Nachdem es zuletzt in einigen Fäden noch und wieder Verwirrung gab, hier gerne ein aktueller Überblick. Dies als eigener Faden für Anmerkungen, Korrekturen, Diskussionen etc.
1. Reserveoffizieranwärter außerhalb des Wehrdienstes, ROA a.d.W., nach § 43 (2) alte Fassung bzw. § 48 (2) neue Fassung (ab 05.06.2021) Soldatenlaufbahnverordnung (SLV). Formale Zugangsvoraussetzung gemäß SLV ist ein Realschulabschluss oder der Dienstgrad Feldwebel, im Rahmen der Bestenauslese (mehr Bewerberinnen und Bewerber als Bedarf) sieht es aber je nach Alter ohne gutes Abitur, gut verlaufendes Studium, Studienabschluss, etablierte Position im zivilen Beruf usw. nicht erfolgversprechend aus. Bei diesem Zugang wird mit Einstellung in die Laufbahn vom Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) ein Beorderungstruppenteil (TrT) zugewiesen, der die truppendienstliche Heimat für die nächsten mindestens drei Jahre wird. Wünsche bzgl. Ort und Teilstreitkraft (TSK, wie Heer, Luftwaffe, Marine) bzw. militärischem Organisationsbereich (milOrg, wie CIR, SKB, ZSan) dürfen am Ende des Assessments beim Assessmentcenter für Führungskräfte der Bundeswehr (ACFüKrBw) nach Zuerkennung der Eignung geäußert werden. Wünsche in Bereichen mit Mangelverwendungen sollen bei der jährlichen Auswahlkonferenz bessere Chancen haben. Der Dienstposten bei diesem TrT kann mit "Auszubildender zum Leutnant" umschrieben werden, damit hat der TrT freie Hand, die Person im Rahmen von Reservedienstleistungen (RDL) ebenengerecht, fachlich angemessen, gar zweckmäßig einzusetzen. Während dieser drei Jahre sollen sowohl die drei Reserveoffizierlehrgangsmodule (ROL-Module), die als je 10 Tage RDL angerechnet werden, an den Offizierschulen (OSH, OSLw, SanAk, für Marine angeblich auch Modul 3 an der MSM) absolviert werden, als auch mindestens je 14 Tage RDL pro Jahr als Truppenpraktikum beim TrT. Die jeweils bestandenen Module, Truppenpraktika und Stehzeiten nach SLV § 24 führen zu den Beförderungen zum Fahnenjunker (12 Monate), Fähnrich (21 Monate) und schließlich Leutnant (36 Monate), die Beförderung zum Oberfähnrich kommt beim ROA a.d.W. nicht zur Anwendung. Die Ausgestaltung der Truppenpraktika kann je nach TrT unterschiedlich sein, bereits mit erkennbarem fachlichen Bezug zur späteren Tätigkeit als Reserveoffizier, oder auch allgemeine "grüne" Ausbildung. Der Beginn dieser Laufbahn, ab der die Zeit für die Beförderungen läuft, ist für bisher ungediente Personen der erste Tag der militärischen Ausbildung, damit der erste Tag der Allgemeinen Streitkräftegemeinsamen Soldatischen Ausbildung (ASSA), einer auf ca. 20 Tage verkürzten Grundausbildung, für bereits gediente Personen der erste Tag der ersten Präsenz des ersten Moduls an einer der Schulen. Dabei wird zum bisherigen Dienstgrad die silberne (R)OA-Litze verliehen, vom Schützen/Jäger d. R. (ROA) bis zum Oberstabsfeldwebel d. R. (ROA). Was nach Erreichen des Dienstgrades Leutnant für ein Dienstposten vorgesehen ist, das weiß (meistens) das BAPersBw, verrät es aber (oftmals) nicht.
Dieser Zugang ist eigentlich für jüngere Personen gedacht, die zivil studieren, und nebenher die Laufbahn des Reserveoffiziers einschlagen möchten, beginnend als Mannschafter d. R. (ROA), Fahnenjunker d. R. (ROA) usw. Die Ausbildungen an den Schulen sind relativ allgemein gehalten, die fachliche Spezialisierung durch weitere Lehrgänge erfolgt nach Abschluss der ROL-Module. Die Truppenpraktika hingegen können schon während der ROL-Modul-Zeit eine starke Prägung bzgl. TrT, Waffengattung und späterer Verwendung aufweisen, zum Beispiel als zukünftiger Zugführer bei Kampftruppenteilen. Vom Presseoffizier über den Sicherungszugführer bis zum S6-Offizier reicht die Spannweite, im Lauf der weiteren Karriere sind Veränderungen möglich. Nach Aufhebung der Altersgrenzen vor einigen Jahren nehmen auch lebenserfahrene Personen diesen Zugang wahr, die sich neben Beruf und Familie dafür Raum schaffen können. (Anmerkung: Die aktuelle Ausschreibung, siehe den Verweis unten, nennt ein Höchstalter von 50 Jahren.) Die Hauptaufgabe für Personen in diesem Zugang ist, durch Engagement, Leistung und weitere Ausbildungen in den Status "Offizier" hineinzuwachsen, um sich während Übungen zu behaupten und zu bewähren. Eine Herausforderung sind die fachlichen Lehrgänge, da sie aktuell kaum bis gar nicht in für Resis konzipierten Formaten angeboten werden, und daher relativ umfangreich sein können - Zugführer für die Kampftruppe dauert länger als alle drei vorherigen ROL-Module zusammen.
Aktuelle Ausschreibung:
https://bewerbung.bundeswehr-karriere.de/erece/portal/index.html#/JobDetail/milGroup/ThreeColumnsEndExpanded/C37F1818E6411EDCB6EBC1F0BAFE485D/?json=%257B%2522Keywords%2522:%2522Reserveoffizier%2522,%2522Langu%2522:%2522D%2522,%2522SearchCategory%2522:%255B%25220020%2522,%25220021%2522,%25220022%2522%255D%257D2. Reserveoffizier-Seiteneinsteiger, kurz RO-SE bzw. offiziell "Seiteneinstieg in militärfachliche Verwendungen", nach § 43 (3) i. V. m. § 26 (2) alte Fassung bzw. § 48 (3) i. V. m. § 25 (2) neue Fassung SLV. Hierfür werden Personen mit einer bestimmten akademischen Ausbildung gesucht, die die Bundeswehr über ihre Hochschulen selbst nicht oder nicht in ausreichender Anzahl generieren kann. In der Größenordnung 50 bis 80 werden jährlich Dienstposten neu ausgeschrieben, an denen der gesuchte Studiengang hinterlegt wird, von Jura über Geodäsie bis Nautik. Bei Einstellung nach Bestenauslese erfolgt die vorläufige Verleihung des Dienstgrads gemäß § 26 (2) alte Fassung bzw. § 25 (2) neue Fassung SLV nach akademischem Titel und Berufserfahrung, damit ergeben sich üblicherweise Sprungbeförderungen von bisher ungedient oder Mannschafter zu Hauptmann, Major oder Oberstleutnant. Die Verleihung des vorläufig höheren Dienstgrades erfolgt mit Einstellung in diese Laufbahn, bei bisher ungedienten Personen mit Beginn der ASSA. Nach mindestens 24 Tagen RDL auf dem fachlichen Dienstposten wird der Dienstgrad dauerhaft verliehen. Es müssen die drei ROL-Module (als RDL) besucht werden, allerdings müssen die Prüfungen nicht bestanden werden - trotzdem daran teilzunehmen und möglichst gut abzuschneiden gilt als Ehrensache.
Dieser Zugang ist für Personen konzipiert, die einen qualifizierten Hochschulabschluss mitbringen, um gemäß ihrer fachlichen Expertise eingesetzt zu werden. Die Sprungbeförderung dient dabei der Würdigung ihrer akademischen Grade, und damit sie in entsprechenden fachlichen Leitungspositionen eingesetzt werden können. Innerhalb der Truppe werden solche "Neckermänner" (und -frauen, von wegen "Neckermann macht's möglich") traditionell nicht ohne Vorbehalte gesehen: Aktive Soldatinnen und Soldaten müssen viele Jahren dienen, um entsprechende Dienstgrade zu erreichen, und sammeln dabei umfangreiche Erfahrungen und Ausbildungen, während hier Eichenlaub per Quereinstieg verliehen wird, bei oft nur geringer Truppenpraxis, als Mannschafter oder bisher ungediente Person. Die Hauptaufgaben für Personen in diesem Zugang sind, neben ihrer unbestrittenen fachlichen Expertise in dem ihnen verliehenen Dienstgrad Tritt zu fassen, in ihrem Umfeld Anerkennung zu gewinnen und die selbstverständlich vorhandenen Defizite an militärischen Erfahrungen und Ausbildungen zweckmäßig aufzuarbeiten.
Medien:
Von ungedienter Apothekerin zur Stabsapothekerin d. R., via SanAkBw:
https://www.youtube.com/watch?v=PPsFhB1CtHQVon ungedientem Lehrbeauftragten an der Uni zum Major d. R. am Zentrum für Innere Führung (ZInFü), via OSH:
https://www.bundeswehr.de/de/organisation/heer/aktuelles/berufung-statt-beruf-der-reserveoffizier-273654Das Bewerbungsportal listet aktuell mehrere Ausschreibungen, hier beispielhaft für "einen sehr guten in Deutschland anerkannten Hochschulabschluss in der Studienfachrichtung „Sportwissenschaften“ mit einer Abschlussnote besser als 1,5.":
https://bewerbung.bundeswehr-karriere.de/erece/portal/index.html#/JobDetail/milGroup/ThreeColumnsEndExpanded/C37F18184EE51EECB48B7A5BFCBF8C2D/?json=%257B%2522Keywords%2522:%2522Reserveoffizier%2522,%2522Langu%2522:%2522D%2522,%2522SearchCategory%2522:%255B%25220020%2522,%25220021%2522,%25220022%2522%255D%257D(Anmerkung: Bei den anderen aktuell gelisteten Studienfächern Wirtschaftsingenieurwesen oder Wirtschaftsinformatik, Bachelor oder Master, sind die Noten jeweils anders, bei Nautik wird keine genannt.)
3. Reserveoffizier-Seiteneinsteiger, kurz RO-SE bzw. offiziell "Seiteneinstieg in Truppenverwendungen", nach § 43 (3) i. V. m. § 26 (4) alte Fassung bzw. § 48 (3) i. V. m. § 25 (4) neue Fassung SLV. Dieser bei seiner Festschreibung in die SLV vor einigen Jahren als "Pilotprogramm" gestartete Zugang erlaubt auch ohne konkrete Bindung an einen bestimmten Studiengang einen Zugang für Personen mit Hochschulabschluss. Die ROL-Module sind zu besuchen (nur als DVag möglich), und die Prüfungen sind zu bestehen. Es wird ein vorläufig höherer Dienstgrad verliehen, Oberleutnant, aber erst nach Bestehen der Offizierprüfung und tatsächlicher Einstellung auf einen Dienstposten, was im Vergleich zum "Seiteneinstieg in militärfachliche Verwendungen" nicht automatisch mit Beginn der Laufbahn erfolgt, der Dienstposten wird erst mit Beginn der Laufbahn gesucht und eventuell auch identifiziert. Sowohl die weitere fachliche als auch truppendienstliche Verwendung sind damit offen, was einerseits Flexibilität bietet, andererseits oftmals eine langwierige Suche nach der militärischen Heimat bedeutet.
Dieser Zugang sollte eine weitere Möglichkeit für Personen mit Hochschulabschluss schaffen, durch den Wegfall der Bindung an ein bestimmtes Studienfach mit einer größeren akademischen Bandbreite. Diese Konzeption weist aber im aktuellen Zustand eine Reihe von Defiziten auf, was dazu geführt hat, daß die Bundeswehr diesen Zugang, obwohl in der neuen Fassung der SLV noch vorhanden, mit Wirkung ab 01.07.2020 "vorerst ausgesetzt" hat. In der aktuellen Auflage der unten verlinkten Broschüre "RESERVISTIN ODER RESERVIST – IHRE >>ZWEITE<< KARRIERE" wird er nicht mehr aufgeführt. Personen, die bereits dafür zugelassen wurden, dürfen ihre Laufbahn allerdings fortsetzen. Die Defizite im Detail sind die Teilnahme an den ROL-Modulen nur im Rahmen von Dienstlichen Veranstaltungen (DVag), was im Vergleich zu RDL keine Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz (USG) bedeutet, also 30 Tage ohne nennenswerten finanziellen Ausgleich, sowie das Fehlen eines TrT, eines Dienstpostens und damit einer militärischen Heimat. Hier ist nur das BAPersBw Ansprechpartner, was grundsätzliche Dinge wie Einkleidung oder Zugang zu Lehrgangsvoraussetzungen wie Schieß- und Sanitätsausbildung, neuSAK und EEH-A, noch komplizierter macht. Zudem ist zwar das BAPersBw für die Identifizierung des späteren Dienstpostens zuständig, praktisch bleibt das aber an den Personen selbst hängen, und nur über Klinkenputzen, Vorstellungen bei Standorten und TrT sowie Netzwerke bzw. persönliche Kontakte konnten und können Lösungen gefunden werden.
https://www.bundeswehr.de/de/ueber-die-bundeswehr/die-reserve-der-bundeswehr/aktuelles-aus-der-reserve-der-bundeswehr/seiteneinstieg-in-die-laufbahn-der-offiziere-reserve-des-truppendienstes-ausgesetzt-272960Weitere Quellen:
Anlage C zu SKgemKonzAusbResBw, Teil B "Streitkräftegemeinsame allgemeinmilitärische Laufbahnausbildung Reserveoffiziere außerhalb des Wehrdienstes"
https://www.bundeswehrkarriere.de/reserveoffizier/160630https://www.bundeswehr.de/resource/blob/49004/e399e43993cb5899494a7955504d44cd/broschuere-reservist-ihre-zweite-karriere-data.pdf