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Fragen und Antworten => Militärische Bewerbung, Laufbahnen, Verwendungen, Karriere => Thema gestartet von: jgoa23 am 02. Oktober 2022, 16:18:27

Titel: Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: jgoa23 am 02. Oktober 2022, 16:18:27
Guten Nachmittag!

Kurz zu mir. Ich, 22 habe vor einer kurzen Zeit meine Sofortzusage für die Jägertruppe mit Studium (GeWi-Richtung) erhalten und mich riesig gefreut und tue das auch immer noch! Um den Text nicht zu lang zu machen. Ich habe mich so gut es geht mit dem Berufsbild versucht auseinanderzusetzen und das hat den Herrschaften in Köln wohl gefallen, da meine Offiziereignung sehr gut war. Trotzdem bin ich mir immer noch über einige Dinge unsicher, da ich kein FWD gemacht habe und noch keine persönliche Einblicke in den Dienstalltag bekommen habe. Vor allem geht es auch bei mir um die Frage, wie viel Büroanteil, wie viel Praxisbezug ein Offizier in einer Kampftruppe eigentlich hat.
Die Aussagen dazu variieren von den Soldaten stark. Ich hatte mich mit einem Fallschirmjäger Offizier unterhalten, der nur von seinem Beruf schwärmte. Im Netz finden sich relativ viele, die davor warnen und meinen der Offizier wäre im Grunde nur Schreibtischtäter während die "normale" Truppe den Dienst erledigt. Vor weg. Mir geht es nicht darum, dass ich wie Rambo Türen eintrete oder Feuer an den Feind bringe. Aber eines der wichtigsten Punkte war für mich und das habe ich auch in Köln aufgezählt, dass ich keinen klassischen Bürojob möchte. Und auch nicht nur während der ersten Monate auf Lehrgängen. Am liebsten wäre mir ein gesunder Mix aus theoretischen wie praktischen Anteilen. Ist das bei den Kampftruppen der Fall?
Weiterhin zieht sich das Berufsbild auch in spezialisierten Einheiten durch? Die Zahlen sind ja bekannt und die wenigsten schaffen Auswahlverfahren a la KSK, EGB etc. Trotzdem interessiert es mich auch hier, ob der Offizier als Zugführer mit auf dem Feld steht und Tore schießt oder nur die Mannschaft von der Seitenlinie coacht? Am Ende muss natürlich auch ein Dienstposten als Zugführer frei sein. Demnach ist nur der Zugführer Posten noch "grün" und danach kommen eigentlich Schreibtischjobs? Übrigens kann es sogar sein, dass ich mit 22 schon zu alt bin, um später Zugführer zu werden? In 5-6 Jahren bin ich ja auch schon 28.

Danke fürs Lesen und einen schönen Sonntag noch!
Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: Bumblebee am 02. Oktober 2022, 16:35:52
Das lässt sich leider nicht ganz pauschal beantworten.

Grundsätzlich ist "alles" zwischen folgenden Werdegängen möglich:
Beachte: Deine Einflussmöglichkeiten sind begrenzt. Im OL3 gut zu sein, steigert die Wahrscheinlichkeit für Variante 1, entschieden wird das aber in Köln - und da sind deine Vorstellungen irrelevant.

"Jackpot:"
2 Jahre Zugführer (überwiegend draußen)
2 Jahre kleiner KEO (ausgeglichen)
2 Jahre großer KEO (ausgeglichen)
Berufssoldat -> Chef, dann "Pflichttore"
oder 1 Jahr "irgendwas", dann Dienstzeitende

"andere Möglichkeit"
2 Jahre S3 Offz (nur Büro)
2 Jahre Amt für Heereesentwicklung (nur Büro)
2 Jahre Stabszugführer LLbrig1 (nur Büro)
1 Jahr "irgendwas" (nur Büro)
Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: Ralf am 02. Oktober 2022, 16:57:37
Wobei die Erstverwendung idR auf ZgFhr Ebene stattfindet soll und tut.
Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: Bumblebee am 02. Oktober 2022, 17:09:04
"in der Regel" ist für den TE halt auch nur eine grobe Orientierungshilfe; ähnlich wie mein trauriges Einzelschicksal mit Erstverwendung in einem Brigadestab auf einer A12 Stelle.

Ich bin mit meiner Personalfühung höchst unzufrieden. Es gibt auch Soldaten, die zufrieden sind.

Eine grundsätzliche Aussage im Sinne "Du wirst auf jeden Fall ZgFhr" verbittet sich. Reine Bürotätigkeiten sind möglich, es ist wahrscheinlich, dass es ihn auch als SaZ für mind 2 Jahre mal trifft und als BS kommt da auf jeden Fall die ein oder andere.
Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: Ralf am 02. Oktober 2022, 17:12:51
Es ist schon ein Unterschied zwischen einem Seiteneinsteige rund einem "gewachsenen" OA.
Und ich bleibe dabei, die Erstverwendung ist idR auf ZgFhr-Ebene.
Dass man als BS auch in Stäben eingesetzt wird, ist ja klar, denn dort sind auch die Masse der StOffz-DP und die Verwendungsaufbaumodelle sehen dieses auch explizit so vor.

Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: UZwGBw am 02. Oktober 2022, 17:14:23
@Ralf

Ist das denn so, dass speziell in der Infanterie noch der klassische Weg über die Zugführerstelle geht? Oder anders gefragt: Sind da denn noch genug Stellen vorhanden?

Denn in meiner Waffenfarbe ist es leider so, dass es viel zu wenig Stellen dafür gibt und nur die wenigsten gleich auf diese Stelle kommen bzw. ausreichend sogar nie.
Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: Ralf am 02. Oktober 2022, 17:17:29
ZgFhr-Stellen gibt es ja nicht nur in Kompanien, sondern auch in den Ausbildungseinrichtungen.
Ob es in allen TrG "ausreichend" ZgFhr-Stellen gibt, weiß ich natürlich nicht, wer kennt schon die SollOrg aller Werdegänge?
Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: Bumblebee am 02. Oktober 2022, 17:17:43
Nur, damit das nicht falsch aufgefasst wird; Ich bin ein gewachsener OA "wie er im Buche steht" - ohne irgendwelche Seiteneinstiege oder Extrarunden wegen Wechselgeschichten.

Übrigens ist 28 in meinen Augen ein sehr gutes Alter, um ZgFhr zu sein. Das kommt zwar eher am Anfang, als "am Ende", aber da musst du dir keine Sorgen machen ;)
Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: UZwGBw am 02. Oktober 2022, 17:19:30
Ja, die Ausbildungseinrichtungen habe ich da leider schon mitberücksichtigt....
Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: Beuteberliner am 02. Oktober 2022, 17:27:54
Die Masse der OA TrDst Heer wird als Erstverwendung auf einen Zugführer- oder KEO-Dienstposten versetzt und sammelt dort erste Erfahrungen.
Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: jgoa23 am 02. Oktober 2022, 21:38:33
Die Antworten helfen schon mal enorm weiter. Das liest man tatsächlich vor der Bewerbung nirgendswo außer man spricht mit den Leuten. Aus Werbematerial habe ich den Offizier truppennäher erlebt als er wohl noch immer ist. Die "Jackpot"-Variante klingt sehr ansprechend und so stelle ich mir den Beruf auch vor. Die andere klingt sehr unpassend für mich und da würde ich mich ehrlich gesagt auch etwas angelogen vorkommen. So eine Möglichkeit erzählt dir niemand. Auch wenn mir natürlich bewusst ist, dass mal Stabsarbeit dabei ist.

Immerhin ist die AGA/SGA mittlerweile nicht mehr in einem OA Batallion. Was meint ihr denn, was ich machen soll? Ich hatte mir folgendes überlegt. Meine AGA beginnt erst nächstes Jahr zum 01.07 und dann habe ich die üblichen 6 Monate Widerrufsrecht. Ich könnte die Zeit ab dann nutzen, um mit möglichst vielen zu sprechen und mir selbst ein Bild zu machen. Falls ich dann abgeneigt sein sollte, könnte ich doch zum Feldwebel wechseln, wenn Plätze vorhanden sein sollten. Ist der Feldwebel im Truppendienst denn noch truppennäher und praktischer oder besteht auch dort die Möglichkeit eines Büro-Werdegangs? Zusätzlich interessiert mich immer noch die Frage welche Aufgaben ein Offizier in spezialisierten Einheiten wahrnimmt. Das wäre ggf. eine Alternative, wenn es ein purer Büro-Werdegang als Offizier werden sollte, vorrausgesetzt man übersteht das Auswahlverfahren.
Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: F_K am 02. Oktober 2022, 21:43:02
Die FA DP in Inf Verwendungen werden zwischenzeitlich besetzt sein - insoweit keine Option.
Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: Beuteberliner am 02. Oktober 2022, 22:03:28
Was machen Sie sich denn für komische Gedanken?
Sie würden - wenn es denn klappt - als Offizieranwärter für die Laufbahn der Truppenoffiziere eingestellt, absolvieren die Grundausbildung in einem der Bataillone Ihrer Truppengattung des Heeres oder in den dafür vorgesehenen Dienststellen der SKB, der Luftwaffe, Marine oder CIR und anschließend zusammen mit den anderen OA Ihres Jahrgangs die weiteren Ausbildungsabschnitte bis zur Aufnahme des Studiums.

in dieser Zeit kommt weder die Überführung in die Laufbahn der Feldwebel, noch in die Spezialkräfte infrage. Und auch mit Stabsarbeit werden wederSie es zu tun bekommen, noch haben es Ihre Ausbilder in der Truppe und an den Schulen.

Also anstelle an einen eventuellen Ausstieg zu denken, sollten Sie einfach Gas geben und sehen, dass Sie Ihre Ausbildungsabschnitte gut bestehen.
Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: Ralf am 03. Oktober 2022, 06:10:39
Das kann ich nur unterstützen. Sich jetzt Gedanken zu machen, wie vielleicht der Verwendungsaufbau in 6-7 Jahren aussieht und auf Eventualitäten seinen Widerruf zu begründen, hieße auf Sand zu bauen.
Deswegen stelle ich auch immer den grds. Verwendungsaufbau dar, er ist ja nicht ohne Grund so in den Verwendungsaufbaukonzepten so hinterlegt und halte nicht so viel davon, von "da gibt es aber einen, der hat..." und das gilt für beide Richtungen.

Dass es dann auch mal davon abgewichen werden kann ist auch, nicht jeder will immer das gleiche. Es ist keine 2-3 Wochen her, da fragte jemand, ob er denn die Chance hat nach dem Studium eher schreibtischnah verwendet zu werden. Auch demjenigen habe ich geschrieben, er soll erst einmal nicht damit rechnen.
Nun werfen beide die Flinte ins Korn, der eine, weil es vielleicht nicht dazu kommt, das er truppennah verwendet wird, der andere, weil es vielleicht nicht schreibtischnah ist. Merkst du was?
Und wer den Widerruf zieht, wird entlassen und wechselt nicht in eine andere Laufbahn. Davon ab gibt es idR mehr Bewerbende sowohl bei den inf. Verwendungen Offz als auch Fw. Heißt als, bei einer Widereinstellung genommen zu werden (auch die Gründe einer Kündigung werden da mitbetrachtet) ist kein Selbstläufer.
Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: Goldgelber am 03. Oktober 2022, 09:46:29
ZitatKurz zu mir. Ich, 22 habe vor einer kurzen Zeit meine Sofortzusage für die Jägertruppe mit Studium (GeWi-Richtung) erhalten und mich riesig gefreut und tue das auch immer noch!

Guten Tag,

eine Off-Topic Frage dazu: Hast Du bereits Deinen Einstellungsbescheid in Händen? Auf dem die AGA-Einheit und der Stammtruppenteil während der Ausbildung steht? Also z.B. AGA: JgBtl91, Stammtruppenteil JgBtl1?

Denn ich habe immernoch keinen Einstellungsbescheid aus Köln, weil das Kommando Heer diese Einheiten noch nicht festgelegt hätte.  :'(

Mit den besten Wünschen - Goldgelber
Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: jgoa23 am 08. Oktober 2022, 09:38:30
Danke für die Antworten. Ich bin es noch mal für mich durchgegangen und erkenne bei mir und auch anderen ein Muster. Abgesehen von vielen anderen Gründen, die mich damals schon motiviert haben mich als Offizier und nicht als Feldwebel zu bewerben. Kann man nicht ernsthaft eine Laufbahnentscheidung verwerfen, nur weil die Möglichkeit besteht einen Verwendungsablauf zu bekommen, der schreibtischlastiger ist. Wenn es so kommt, muss man gucken, was man macht. Da hast du recht Ralf, da würde ich auf Sand bauen. Zumal ich erst in knapp 7 Jahren auf meinem ersten Dienstposten lande. In der Zeit kann sich vieles ändern, gerade im Hinblick auf unsere aktuelle Zeit.


@Goldgelber: Ich habe meine Sofortzusage unterschrieben als ich in Köln war... Auf unsere Einladung zur AGA warten wir alle noch, auch die mit Sofortzusage. Übrigens danke für deinen Erfahrungsbericht, den habe ich auch zur Vorbereitung genutzt. :D
Titel: Antw:Büroanteil des Offizier, Infanterie
Beitrag von: FoxtrotUniform am 10. Oktober 2022, 09:23:51
Ich verstehe durchaus die Bedenken. Auch wenn man heute recht viel Mitspracherecht hat, plant die Bundeswehr das militärische Personal frei ein und baut es (im Idealfall) auf. Dort bekommt man in der Regel erst spät einen Einblick.

Leider kann man sich aber nicht auf gleichwertige oder höher dotierte Stellen bewerben, denn die Personalführung ist hier nicht transparent und bietet keine Stellenbörse (wie andere Nationen, die NATO oder OCCAR). Ausnahme: Integrierte Verwendungen für Mannschaften und Unteroffiziere.
Die von Ralf skizzierten Beispiele können also lediglich ihrem Personalführer erklären wo ihre Vorstellungen liegen, sich aber nicht auf vakante Stellen gezielt bewerben.