und das war für einige schon bald zu viel. 50 km klingt für mich sehr übertrieben. Außerdem: Wurden damals schon 5tägige Biwaks (oder länger) gemacht? Von anderen Leuten habe ich bislang nur gehört, dass damals nur 36-Stunden-Übungen üblich waren und dies nur einmal in der AGA vorkam.
Vielleicht eigenartige Fragen, das kann schon sein, aber es könnte ja ganz interessant sein, früher und heute- soweit möglich- zu vergleichen.
Lieber Jens,
dass sich Aktive und Ehemalige schon immer mit der angeblichen besonderen Härte ihrer AGA im trauten gespräch überboten haben, ist legendär. Daraus zu schließen, dies wäre tatsächlich so gewesen, wäre ein Fehler.
Grundsätzlich unterschieden werden muss, dass es immer Unterschiede zwischen der zwei- und der dreimonatigen AGA gab. Nur das kann man miteinander vergleichen. Und dann muss man weiter vergleichen, welche Ausbildungsgrundlagen/-vorschriften der jeweiligen AGA zugrunde liegen. Damit man dann nicht Äpfel mit Birnen vergleicht.
Im Wesentlichen haben sich die körperlichen Anforderungen an die Rekruten des Heeres seit den 1970er Jahren bis heute nicht signifikant verändert. Damals wie heute gibt es die Eingewöhnungsmärsche unterschiedlicher Länge, gibt es Kurzbiwaks und 36-Stunden-Übungen und Anderes. Das Einzige, das vor einigen Jahren geändert wurde, ist der AGA-Anteil der einsatzbezogenen Ausbildungsgebiete. Daraus allerdings zu schleßen, dass die AGA heute nicht mehr so hart wäre, ist einfach Unsinn.
Hallo Jens,
ich habe 1976 meine Ausbildung bei den Pionieren gemacht. Auf den jetzigen Lehrgängen zur ZAEAKK habe ich mich mit vielen Jüngeren unterhalten, die gerade ihre AGA gemacht hatten und muss sagen: Es hat sich nicht viel verändert. Körperliche Anforderungen galt es immer zu erfüllen, manche Tätigkeiten waren vielleicht etwas schwieriger, weil es noch nicht so viele technische Hilfsmittel gab, aber - rückwirkend betrachtet - war das eben der Zeit angepasst.
Was anders war, das war der Umgangston. Früher etwas rüder, heute wird mehr Zurückhaltung geübt und das sind vielleicht die Punkte, die Dein Gegenüber noch im Kopf hat und die ihm die Ausbildung als "härter" in der Erinnerung erscheinen lassen.
Wenn ich mich mit älteren Reservisten unterhalte, scheint es früher mehr Dummf*** gegeben zu haben, dafür scheint heutzutage mehr inhaltlich drin zu sein.
War das bei der alten Sanitätstruppe so???
Das, was häufig als "Dummf..." bezeichnet wurde, ist wohl das, was zuvor schon als "rüder Ton" bezeichnet wurde. So frei nach dem Motto: Der Soldat spricht laut und deutlich!" wurde häufig von den Ausbildern auf die Lautstärke bei Meldungen geachtet - unabhängig davon, ob man als Soldat im Korridor maximal einen Meter von seinem Vorgesetzten entfernt stand oder im Technischen Bereich neben laufenden Kfz-Motoren. Oder das genauso beliebte: "Nach inten wegtreten - Marsch-Marsch!" beim Formaldienst - auch in entsprechender Lautstärke.
Im großen und ganzen haben sich die Anteile der AGA verschoben. So gab es früher anteilig mehr Formalausbildung als heute. Mit dem Ergebnis, dass das Erscheinungsbild einer marschierenden Einheit/Teileinheit oft wesentlich besser war, als man es heute - z.B. bei Übertragungen von öffentlichen Gelöbnissen sieht. Aber echte Härteunterschiede im Sinne körperlicher und seelischer Beanspruchung gab es definitiv nicht.
Nein, ich meine damit nicht explizit die Sanitätstruppe. Und auch nicht den rüden Ton. Das was du beschreibst, kenn ich selber noch.
Ich war damals ja noch nicht dabei, aber einige Reservisten, die ich kenne, stammen aus dieser Zeit.
Offenbar waren die mehr auf Übungen, wurden mehr rumgescheucht und es scheint mehr Drill (ja, ich kenn den Unterschied zwischen Drill und Dummf***) gegeben zu haben. Aber wenn man mal nach militärfachlichen Dingen nachfragt, steckt da oft nicht viel dahinter.
So wie ich es erlebt habe, wird heutzutage eher so ausgebildet, dass die Soldaten verstehen was sie tun. Zusätzlich scheint militärfachlich noch ne Menge in kürzerer Zeit dazu gekommen zu sein.
Nein, auf Übungen waren sie definitiv nicht mehr. Der Umfang an Ausbildung im Gefechtsdienst aller Truppen hat sich nicht verändert, und insofern kann es da auch keine signifikanten Unterschiede geben.
Ich hatte verschiedentlich Rekruten die sagten bei meinem Vater, Onkel usw. in den 70ern war jede Woche ein Geländemarsch,der NATO - Alarm usw. und Wochenendheimfahrten erst nach drei Monaten anstanden und ich spreche nicht von der anderen deutschen Armee oder gar von der SU - Armee wo auch einige Väter schon in AFG gedient haben ab 79.
Aber wenn man das ganze aus psychologischer Sicht betrachtet, so wird man sich schon nach 6 Monaten nicht mehr an die Unterrichte vom Pfarrer und vom Chef erinnern, sondern an das Schießen, die 36 h Übung, die Gewässerüberquerung usw. und mit dem Abstand von Jahrzehnten verschwimmt das alles und es wird nur noch die Feldküche und das Fliegerabwehrschießen, oder das Schießen mit Erdziellafette gesehen, obwohl dies auch damals nur ein Schmankerl war.
Was aber für mich bei vielen Gesprächen herüber kam ist dass damals subjektiv die Befehls und Diskussionskultur eine andere war und somit auch die AGA anders wahrgenommen wurde. Weil verschiedentlich sehen einen die Väter an, wie spricht mein Sohn den mit dem SU, Fw oder gar mit dem Chef, dass ist für diese nicht nachzuvollziehen.
Motto wenn ich nicht Gruß, Meldung, Gruß gemacht habe, dann hätte ich die nächsten Wochen GvD gehabt bis der nächste was falsch gemacht hätte oder mein Fehler behoben gewesen wäre. Ob dies Objektiv so war kann ich nicht beurteilen.
Erinnerung ist immer eine subjektive Sache. Da wird aus dem 30km langen Marsch im Laufe der Jahre eben mal was anderes, das durchläuft vielleicht mehrere Phasen:
1) "30 km, aber mir kam es vor wie 40."
2) "30 km, aber Luftlinie, real marschiert sind wir an die 40 km!"
3)"...etwa 42 km..."
4) "Fast 50 km Marsch, sag ich Dir."
5) "Strammer 50 km Marsch, war damals obligatorisch."
6) "50 bis 70 km marschiert, mit ZwiSoLa in Pirschhaltung, unter russischem Beschuss..."
zu 6) bei -50 Grad und mindestens 100cm Schnee
fakt ist aber, daß man Rekruten heutzutage mehr Ruhe gönnt als früher.
der beliebte "Nato-Alarm", bei dem mitten in der Nacht - die Matratzen vor die Fenster gestellt und der Spint komplett verpackt werden musste, gibt es heute nicht mehr. Da ist um 17:00 Uhr Dienstunterbrechung, 22:00 Uhr Zapfenstreich und gut ist.
Zitat von: Fitsch am 24. Juni 2011, 08:46:24
der beliebte "Nato-Alarm",
Den gibt´s doch aber schon ewig nicht mehr. Ich hatte den 1995 in der AGA noch regelmäßig, aber Rekruten die zwei Jahre später kamen nur noch einmal bzw gar nicht mehr...
Also ich hatte das sogar 2006 noch. Da wurden wir mitten in der Nacht geweckt sollten den kompletten Rucksack packen im dunkeln und haben dabei eine Lage bekommen.
Ich dachte ich bin im falschen Film. Mit ein bischen mit denken hätte man aber auch ehr drauf kommen können denn die komplette Stammbesetzung ist am vorabend nicht nach Hause gefahren.
Heute ist um 1700 Dienstschluss i der AGA? Ok ich will aufjedenfall 1-2 Durchgänge AGA machen.;)
ZitatHeute ist um 1700 Dienstschluss i der AGA? Ok ich will aufjedenfall 1-2 Durchgänge AGA machen.
Vergiss es! ::) :D
Ok, hät mich auch gewundert wenn ich erlich bin. Wobei heut zu Tage wundert mich eigentlich gar nichts mehr.
Da ich nun mal gewiss zu denen gehören, die Mitte-Ende der 1970er Jahre ihren Dienst antraten und damit die AGA absolvierten, kann ich aus erster Hand berichten.
Ob Soldaten in der AGA Active Edge (dern sog. ATO-Alarm) erlebten, kam ganz darauf an, ob während der Zeit der TrTl davon betroffen war. Denn dieser NATO-Alarm war nicht immer automatisch für die ganze Bundeswehr, sondern er wurde auch für bestimmte TrTle ausgerufen, und es gab auch verschiedene Bereitschaftsstufen. So gab es nur Aktivierung der Führungsbereitschaft, Bereitschaft des gesamten TrTl, Ausrücken des TrTl in den befohlenen Auflockerungsraum mit und ohne Übernahme der Mun. Es gab also viele AGA-Qartale in der Zeit, in der die Rekruten von diesen Alarmierungen überhaupt nichts mitbekamen, da nur Führungsbereitschaft bestand und der OffzFü allein etwas davon wusste und sich die Zeit in seinem Dienstzimmer totschlug. Dass die Volltruppe aufrödeln musste (also Verpacken der Bekleidung/pers Ausrüstung), Vorbereitung des KpBlocks für die Übergabe an die (damals StOV), Waffenempfang, Ausrücken in den Auflockerungsraum) und ausrückte, habe ich selst bis 1990 (mit Ausnahme des Studiums) nur dreimal mitgemacht, davon einmal mit dem kompletten Munitionsprogramm. In meiner Vollausbildung (heute SGA) erlebte ich dieses Programm nur am Rande, als in meiner Kompanie mächtiger Trubel war, meine OA-Kameraden und ich aber friedlich in unserer Stube blieben, weil wir gerade in der Fahrschule waren, die in derselben Kaserne untergebracht war. Einmal erlebte ich in einer Unterkunft dabei auch, dass wir aufrödelten und die Soldaten eines DivBtl überhaupt nicht davon betrffen waren.
Ich habe dann seit 1990 in den verschiedenen DP direkt oder indirekt mit der AGA zu tun gehabt und kann deshalb definitiv ausschließen, dass die körperlichen und mentalen Anforderungen zur fraglichen Zeit höher waren als heute. Ich vermute es eher so, dass das persönlich empfundene Druckgefühl größer war, sicher auch nicht zuletzt wegen des oft groben Tons, der heute kaum noch stattfindet. AGA war früher viel öfter "Druck, Drall und Bewegung", denn es galt ja, die Rekruten immer auch moralisch darauf auszurichten, ggf. unvermittelt in den Krieg zu gehen. Das bedrohungsszenario war ja allgemein bekannt. Was sicher auch zutraf, war der Umstand, dass die Ausbilder viel weniger erklärten, als dies heute der Fall ist (aber auch wegen der höheren Technisierung auch sein muss).
Vielleicht noch den Aspekt "früher" etwas weiter gefasst: lässt man das "volkstümliche Bild" der guten harten alten Zeit mal beiseite, und beschäftigt sich mit den Fakten, die z.B. von der Grundausbildung/Ausbildung in der kaiserlichen Armee bis 1918 oder der Wehrmacht überliefert sind, so stellt man fest, dass die physisch-handwerkliche Komponente erstaunlich gleich zu sein scheint. Der wesentliche Unterschied im Erleben der Grundausbildung für einen Rekruten in Feldgrau, NATO-oliv oder Flecktarn dürfte tatsächlich "die Umgangsform" und der damit verbundene psychische Druck gewesen sein.
Vielleicht waren die damals jungen Männer auch nicht so verweichlicht wie es heute öfters vor kommt.
Da gabs sicherlich noch nicht diese krasse Pc und Konsolen Generation wie jetzt.
Das wiederum, lieber Rollo, glaube ich nicht: Die körperiche Leistungsfähigkeit der jungen Menschen war zu der Zeit sicher im Schnitt höher als heute, ganz einfach, weil in den Schulen der Sportunterricht regelmäßig durchgeführt wurde und viele Jungs (aufgrund fehlender PC-Daddel-Alternativen) in Sportvereinen aktiv waren. Aber: Die meisten Schulen waren Experimentierfelder der antiautoritären Erziehung (da hatten die neuen "Errungenschaften" der Vor-68er bereits ganze Arbeit geleistet, es begann die sog. Friedensbewegung zu erblühen, Rüstung und Bundeswehr wurden/waren No-No's, es wurde schick, KDV einzureichen, Lehrer nutzten sogar ihre Unterrichtsstunden dafür, KDV-Unterweisungen zu geben etc. Also, es war eine politisch-hochgeladene Zeit, die sich bis in die Jugend hinein auswirkte. Der harte Ton war also für die meisten Jugendlichen ein ebensolcher Kulturschock, wie er heute auch erlebt wird.
Zitat von: schlammtreiber am 24. Juni 2011, 10:30:31
Vielleicht noch den Aspekt "früher" etwas weiter gefasst: lässt man das "volkstümliche Bild" der guten harten alten Zeit mal beiseite, und beschäftigt sich mit den Fakten, die z.B. von der Grundausbildung/Ausbildung in der kaiserlichen Armee bis 1918 oder der Wehrmacht überliefert sind, so stellt man fest, dass die physisch-handwerkliche Komponente erstaunlich gleich zu sein scheint. Der wesentliche Unterschied im Erleben der Grundausbildung für einen Rekruten in Feldgrau, NATO-oliv oder Flecktarn dürfte tatsächlich "die Umgangsform" und der damit verbundene psychische Druck gewesen sein.
Sehe ich soweit auch so, nur hast du in der Aufzählung "Ein Strich - kein Strich" vergessen. Da war das auch nicht anders. Und auch da war "früher" immer alles viel härter.
Zitat von: KlausP am 24. Juni 2011, 11:02:01
Sehe ich soweit auch so, nur hast du in der Aufzählung "Ein Strich - kein Strich" vergessen. Da war das auch nicht anders. Und auch da war "früher" immer alles viel härter.
Mea culpa, die Volksarmee wollte ich natürlich nicht unterschlagen :D
härter oder weicher ;)
sagen wir mal so zu meiner Zeit (mitte der 80er Jahre ) gab es so scherze wie DZA und DUZ nicht - da konnte es dir passieren das du ein oder 2 mal im jahr für 14 tage Y-Tours gebucht hast - sprich übungsplatzaufenthalte - wenn du dann noch einen "schönen" dienstposten erwischt hattest konnte aus den 14 tagen schnell mal 3 wochen mit vor und nachkommando werden
oder die schönen betriebsausflüge - kecker Spatz oder Flinker Igel (siehe wikipedia) brachten den ein oder anderen kameraden an seine körperliche leistungsfähigkeit (meist mehr stress bei den funktionern / unterstützern als bei der eigentlichen kampftruppe)
wir hatten da mit unserern FKÜtrps ordentlich stress - verpflegung fassen - verlegen - tarnen abrüsten - kochen - Vpfl ausgabe (in der zeit sollte der MKF eigentlich ruhen - musste dann aber in die sicherung oder auf die Emma) kaum fertig - wieder befehl zum verlegen bekommen und das dann über 3 oder vier tage, da warst du froh wenn du pro tag 4 stunden ruhen konntes
Kommunikation mit zuhause in zeiten von Übungsplätzen oder freilaufenden übungen sogut wie NULL - handy gabs nicht und die öffentlichen telefonzellen waren überlagert falls welche mal untergekommen sind
Lieber Bazi,
die Frage richtete sich nach der AGA, nicht nach der Zeiit danach...
... und wenn ich die unter den heutigen Rahmenbedingungen anschaue, dann dürfte die Ausbildung bezüglich bevorstehender Einsätze, 4 Monate Abwesenheit in AFG oder anderswo und dazu die auch noch stattfindenden TrÜbPlAufenthalte das, was früher geleistet wurde, allemal toppen...
Denn uns flogen seinerzeit keine versteckten Sprengladungen um die Ohren, uns standen keine durchgeknallten Taliban gegenüber und der Biwakplatz in Sennelager war auch nicht das Ziel von irgendwelchen RPG und Flugkörpern...
Zitat von: miguhamburg1 am 24. Juni 2011, 18:04:33
uns standen keine durchgeknallten Taliban gegenüber...
Wir hatten als Feind die StOV. Die waren viel krasser, und viel durchgeknallter. :D
und die hatten damals schon Bärte!
... insbesondere die "KloVWa's", die Herren, die mit den Riesen Klopapierrollensäcken unsicher durch die Kasernen radelten und dann durch die Kasernenblöcke schlichen...