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BrustOp im Urlaub?

Begonnen von Kit45, 10. Mai 2016, 12:48:02

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LwPersFw

Nur mal so als Gedankenstütze... da hier im Forum ja schon öfters behauptet wurde, ein Soldat könne sich auf eigene
Kosten im Urlaub einer OP unterziehen und er bräuchte den Dienstherrn darüber nicht in Kenntnis zu setzen...

U.a. dargelegt im Urteil BVerwG I WB 61/74 vom 04.11.1975 gilt in ständiger Rechtsprechung:

"Gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 und 2 SG hat der Soldat alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um seine
Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen;
er darf seine Gesundheit nicht vorsätzlich oder grobfahrlässig beeinträchtigen."

Eine zumindest vorsätzlich allein durch den Soldaten veranlasste Operation beeinträchtigt zumindest zeitweise die Gesundheit des Soldaten.

Das er diese OP im Urlaub durchführen lässt ist dabei nicht relevant,
+ da der EU aus zwingenden dienstlichen Gründen jederzeit ( extrem : V-Fall ) abgebrochen werden kann
+ da der Soldat allein nicht abschätzen kann, inwieweit die OP seine Dienstfähigkeit beinträchtigen wird

Beispiel :
Der Einsatz von Brustimplantaten führt für 12 Monate zur Einstufung Gradation V !
Und selbst nach 12 Monaten kann es zu einer Gradation führen, die den weiteren Dienst gefährdet !
Z.B. zur Gradation VI ... weil
"Körperformende Implantate (z. B. Brustimplantate), die das Tragen der erforderlichen militärischen Bekleidung und Ausrüstung nicht mehr zulassen."


Mir geht es hier nicht um die Frage Dienstvergehen, Wehrstraftat, etc. ....

Es müssen die möglichen sonstigen Folgen bedacht werden...

...und immer im konkreten Einzelfall eine sachgerechte Lösung zw. Soldat und Dienstherr gefunden werden.

Und deshalb kann ich nur dringend empfehlen ...

+ eingehende Beratung durch den Truppenarzt ... vor allem zur Frage volle oder eingeschränkte Dienstfähigkeit nach OP, wie stark, wie lange
+ ergeben sich dabei Einschränkungen für sehr lange Zeiträume, wie o.g., empfehle ich eine schriftliche Genehmigung zu beantragen


Und noch als Hinweis zum Thema Brustimplantate...

Nach Ablauf der 12 Monate erfolgt eine Neubegutachtung...

Dort darf der Arzt nur positive Gradationen vergeben, wenn u.a. sichergestellt ist:

Gradation II
"Reaktionslos eingeheilte Fremdkörper ohne störende Größe/Lokalisation."

Gradation III
"Reaktionslos eingeheilte Fremdkörper größeren Umfanges mit geringgradig störender Größe/Lokalisation.
Reiz- und reaktionslos eingeheilte körperformende Implantate ohne Kapselfibrose (z. B. Brustimplantate),
die das Tragen der erforderlichen militärischen Bekleidung und Ausrüstung nicht einschränken."

Schon aus diesem Grund muss das Gespräch mit dem TrpArzt gesucht werden... um die "richtige" Größe zu kennen...  ;)
aktiver Berufssoldat im Bereich Personalwesen

Getulio

Zitat von: LwPersFw am 10. Mai 2016, 16:39:45
U.a. dargelegt im Urteil BVerwG I WB 61/74 vom 04.11.1975 gilt in ständiger Rechtsprechung:

"Gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 und 2 SG hat der Soldat alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um seine
Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen;
er darf seine Gesundheit nicht vorsätzlich oder grobfahrlässig beeinträchtigen."

Was Sie hier zitieren ist weder die Kernaussage des Urteils noch stellt es überhaupt eine neue/revolutionäre/bemerkenswerte Rechtsprechung dar. Das Gericht zitiert hier schlicht aus dem Soldatengesetz. Und dass ein Gericht "in ständiger Rechtsprechung" das Gesetz zur Anwendung bringt, ist in einem Rechtsstaat eine Binse.

Die Kernaussage des Urteils, die das BVerwG dann aber trifft, läuft Ihren weiteren Ausführungen tendenziell eher zuwider als dass es sie stützt, denn das Gericht legt den § 17 Abs. 4 SG zulasten des Dienstherrn einschränkend aus. Hintergrund ist die Klage eines studierenden Soldaten gegen den Befehl seines Vorgesetzten, der ihm verbot, studentische Mensuren zu fechten. Das BVerwG hebt diesen Befehl als rechtswidrig auf und urteilt, dass selbst wenn bei einer solchen Mensur (Kopf-)Verletzungen nicht unwahrscheinlich sind, die für eine gewisse Zeit verhindern, dass der Soldat z.B. Helm tragen, ABC-Maske tragen, Sport treiben usw. kann, der Dienstherr das hinzunehmen habe. Punkt.

Zum Thema Schönheits-OPs gibt es meines Wissens bis dato keine Urteile; was geschrieben wird, geht in die Richtung, alles was im Urlaub geschieht UND VOLLSTÄNDIG abheilt, sei wohl zulässig. Im Umkehrschluss liegt aber immer dann ein Dienstvergehen mindestens sehr nahe, wenn dienstliche Belange beeinträchtigt werden. Das kann von notwendiger Krankschreibung über Komplikationen bis hin zu Tauglichkeitsverlust gehen. Würde ich dienstlich damit konfrontiert, würde ich das wohl vors Truppendienstgericht bringen, ein Dienstvergehen eher bejahen, aber eine Wehrstraftat verneinen.

M.E. ist eine derart extensive Auslegung des Gesetzes bezüglich "Beeinträchtigung der Gesundheit" kaum haltbar. Treibt man das konsequent auf die Spitze, dürften Soldaten weder Alkohol jenseits der zweiten Dose Bier konsumieren noch Urlaub in Ländern machen, in denen Hygienestandards herrschen, die den unseren nicht ebenbürtig sind - und dann womöglich mit Montezumas Rache KzH werden.

Der TE würde ich ebenfalls den dringenden Rat geben, hier nicht "heimlich" und auf eigene Faust aktiv zu werden, sondern schriftliche Einverständnisse einzuholen. Denn, btw., es wird auch diskutiert, dass der Bund Bezüge zumindest kürzen kann, wenn da irgendetwas schiefgeht und man über den Urlaub hinaus ausfällt.

Getulio

Eine Frage noch an die Mediziner: Verstehe ich das richtig, das bei jeder OP, unabhängig von deren Verlauf und Ergebnis, eine Gradation V vergeben wird? Für ein Jahr?

FoxtrotUniform

@FK: Nein (Obgleich ich mich dahingehend weitergebildet habe, wenn du schon provokant fragst)

@Andi: Ich will dir gar nicht grundlegend widersprechen, man muss aber ein gesundes Maß an Trennschärfe einhalten. Für den Chef ist aber per se nicht relevant was konkret vorgenommen wird, sondern "nur" Ausfalldauer, Einschränkungen und Risiken hinsichtlich der Dienstfähigkeit (Theoretisch, praktisch siehe meinen vorherigen Beitrag)

@LwPersFw: Wegen diesen Maßgaben muss der Truppenarzt eine Bewertung und ärztliche Entscheidung herbeiführen. Im Zuge einer anderen Entscheidung lag mir dazu mal ein Grundsatzpapier vor. Bei den Augenoperationen kam das Go vom Truppenarzt und das Go von meinen Chefs.
Hochmut kommt vor dem Fall  ::)

LwPersFw

@ Getulio,

ich habe bewusst nicht auf die ggf. bestehenden disziplinaren Folgen eingehen wollen...

Die Kernaussagen des Urteils sind ... und dies zieht sich durch die Rechtsprechung zum 17 / 4 bis heute...

1. Der Soldat kann gerade nicht frei mit seiner Gesundheit umgehen ... er muss Grenzen beachten

2. Der Dienstherr muss in jedem Einzelfall eine sachgerechte Abwägung zwischen dienstlichen Erfodernissen
    und den Grundrechten des Soldaten treffen


Eine Mensur... die in ein paar Tagen abgeheilt ist ... kein Problem....

Eine Brust-OP ... die nach OP ( auch wenn noch so gut verheilt ) zu 12 Monaten Gradation V führt ... ist ein Problem

Und wenn die junge Dame zu zu großen Implantaten greift... steht Gradation VI und damit Entlassung im Raum


Diese Fragen kann man also nur im Dialog Soldat-Arzt-Chef- ggf. PST klären... bevor das Gejammere groß ist...

aktiver Berufssoldat im Bereich Personalwesen

Getulio

Da gehe ich absolut d'accord.

Die potentiellen disziplinaren Folgen sind vermutlich auch das geringste Problem, wenn da wirklich etwas schiefgeht bei so einer OP.

Andi

Das Bundesverwaltungsgericht fragt immer wieder bei außerdienstlichen Tatvorwürfen, ob das Verhalten sozialadäquat war, wie diesem. Und wenn es das war ist die Abwägung zwischen dienstlichem Interesse und individuellen Grundrechten des Soldaten um so detailierter.
Dementsprechend sind burschenschaftlichen Mensuren nach wie vor üblich und nichts außergewöhnliches - gerade bei Offizieren darf man sich wohl nicht wundern, wenn diese eher "deutsch-traditionelle" Brauchtumspflege betreiben, denn das sind Burschenschaften nunmal.
Bei medizinisch nicht notwendigen Schönheitsoperationen dürfte eine bundesgerichtliche Bewertung relativ deutlich ausfallen, da es sich hierbei eben "nur" um die Einschränkung der freien Entfaltung der Persönlichkeit dreht.

Zitat von: FoxtrotUniform am 10. Mai 2016, 19:09:34
@Andi: Ich will dir gar nicht grundlegend widersprechen, man muss aber ein gesundes Maß an Trennschärfe einhalten. Für den Chef ist aber per se nicht relevant was konkret vorgenommen wird, sondern "nur" Ausfalldauer, Einschränkungen und Risiken hinsichtlich der Dienstfähigkeit (Theoretisch, praktisch siehe meinen vorherigen Beitrag)

Selbstverständlich ist relevant "was" vorgenommen wird, denn daran lassen sich die Einschränkungen ja regelmäßig erst festmachen. Dieser Gedanke, dass Vorgesetzte nicht wissen dürfen welche medizinischen Probleme vorliegen ist dann tragbar, wenn die dienstlichen Einschränkungen dadurch nicht spezifizierbar sind. Aber wenn es um ganz konkrete Probleme geht (z.B. linke Schulter darf wegen OP nach mehrfachem Bänderriss keinesfalls belastet werden) MUSS der Vorgesetzte wissen, was los ist, denn nur dann kann er seiner gesetzlichen Pflicht zur Fürsorge nachkommen.
Gleiches halte ich beispielsweise auch für absolut erforderlich, wenn ein Soldat z.B. HIV-positiv ist.

Der Gedanke, dass Fürsorge durch kryptisch formulierte Einzeldienstbefreiungen durch den Truppenarzt möglich sei ist leider oftmals nicht zielführend.

Gruß Andi
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FoxtrotUniform

Wir müssen hier deutlich unterscheiden zwischen Präventivbefehlen - hier Verbot der Teilnahme an Kämpfen einer schlagenden Verbindung - und der Thematik kosmetische Operation.

Mal eine Frage an die Mediziner und wandelnden Dienstvorschriften: Welche Weisungen und Vorschriften sind den hier maßgeblich (Meldung HIV usw.) sowie Genehmigung von kosmetischen Operationen? Auf die schnell fand ich nur etwas zur Bewertung der Tauglichkeit sowie zur Kostenübernahme.
Hochmut kommt vor dem Fall  ::)

Andi8111

Die Auslaufenden fachlichen Anweisungen des Inspekteurs San nehmen nur Stellung in Bezug auf Organspenden. Die Argumentation ist aber dort dieselbe, wie bei elektiven Eingriffen zur Verschönerung der Körpers.

Eine Lidstraffung dürfte z.B. kein Problem darstellen; verstößt zwar auch gegen die von mir oben genannten Weisungen, ist aber relativ schnell ausgeheilt und hinterlässt keine dauerhafte Verwendungseinschränkung.

Bei Implantaten sieht das anders aus. Da so eine OP an der Brust ein großes Wundbett erzeugt, ist es erst einmal sicher, dass eine zwei bis dreiwöchige Krankschreibung erfolgen muss. Das führt alleine schon zu einem Verstoß gegen oben genannte Weisung und die einschlägigen Befehle. Dann ist es beinahe regelhaft so, dass ein derart großer Eingriff eine verminderte Belastung für eine geraume Zeit mit sich bringt. Tiefste Gangart, STAN-Gepäck und Sport sind nicht möglich; kann ein Soldat keinen Sport machen, ist er eingeschränkt verwendungsfähig und dann sind wir wieder bei A.

Ist die VerschönerungsOP aus psychologischer Sicht notwendig, erfolgt daraus meistens resultatär eine Entlassung wegen VI 13 ;)

FAZIT: Das Grundrecht auf freie Entfaltung wird durch das SG zu Recht eingeschränkt. Ein Verstoß dagegen, der eine Verwendungseinschränkung oder eine dauerhafte dienstliche Einschränkung mit sich bringt, MUSS zur Entfernung aus dem Dienstverhältnis führen.

Andi8111

BTW: Infektionskrankheiten, die man "an anderer Stelle" hat diagnostizieren lassen (kommt immer mal wieder vor) MUSS man nicht melden. Eine Selbstanzeige ist dort, aufgrund des NICHT eingeschränkten Rechtes auf die informative Selbstbestimmung, nicht vorgeschrieben. Moralisch sieht das anders aus.
Außerdem erwächst ein Therapieanspruch durch die UTV erst aufgrund einer Diagnose des TrpArztes oder eines anderen BWArztes.

Ich habe schon hanebüchene Geschichten mitbekommen, als Soldaten mit vorausgefüllten Rezepten kamen und das bei mir einlösen wollten; als wenn ich nicht sehen würde, was da für was verordnet worden ist.

Also wenn man die 40000 Euro im Jahr selber aufbringen kann, kann man sich im zivilen gegen bestimmte Erkrankungen behandeln lassen, wenn man die nicht übrig hat, bleibt einem nichts anderes übrig, als dies dem TrpArzt zur Kenntnis zu geben. Und nur dem TrpArzt. Dem DV muss das nur gemeldet werden, wenn es infektiöse Erreger sind, die im Rahmen einer Tätigkeit in der TrpKüche übertragen werden können (regelhaft Typhus, Salmonellose, Shigellose, Noro-Viren....).

HerrZog

Zitat von: KlausP am 10. Mai 2016, 13:10:40
Zitat von: Pericranium am 10. Mai 2016, 13:08:31
Ich frage mich eher wie man allen Ernstes Offizier werden kann und dann nicht mal kapiert, dass man als Soldat keine freie Heilfürsorge sondern unentgeltliche truppenärztliche Versorgung erhält ::)

Na ja, der Unterschied ist nicht mal allen Soldaten bekannt (oder bewusst), die schon mehrere Jahre im Dienst sind.  ;)

Nichtmal den SanBereichen, in denen ich zur "Freien Heilfürsorge" gehen muss  ???
Dienstjahr: 10

Tommie

Nicht mal da, weil der entsprechende Bereich "Heilfürsorge" heißt und vom Heilfürsorgebearbeiter (üblicherweise ein Fw-DG!) geführt wird! Von "frei" ist auch dort nicht die Rede!

Es ist nun mal Fakt, dass die Bundeswehrsoldaten "Unentgeltliche truppenärztliche Versorgung (UTV)" genießen und genau keine "freie Heilfürsorge"!

LwPersFw

Hier noch ein weiteres Beispiel des BVerwG .... aus einer Zeit...als viele von uns gerade krabbeln konnten  ;D ;)

BVerwG, 13.02.1961 - WB 17/60

Tenor:

Der Befehl des Bundesministers für Verteidigung vom 20. April 1959 (VMBl. 1959 S. 293) über das Tragen von Sturzhelmen bei außerdienstlichen Fahrten mit Krafträdern ist unwirksam, soweit er eine Verpflichtung der Antragsteller enthält, sich einen Sturzhelm zu beschaffen. Im übrigen werden die Beschwerden als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe

1

Durch Erlaß vom 20.4.1959 hat der Bundesminister für Verteidigung allen Soldaten, die außerdienstlich ein Kraftrad - worunter nach seiner Erläuterung das Moped nicht zu verstehen ist - benutzen oder als Beifahrer mitbenutzen, befohlen, einen Sturzhelm zu tragen. Zugleich hat er Soldaten (Kraftradfahrern und Beifahrern), die aus dienstlichen Gründen mit einem Sturzhelm ausgerüstet sind, erlaubt, diesen Sturzhelm auch bei außerdienstlichen Fahrten mit Krafträdern zu benutzen. Gegen diesen Befehl haben die Antragsteller form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt. Sie stehen auf dem Standpunkt, daß der Befehl in unzulässiger Weise in ihren privaten Lebensbereich eingreife. Der Bundesminister für Verteidigung hat die Beschwerden dem Senat zur Entscheidung gemäß § 21 WBO vorgelegt. Er vertritt die Auffassung, daß der Befehl durch dienstliche Notwendigkeit gerechtfertigt sei, insbesondere durch die in § 17 Abs. 4 Satz 1 SG begründete Pflicht des Soldaten, seine Gesundheit zu erhalten. Nach Sachlage sei die Gefährdung der Kraftradfahrer durch Kraftfahrzeugunfälle so groß, daß es zur Erhaltung ihrer Gesundheit erforderlich sei, ihnen auch im privaten Bereich das Tragen eines Sturzhelms aufzuerlegen.

2

Der Senat hat sämtliche Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

3

Der Fortführung des durch die Beschwerden des Kanoniers H. und des Jägers F. eingeleiteten Verfahrens steht nicht entgegen, daß die Antragsteller nach Rechtshängigkeit der Sache aus der Bundeswehr ausgeschieden sind. Durch die Beschwerdeordnung wird ein besonderes Verfahren zur Wahrung der Rechte der Soldaten für den Fall geschaffen, daß ein Soldat glaubt, von Vorgesetzten oder Dienststellen der Bundeswehr unrichtig behandelt oder durch pflichtwidriges Verhalten von Kameraden verletzt zu sein (§ 1 WBO). Der Rechtsschutz wäre aber nur unvollkommen, wenn die Beendigung des Dienstverhältnisses auf das Verfahren Einfluß hätte. Deshalb sieht § 15 WBO vor, daß das Beschwerdeverfahren durch die Beendigung des Dienstverhältnisses des Soldaten nicht berührt wird (Beschluß des Senats vom 30.7.1958 - WB 7/58 -). Gleiches muß auch für das durch den Antrag auf Entscheidung des Wehrdienstgerichts eingeleitete gerichtliche Verfahren gelten. Die Beschwerden sind durch das Ausscheiden der Antragsteller aus der Bundeswehr auch nicht gegenstandslos geworden. Nach § 19 WBO hat das Wehrdienstgericht für den Fall, daß ein mit der Beschwerde angegriffener Befehl sich als rechtswidrig erweist, auch nach Erledigung dieses Befehls dessen Rechtswidrigkeit auszusprechen.

4

Die Beschwerden der Antragsteller sind nur zum Teil begründet.

5

1.)

Die Antragsteller beschweren sich gegen einen Befehl, der allen Soldaten, wenn sie privat ein Kraftrad benutzen, das Tragen und gegebenenfalls die Beschaffung eines Sturzhelms auferlegt. Die darin liegende Beschränkung der Willens-, insbesondere der Entschlußfreiheit der Soldaten bei Anschaffung und Fahren eines Kraftrades stellt eine Maßnahme dar, deren Unrichtigkeit die Antragsteller nach § 1 Abs. 1 WBO rügen können.

6

2.)

Nach § 17 Abs, 4 Satz 1 SG hat der Soldat alles zu tun, um seine Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen.

Diese Pflicht, ( ... ) ist damit als Rechtspflicht statuiert.

Darin liegt die selbständige rechtliche Bedeutung von Satz 1 des § 17 Abs, 4 SG.

Hieran ändert nichts der unmittelbar anschließende Satz 2: "Er (der Soldat) darf seine Gesundheit nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig beeinträchtigen."

Beide Sätze zusammengenommen bedeuten, daß der Soldat nach Kräften alles für die Erhaltung und Wiederherstellung seiner Gesundheit tun muß, daß er aber für eine von ihm pflichtwidrig herbeigeführte Beeinträchtigung seiner Gesundheit nur verantwortlich ist, wenn er diesen Erfolg vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat.

Diese Auslegung wird allein dem Sinn der beiden Sätze gerecht und schließt die gelegentlich vertretene Auffassung aus,
der Gesetzgeber habe durch Satz 2 dem vorhergehenden Satz seine selbständige Bedeutung wieder genommen.

Zwar kann ein Soldat nur im Umfang des Satzes 2 unmittelbar disziplinar zur Verantwortung gezogen werden;

Satz 1 stellt jedoch klar, daß die Dienstpflicht des Soldaten die Pflicht zur Gesunderhaltung mit umfaßt, und gibt damit dem Dienstherrn die Grundlage, Befehle zur Ausgestaltung dieser Pflicht zu erlassen, deren Nichtbefolgung die Ungehorsamsfolgen
nach sich zieht.

7

3.)

Die Pflicht zur Gesunderhaltung bedeutet keine unzulässige Einschränkung des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG),

Dieses Grundrecht steht auch dem Soldaten zu.

Es wird gemäß der im Grundgesetz festgelegten Wehrverfassung durch die gesetzlich festgelegten Pflichten des Soldaten im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes eingeschränkt (§ 6 SG; vgl. Maunz/Dürig, Grundgesetz, 1960, Art. 2 Abs. 1 Anm. 21).

Zu prüfen ist daher, ob die Dienstpflicht der Soldaten in dieser Hinsicht so weit geht, daß ihnen aus gesundheitlichen Gründen auch einschränkende Vorschriften für die außerdienstliche Benutzung von Krafträdern gemacht werden können.

8

Grundsätzlich ist auch der private Bereich eines Beamten oder Soldaten nicht frei von Dienstpflichten, wie §§ 8, 17 SG, §§ 52 Abs. 2, 54 BBG zeigen.

Die Pflicht zur Erhaltung der Arbeitskraft durch Gesundheitspflege erstreckt sich der Sache nach ebenfalls sowohl auf den dienstlichen wie auf den außerdienstlichen Bereich.

So hat der Bundesdisziplinarhof (III D 63/57) ausgesprochen, daß es dem Beamten obliegt, seine Arbeitskraft im Interesse des Dienstherrn nicht nur zu erhalten, sondern auch die beschränkte oder verlorene Arbeitskraft bestmöglich wiederherzustellen, daß er sich in Erfüllung dieser Pflicht ärztlich untersuchen und behandeln lassen muß und daß er schließlich verpflichtet ist, sich einer nach Lage des Falles zumutbaren Operation zu unterziehen. Auch die Vernachlässigung elementarer Regeln der Gesundheitspflege könnte, wie Fischbach (a.a.O.) ausführt, einem Beamten dienstlich zum Vorwurf gemacht werden. Auf dem Gebiet des Straßenverkehrs wird man dagegen in der Regel auf Grund eines besonderen Gewaltverhältnisses dem Untergebenen im privaten Bereich zum Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit nicht mehr Pflichten auferlegen können, als sie der Gesetzgeber oder die im Verkehr entwickelten Verhaltensregeln allgemein fordern. Darunter fällt das Tragen eines Sturzhelms beim Fahren eines Kraftrades bisher nicht. Es gibt in dieser Hinsicht keine behördlichen Vorschriften, und auch nach allgemeiner Verkehrsauffassung könnte man darin, daß ein unfallbeteiligter Krafradfahrer keinen Sturzhelm getragen hat, wohl in der Regel noch kein Verschulden erblicken.

9

Dagegen rechtfertigen die Eigenart des Soldatentums und die Besonderheit der soldatischen Dienstpflicht hier eine Ausnahme,

Der Soldat muß durch seinen Einsatz ganz andere körperliche Leistungen erbringen als - von bestimmten Gruppen abgesehen - der Beamte.

Dem entspricht es, daß die Gesunderhaltungspflicht im Soldatengesetz besonders erwähnt ist, während sie im Beamtenrecht nur aus der allgemeinen Dienstpflicht erschlossen wird.

Der Soldat ist in höherem Maße verpflichtet, Gefahren auf sich zu nehmen (vgl. § 6 WStG), als der Beamte.

Endlich muß der Soldat ärztliche Eingriffe in seine körperliche Unversehrtheit in höherem Maße als der Beamte dulden (§ 17 Abs. 4 Satz 3 SG).

Dieser besonderen Opferlage des Soldaten entspricht eine erhöhte Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. Lerche, Grundrechte der Soldaten, in Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Band 17, Halbband 1, S. 459).

Auf dieser Fürsorgepflicht beruht das Recht des Soldaten auf freie Heilfürsorge (§ 36 Abs. 2 BBesG, § 6 Abs. 2 WehrsoldG), das den Beamten im allgemeinen nicht zusteht.

Die in § 17 Abs. 4 Satz 3 SG erwähnte Seuchenbekämpfung ist eine Schutzmaßnahme, die gleichfalls der Fürsorgepflicht entspringt. Die Berechtigung solcher Schutzmaßnahmen wird auch durch die Erwägung gestützt, daß der Dienstherr den Soldaten, denen er die Wohltat der außerdienstliche Unfälle und Krankheiten miterfassenden freien Heilfürsorge gewährt, zumuten darf, die Unbequemlichkeit vernünftiger Schutzmaßnahmen auf sich zu nehmen.

Ergehen zu diesem Zweck Befehle, so kann nicht bezweifelt werden, daß sie zu dienstlichen Zwecken erteilt sind, auch wenn sie sich auf den außerdienstlichen Bereich beziehen.

10

Der angefochtene Befehl geht davon aus, daß

a)

die häufig in Kasernen untergebrachten Soldaten außerhalb des Dienstes in besonderem Maße auf die laufende Benutzung von Krafträdern angewiesen sind,

b)

die Kraftradfahrer mehr als andere Kraftfahrer der Gefahr eines Schädelbruchs ausgesetzt sind,

c)

der Sturzhelm eine wesentliche Verminderung dieser Unfallgefahr bewirkt.

11

Die Voraussetzung zu a) ist ohne weiteres gegeben. Es ist eine Besonderheit des soldatischen Daseins, daß der Dienstherr die Soldaten zum Wohnen in häufig verkehrsungünstig gelegenen Kasernen zwingt. Dadurch wird ihnen private Motorisierung nahegelegt. Der Dienstherr darf und muß dafür sorgen, daß die durch ihn solcherart geförderten Gefahren vermindert werden.

12

Die Voraussetzungen zu b) und c) (erhöhte Gefahren des Kraftradfahrens und ihre Verminderung durch Sturzhelme) sind durch die Ermittlungen des Senats bestätigt. So ergibt eine Aufstellung über Unfälle der Soldaten mit Krafträdern und Motorrollern für den Zeitraum vom 1.4. bis 31.10.1959 folgendes: Bei insgesamt 47 Unfällen ergaben sich 40 Kopfverletzungen. 24 der Unfälle, fanden ohne Helm, 23 mit Helm statt. Auf die Unfälle ohne Helm entfielen 22 Kopfverletzungen, auf die Unfälle mit Helm 18. Bei den Unfällen ohne Helm waren 16 Verletzungen tödlich, bei den Unfällen mit Helm waren 8 Verletzungen tödlich. Bei den 24 Unfällen ohne Helm hätte in 18 Fällen ein Sturzhelm vermutlich schwerere Folgen verhindert. Bei den 23 Unfällen mit Helm hat der Helm vermutlich in 15 Fällen schwerere Folgen verhindert. Diese Ziffern bestätigen im Ergebnis Untersuchungen, die bereits früher von Professor Ba., Heidelberg, über den Anteil der Schädelverletzungen an der Mortalität bei Motorradunfällen angestellt wurden. Auch der Bundesverkehrsminister hat wiederholt darauf hingewiesen, daß nach einem Bericht des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften 80 % aller tödlichen Motorradunfälle durch Kopfverletzungen, meistens schwere Schädelbrüche und Hirnquetschungen, eintreten, und daß deshalb die Verwendung eines geeigneten Schutzhelms von entscheidender Bedeutung sei.

13

4.)

Kann hiernach davon ausgegangen werden, daß der Sturzhelm die Gefährdung des kraftradfahrenden Soldaten erheblich vermindert, so ist weiter zu prüfen, ob der Eingriff in den außerdienstlichen Bereich des Soldaten in angemessenem Verhältnis zu diesem Zwecke steht (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Hier ist von Bedeutung, daß Empfehlungen an die Truppe weitgehend wirkungslos geblieben sind und daß der dadurch veranlaßte Befehl sich darauf beschränkt, eine bereits für den dienstlichen Bereich bestehende Verpflichtung zum Tragen eines Sturzhelms auf den außerdienstlichen Bereich zu erweitern. Die damit verbundene Unbequemlichkeit wird durch die erhöhte Sicherheit aufgewogen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet jedoch, den Eingriff in den privaten Bereich auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken.

14

Unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht ist es nicht mehr gerechtfertigt, dem Soldaten auch die Beschaffung eines Sturzhelms zur Benutzung bei außerdienstlichen Fahrten aufzuerlegen. Vielmehr muß es dem Dienstherrn überlassen bleiben, dem Soldaten einen in jeder Hinsicht geeigneten Sturzhelm für seine außerdienstlichen Fahrten zur Verfügung zu stellen. Dieser Weg bietet auch die beste Gewähr für die Verwendung eines zweckmäßigen Modells. Ob die Bereitstellung des Helms durch den Dienstherrn entfallen würde, wenn der Sturzhelm sich bereits so eingebürgert hätte, daß er zur notwendigen Ausstattung jedes Kraftradfahrers gehörte, kann offen bleiben.

15

Der Befehl kann daher nur so weit aufrechterhalten bleiben, als der Dienstherr den betroffenen Soldaten Sturzhelme zur Verfügung stellt.

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D.h. hätte das BMVg nach diesem Urteil allen Motoradfahrern einen dienstlich gelieferten Helm zur Verfügung gestellt,
den sie auch privat hätten nutzen dürfen... wäre der Befehl - auf Grundlage des § 17 (4) - diesen auch bei jeder außerdienstlichen
Motoradfahrt zu tragen... rechtmäßig gewesen.

Auch aus diesem Urteil lassen sich also die klaren Grenzen erkennen, in denen sich der Soldat bewegt.
aktiver Berufssoldat im Bereich Personalwesen

FoxtrotUniform

Die Bereichsanweisung InspSan ist auch das einzige Dokument, dass ich in diese Richtung gefunden habe. Es gibt aber zum eigentlichen Thema nicht viel her. Mir juckt es schon in den Fingern, eine offizielle Anfrage zu starten. Einzelfallentscheidung hin oder her, aber bei populären Themen wie eine LASIK gibt es bestimmt bereits eine Weisungslage. "Leider" bin ich zurzeit nicht auf der Dienststelle um das mal nebenbei abzufragen. Zudem versuche ich mal den Ablauf des mir bekannten Falls einer Brustvergrößerung abzuklopfen, ich habe aber den Verdacht, dass das mehr oder weniger unter dem Radar lief.

By the way lautet die korrekte Abkürzung utV  ;) ;) ;)

Die Urteile von LwPersFw sind interessant zu lesen, jedoch auch wieder mehr in Richtung Präventivbefehl und unter Umständen bereits revidiert worden.
Hochmut kommt vor dem Fall  ::)

Andi8111

Was soll daran bitte revidiert worden sein?
Dieses Urteil ließ die Revision vorm Bundesverfassungsgericht nicht zu und eine Verfassungsbeschwerde wurde in der Causa nicht eingereicht.
Insofern ist das zitierte Urteil rechtmäßig, rechtskräftig und nicht mehr anfechtbar; somit gleichermaßen bindend, wie zitierbar.

Und um das nun einmal hier abzuschließen: Wenn ein Soldat sich vorsätzlich schädigt, dies aber für den Dienst keine Relevanz hat, da die Schädigung nicht unmittelbar die Dienstgeschäfte beeinträchtigen und auch für die Bundeswehr keine Kosten entstehen, wird oft über eine Ahndung hinweggesehen. Das nennt sich Billigkeitsentscheidung.

Es gibt aber auch mehrere Hundert Gegenbeispiele, in denen Soldaten, denen die vorsätzliche Schädigung der Gesundheit und die Verursachung von Kosten nachgewiesen werden konnte, bestraft wurden. Dies ist nur möglich, wenn große Fahrlässigkeit nachzuweisen ist. Wie bei der Fahrerei mit DienstKFZ ;)

Beispiel: Ein Typ fängt in der Disco eine Schlägerei an. Schaden: 4 Frontzähne (etwa 2500 Euro), uTV hat gegriffen, aber wegen grober Fahrlässigkeit gabs ein Diszi.

uswusf...etc....