MONITOR vom 15.02.2018 um 21h45 im ErstenDer Fall Florian C.: Wie Geheimdienste Leben zerstören
Florian C. wollte seinem Land dienen: als Soldat. Es war sein Traumberuf. 15 Jahre verpflichtete er sich deshalb bei der Bundeswehr. Doch plötzlich wurde er vom militärischen Geheimdienst MAD verdächtigt, Salafist zu sein. Florian C. verstand die Welt nicht mehr, seine Kameraden gingen ihm aus dem Weg, er wurde psychisch krank. Der Geheimdienst erklärte später, es habe sich um eine ,,Personenverwechslung" gehandelt. Florian C. schied als dienstunfähig aus seinem Traumjob aus. Eine Entschädigung bekam er bis heute nicht
Trailer zur Sendunghttps://www.facebook.com/monitor.wdr/posts/1692639897441610Bericht zur Sendunghttps://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/geheimdienste-104.html
Nach dem Beitrag stellen sich mir einige Fragen:
I: Florian C spricht davon "vernommen" worden zu sein. Auf welcher Rechtsgrundlage werden denn solche (mehrstündigen) Vernehmungen durchgeführt? Muss der Soldat nicht über seine Rechte und Pflichten belehrt werden?
II: Der dritte Vorwurf waren die Handydaten mit Verbindungen zu Kreisen nach Nordafrika. Also selbst wenn man keinen EVN hat um das Gegenteil zu beweisen, so weiss man doch, ob man Anrufe nach Afrika getätigt hat oder nicht. Spätestens nach dem Vorwurf hätte der Soldat doch einen Anwalt zu Hilfe nehmen müssen um das ganze aufzuklären? Bei einer Akteneinsicht (es muss ja scheinbar eine Liste mit Verbindungsdaten vorliegen) hätte sich dieser Vorwurf bereits als falsch ergeben und die Verwechslung aufgeklärt!?
Selbst wenn Daten freigegeben wurden, waren es ja nicht seine? Wenn es sich im Endeffekt um eine Verwechslung handelt.
Im Beitrag wurden ja drei Vorwürfe geäußert:
i: ,,Sein Fahrzeug sei mehrmalig vor einem Islamistentreff gesehen worden"
ii: ,,Mit islamischer Bekleidung auch eine Moschee besuchen sehen"
iii: ,,Verbindung zu islamischen Kreisen"
ich habe deswegen Vorwurf iii) ausgewählt, da ich denke das dieser durch den Verdächtigen am einfachsten zu entkräften ist. i) und ii) basieren ja vermutlich auf Observationen, da steht dann Wort gegen Wort (sofern keine Fotos vorliegen). Bei iii) muss ja eine Verbindungsliste vorliegen, oder woher kommt die Behauptung zu islamischen Kreisen?
Wenn ich als Beschuldigter mit so etwas konfrontiert werde und weiß, dass ich auf gar keinen Fall Telefonate in diese Richtung geführt habe, würde ich doch alle Hebel in Bewegung setzen und versuchen bereits diese Anschuldigung aufzuklären.
Habe mir einen Teilausschnitt nochmal ansehen und er behauptet nach der Anschuldigung nicht gewusst zu haben ob nun gegen ihn ermittelt wird oder nicht. Stellt sich erst recht die Frage nach der Rechtsgrundlage für die Verhöre und den Rechten und Pflichten des Befragten.
Eine viel interessantere Frage ist allerdings, aufgrund welcher Merkmale der Beschuldigte überhaupt erst ins ,,Fadenkreuz" des MAD gelangen konnte.
Wenn er ja mit all dem nichts zu tun hat, muss der MAD ja trotzdem irgendwie auf ihn aufmerksam geworden sein, selbst um ihn verwechseln zu können. Oder reicht das Wachsen lassen eines Bartes um schon in den Fokus zu geraten?
Das kann vieles sein
Aber falls man jemanden wirklich hasst macht man ein paar Fotos von Möbeln, schreibt einen Zettel, dass man diese verschenken würde und hängt diesen Zettel mit der Telefonnummer der gehassten Person direkt vor einer islamischen Gemeinde auf, wo sich primär/ausschließlich junge Männer mit langen Bärten versammeln..
Es ist ziemlich einfach solche Kontakte zu bekommen. Ich würde bei eBay Kleinanzeigen deswegen beispielsweise auch nie meine Nummer angeben.
Gruß Andi
ZitatFlorian C spricht davon "vernommen" worden zu sein. Auf welcher Rechtsgrundlage werden denn solche (mehrstündigen) Vernehmungen durchgeführt? Muss der Soldat nicht über seine Rechte und Pflichten belehrt werden?
Genau so ist es. Ich kann diese reißerischen Berichte nicht ausstehen, insbesondere weil keiner der Beteiligten (weder das "Opfer" noch die Journalisten) die Rechtslage kennen und auch gar nicht kennen wollen. Denn würden sie sich seriös damit beschäftigen, gäbe es ja keinen Skandal mehr.
Der Soldat kann beim MAD auch jederzeit aufstehen und sagen, dass er keinen Bock auf eine Vernehmung hat. So einfach ist das. Dann nimmt man sich im Zweifel einen Anwalt und lässt den die Arbeit machen. Aber das wird ja natürlich nicht berichtet, es passt ja auch nicht ins Weltbild.
Und auch im besten Rechtsstaat auf der Welt ist niemand davor sicher, nicht vielleicht unschuldig in Verdacht zu geraten. Das ist nunmal so. Was soll der MAD denn machen, wenn er einen Verdacht hat? Von vorne herein gar nicht erst ermitteln, weil der Verdächtige ja unschuldig sein könnte? Was verlangt denn der Journalist als Konsequenz, der so einen Bericht in die Welt setzt?
Und wer durch so etwas psychisch krank wird, ist charakterlich eh nicht gefestigt genug, um Soldat zu sein.
Zur Ergänzung: Der MAD befragt, er vernimmt nicht.
Zitat von: justice005 am 17. März 2018, 11:40:38
Und wer durch so etwas psychisch krank wird, ist charakterlich eh nicht gefestigt genug, um Soldat zu sein.
Ich wollte das jetzt so nicht sagen, aber...
Zitat von: justice005 am 17. März 2018, 11:40:38
Und auch im besten Rechtsstaat auf der Welt ist niemand davor sicher, nicht vielleicht unschuldig in Verdacht zu geraten. Das ist nunmal so. Was soll der MAD denn machen, wenn er einen Verdacht hat? Von vorne herein gar nicht erst ermitteln, weil der Verdächtige ja unschuldig sein könnte? Was verlangt denn der Journalist als Konsequenz, der so einen Bericht in die Welt setzt?
Fehler passieren, kann man nicht ausschließen.
Die Frage ist aber, wie geht man damit um.
"Hoppla, passiert, sorry!" ist in einem Rechtsstaat sicher nicht der richtige Weg.
Abgesehen von hoffentlich erfolgten internen Untersuchungen und entsprechenden Gegenmaßnahmen müssen Entschädigungsleistungen folgen, und ich meine nicht einfach nur Geld.
Wenn solche Anschuldigungen publik werden, und davon kann man hier wohl ausgehen, wird es für den zu Unrecht Beschuldigten sehr schwer, den Ruf wieder komplett los zu werden.
Er braucht also umfassende Unterstützung, um z.B. das Vertrauen im Kameradenkreis wieder herzustellen. Ist das nicht möglich, braucht er Unterstützung beim weiteren Werdegang.
Zitat von: justice005 am 17. März 2018, 11:40:38
Und wer durch so etwas psychisch krank wird, ist charakterlich eh nicht gefestigt genug, um Soldat zu sein.
Bitte?
Du dienst treu und dann kommt dein Dienstherr und wirft Dir Terrorismus vor?
Als sich die Sache aufklärt ist alles was kommt ein "sorry, haben uns vertan."
Bis dahin giltst Du im Freundes- wie im Kameradenkreis als Landesverräter.
Das alles lässt dich natürlich völlig kalt, denn was bedeutet Dir schon der Auftrag, das Land, die Kameraden, ...
Vertrauen in Staat und Dienstherr ist nach so einer Aktion sicher nachhaltig zerstört.
"Psychisch krank" wird heutzutage außerdem sehr weitläufig definiert.
Wollen wir doch mal die Kirche im Dorf lassen?
Die Kernaussage "durch eine falsche Beschuldigung bzw Verdächtigung sollte man nicht gleich psychisch krank werden" halte ich für nachvollziehbar.
Sonst würde es in Deutschland von Traumatisierten nur so wimmeln, die mal im Verdacht standen irgendetwas getan zu haben, dann aber entlastet wurden.
Zitat von: schlammtreiber am 19. März 2018, 11:56:13
Die Kernaussage "durch eine falsche Beschuldigung bzw Verdächtigung sollte man nicht gleich psychisch krank werden" halte ich für nachvollziehbar.
Sonst würde es in Deutschland von Traumatisierten nur so wimmeln, die mal im Verdacht standen irgendetwas getan zu haben, dann aber entlastet wurden.
Absolut.
Ich glaube auch nicht, dass die falsche Verdächtigung im vorliegenden Fall ausgereicht hat.
Die Frage ist halt, welche Konsequenzen hatte diese Verdächtigung und was haben diese im Umfeld des Verdächtigten bewirkt.
Es ist auch ein Unterschied, ob man z.B. aufgrund einer Namensverwechslung vorgeladen wird und sich bei der Befragung alles aufklärt, oder das SEK die Wohnung stürmt und die Familie abführt, weil sie die Etage verwechselt haben (alles schon oft genug passiert).
Für mich ist die wesentliche Frage: wie gehen die Behörden mit den Fehlern um.
Hier muss einfach mehr passieren als "Entschuldigung" zu sagen. Das ist einem Rechtsstaat nicht würdig.
https://www.vice.com/de/article/ne9zzb/so-zerstorte-ein-deutscher-geheimdienst-das-leben-eines-bundeswehrsoldaten
Ja, und nun? Das ist doch der Fall, um den es dem TE ging, nur, das der volle Name genannt wird.
Wirklich schade, dass Gast123455 nicht ein richtiges Benutzerkonto eingerichtet hat, so dass man ihn direkt anschreiben kann. :(
Deshalb nur so am Rande und in der Hoffnung, dass Du noch mitliest:
Wenn Du F.C. persönlich kennst, dann sag ihm doch mal:
1.) Das "Ausstellen" extrem sicherheitsrelevanter Positionen im öffentlichen Bereich von xing.com halte ich für ziemlich ungewöhnlich. Meiner Meinung nach entspricht das nicht den BW-Richtlinien!
Solche Tätigkeiten sollten diskret behandelt werden - auch nach Dienstende.
2.) Alleine die Zeile " Elektronischer Kampfführungsfeldwebel
(Der Unternehmensname ist nur für eingeloggte Mitglieder sichtbar.)" lädt doch geradezu jeden ausländischen Geheimdienst zum Abschöpfen ein. :o
3.) Aus dem Blickwinkel von außen bin ich davon überzeugt, dass auch unter "normalen" Umständen eine Erneuerungs-Sicherheitsüberprüfung nach soundsoviel Jahren vollkommen schief gegangen wäre.
Zu viel Suche nach Öffentlichkeit und Prahlen um wirklich Geschäfts- oder Behördengeheimnisse bewahren zu können.
Zudem fehlt mir ein bisschen auch die Dankbarkeit gegenüber den bisherigen Dienstherrn. Der Xing-Seite kann ja entnommen werden, dass er auch später in sicherheitskritischen Positionen eingestellt wurde. Also keine Art "Sperrvermerk" angelegt wurde.
In der Addition aller dieser Verhaltensweisen würde ich die Geschichte nicht so annehmen, wie sie einseitig dargestellt worden ist. Da fehlen ein paar Puzzleteilchen.
Zudem können die Ermittlungsbehörden nach dem ersten Fehler nur verlieren: Suchen sie den krank geschriebenen Soldaten zu Hause auf, dann wird ihnen das zum Vorwurf gemacht. Sprechen sie erst beim nächsten Arzttermin in der Kaserne mit ihm, dann ist das auch nicht richtig.
Als Journalist hätte ich das nicht so berichtet.
Liebe Grüße
Gerd
Dem ellenlangen Text entnehme ich jetzt auch kein "zerstörerischen Aktionen" über die bloße Verdächtigung/Ermittlung hinaus.
Subjektives , er "hatte das Gefühl" die Kameraden würden ihn schneiden, und er "fühlte" sich immer verfolgt und beobachtet. Sorry, sehr einseitig und unausgegoren.
Zitat von: SDW am 19. März 2018, 12:03:27
Hier muss einfach mehr passieren als "Entschuldigung" zu sagen. Das ist einem Rechtsstaat nicht würdig.
Was soll der Rechtsstaat denn anderes machen?
Zitat von: wolverine am 10. April 2018, 16:54:22
Was soll der Rechtsstaat denn anderes machen?
1. Kompensation.
2. Es wurde ein Fehler gemacht, also muss glaubhaft untersucht werden, warum. Und die Gründe dann, soweit irgend möglich, abgestellt werden.
"Schulterzucken und weitergehen" ist ja wohl keine Alternative.
Mal eine Randbemerkung an den Kameraden Gerd, welcher wohl nie Inhaber einer SÜ war.
Man kann soviel Informationen preisgeben wie man möchte, solange man keine Verschwiegenheitsverpflichtung unterschrieben hat und sogar diese, ist zeitlich begrenzt.
Wie soll sonst ein ex-KSK'ler Jobs finden?
Warum sollte ein EX KSK Soldat keinen Job finden, nur weil er verschwiegen sein muss?
Bitte mal 14 SG lesen ...
14 SG besagt folgendes:
(1) Der Soldat hat, auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst, über die ihm bei oder bei Gelegenheit seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren.
Da steht aber nichts darüber, dass der Soldat nicht seine ehemalige Tätigkeit preisgeben darf. Damit war auch das KSK Beispiel gemeint.
Beim Ausscheiden von SÜ3'ern wird vom S2 ganz genau geprüft, wofür die Kameraden gesondert eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit unterschreiben müssen. Ganz besonders im Bereich EloKa, AmK ...
Nein - auch ohne Erklärung hat er Verschwiegen zu sein.
Sein Dienstzeugnis kann er nutzen, dazu ist es da.