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Zwölf Jahre - Zeit zur Reflexion

Begonnen von Wanderlust, 02. Juli 2024, 21:54:34

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Wanderlust

Da ich seit heute offiziell kein Soldat mehr bin und man nach zwölf Jahren Dienst eine Menge mitbekommt, dachte ich mir, ich verfasse mal eine Art Erfahrungsbericht.
Der ist insbesondere für die Jüngeren gedacht um sich ein Bild von der Bundeswehr machen zu können. Natürlich muss beachtet werden, dass es ein Erfahrungsbericht ist - und damit stark anekdotisch.
Auf Truppengattung und Stammeinheit werde ich hierbei nicht eingehen, da ich weitestgehend anonym bleiben will.

Wie kam es überhaupt dazu?

Ich war 21 und gerade fertig mit meiner Lehre als Fachinformatiker für Systemintegration.

Den Beruf fand ich zwar interessant, allerdings war mein Ausbildungsbetrieb sehr klein und das Gehalt wirklich mau und ich suchte nach Alternativen.
Irgendwie stolperte ich über die Bundeswehr.
Fand ich aus damaliger Sicht schon immer interessant, nachdem was man aus den Filmen und so weiter alles über Soldaten weiß. Ein wenig Drang, sich selbst zu beweisen war auch dabei.
Nach dem Gespräch mit dem Karriereberater lockte mich dann auch das Geld.
Wie, kein Patriotismus, sengende Vaterlandsliebe und Nationalstolz? Nun, nach allem was ich weiß, ist es bei den meisten so wie bei mir. Es locken ein potentiell interessanter Job und das Geld. So ist es halt.
Im Karrierecenter wurde ich dann mehr oder weniger in die Feldwebellaufbahn gedrängt (ursprünglich wollte ich nur vier Jahre Mannschafter machen). Ich schätze, dies geschah aus dem damaligen Mangel an IT-Fachpersonal.

Los geht's

Schneller als man gucken kann, landet man dann auch irgendwo in der Grundausbildung. Darüber will ich jetzt keine großen Worte verlieren, dazu gibt es schon mehr als genug Berichte in Text- und Videoform.
Allgemein fand ich jedoch die Zeit der Lehrgänge sehr interessant und spaßig. Der Tag ist gefüllt, man lernt interessante neue Leute kennen - mit vielen habe ich heute noch guten Kontakt, trotz Verteilung über ganz Deutschlang - und allgemein erweitert es den Horizont ungemein wenn man als Kieler Nordlicht auch während der rund zwei bis drei Jahre Ausbildung zum Feldwebel mal Deutschlands andere Ecken kennenlernt.
Besonders gut haben mir hier die IT-Lehrgänge gefallen, die mit Masse in Bayern stattfinden.
Aber auch allgemein ist das Niveau, welches die Ausbildungsstätten und das Lehrpersonal über alle Lehrgänge hinweg an den Tag legt, wirklich gut. Dabei war es egal, ob die Ausbildung durch Soldaten oder ziviles Fachpersonal durchgeführt wird.

Alltag

Ab hier ging es jedoch bergab. Da gebe ich der Bundeswehr im Allgemeinen aber nicht die Schuld für. Wohl aber den Personen meiner Stammeinheit und zu einem gewissen Teil auch mir.
Ich habe mich in meiner Stammeinheit irgendwie nie so recht Zuhause gefühlt. Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Tag. Der Spieß ließ mich mit einem GeZi-Soldaten einen Laufzettel abarbeiten und verwies mich dann an meine Teileinheit.
Es gab keinerlei Einführung oder Gespräche mit Vorgesetzten oder sonst etwas in der Richtung. Ich war "einfach da" und keiner wusste was mit mir anzufangen. Ich habe mich dann an den erstbesten StUffz geheftet um mir zumindest ein wenig den Dienstalltag anzuschauen.
Zwischendurch waren dann die oben genannten Lehrgänge, und gefühlt nach jedem Lehrgang war mein Zugführer ein anderer.
Wenn mal irgendwas unangenehmes anstand, stand ich gleich als erster auf der Liste. Das ist gewissermaßen das Los eines jeden Neulings, was ja auch nicht schlimm ist, allerdings habe ich mich stets nur wie ein Name auf einer Liste gefühlt, den man bei Bedarf auf die "Liste der unangenehmen Sachen die sonst keiner machen möchte" kopiert.
Ein wenig besser wurde es tatsächlich mit der Beförderung zum Feldwebel. Ich kam das erste Mal wirklich in Verantwortung, durfte grundlegende Dinge wie Schießen planen und leiten und war maßgeblich in die parallel zum Dienstbetrieb immer mal wieder stattfindende allgemeinmilitärische Ausbildung involviert.

Fachlich muss ich leider sagen, wurde ich so gut wie gar nicht gefordert. Ich sage es nur ungern, aber auf einem Trupp (das war bei uns Bezeichnung für ein militärisches Fahrzeug, welches einen speziellen Zweck erfüllt) einen vom Hersteller vorkonfigurierten Linuxserver zu starten und dann das Führungsinformationssystem zu bedienen - das kann man auch einem dressierten Affen beibringen, überspitzt gesagt. Und das war mehr oder weniger meine fachliche Hauptaufgabe.
Es gab auch oft Tage und Wochen (z.B. Sommerferien) wo einfach gar nichts los war. Da saßen von 50 Leuten nur noch eine Handvoll rum und hatten wirklich echt gar nichts zu tun außer Zeit abzusitzen. Die paar Aufträge die man hatte und die man sich herleiten konnte, wie z.B. mal technischen Dienst an den Trupps durchführen usw. waren ja relativ schnell abgearbeitet.

Ausland

Ein "Highlight" waren auch die beiden Auslandseinsätze in Afghanistan. Es war einfach mal was anderes und eine spannende Erfahrung - 12 Monate insgesamt reichen mir persönlich dann aber auch.

Wie ging es weiter?

Ich erinnere nochmal, dass alles hier eine individuelle Erfahrung ist.
Ich konnte nur zu wenigen Kameraden einen guten Draht finden. Die Führung meiner Teileinehit war eine "alte Garde" aus Berufssoldaten, die in perfektem Schulterschluss jede Veränderung oder jede - auch sinnvolle - Intervention zu verhindern wusste. Und damit meine ich nicht nur solche aus der "Sturm-und-Drang"-Zeit, sondern auch als etablierter Hauptfeldwebel lief alles auch nach neun Jahren Dienstzeit immer noch gleich schlecht. Auf jedem Trupp fehlte irgendwas, irgendwelche Sachen verschwanden und tauchten nach einer Vollzähligkeit wieder auf - von Vollzähligkeit will ich gar nicht erst anfangen, gefühlt war ein Drittel meiner Dienstzeit die Durchführung einer Vollzähligkeit meines Trupps. Es verschwanden Sachschadensmeldungen, und und und. Und sinnvolle und auch wirklich umsetzbare Vorschläge, diese Situation zu verbessern, wurde konsequent abgeblockt. Dies führte irgendwann dazu, dass man Dinge wie Sachschadensmeldungen nur noch gegen Unterschrift des Vorgesetzten abgab und so weiter und so fort.
Ein großer Teil meiner Dienstzeit bestand aus unnötigen Ärgernissen, die - auch aus heutiger, reiferer Sicht - die Führung zu verantworten hatte.
Von der überbordernden Bürokratie möchte ich jetzt auch nicht berichten, da werde ich übertrieben gesagt depressiv von.

Der alteingesessene Berufssoldat (womöglich schon außer Dienst) würde hier natürlich anmerken, dass es da natürlich Mittel und Wege gäbe, vorzugehen. Ich habe drei mal während meiner Dienstzeit erlebt, wie Leute eine Beschwerde verfasst haben - und auch, was die Konsequenzen daraus waren für die Verfasser. Und die Phrase, dass aus einer Beschwerde nichts Negatives für den Verfasser resultieren dürfe, sei mal dahingestellt. Wenn man ins Wespennest sticht - egal ob man es rein rechtlich darf ohne bestraft zu werden oder nicht - wird trotzdem zurückgestochen.

Ich war danach nur noch in dem Modus, dass ich die Jahre zählte die ich noch hatte, als eine Art Lichtblick am Horizont. Natürlich hätte ich einen Versetzungsantrag schreiben können. Da mittlerweile aber auch Frau und Kind sowie Kind Nr. 2 im Anmarsch waren, war mir die Heimatnähe dann doch wichtiger und die restlichen Jahre absehbar. In meinen letzten zwei Jahren war es wirklich nur noch Dienst nach Vorschrift und ich ging bei Sachen zum Arzt mit der Absicht mich krankschreiben zu lassen, die ich anfangs aus falschem Ehrgeiz einfach abgetan hätte (allerdings hat Corona in der Hinsicht auch sehr sensibilisert).

Ich war also "nicht kompatibel" zu den Leuten meiner Stammeinheit. Meine Hauptaufgabe langweilte mich. Und meine Stammeinheit selbst und insbesondere die direkte Führung war ein unüberwindbares, motivationszerstörendes Hindernis.
Absolut todunglücklich war allerdings doch nicht - auch wenn der eine oder andere Morgen schon etwas mehr Überwindung gebraucht hat, um sich doch noch aus dem Bett zu schälen.

Fazit

Insgesamt, auch wenn die Lehrgangszeit sehr schön war, hatte ich ein insgesamt negatives Erlebnis mit der Bundeswehr. Ich hatte teils sehr schlechte Vorgesetzte (und das nicht nur aus meiner Sicht), ein schlechtes Dienstgefüge und keinen Spaß am Beruf.
ABER: es hätte auch anders sein KÖNNEN. Gelegentlich war ich zur Unterstützung an andere Truppenteile kommandiert. Dort lernte ich, dass es auch anders sein kann. Leute auf der selben Wellenlänge, wirklich gute Vorgesetzte und interessante Aufgaben -all das bietet die Bundeswehr auch.
Viele der interessantesten und kompetentesten Menschen habe ich während dieser zwölf Jahre kennengelernt. Und trotz allem konnte ich aus den Fortbildungen, die einem auch im zivilen Berufsleben danach weiterbringen, etwas mitnehmen.
Herausragend ist natürlich auch die Berufsförderung. Ich studiere jetzt Wirtschaftsinformatik, während ich weiterhin volles Gehalt für fünf Jahre bekomme. Andere Leute müssen während ihres Studiums wie Bettler leben - also wertschätze ich, was ich habe.
Allerdings sei hier auch klipp und klar gesagt: geht nicht zur Bundeswehr wegen der Fortbildungen und der Berufsförderung. Das ist zwölf Jahre unglücklich sein nicht wert.

Würde ich jetzt raten, zur Bundeswehr zu gehen?
Hierzu ein ganz klares: "Es kommt darauf an!"
Bundeswehr ist kein Home Office, im Gegenteil. Je höher man auf der Karriereleiter aufsteigt, desto öfter ist man in der Bundesrepublik unterwegs.
Das Soldatsein ist nicht so, wie man es in den Filmen sieht. Oftmals, eigentlich sogar meistens, tut man keine spannenden Dinge. Man rennt nicht jede Woche mit dem Gewehr durch den Wald und schießt herum.
Bundeswehr ist auch ein bürokratischer Moloch mit vielen, teils undurchschaubaren Regeln. Allein der Gedanke an das Beurteilungssystem mit seinen Quoten löst bei mir Kopfschmerzen aus.
Die Tätigkeitspanne reicht von "langweilig" bis "spannend".

Und wer gut mit Menschen kann, sportlich ist und sich von teils veralteten Strukturen nicht abschrecken lässt, kann hier auch die Zeit seines Lebens haben.
Es gibt meiner Meinung nach "geborene Soldaten", die wirklich dafür gemacht sind. Ich war leider keiner - oder vielleicht, zum Glück nicht?

Die Zukunft wird es zeigen.

Der ganze Text liest sich sehr negativ. Ich kann jedem nur raten, der aufrichtiges Interesse hat, sich einmal zu bewerben. Macht von eurem "Kündigungsrecht" in der Probezeit gebrauch ODER versucht euch möglichst früh versetzen zu lassen, wenn ihr nicht zufrieden seid.

Unproomn

Ich bin zwar Resi, kann also nicht gerade viel Vergleichbares vorweisen, aber vielen Dank für Deine anschaulichen Schilderungen und alles Gute Dir im Studium :)

Mich als Resi würde natürlich auch einmal interessieren, wie es bei Dir jetzt mit Grundbeorderung etc. weitergeht.

Würdest Du denn sagen, dass die Bundeswehr rein technisch auf dem aktuellen Stand der IT ist?

BulleMölders

#2
@Wanderlust
Interessante Sichtweisen. Vielen Dank dafür.
Einiges was ich da so lese, könnte auch von mir sein, allerdings nicht als Soldat, sondern als Beamter einer Landesbehörde. Den Job im IT-Bereich mach ich nun (nach meiner Bundeswehrzeit) seit ca. 24 Jahren und auch da hat sich vieles zum Negativen verändert. Bis vor 10 Jahren hätte ich auf die Frage ob der Job mir Spaß mach eindeutig mit ja geantwortet heute ist es ein eindeutiges Nein. Heute ist es tatsächlich nur noch das Warten auf die Pensionierung. Die Gründe sind ein Gemisch aus internen Problemen und extern von anderen Behörden und der Politik bereiteten Problemen. Auch bei uns wurde der IT-Bereich vor 20 Jahren massiv abgebaut und seit drei Jahren versucht man das Personal zu verdreifachen. Doch es gibt nichts auf dem Markt oder die Bewerber wollen nicht zu den Konditionen arbeiten.

Was ich Grundsätzlich damit sagen will, es kann einem nicht nur bei der Bundeswehr so gehen, dass man irgendwann nur noch gefrustet seinen Job nachgeht, sondern im öffentlichen Dienst kann es einem auch nicht anders gehen. 


Zitat von: Unproomn am 03. Juli 2024, 07:07:15
Würdest Du denn sagen, dass die Bundeswehr rein technisch auf dem aktuellen Stand der IT ist?
Ob das wirklich das richtige Thema für ein offenes Forum ist?

thelastofus

Interessanter Bericht. Und gerade solche muss es auch geben, damit man auch mal sieht, das nicht alles"super" ist, aber wo ist das schon so.

Im KC erfährt man ja nie genau was man auf der Stelle macht und erhält ja nur die allgemeine Beschreibung wo "alles" enthalten ist, das ist aber ja nicht anders möglich.

Bei mir war es vor gut 20 Jahren ähnlich. War SaZ und etwas jünger wurde nach einer tollen AGA mit einem Schwung GWDL in die Stammeinheit geworfen. Die Einheit wurde kürzlich umbenannt und die Kompanie aus anderen aufgelösten Einheiten befüllt. Alles altgediente mit viel Dienst und Einsatzerfahrung(viele trugen noch da "Germany" Abzeichen bzw. KFOR/SFOR Patch wurde einfach geduldet) . Und massive Gruppenbildung, es gab also innerhalb der Kompanie sogar bis auf Gruppenebene immer noch die "alten" Kompanien. Richtige Aufträge hatten wir auch keine, was auch an fehlenden Fahrzeugen und Material lag, und die GWDL mussten ja auch beschäftigt werden,  so hab ich also den Widerruf gezogen und war nicht der einzige. An den Kommentar von Spieß und Chef erinnere ich mich bis heute: "Wieder einer weniger".  Der Chef wollte nämlich Stellen von UoP bzw. Fw hauptsächlich mit Mannschaften und UoP aus der Kompanie besetzen, ob das damals möglich war weiß ich nciht. Jedenfalls hat es keinen interessiert das ich und anedere geangen sind.

Aber: Es hätte auch bei mir anders sein können. Es ist eben wie so oft es kommt drauf an wo man hinkommt. Das ist bei Siemens nicht anders.

Aber Respekt das du es durchgezogen hast

dunstig

Interessanter Bericht. Einen Punkt möchte ich hervorheben, der mir die letzten Jahre meiner aktiven Zeit auch verstärkt negativ aufgefallen ist:

Zitat(...) rund zwei bis drei Jahre Ausbildung zum Feldwebel mal Deutschlands andere Ecken kennenlernt.
Besonders gut haben mir hier die IT-Lehrgänge gefallen, die mit Masse in Bayern stattfinden.
ZitatZwischendurch waren dann die oben genannten Lehrgänge, und gefühlt nach jedem Lehrgang war mein Zugführer ein anderer.
ZitatFachlich muss ich leider sagen, wurde ich so gut wie gar nicht gefordert. Ich sage es nur ungern, aber auf einem Trupp (das war bei uns Bezeichnung für ein militärisches Fahrzeug, welches einen speziellen Zweck erfüllt) einen vom Hersteller vorkonfigurierten Linuxserver zu starten und dann das Führungsinformationssystem zu bedienen - das kann man auch einem dressierten Affen beibringen, überspitzt gesagt. Und das war mehr oder weniger meine fachliche Hauptaufgabe.

Wir haben reichlich Personal bekommen, die direkt zu uns versetzt wurden, mit denen aber erst einmal keiner etwas anfangen konnte, da sie die nächsten Jahre eh erst einmal noch einen Haufen Lehrgänge besuchen. Prinzipiell könnten sie ihre Aufgabe nach einer paar-wöchigen Einarbeitung schon erledigen, aber sie befinden sich in einem ständigen Wechsel aus mehreren Wochen Anwesenheit, gefolgt vom nächsten mehrwöchigen Lehrgang. Eine Zugehörigkeit kann so natürlich zunächst schwerlich entstehen.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele dieser Lehrgänge im zivilen maximal mehrtätige Fortbildungen sind, da sich kaum ein Arbeitgeber leisten kann, seinen Mitarbeiter über Wochen und Monate fortzuschicken, bei der Bundeswehr aber genau das passiert. In Folge war das Personal zwar hervorragend in allen Facetten ausgebildet, aber für ihre eigentliche Tätigkeit wäre das überhaupt nicht notwendig gewesen, bzw. musste eine Einarbeitung natürlich dennoch erfolgen. Hier wäre eine Ausbildung am Arbeitsplatz, wie sie zu Beginn meiner Zeit noch stattfand, viel sinniger gewesen. Sowohl was die eigentliche Arbeit, den geleisteten Output des Personals auf dem Dienstposten und die gesammelten Erfahrungen darin betrifft als auch die Anwesenheit und Zusammengehörigkeit am Standort. Von diesem Prinzip AAP ist man aber zunehmend abgerückt und hat alles in mehrwöchige Lehrgänge an den Schulen quer verteilt in der Republik gebündelt. Die Anteile, die wirklich noch vor Ort gebraucht werden, werden dann hinten angestellt und das Personal übergangsweise "bespaßt", da eine AAP kaum sinnig ist, wenn das Personal das nächste Jahr über eh immer wieder wegkommandiert ist.
"Ich stehe vor der Bundeswehr, zu der ich seit 22 Jahren auch "meine Armee" sagen kann. Und bin froh, weil ich zu dieser Armee und zu den Menschen, die hier dienen, aus vollem Herzen sagen kann: Diese Bundeswehr ist keine Begrenzung der Freiheit, sie ist eine Stütze unserer Freiheit." Joachim Gauck

mikki-

Sehr interessanter Bericht, vielen Dank dafür.
Hast du den in deinen letzten Dienstjahren Veränderungen bemerkt, Stichwort Zeitenwende?

thelastofus

ZitatEine Zugehörigkeit kann so natürlich zunächst schwerlich entstehen.

Das stimmt, im "schlimmsten" Falle ist man ständig weg und verliert irgendwann den Faden zur Einheit und wenn man dann wieder fest da ist, kennt man niemand mehr weil weg versetzt oder ausgeschieden oder ähnliches. Natürlich nicht zu ändern und in der Natur der Sache. Aber auch etwas was man als "Externer" vielleicht nicht so auf dem Schirm hat, Wobei man ja  aber in der früheren EÜ zumindest ein paar Monate in der neuen Einheit war, aber da kann man ja auch von voll integriert sprechen bzw. ist man kaum einsetzbar..

Oder man kommt voll motiviert von allen Lehrgängen zurück und muss feststellen das die Aufgaben im Tafelgeschäft anders sind.

Gerade noch mal deswegen finde ich diesen ehrlichen Bericht und er enthält auch kein Gejammer oder ähnliches.

funker07

Zitat von: Wanderlust am 02. Juli 2024, 21:54:34
Wenn mal irgendwas unangenehmes anstand, stand ich gleich als erster auf der Liste.
Die Führung meiner Teileinehit war eine "alte Garde" aus Berufssoldaten, die in perfektem Schulterschluss jede Veränderung oder jede - auch sinnvolle - Intervention zu verhindern wusste.
Gelegentlich war ich zur Unterstützung an andere Truppenteile kommandiert. Dort lernte ich, dass es auch anders sein kann.
Klingt nach einem Sammelbecken von Leuten (Kameraden will ich da nicht sagen), die wenig Interesse am Auftrag, sondern an der eigenen Bequemlichkeit (und teilweise Status) haben.
Höre ich leider viel zu oft, sehe aber auch, dass genug Dienststellen gibt, in denen es besser läuft.

Zitat von: Wanderlust am 02. Juli 2024, 21:54:34
einen vom Hersteller vorkonfigurierten Linuxserver zu starten und dann das Führungsinformationssystem zu bedienen - das kann man auch einem dressierten Affen beibringen
Stimmt.
Wenn alles läuft und die Arbeit mit dem Starten getan ist, kann das auch der Kraftfahrer in Nebentätigkeit.
Spannend wird es immer dann, wenn es nicht läuft.
Bei manchen Systemen heißt es dann, neu installieren oder Hersteller rufen.
Bei der Mehrheit der IT-Systeme kann und muss der ITFw aber mehr machen.
Wir haben hochkomplexe Systeme, bei denen ich die grundlegende Bedienung einem Mannschaftssoldaten in wenigen Wochen beibringen kann.
Wenn dann aber etwas nicht so läuft, wie in der Anleitung vorgesehen, ist er aufgeschmissen.
Wenn der aber dann als einziger Fachmann für sein System im ServiceDeliveryPoint zusammen mit einem Kampftruppenbataillon an der litauischen Grenze steht, hat er ein Problem.

Zitat von: dunstig am 04. Juli 2024, 09:33:35
Erschwerend kommt hinzu, dass viele dieser Lehrgänge im zivilen maximal mehrtätige Fortbildungen sind, da sich kaum ein Arbeitgeber leisten kann, seinen Mitarbeiter über Wochen und Monate fortzuschicken, bei der Bundeswehr aber genau das passiert. In Folge war das Personal zwar hervorragend in allen Facetten ausgebildet, aber für ihre eigentliche Tätigkeit wäre das überhaupt nicht notwendig gewesen, bzw. musste eine Einarbeitung natürlich dennoch erfolgen.
Im Zivilen würde man einem einzelnen Admin aber auch nicht so viele Aufgaben gleichzeitig aufbürden.
Da trennt man zwischen Netzwerk je Zugangs- und Kernebene, Server wird auf Virtualisierung, Windows und Linux aufgeteilt. Telefonie macht nochmal jemand anderes.
Wir setzen da einen Feldwebel hin, der all diese sechs Bereiche abdecken muss.
Von dem, was ich auf meiner 21monatigen ZAW an Themen hatte, hab ich bisher außer dem BWL-Teil alles gebraucht und das auf einem deutlich höheren Niveau, als es ausgebildet wurde.


Zitat von: dunstig am 04. Juli 2024, 09:33:35
Hier wäre eine Ausbildung am Arbeitsplatz, wie sie zu Beginn meiner Zeit noch stattfand, viel sinniger gewesen.
Ich kann da nur für die IT sprechen:
Für einen Kabelbautrupp gerne.
Für Dinge wie SatCom BGAN auch.
Aber alle komplexeren Systeme wie LVN, MobKommSys, DSE oder HaFIS definitiv nicht.
Da fehlt einem großen Teil der Lehrgangsteilnehmer selbst am Ende der langen Ausbildung (mehrere Monate Dienstpostenqualifikation am Ausbildungszentrum (ehemals IT-Schule) nach dem Feldwebellehrgang) fehlt es da noch an Tiefe und in einigen Bereichen an Breite.
Die Systeme sind so komplex geworden, dass es da schon echt schwierig ist, einen mittelmäßigen und gleichzeitig unerfahrenen Feldwebel alleine in den Einsatz zu schicken.
In der Truppe schwirrt zu einigen Sachen auch viel Halbwissen rum. Je komplexer das System, desto anfälliger ist die Ausbildung für Halbwissen.

Zitat von: dunstig am 04. Juli 2024, 09:33:35
Die Anteile, die wirklich noch vor Ort gebraucht werden, werden dann hinten angestellt und das Personal übergangsweise "bespaßt", da eine AAP kaum sinnig ist, wenn das Personal das nächste Jahr über eh immer wieder wegkommandiert ist.
Es wäre also möglich, zusätzlich eine AAP zu machen, aber die Truppe hat erstmal nichts davon, deshalb lässt man es?
Von welchen Systemen sprichst du da? Auch IT/Fm oder?

6driver

Moin,
interessanter Bericht. Ich empfand die Zeit teilw als sinnlos und schräg, hab aber auch  wertvolle Erfahrungen gesammelt auf die ich heute positiv zurückblicke.  Als ehem. Zetti würde mich mal interessieren ob Dir die 12 Jahre nun bei der beruflichen Weiterentwicklung helfen.
Zu meiner Zeit habe ich bei vielen Kameraden mitbekommen das sie zwar schön zwölf Jahre dem Staat gedient haben, dann aber, wenn es mit dem Berufssoldaten nicht geklappt hat, "draußen" eine passende und angemessene Arbeit zu bekommen. Hab selber nach der Entlassung nach 6 Jahren Dienst auch keine guten Erfahrungen gemacht. Das war in Meinung damals ein großes Manko der Bundeswehr und ich hoffe das sich das über die Jahre wesentlich verbessert hat.

Grüße
Andreas
_______________________________
11. Lw Ausbildungsregiment 5 - Goslar
VerBttr/FlaRakBtl 25 - Barnstorf

Chinok

Man sollte sich möglichst früh beim BfD vorstellen und einen groben Plan ausarbeiten. Was möchte ich machen, was liegt mir und welche Fähigkeiten brauche ich dazu?
Bei uns in der Einheit wurde jeder SaZ zweimal pro Jahr zum Beratungsgespräch befohlen. Damit verliert man das nicht aus den Augen.

Etwas Eigenverantwortung sollte dabei natürlich vorhanden sein.
Wer nach 12 Jahren Bundeswehr nur einen BCE + Staplerschein vorweisen kann, hat mit Sicherheit viel falsch gemacht.   

Früher, als es noch militärische Wachen gab, haben ich gerne am Wochenende WaHa gemacht.
Ruhiger Dienst und ich konnte mich auf Prüfungen wie LPI etc. vorbereiten.

Die berufliche Zukunft nach der Dienstzeit ist kein Manko der Bundeswehr, jeder ist seines Glückes selber Schmied. Manche brauchen eben einen Anreiz und den kann man befehlen.

Wanderlust

Danke für das viele Feedback!
Und entschuldigt die späte Antwort. Nach einem ausgieben Familienurlaub und einem anstrengenden Semesterstart wollte ich mich noch einmal zu einigen Fragen und Bemerkungen äußern:

ZitatMich als Resi würde natürlich auch einmal interessieren, wie es bei Dir jetzt mit Grundbeorderung etc. weitergeht.

Nun, ich bin grundbeordert, aber auf mich hat das - sofern nicht in den nächsten sechs Jahren der große Krieg ausbricht - keinen Einfluss. Oder wie war die Frage gemeint?

ZitatHast du den in deinen letzten Dienstjahren Veränderungen bemerkt, Stichwort Zeitenwende?

Bis auf das neue Schuhwerk und das neue Rucksacksystem ist davon bei mir nichts angekommen, auch aufgrund meines baldigen Ausscheidens. Hätte ich noch ein, zwei Jahre mehr gehabt, hätte ich sicherlich mehr dazu schreiben können.

ZitatEtwas Eigenverantwortung sollte dabei natürlich vorhanden sein.
Wer nach 12 Jahren Bundeswehr nur einen BCE + Staplerschein vorweisen kann, hat mit Sicherheit viel falsch gemacht.   

Dem kann ich grundsätzlich zustimmen. Ich bin während meiner Zeit hervorragend qualifiziert worden und habe quasi einmal die Pyramide des deutschen Qualifikationsrahmens durchlaufen.
Mit einer Ausbildung bin ich zur Bundeswehr hin, habe dort eine Spezialistenausbildung erhalten, einige Jahre später den "Meister" (bzw. operative Professional bei den IT-lern) und absolviere jetzt über den BFD mein Studium.
Wohlgemerkt gilt das für die Feldwebellaufbahn, andere Laufbahnen haben dort weniger (oder als Offizier auch mehr) Möglichkeiten. Als Mannschafter kann man sich auch fortbilden, auch während der Dienstzeit. Ich weiß von einigen, die in ihrer Dienstzeit den erweiterten Hauptschulabschluss bzw. Realschulabschluss nachgemacht haben.
Ein Kamerad (Mannschafter) hat parallel zum Dienst an der Abendschule eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Die Vorgesetzten haben dies gefördert, indem er in das Geschäftszimmer versetzt wurde (Tätigkeit, die seiner Ausbildung nahekommt) und während der Dienstzeit sich fortbilden durfte.

ZitatWas ich Grundsätzlich damit sagen will, es kann einem nicht nur bei der Bundeswehr so gehen, dass man irgendwann nur noch gefrustet seinen Job nachgeht, sondern im öffentlichen Dienst kann es einem auch nicht anders gehen.

Das ist absolut richtig. Es ist nicht so deutlich herausgearbeitet in meinem Text, aber der Grund, überhaupt zur Bundeswehr zu gehen war, dass mich die Arbeit in meinem Ausbildungsbetrieb nicht erfüllt hat.

Allgemein liest sich der Text sehr negativ. Ich möchte aber noch einmal klar stellen, dass die Zeit insgesamt nicht "die Hölle auf Erden war". Manchmal hat es schon sehr genervt, aber solche Phasen hat man auch bei zivilen Arbeitgebern.
Nichtsdestotrotz bereue ich die Zeit nicht.
Vielleicht hilft folgende Aussage: könnte ich die Zeit um 12 Jahre zurückdrehen und mich nochmal entscheiden zur Bundeswehr zu gehen - ich würde es machen, aber nicht in derselben Einheit.

Ich kann noch einmal nur appellieren: wenn ihr aufrichtig interessiert seid - und nein, ihr müsst dafür nicht die Überpatrioten oder Leistungssportler sein - probiert es aus. Nutzt die Möglichkeiten, die ihr habt. Ihr könnt Versetzungsanträge schreiben, wenn euch der Standort bzw. der Truppenteil oder auch die Leute eurer Stammeinheit nicht passen. Gefällt euch nur eure Aufgabe nicht, könnt ihr euch innerhalb eures Standortes oder eurer Stammeinheit auf einen anderen Dienstposten versetzen lassen.
Als Ultima Ratio könnt ihr innerhalb von sechs Monaten nach Aufnahme des Dienstes auch ganz die Koffer packen.
Wichtig ist nur, dass man sich frühzeitig kümmert. Das habe ich nicht getan. Denn irgendwann hat man einen mehr oder minder festen Platz als kleines Zahnrädchen im gesamten Getriebe, dann wird es schwerer.

Falls es noch andere Fragen gibt (gerne auch von Interessierten), nur her damit. Ich werde unregelmäßig wieder vorbeischauen und diese beantworten.

thelastofus

ZitatNutzt die Möglichkeiten, die ihr habt. Ihr könnt Versetzungsanträge schreiben, wenn euch der Standort bzw. der Truppenteil oder auch die Leute eurer Stammeinheit nicht passen. Gefällt euch nur eure Aufgabe nicht, könnt ihr euch innerhalb eures Standortes oder eurer Stammeinheit auf einen anderen Dienstposten versetzen lassen.

Das klingt nun so, als ob das ein Automatismus und sehr einfach wäre. Die Realität sieht (wie man auch hier im Forum oft sieht) ganz anders aus, insbesondere wenn man  z.B. auf einem Mangel Dienstposten sitzt oder eine Prämie bekommen hat.
Generell sollte man sich gerade mit dem Standort auseinandersetzen. Entweder man pendelt am WE oder man zieht dort hin. Wobei man auf Dauer vermutlich nur mit letzteren glücklich wird.
Wenn man das nicht kann oder will, dann muss man auch hart genug sein und der Bw eine Absage erteilen, und nicht unter der Prämisse "Ich kann mich ja versetzen" lassen unterschreiben. Das geht in den meisten Fällen in die Hoase.

Mit der Einheit kann (wie auch bei einem zivilen AG) Pech oder Glück haben.. Das ist eben manchmal wie ein Lottospiel. Vor allem ist man gerade in den erstem Monaten zu wenig in der Einheit um zu sehen wie es dort überhaupt "abgeht". Ich kam damals auch in eine Einheit die aus mehreren Kompanien zusammengestellt wurde, teilweise kam Zug 1 in Kompanie 2 und Zug 2 und 3 in Kompanie 3.
Das war dann ein eigene Dynamik und Gruppenbildung. Ein Spieß der nur "seine" Leute aus "seiner" Kompanie wirklich mochte.
War dann für mich auch ein Grund zu gehen. Dennoch würde ich auch wieder hingehen, aber nicht in diese Einheit.


Unproomn

Zitat von: Wanderlust am 10. September 2024, 13:56:38

Nun, ich bin grundbeordert, aber auf mich hat das - sofern nicht in den nächsten sechs Jahren der große Krieg ausbricht - keinen Einfluss. Oder wie war die Frage gemeint?


Das war so gemeint, ob Du da jetzt regelmäßig auch wieder für RDL (am alten Dienstposten?) eingeplant bist, also der BW verbunden bleibst, oder ob das eher eine theoretische Sache ist ;)

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