Ein Versuch, den Krieg „messbar“ zu machen.Die RAND Corporation hat vor einiger Zeit eine Studie zu den Ursachen erfolgreicher (und erfolgloser) Counterinsurgency erstellt (Paul, Christopher/Clarke, Colin P./Grill, Beth: “Victory Has a Thousand Fathers. Sources of Success in Counterinsurgency”, RAND Corporation, Santa Monica 2010.) Diese Studie arbeitete anhand der COIN-Konflikte zwischen 1978 und 2008 (also die “modernsten” Fälle) eine Reihe positiver und negativer Praktiken und Faktoren heraus. Das Vorhandensein oder Fehlen dieser Faktoren wird durch ein Set von „Subfaktoren“ indiziert. Anschließend werden die positiven und negativen Faktoren „abgewogen“ um eine Prognose zum Ausgang des Konfliktes (COIN-Sieg oder COIN-Niederlage) zu treffen. Der Abgleich mit den historischen Fallbeispielen zeigt eine erstaunliche Belastbarkeit: ab einem Wert von Null oder darunter siegten historisch stets die Insurgenten, alle Siege der COINs hatten positive Werte (+5 und darüber). Die Methode scheint also eine hohe Zuverlässigkeit zu besitzen. Zur näheren Erläuterung siehe hier:
http://www.rand.org/pubs/monographs/2010/RAND_MG964.pdfNun wurde diese Methode auf Afghanistan angewandt. Eine Expertenkommission wurde aufgefordert, in Zusammenarbeit und anhand vorsichtiger Annahmen eine entsprechende „scorecard“ für den Konflikt (Stand Anfang 2011) zu erstellen. Es sollte sich dabei ausdrücklich um „worst case“-Annahmen handeln:
The current research effort involved developing and conducting an expert elicitation exercise to complete the scorecard for operations in Afghanistan in early 2011. A panel of 11
experts on Afghanistan were asked to make “worst-case” assessments of the scorecard factors.
Based on consensus results for the scorecard, early 2011 Afghanistan scores +3.5. This score is lower than the lowest-scoring COIN win in the past 30 years (which was +5), but it is higher than the highest-scoring loss (which was 0). This highlighted that certain factors are absent whose presence would likely increase the prospects for success.
Paul, Christopher: “Counterinsurgency Scorecard. Afghanistan in Early 2011 Relative to the Insurgencies of the Past 30 Years”, RAND Corporation, Santa Monica 2011.
http://www.rand.org/content/dam/rand/pubs/occasional_papers/2011/RAND_OP337.pdfDie einzelnen Faktoren und Bewertungen können unter diesem Link eingesehen werden.
Das Ergebnis ist nicht ganz einfach zu bewerten, da es mit +3,5 in die „empirische Lücke“ zwischen 0 und +5 Punkten fällt. Die Tendenz ist jedoch positiv, und angesichts der Tatsache, dass eben der „worst case“ angenommen wurde, könnte man mit Fug und Recht auch ein noch positiveres Ergebnis (bis zu einem gewissen Grad!) als realistisch einstufen.
Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass „militärische“ Faktoren relativ gut abschneiden, während schwarze Punkte eher politisch bedingt sind – sei es die mangelnde Kompetenz und Verlässlichkeit der afghanischen Regierung und Administration, oder der relativ ungestörte Rückzugsraum im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet – bzw. schlicht in afghanischer Verantwortung liegen. So liest sich dann auch die Empfehlung zur weiteren Verbesserung:
Of these five factors, most are things that the International Security Assistance Force
(ISAF) can do little about, directly. (…) This suggests that ISAF would do well to focus on increasing the good factors that are present (as discussed earlier), ensuring that the bad factors that are absent stay that way, and encouraging the Afghan government to increase the good factors under its control and decrease the bad factors under its control.
Mein Kommentar dazu: es ist immer schwierig, Konflikte bzw. Kriege anhand mathematisch zuverlässiger Parameter erfassen zu wollen, aber die hier gezeigte RAND-Methode kann auf eine hohe Übereinstimmung mit historischer Empirie pochen. Das Ergebnis zeigt, dass ISAF zwar schon auf dem richtigen Weg ist, allerdings noch einige Arbeit zu tun bleibt, wenn das Gewonnene nicht riskiert und verloren werden soll.