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Fragen und Antworten => Familie und Angehörige => Thema gestartet von: Franziska W. am 05. Juli 2024, 14:23:29

Titel: Militärgericht?
Beitrag von: Franziska W. am 05. Juli 2024, 14:23:29
Hallo, liebe Forumsmitglieder. Ein Angehöriger meiner Familie hat während seiner Bundeswehrzeit (GA + 3Monate SaZ - danach schied er aus der BW aus) eine Straftat (Körperverletzung) begangen und wurde deshalb auch inhaftiert. Der Prozessauftakt war bereits, es werden noch weitere Prozesstage folgen. Das Urteil wird voraussichtlich im September fallen. Nun sagte mir jemand, dass nach dem Urteil des LG auch noch eine Prüfung durch ein Militärgericht erfolgen wird, da mein Angehöriger zum Zeitpunkt der Straftat Soldat war. Habe ich das richtig verstanden? Erfolgt "automatisch" noch ein Verfahren etc. durch ein Militärgericht ? Wie läuft das ab? Und was passiert dort? Freue mich über Informationen. Grüße
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: F_K am 05. Juli 2024, 16:24:27
BS.

Es gibt keine Militärgerichte in DE.

However - eine KV mit U Haft - muss schon ein "Ding" sein ...
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: KlausP am 05. Juli 2024, 16:42:49
Es kann ein Verfahren vor dem Truppendienstgericht geben, das ist auch gegen Reservisten möglich.
Wenn der damals zuständige Wehrdisziplinaranwalt ein truppendienstgerichliches Disziplinarverfahren eingeleitet hat ruht das bis zum Abschluss eines Strafverfahrens. Danach kann es wieder aufgenommen werden.
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: Clowngefreiter am 08. Juli 2024, 11:58:32
U Haft und Landgericht klingt jetzt nicht nach einfacher Körperverletzung, bei einer Haftstrafe von über einem Jahr hat es sich auch mit einem Truppendienstgericht erledigt.

Davon ab sind Verfahren gegen Reservisten eh meist sinnlos wenn man ehrlich ist, weil die Bundeswehr diese dann ohnehin nicht mehr heranziehen "muss" geschweige denn will....

Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: justice005 am 08. Juli 2024, 20:48:12
Wieso ist der Soldat bereits nach so kurzer Zeit ausgeschieden? Wurde er fristlos entlassen? Oder hat er widerrufen?
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: Franziska W. am 09. Juli 2024, 17:17:04
Zitat von: Clowngefreiter am 08. Juli 2024, 11:58:32
U Haft und Landgericht klingt jetzt nicht nach einfacher Körperverletzung, bei einer Haftstrafe von über einem Jahr hat es sich auch mit einem Truppendienstgericht erledigt.


Nun, es handelt sich auch um keine U-Haft und richtig, es handelt sich auch nicht um eine "einfache Körperverletzung".

bei einer Haftstrafe von über einem Jahr hat es sich auch mit einem Truppendienstgericht erledigt.
diesen Nebensatz verstehe ich nicht. Könntest Du mir das bitte näher erläutern.  Danke
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: Franziska W. am 09. Juli 2024, 17:20:13
Zitat von: justice005 am 08. Juli 2024, 20:48:12
Wieso ist der Soldat bereits nach so kurzer Zeit ausgeschieden? Wurde er fristlos entlassen? Oder hat er widerrufen?

Nach dem o.g. Vorfall und weiteren Ereignissen wurde eine wehrdienstmedizinische Begutachtung vollzogen, um Dienstfähigkeit zu prüfen. Mein Angehöriger hat das Ergebnis nicht abgewartet. sondern schied freiwillig aus nach insgesamt knapp 6 Monaten.
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: Franziska W. am 09. Juli 2024, 17:22:20
 @KlausP: vielen Dank für Deine Antwort.
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: Ralf am 09. Juli 2024, 19:20:12
Zitatsondern schied freiwillig aus nach insgesamt knapp 6 Monaten.
Hmm, innerhalb der ersten 6 Monate geht das, aber nicht nach "knapp danach". Von daher sind alle Schilderungen mit Vorsicht zu genießen.
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: F_K am 09. Juli 2024, 19:52:53
Letzte Aussage ist ja "knapp 6 Monate" - was ich mal als unter 6 Monate interpretiere.

Ansonsten:

Ob der Whrdisziplinaranwalt oder der DV Ernittlungen / Anklagen vorbereitet haben, müsste der Angehörige "wissen", weil schriftlich mitgeteilt.

Wenn ja, dann kann da auch noch etwas "kommen".

Das Truppendienstgericht ist ein "ziviles" Gericht, kein Militärgericht - auch wenn es da um Soldaten / ehemalige Soldaten geht.
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: Franziska W. am 09. Juli 2024, 22:43:18
F_K : ja genau, es waren knappe 6 Monate, d.h. der sechste Monat war gerade eben nicht voll.

Ob der Whrdisziplinaranwalt oder der DV Ernittlungen / Anklagen vorbereitet haben, müsste der Angehörige "wissen", weil schriftlich mitgeteilt.

Das weiß ich leider nicht, da
a) nicht dieselbe Postadresse
b) fehlende Transparenz

Das Truppendienstgericht ist ein "ziviles" Gericht, kein Militärgericht - auch wenn es da um Soldaten / ehemalige Soldaten geht.

Ok, danke. Der Ausdruck "Militärgericht" stammt ja auch nicht von mir, sondern wurde mir so genannt. Darum frage ich ja auch hier die Profis für mehr Klarheit. Vielen Dank an Dich und alle anderen Antwortenden.
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: Franziska W. am 09. Juli 2024, 22:58:50
Ob der Whrdisziplinaranwalt oder der DV Ernittlungen / Anklagen vorbereitet haben, müsste der Angehörige "wissen", weil schriftlich mitgeteilt.

...aber möglich ist das natürlich. Das müsste ich mal erfragen.

Was bedeutet "DV" ?

Es klingt jetzt aber auch so für mich, als sei das keine obligatorische Konsequenz, sondern eine Eventualität.
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: F_K am 10. Juli 2024, 06:52:35
DV - Disziplinarvergesetzter - der "Chef" des Soldaten.

Wenn der "Vorfall" Dienstbezug hatte, wird sicherlich ermittelt worden sein.

Also FRAGEN - vermuten bringt hier wenig.
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: slider am 10. Juli 2024, 07:59:51
Vielleicht mal zur Klarheit (falls das so nicht bekannt ist). Das Truppendienstgericht ist ausschließlich im Disziplinar- und Beschwerderecht tätig. Sprich, hier können Disziplinarbußen für Soldaten beschlossen werden (man könnte sagen, hier geht es um spezielles Arbeitsrecht). Es kann und wird nicht nach Strafgesetzbuch oder anderen Gesetzen geurteilt.
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: Franziska W. am 10. Juli 2024, 15:13:10
F_K : Ja, dass ich so eine Frage meinem Angehörigen stellen könnte, wurde mir ja erst durch Deine Antworten bewusst . Danke hierfür.

Wenn ich Deine Aussage "Wenn der "Vorfall" Dienstbezug hatte, wird sicherlich ermittelt worden sein" richtig interpretiere, wird nicht mit weiteren Ermittlungen durch Wehrdienstdisziplinaranwalt und/oder "DV" zu rechnen sein, da der Vorfall m.E. keinen Dienstbezug hatte , da

1.) der Vorfall sich ereignete, als mein Angehöriger gerade kzH war
2.) die geschädigte Person keine Bundeswehrangehörige ist

Auch die Antwort von Slider verstehe ich jetzt so,  als dass in diesem Fall mit einem Eingreifen des Truppendienstgerichtes nicht zu rechnen ist.

Ralf: die Formulierung "knapp" in Zusammenhang mit der Angabe einer zeitlichen Dauer bedeutet eine geringe Unterschreitung, also "nach knapp 6 Monaten" bedeutet, dass 6 Monate fast - und eben nicht vollständig - verstrichen sind. Für die Bedeutung, welche Du verstanden hast, hätte ich z.B. das Adjektiv "gut" verwendet, welches auf eine geringe Überschreitung des angegebenen Zeitraumes hinweist.  "Nach gut 6 Monaten" hätte hier also bedeutet, dass 6 Monate  zzgl. eines unwesentlich längeren Zeitraumes verstrichen sind, also bspw. 6 Monate und wenige Tage mehr.
Sicherlich nur ein kleines Missverständnis Deinerseits. Meine Formulierung war offenbar für Dich irritierend, dies bedaure ich. Aber weshalb Du daraus schlussfolgerst, dass alle Schilderungen mit Vorsicht zu genießen (sind) , erschließt sich mir nicht.

Wie dem auch sei: vielen Dank an alle Antwortenden . "Again what learned"    ;)

Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: F_K am 10. Juli 2024, 15:32:20
Frage: Hat die Haft ggf. verhindert, dass er zum Dienst erscheinen konnte?
Hat die KV die Heilung negativ beeinflusst bzw. wurde damit ein Fehlverhalten offensichtlich?
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: Franziska W. am 10. Juli 2024, 15:50:47
Hat die Haft ggf. verhindert, dass er zum Dienst erscheinen konnte?

Nein.
Der zeitliche Ablauf war so :

KV --> Ausscheiden aus BW --> Prozess vor AG & Inhaftierung--> Prozess vor LG (läuft noch)

Hat die KV die Heilung negativ beeinflusst bzw. wurde damit ein Fehlverhalten offensichtlich?

Wie meinst Du das ? Jemandem eine KV zuzufügen, zeugt doch immer von Fehlverhalten? Bitte spezifiziere mal Deine Frage, ich stehe gerade auf`m Schlauch....  ???
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: justice005 am 10. Juli 2024, 16:23:13
Meine Güte, was steht hier wieder für ein Kuddelmuddel... jetzt mal ganz langsam und der Reihe nach:


Sachverhalt (so wie ich ihn verstanden habe):
Ein Soldat begeht eine Straftat. Diese ist so schwerwiegend, dass es Untersuchungshaft gab und derzeit ein Strafprozess vor dem Landgericht läuft.
Der Soldat hat seinen Widerruf innerhalb der Probezeit gezogen und ist jetzt wieder Zivilist.

Bewertung (auf Basis des angenommenen Sachverhalts)
Ein Soldat, der eine schwere Strafttat begeht, begeht gleichzeitig auch ein Dienstvergehen. Er verstößt nämlich zum Beispiel gegen die soldatische Pflicht, sich auch außer Dienst würdig zu benehmen (§ 17 Abs. II Satz 3 Soldatengesetz). Für die Ahndung von schweren Dienstvergehen sind die Truppendienstgerichte zuständig. Die entsprechenden Ermittlungen führt die Wehrdisziplinaranwaltschaft. Die Truppendienstgerichte können verschiedene Maßnahmen verhängen, darunter - bei früheren Soldaten - die Dienstgradherabsetzung oder die Aberkennung des Dienstgrades oder Übergangsbezüge etc.

Was wird nun konkret passieren:

Die Wehrdisziplinaranwaltschaft macht sogenannte Vorermittlungen (§ 92 Wehrdisziplinarordnung (WDO)). Das heißt konkret, man wird erstmal abwarten, was im Strafverfahren rum kommt. Ein Urteil in einem Strafverfahren ist für ein Truppendienstgericht bindend (§ 84 WDO). Also wird man erst dann weitermachen, wenn das Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.

und dann:

bei Freispruch:  Vorermittlungen werden eingestellt
bei einer Verurteilung zu Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr:  Truppendienstgerichtliches Verfahren mit oben dargestellten Sanktionsmöglichkeiten
bei Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr: Der Soldat verliert seine Rechtsstellung, seinen Dienstgrad und seine finanziellen Ansprüche automatisch Kraft Gesetzes (§§ 48, 54 Soldatengesetz). Deshalb kann es dann kein gerichtliches Disziplinarverfahren mehr geben. Die Vorermittlungen werden eingestellt.

Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: Franziska W. am 10. Juli 2024, 19:42:25
justice005,

Deine Antwort ist sehr ausführlich und klingt fundiert. Danke dafür

Den Sachverhalt hast Du richtig dargelegt.

Es ist definitiv mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu rechnen. (Strafmaß am LG : >4 Jahre ).

Aber dann passiert in diesem Fall nichts weiter, da er ja seinen Dienstgrad etc. durch das Ausscheiden aus der BW ohnehin bereits verloren hat, oder?

Woher erhalten die Truppendienstgerichte eigentlich Kenntnis über den Ausgang des Strafverfahrens? Wie ist hier der Informationsfluss? Informieren die Gerichte sich im Sinne einer Bringschuld  "automatisch" gegenseitig oder besteht eine Holschuld seitens des Truppendienstgerichtes?

Gruß
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: KlausP am 10. Juli 2024, 21:28:33
Zitat... da er ja seinen Dienstgrad etc. durch das Ausscheiden aus der BW ohnehin bereits verloren hat, oder? ...

Nein, hat er nicht, weil er von seinem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hat und nicht z.B. nach §55(5) Soldatengesetz fristlos entlassen wurde.

Zitat... Woher erhalten die Truppendienstgerichte eigentlich Kenntnis über den Ausgang des Strafverfahrens? ...

Bei aktiven Soldaten erhält die Bw durch das Verfahren ,,MiStra" (Mitteilung in Strafsachen) davon Kenntnis. Ob das bei Reservisten (und das ist er, solange eine mögliche Verurteilung nicht rechtskräftig ist) auch so ist weiß ich nicht mit Bestimmtheit, kann es mir aber gut vorstellen.
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: justice005 am 10. Juli 2024, 22:15:41
Er hat noch einen Dienstgrad. Insofern kann es noch ein Verfahren geben.

Eine MiStra brauchen wir nicht. Die WDA ermittelt ja schon. Ich vermute, die fragen regelmäßig bei der Staatsanwaltschaft nach und fragen nach dem Sachstand. Insofern wird die WDA es erfahren.
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: Franziska W. am 11. Juli 2024, 18:47:55
ok, dann wird ihm (aller Voraussicht nach) nach dem Urteil durch das LG der (noch bestehende) Dienstgrad etc. durch das Truppendienstgericht entzogen?

Welchen Sinn hat das? Eine Rückkehr zur BW wird ja ohnehin nicht möglich sein....

Viele Grüße
Titel: Antw:Militärgericht?
Beitrag von: justice005 am 12. Juli 2024, 12:51:22
Der Sinn ist einerseits, dass man sich dann auch nicht mehr mit einem Reservedienstgrad schmücken darf und man andererseits im Falle eines erneuten wehrdienstverhältnisses (z. B. Verteidigungsfall) wieder ganz unten steht.