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Politik und Zeitgeschehen => Aus Presse und Medien => Thema gestartet von: Ondre am 24. April 2016, 11:01:08

Titel: Bundeswehr undercover
Beitrag von: Ondre am 24. April 2016, 11:01:08
http://mobil.stern.de/panorama/gesellschaft/bundeswehr-undercover--was-ein-stern-reporter-als-rekrut-erlebte-6805578.html

Sehr interessanter Bericht eines Stern-Reporters
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: Tommie am 24. April 2016, 11:34:47
Ja, wirklich sehr interessant, dass ein Hauptmann ein Bataillon kommandiert ;D !
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: ulli76 am 24. April 2016, 11:48:38
Da wird wohl im Nachgang noch einiges ermittelt werden müssen, falls das alles wahr ist, was er da so schreibt.
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: KlausP am 24. April 2016, 11:52:27
Zitat von: ulli76 am 24. April 2016, 11:48:38
Da wird wohl im Nachgang noch einiges ermittelt werden müssen, falls das alles wahr ist, was er da so schreibt.

Da wird mit Sicherheit schon seit knapp 2 Wochen gerödelt:

ZitatDiese Reportage erschien zuerst im stern Nr. 16 am 14. April 2016
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: IdZ am 24. April 2016, 13:57:24
Wird bei weitem nicht der einzige GA Standort sein, wo es so läuft...schade eigentlich.
Traurig auch immer wieder, wenn Vorgesetzte, die eigentlich nicht viel auf dem Kasten haben, ihre Unsicherheit u.Ä. durch diese stumpfe Aggressivität und falsche Autorität durchsetzen.
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: KlausP am 24. April 2016, 14:14:51
Zitat von: IdZ am 24. April 2016, 13:57:24
Wird bei weitem nicht der einzige GA Standort sein, wo es so läuft...schade eigentlich.
Traurig auch immer wieder, wenn Vorgesetzte, die eigentlich nicht viel auf dem Kasten haben, ihre Unsicherheit u.Ä. durch diese stumpfe Aggressivität und falsche Autorität durchsetzen.

So sehe ich das auch. Hier muss die Dienstaufsicht viel eher eingreifen und solche Exemplare im Extremfall aus der GA-Einheit rausnehmen.

Die andere Seite ist, dass viele Vorgesetzte in den GA-Einheiten, zumindest auf der Ebene der Gruppenführer, früher oder später abstumpfen, wenn sie jahrelang jedes Quartal immer wieder dasselbe machen und das Gleiche erzählen sollen. Hier müsste z.B. innerhalb eines Verbandes viel öfter gewechselt werden. Ich kenne das aus eigener Anschauung. Die Gruppenführer in der AusbUstgKp sind wie alle anderen Gruppenführer im PzGrenBtl "gelernte" PzGrenFw, aber ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten auf diesem Gebiet werden nach ihren Lehrgängen nicht vertieft, geschweige denn weiterentwickelt. GÜZ, SchÜbZ oder sowas kennen die so gut wie gar nicht, wenn sie dann mal für einen Einsatz herangezogen werden sollen, weil in einer der Kampfkompanien jemand fehlt, muss man teilweise beim Urschleim mit der Ausbildung wieder anfangen. Dann heisst es aus den Kampfkompanien "Eure Feldwebel/Oberfeldwebel/... können ja überhaupt nix, was machen die eigentlich den ganzen Tag außer Rekruten anschreien?". Meiner Meinung nach wird das auch nicht besser, wenn jetzt im Heer (wieder mal) zur zweimonatigen Grundausbildung übergegangen wird.
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: Aliki am 24. April 2016, 14:41:38
Zugführer Oberfeldwebel??
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: KlausP am 24. April 2016, 14:43:51
Kann durchaus mal passieren, wenn der STAN-mäßige ZgFhr ausfällt (Lehrgang, krank, Auslandseinsatz) und einer der GrpFhr übernehmen muss.
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: IdZ am 24. April 2016, 14:50:25
Klar, ich kann es natürlich auch verstehen. Ich hätte auch keine Lust das zwei Jahre am Stück zu machen...aber das darf trotzdem nicht sein.
Ein häufigerer Wechsel könnte das wahrscheinlich deutlich verbessern, ja.
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: KlausP am 24. April 2016, 15:04:13
1996, kurz bevor ich aus der Kompanie gegangen bin, wurde meine Kp zum ersten Mal zur AGA-Kompanie im Btl, gleichzeitig wurde die sechstalweise Einberufung eingeführt (ab Sept. 96; war also alles schon mal da!). Ich habe die Worte meines BtlKdr's in der Besprechung mit den Chefs und Spießen noch im Ohr: "Wir werden dafür sorgen, dass das Ausbilderpersonal kontinuierlich gewechselt wird und niemand mehr als 1 bis 1 1/2 Jahre nur AGA durchführen muss". Auf dem Rückweg zur Kompanie hab ich meinem Chef gegenüber meine Skepsis zu dieser Aussage zum Ausdruck gebracht. Ich sollte recht behalten - leider. Kurz bevor ich dann in Pension ging wurde meine (ehemalige) Kompanie zum zweiten Mal AGA-Kp, ein gutes Jahr später habe ich meine erste WÜb als Spieß dort gehabt, in der Frage "Rotation des Ausbilderpersonals" hatte sich nichts geändert.
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: F_K am 24. April 2016, 15:17:59
Auch hier:
Es gibt einen Unterschied zwischen den Tatsachen, dem was der Journalist tatsächlich wahrgenommen hat und dem, was er schreibt.

.. Und ein langweiliger Artikel verkauft sich nicht.
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: IdZ am 24. April 2016, 15:27:40
Zitat von: F_K am 24. April 2016, 15:17:59
Auch hier:
Es gibt einen Unterschied zwischen den Tatsachen, dem was der Journalist tatsächlich wahrgenommen hat und dem, was er schreibt.

.. Und ein langweiliger Artikel verkauft sich nicht.

An sich ist das oft so, ja. Aber sehr reißerisch ist dieser Artikel nicht. Selbst wenn nicht alles so war (und es gab da auch schon viel schlimmere Fälle), kenne ich aus zahlreichen Erzählungen das Gleiche. Ist in Sachen AGA ja auch nichts Neues.
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: ulli76 am 24. April 2016, 15:33:18
Ja, die Tücken der GA-Ausbilder. Oft halt junge Feldwebel, die erstmal mit sich und ihrer Vorgesetztefunktion klar kommen müssen.
Wenn sie halbwegs gut sind, sind sie auch irgendwann in den Grundlagen gut, können sich aber nicht weiterentwickeln weil sie immer das gleiche machen. Weil oft auch noch Personalmangel herrscht, es aber gleichzeitig keine Lehrgangspausen gibt, werde die Ausbilder oft auch nicht auf Lehrgänge geschickt.

Dann kommt noch der "Lehrereffekt" zum Tragen: Man hat immer den Vorteil des Wissensgefälles und während man selber besser wird, kommen ja immer neue Rekruten mit denen man wieder bei Null anfängt. Man bekommt dann evtl. gar nicht mit, dass man zwar Experte auf seinem Gebiet ist, das aber nur sehr begrenzt ist. Die Beziehung, die man zu seinen Rekruten aufbaut ist ja auch nochmal eine ganz andere als ein Fw sie zu seinen Mannschaftern in einer festen TE aufbaut.

Mit den Rotationen ist das auch so ne Sache- das erfordert einen zusätzlichen Ausbildungsaufwand und ist eine Herausforderung für die Gruppendynamik in beiden Einheiten.

Ich hab ja noch relativ lange während meines Studiums in meiner alten GA-Einheit als Ausbilder. Und hab die Vor-und Nachteile, Tücken und Chancen erlebt. Naja- wir haben zwar auch Dinge gemacht, die eher nicht so 100% der modernen Menschenführung entsprachen, aber solche Entgleisungen wie in dem Bericht gingen gar nicht. In der Zeit, in der ich da war, hatten wir aber auch eine sehr gute Mischung an sehr erfahrenen Ausbildern. Die wussten schon wo die Grenzen waren.
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: F_K am 24. April 2016, 15:37:12
... Und mal ernsthaft: Bis auf dumme Sprüche ist von nichts verwerflichem berichtet worden.
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: ulli76 am 24. April 2016, 15:40:36
Naja- bei den Sprüchen sind schon welche dabei, die gar nicht gehen. Also nicht nur die üblichen mehr oder weniger blöden Standardausbildersprüche, sondern deutlich darüber hinaus. Und das was dem Stubenkameraden vom Reporter passiert ist, geht auf jeden Fall in Richtung Mobbing.
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: IdZ am 24. April 2016, 16:09:26
Ich bin ja kein Soldat weichen Gemütes und auch keiner der sich bei kleinen Sprüchen beschweren würde. Aber wenn mir heute ein Ausbilder androht, mich bei Verhalten XY schwanzlos zu machen, würde ich ihm selbiges drohen. Der Spruch mit dem blutig rasieren schießt auch über das Ziel hinaus.
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: F_K am 24. April 2016, 16:12:44
Ich wollte da nichts relativieren - natürlich sind das Dienstpflichtverletzungen.

Aber nur auf der verbalen Ebene - alles innerhalb der 41 Wochenstunden  ;)
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: Ralf am 24. April 2016, 16:44:44
Dazu kommt, dass aus sich immer schlimmer liest, als es in dem Moment empfunden wird. Mit dem Abstand des Unbeteiligten finde ich auch, dass da viele no-gos drin sind. In der jeweiligen Situation ist das wahrscheinlich überhaupt nicht schlimm und fällt gar nicht so richtig auf (es sei denn, man achtet explizit darauf).
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: Merowig am 24. April 2016, 19:13:18
Zitat
Wir hingegen bekommen im ersten Monat jede Woche einen freien Tag zusätzlich geschenkt. Unsere Ausbilder müssen Arbeitsstunden für das Biwak, bei dem wir nachts zelten, herausschlagen. Damit wir die 41 Stunden nicht überschreiten.

Mir fehlen die Worte...
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: 1602 am 24. April 2016, 19:19:00
Als zukünftiger Soldat:

Was habe ich denn alles für Möglichkeiten solches Verhalten ua. Wortlaute zu melden?

Wo ist denn definiert, welche Ausdrücke erlaubt sind und welche nicht?

Was mich aber sehr stark wundert, dass keiner das "Mobbing" des Kameraden und die Wortlaute gegen das Mädel gemeldet hat. Also ich habe die Einstellung, dass wenn ich sehe, das Leute Hilfe brauchen, ich mich für diese einsetzen werde, auch wenn ich dadurch einen schlechteren Ruf hätte.

Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: KlausP am 24. April 2016, 19:25:12
ZitatWas habe ich denn alles für Möglichkeiten solches Verhalten ua. Wortlaute zu melden?

Beschwerden richten Sie in jedem Fall an Ihren Disziplinarvorgesetzten. Das ist der Kompanie- oderder staffelchef der GA-Einheit. Die Beschwerde kann mündlich zur Niederschrift oder schriftlich nach Ablauf einer Nacht eingelegt werden.

ZitatWo ist denn definiert, welche Ausdrücke erlaubt sind und welche nicht?

Das ist relativ einfach: Der Soldat hat das Recht sich zu beschweren, wenn er glaubt ungerecht behandelt worden zu sein. Für den Einen sind solche Ausdrücke beleidigend, für den Anderen sind sie es vielleicht nicht, einer fühlt sich beschwert, der andere nicht.
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: SDW am 27. April 2016, 19:53:40
ZitatWir hingegen bekommen im ersten Monat jede Woche einen freien Tag zusätzlich geschenkt. Unsere Ausbilder müssen Arbeitsstunden für das Biwak, bei dem wir nachts zelten, herausschlagen. Damit wir die 41 Stunden nicht überschreiten.
Hat man denn in der GA die Möglichkeit, an solchen Tagen Sporteinrichtungen der Kaserne zu nutzen?
Oder ist das einzig sinnvolle dann, vorausgesetzt es ist ein Montag oder Freitag, ein langes WE heimzufahren?
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: SCPO am 27. April 2016, 21:19:04
Ja der Stern, das Superqualitätsmedium. War da mal nicht irgendwas mit Tagebüchern  ;)

Ist das überhaupt ethisch und erlaubt, sich als Journalist, unter falschen Voraussetzungen in die Bundeswehr einzuschleusen und danach einen Bericht für den Stern zu schreiben? Stichwort: "Pflicht zur Verschwiegenheit" etc.
Er hat ja die "Vorkommnisse" nicht an den Disziplinarvorgesetzten oder an den Wehrbeauftragten gemeldet.

Ich weiß warum die Presse in Uniform und auch ohne Uniform nur die folgenden Aussagen vom mir bekommen:

- Kein Kommentar
- Wenden Sie sich an den Presseoffizier XY (in Z)
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: Ondre am 28. April 2016, 06:35:17
Was wäre denn in Ihren Augen ein "Superqualitätsmedium"?
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: SDW am 28. April 2016, 09:24:17
ZitatIst das überhaupt ethisch und erlaubt, sich als Journalist, unter falschen Voraussetzungen in die Bundeswehr einzuschleusen und danach einen Bericht für den Stern zu schreiben? Stichwort: "Pflicht zur Verschwiegenheit" etc.
Informationsbeschaffung, -aufbereitung und -veröffentlichtung ist der Kern journalistischer Arbeit.
Ich finde dieses Vorgehen durchaus legitim.
"Pflicht zur Verschwiegenheit" gilt für die Presse regelmäßig nicht, siehe Schlagzeilen der Art "Nach internen Dokumenten, die der Redaktion vorliegen, ..."

ZitatEr hat ja die "Vorkommnisse" nicht an den Disziplinarvorgesetzten oder an den Wehrbeauftragten gemeldet.
Als Journalist hat er zu informieren, nicht zu intervenieren.
Im Rahmen dieser Tätigkeit hat er also nichts falsch gemacht.
Ob er als Soldat Pflichten verletzt hat, steht auf einem anderen Blatt.

Trotzdem finde ich es sehr wichtig, dass es mehr Blickwinkel gibt, als nur reingewaschene Pressetexte.
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: ulli76 am 30. April 2016, 10:04:07
@1602: Die Linie zwischen dummen Spruch und Beleidigung ist sehr fein. Das wird man im Einzelfall schauen müssen.

Was für Möglichkeiten du hast, wird man dir am Anfang der GA ausführlich erklären. Erster Schritt wäre z.B. mal mit den Gruppekameraden zu sprechen wie sie das empfunden haben und dann geht es weiter damit dass man den Ausbilder mal drauf anspricht, oder die Vertrauensperson, über die Meldung an den Vorgesetzten bis zur Beschwerde und Eingabe an den Wehrbeauftragten.

Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: IdZ am 30. April 2016, 10:52:20
Am Besten ist der Trend, dass man einfach direkt an den Wehrbeauftragten schreibt, anstatt es eben über Ullis beschriebenen Weg zu versuchen...   ::)
Titel: Antw:Bundeswehr undercover
Beitrag von: Kiepenkerl am 01. Mai 2016, 01:57:25
Ich finde den Artikel ziemlich interessant weil ich gerade mitten in der Materie stecke und tatsächlich eine Menge wiedererkenne.
Gut, die falschen Begrifflichkeiten etc. lassen einen erschaudern, entsprechen aber m.B.n. ca. dem Wissensstand eines 0815 Rekruten nach 4 Wochen GA.

Besonders eindrucksvoll finde ich, dass sich hier die Sicht des Rekruten auf die 41-Std-Woche mit meiner eigenen Empfindung überschneidet. Er beschreibt ja , dass diese ganzen Drohungen und Sprüche eigentlich ziemlich zahnlos sind und genau das stelle ich auch fest. Mängel abstellen ist streckenweise kaum möglich, jedenfalls nicht ohne Ausweichen in rechtliche Grauzonen, weil einfach die Zeit dafür fehlt. Der Ausbildungsplan ist dermaßen engmaschig und die wenige zbv-Zeit wird allein durch die ganze Vorbereitung der Ausrüstung etc. gefressen.
Ja, die Vorgaben der Antra lassen sich auch mit der 41-Std-Woche umsetzten - was aber m.M.n. auf der Strecke bleibt, sind Aspekte wie die Sozialisation als Soldat und die körperliche Leistungsfähigkeit. Ich weiß nicht ob ich der Rekrut sein wollte , der nach solch einer GA in die Kampfkompanie wechselt...

Ich bin wirklich gespannt wie man sich dieser Rahmenlage in Zukunft anpassen wird. Und das meine ich absolut ehrlich, so wie ich es schreibe , ohne "früher war alles besser"-Mentalität.

Was mich noch interessieren würde, wie regeln das andere europäische Streitkräfte?