Moin Moin.
Mein Name ist Andreas, bin 23, komme aus der Nähe Hamburg und ich bitte Euch mal um eine Einschätzung.
Es geht um die Bewerbung als Soldat bei der Bundeswehr, der allerdings etwas im Wege stehen könnte.
Vor 6 Jahren (ich war 17) bin ich mit Jungs aus der rechten Szene rum gehangen. Das ging so weit, dass ich beschuldigt worden bin an einer volksverhetzenden Straftat beteiligt gewesen zu sein und als Nebenangeklagter vor Gericht stand. Die Tatvorwürfe waren vor 6 Jahren, die Verhandlung vor 3 Jahren. Vor Gericht wurde ich als Mitläufer bezeichnet und da ich keine Aussage machte, um niemanden in die Pfanne zu hauen wurden wir alle verurteilt, ich zu 40 Tagessätzen. Ich bin dann in Berufung gegangen und die Verhandlung steht dieses Jahr noch an. Ich gehe mal davon aus, dass das Berufungsverfahren zu meinen Gunsten aus geht.
Wenn nicht, werde ich mir die Karriere bei der Bundeswehr sicherlich abschminken können, wovon ich jetzt aber nicht aus gehe.
Und ja, ich war da wirklich an nichts beteiligt.
Ich habe zwar seit damals nichts mehr mit den Leuten zu tun und habe auch sicherlich keinerlei Gedankengut mitgenommen, früher oder später wird eben jeder mal vernünftig. Aber ich frage mich ob das jetzt Auswirkungen auf meine Einstellung bei der Bundeswehr haben kann? Ich meine das ist ja ein Thema das so gar nicht Bundeswehr-Konform ist und wenn ich gefragt werde ob ich schon mal mit der Polizei befürchte ich dass mir vielleicht nicht geglaubt wird oder man denken könnte, ich hätte immer noch eine rechte Haltung.
Könnt ihr das irgendwie einschätzen wie die Bundswehr das sieht?
Nun ja, mit der Bewerbung werde ich so oder so abwarten müssen bis das Verfahren geschlossen ist, aber mich würde Eure Meinung dazu im Vorfeld trotzdem interessieren.
Mit freundlichen Grüssen, Andy
Ich denke nicht, dass Sie an unserer Meinung interessiert sind, wie wir Ihr Verhalten bewerten.
Während eines schwebenden Verfahrens vor Tericht erfolgt keine Einstellung. Dennoch können Sie sich natürlich bewerben. Auch nach einem Freispruch werden Sie Ihr damaliges Verhalten und Ihre zugrunde liegende Einstellung dem Psychologen begründen müssen. Zu welcher Bewertung der dann kommt, können wir alle nicht sagen.
Bewerben Sie sich und warten Sie das Ergebnis der Eignungsfeststellung ab.
Habe ich das richtig verstanden, dass die Verurteilung vor 3 Jahren war und erst dieses Jahr (!) die Berufungsverhandlung stattfindet? Bis dahin kann man ja mehrmals zum BGH und zurück....
Ich schließe mich miguhamburg an. Solange das Verfahren läuft, erfolgt definitiv keine Einstellung.
In Sachen Verfahrensausgang ist den Vorpostern nichts hinzuzufügen.
Ungeachtet der rechtlichen Lage steht natürlich die damalige Zugehörigkeit zur Szene im Raum und wird bei der Bewerbung sehr (!) kritisch beleuchtet werden. Wichtig ist dabei unter anderem, wie glaubhaft der Bruch mit der Vergangenheit ist. Hast Du z.B. noch entsprechende Tätowierungen? Dann sieht es schlecht aus. Auch der Freundeskreis muss sich signifikant geändert haben - ein Bruch mit dem Gedankengut ist nicht glaubhaft wenn man immer noch mit denselben Leuten verkehrt. Auch Rolle, Selbstbild und Funktion innerhalb der Gruppe dürften abgefragt werden. Anführer, Rädelsführer, eventuell sogar politisch organisiert (Parteimitgliedschaft)? Schlecht. Oder eher Mitläufer, Fußvolk? Gerade bei letzteren ist in der rechten Szene der "politische" Teil oft eher nebensächlich bis vorgeschoben (Protest, Provokation, Subkultur) und das weiß auch der Psychologe.
Trotzdem muss Dir klar sein, dass "in dubio pro reo" hier nicht gilt - wenn auch nur leise Zweifel bestehen, wird die Bw eher vorsichtshalber die Finger von Dir lassen als umgekehrt.
Richtig justice, die Mühlen der Justiz Mahlen sehr sehr langsam...
Ich habe vor 5 Jahren den Kontakt zu den Leuten abgebrochen und habe auch keinerlei Tattoos oder sonstiges.
Ich war der klassische Mitläufer der da irgendwie blöd rein gerutscht ist. War in keiner Partei und hatte auch sonst keine Funktionen. Bin damals auf ein paar Demos usw. mit gegangen, das weiß auch der Verfassungsschutz.
Mir ist das Thema sehr unangenehm aber ich kann die Uhr leider nicht zurück drehen.
In wieweit muss man denn da Angaben machen? Wenn der Freispruch erfolgt, muss man das dann überhaupt erwähnen?
ZitatIn wieweit muss man denn da Angaben machen? Wenn der Freispruch erfolgt, muss man das dann überhaupt erwähnen?
Ja müssen sie, weil sonst kann es den Tatbestand des Einstellungsbetruges erfüllen und dann sind sie schneller aus der BW draußen als sie drinne waren.
Denn spätestens der MAD gleicht Unterlagen auch mit dem Verfassungsschutz ab und da ist es besser die Wissen den Sachverhalt von ihnen als aus ihren Ermittlungen. Weil die Leute fressen auch nicht zu jedem Frühstück drei Soldaten auf Brot, wenn die Soldaten ihnen die Wahrheit gesagt haben. Nur wird sie der Psychologe schon einmal etwas genauer auseinandernehmen.
Mitlaeufer = Mittaeter!
ZitatIn wieweit muss man denn da Angaben machen? Wenn der Freispruch erfolgt, muss man das dann überhaupt erwähnen?
Also: Wenn ein Freispruch erfolgt und du auch sonst wegen keiner anderen Straftat verurteilt worden bist, dann kannst du natürlich Fragen nach irgendwelchen Straftaten wahrheitsgemäß mit "nein" beantworten. Sollte es aber doch zu einer Verurteilung kommen, dann muss diese auch angegeben werden.
Wenn es zu einer Verurteilung kommt und die Straftat daher auch angegeben wird, dann wird dich der Psychologe zu diesem Thema schon in die Mangel nehmen. Insoweit schließe ich mich schlammtreiber an. Auf dieses Gespräch sollte man sich seeehr gut vorbereiten.
Ansonsten muss man Fragen natürlich nur beantworten, wenn man danach gefragt wird. Von alleine - ohne danach gefragt zu werden - brauchst du natürlich auch nichts von deiner vergangenen Gesinnung erzählen. Wenn du allerdings gefragt wirst, dann natürlich musst du die Wahrheit sagen.
Zunächst mal gilt der Grundsatz, dass man nur das wahrheitsgemäß beantworten muss, was man auch gefragt wird. Freisprüche fallen logischerweise nicht unter "Straftat" und erst Recht nicht unter "Verurteilung".
Bei eher stumpf klingenden Aussagen, wie beispielsweise
ZitatZitatWenn der Freispruch erfolgt, muss man das dann überhaupt erwähnen?
Ja müssen sie, weil sonst kann es den Tatbestand des Einstellungsbetruges erfüllen
oder
ZitatMitlaeufer = Mittaeter!
sollte man vorsichtig sein. Das Recht ist viel zu vielschichtig und differenziert, als dass man sich auf solche Aussagen verlassen sollte.
In Bezug auf verfassungsfeindliche Organisationen gibt es im Zusatzfragebogen zum Bewerbungsbogen drei Fragen die es zu beantworten gilt - auch wenn es zu einem Freispruch kommt.
Gruß Andi
Ich meine auch, dass man irgendwo auf diesen Fragebögen gefragt wird, ob man sich je in einer verfassungsfeindlichen Organisation etc. engagiert hat etc... Das muss natürlich wahrheitsgemäß beantwortet werden.
So wie ich den Fragesteller verstanden habe, war das bei ihm ja nicht der Fall. Das Mitmarschieren auf ein paar zweifelhaften Demos dürfte da noch nicht reichen.
Es ist aber auch egal: Man muss die konkrete Fragen sorgfältig lesen und wahrheitsgemäß beantworten. Dann kann man auch nichts falsch machen.
Ich schätze mal, dass eine Sicherheitsüberprüfung ein großes Problem darstellen wird und somit wären die Verwendungen sehr eingeschränkt.
Zitat von: justice005 am 22. Januar 2013, 14:51:03
Ich meine auch, dass man irgendwo auf diesen Fragebögen gefragt wird, ob man sich je in einer verfassungsfeindlichen Organisation etc. engagiert hat etc... Das muss natürlich wahrheitsgemäß beantwortet werden.
So wie ich den Fragesteller verstanden habe, war das bei ihm ja nicht der Fall. Das Mitmarschieren auf ein paar zweifelhaften Demos dürfte da noch nicht reichen.
Das steht übrigens im Bogen:
Zitat
Waren oder sind Sie Mitglid einer in der BRD für verfassungswidrig erklärten, verbotenen oder durch den Bundesminister des Inneren als verfassungsfeindlich bekanntgemachten Partei oder Organisation (z.b. DLVH, ...) oder gehören bzw. gehörten Sie einer anderen extremistischen Organisation, Gruppe oder Gruppierung ( z.B. den "Autonomen" oder "Skinheads" ) an?
lg,
Julian
Edit:
2. Zitat kenntlich gemacht
Tja, aber was ist mit jemandem, der keiner Gruppe oder ähnlichem angehört, sondern lediglich Umgang mit solchen Leuten hatte und auf rechten Demonstrationen mitgelaufen ist? Das dürfte für ein "ja" bei dieser Frage kaum reichen.
Es ist leider super schwierig, eine Frage so zu formulieren, dass man bei allen Eventualitäten eine korrekte Antwort geben kann.
Deswegen ist es auch besser etwas anzugeben, als später wegen Einstellungsbetrug rausgeworfen zu werden. Wenn es denn nämlich die Vergangenheit tolerierbar, bekommt der Bewerber auch die Möglichkeit eröffnet.
Und selbst wenn er nichtrausfliegt, aber ggf. "nur" keine Sicherheit bekommt, ist die Traumverwendung weg und es gibt nen "tollen Job" irgendwo, wo nichts schief gehen kann.
Aber das Thema hatten wir schon, ich bleibe dabei, ich kann die Ratschläge nicht nachvollziehen, die dazu führen, dass man lieber weniger/nichts angibt, nur weil die Fragestellung evtl. nicht zu 100% den Tatbestand trifft,
Wie war das: Im Sinne militärischer Sicherheit gilt seit über 55 Jahren das gute alte "offenbare dich".
Gruß Andi
Naja, da man ja eh zur Karriereberatung gehen muss, um sich zu bewerben würde ich das da einfach ansprechen und erklären, da wird einem sicherlich was zu gesagt werden.
ZitatIm Sinne militärischer Sicherheit gilt seit über 55 Jahren das gute alte "offenbare dich".
Trotzdem ist die Bundeswehr keine Insel mit einem eigenen Rechtssystem, sondern vielmehr muss sie sich an die üblichen Grundsätze halten. Und einer der Grundsätze lautet : Sie haben das Recht zu schweigen, denn niemand muss sich selbst belasten".
Von diesem Grundsatz darf nur aufgrund eines echten Gesetzes (!), nicht etwa aufgrund einer internen Vorschrift, eine Ausnahme gemacht werden. Eine solches Gesetz ist zum Beispiel das Sicherheitsüberprüfungsgesetz oder das Strafgesetz, welchen den Betrug gesetzlich normiert hat.
Wenn aber diese gesetzlichen Tatbestände nicht betroffen sind, dann ist es mir erlaubt, mich so positiv wie möglich darzustellen.
Zitatich kann die Ratschläge nicht nachvollziehen, die dazu führen, dass man lieber weniger/nichts angibt, nur weil die Fragestellung evtl. nicht zu 100% den Tatbestand trifft,
Ich schon. Denn welcher Bewerber geht denn zu einem Arbeitgeber und erzählt diesem im Bewerbungsgespräch erstmal die ganzen Gründe, die
gegen eine Einstellung sprechen. Das ergibt doch keinen Sinn und kann vernünftigerweise auch nicht verlangt werden.
Also: Man muss sich an die Gesetze halten (ganz klar!) und somit zur Vermeidung eines Betrugs die Wahrheit sagen, aber man muss nicht freiwillig darüber hinaus gehen.
@justice: Der Satz "offenbare dich" gilt m.E. auch nur gegenüber dem MAD. Der MAD ermittelt nicht in Disziplinarangelegenheiten und gibt auch nicht pauschal Sachverhalte an zuständige DV weiter. Er hat nur die Aufgabe die milSich zu schützen.
Beim MAD stimme ich natürlich zu! ;)
Ich weiß, dass du das so siehst @justice005 und ich bleibe dabei, dass solche Aussagen eher schaden als helfen. Denn es kommt nunmal leider nicht allzu selten vor, dass Bewerber das nur selektiv lesen und es aus dem Zusammenhang herausreißen. Sie lesen also das, was sie wollen und nicht das, was sie sollten. Und so kommt es, dass dann Aussagen getätigt werden wie "Nein, ich bin sauber, gegen mich lag/liegt nichts vor".
Günstigensfalls kommt es raus, aber genug Schlümpfe werden trotzdem eingestellt und dann wird nach dem Einleiten der SÜ von 30 "sauberen" Soldaten festgestellt, dass 22 bereits etwas ausgefressen haben. 3 wegen Einstellungsbetrug entlassen werden und 14 keine Sicherheit bekommen. Dem Verband, der eine Einsatzverpflichtung hat, ist damit ganz toll geholfen, wenn nur die Hälfte zugeschleust wird.
Lieber ist mir da mal einer oder zwei, die Dinge angeben, die sie nicht hätten angeben müssen und die zu einer Nichteinstellung führen, also sowas. Von der Dunkelziffer ganz zu schweigen, die trotzdem durchrutschen, weil sie nicht auf DP mit SÜ eingesetzt werden.
Wie gesagt, das Thema hatten wir, ggf. würdest du es als aktiver Soldat auch anders sehen, der unmittelbar von den Auswirkungen davon betroffen ist.
ZitatDem Verband, der eine Einsatzverpflichtung hat, ist damit ganz toll geholfen, wenn nur die Hälfte zugeschleust wird.
Lieber ist mir da mal einer oder zwei, die Dinge angeben
Genau das ist aber das Problem. Es geht nicht nur um die Wünsche des Dienstherrn. Es geht um eine Abwägung zwischen den Wünschen des Dienstherrn und den Interessen des einzelnen. Diese Abwägung muss immer sorgfältig und niemals nur einseitig vorgenommen werden.
Der Dienstherr hat auch beispielsweise unbestreitbar ein berechtigtes Interesse daran, dass er erfährt, wenn aktive Soldaten sich strafbar gemacht haben bzw. ein Dienstvergehen begangen haben. Trotzdem gibt es - entgegen anderslautender Gerüchte - nicht die Pflicht, sich selbst gegenüber dem Chef in ein schlechtes Licht zu rücken und ihm das zu melden, weil die Interessen des Dienstherrn hinter den persönlichen Rechten des Einzelnen zurückstehen müssten (Stichwort: Niemand muss sich selbst belasten).
Wenn es stets immer nur ausschließlich um die Interessen des Staates ginge, dann wären wir in einem 100%igen Überwachungs- und Polizeistaat und das will doch niemand.
Die Abwägung mag manchmal weh tun. Aber sie ist ganz sicher richtig und ein notwendiger Kompromiss in einem freien Land.
Unbestreitbar richtig. Wenn man es nur aus einem Blickwinkel betrachtet.
Aber ich rede nicht davon, wie der Staat das handhabt, sondern wie "wir", du und ich und andere, das hier propagieren. Weder du noch ich sind Anwalt eines Bewerbers oder Soldaten. Ich könnte hier auch jedem Bewerber ein rosa Bildchen von den Einstellungsmöglichkeiten zeichnen "Klar, du brauchst keinen RS oder einen Beruf, bewirb dich mit deinem HS Abschluss 4,0 und du kannst Uffz o.P. werden und einen Beruf lernen". Ja das ist möglich! Und nein, sowas zu raten wäre nicht gut, denn so sieht es aus. Also ist eine seriöse Beratung etwas anderes. Sie versucht einen Mittelweg zu finden zu dem was geht , aber auch was in der Praxis möglich ist.
Ist es sinnvoll, das Nichtangeben so absolut darzustellen? Oder ist es manchmal sinnvoll einfach mal abzuwägen zwischen: ein Bewerber gibt es an, die Sache wird bewertet und für nicht gravierend befunden (Nachteil sind 3-4 Monate Wartezeit) oder aber man suggeriert hier unterschwellig (auch wenns nicht so gemeint ist, aber es wird selektiv so verstanden) dass man lieber sehr zurückhaltend sein sollte mit den Angaben und der Mist rollt dann auf die Einheit zu.
Versuch es mal als Abwägung zu sehen und auch im Hinblick auf die Enttäuschung, wenns dann doch rauskommt und die super-duper-Krieger auf einmal sich im Nsch oder Gezi wieder finden. Wen wundert dann da noch eine Kündigung? Das wäre auch von vorneherein zu vermeiden gewesen.
Kurze Frage zwischen rein geworfen: was bedeutet es, keine Sicherheit zu bekommen?
Für bestimmte Dienstposten braucht man eine Sicherheitsüberprüfung. Diese gibt es in 3 Stufen.
Je nach dem, ob man ein potentielles Sicherheitsrisiko darstellt oder nicht bekommt man die Freigabe oder nicht.
Und wenn man keine bekommt, darf man nicht auf den Dienstposten und es muss ein anderer gefunden werden.
Nachlesen kann man das Ganze im Sicherheitsüberprüfungsgesetz.