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in letzte Zeit häufen sich in  Beitragen einige identifizierbaren Daten:

 Standorte, Dienstposten, Dienstpostennummern und detailierten Beschreibungen welche angegeben werden

Denkt bitte an OPSec - und veröffentlicht nur das was allgemein ist - wir werden dies in nächster Zeit besser im Auge behalten und gegebenenfalls auch löschen

Autor Thema: Degradiert - der Soldat vor Gericht  (Gelesen 18020 mal)

Andi

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Degradiert - der Soldat vor Gericht
« am: 19. Juli 2012, 13:34:08 »

Ein ganz interessanter FAZ Artikel (eigentlich Kommentar) zum Thema Strafverfolgung beim Verdacht einer Straftat im Einsatz.

Damit stößt der Autor ins gleiche Horn, wie auch ich es gerne tue, nämlich der nicht vorhandenen Ermittlungsfähigkeiten deutscher Staatsanwälte vor Ort und der damit einhergehenden grau-, wenn nicht sogar schwarz-Zone.
Für mich steht immernoch die Frage im Raum, ob es ein rechtsstaatlich einwandfreies Verfahren geben kann, wenn die Staatsanwaltschaft dabei zu großen Teilen von den Daten abhängig ist, die sie nicht verifizieren kann. Die klassische Gegenposition ist ja, dass sie die Daten ja nicht nutzen braucht bzw. ja sowieso selbst "ermittelt" und sich ein eigenes Bild macht. Ich stelle nur pauschal in Frage, ob sie dazu ohne die Daten der Bundeswehr überhaupt in der Lage ist. Und deswegen halte ich die derzeitige Praxis auch für verfassungswidrig.

Das Problem beim Vorschlag Feldjäger zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu machen liegt aber widerum in ihrem eigentlichen Auftrag und ihrer klaren Einbindung in die militärischen Führungsstrukturen.
Die Lösung unter Mitwirkung der Feldjäger kann hier an sich nur eine (teilweise) Herauslösung aus der militärischen Struktur sein (fachliche Unterstellung unter das Bundesministerium des Innern?) und eine komplette Novelierung der Aufgaben der Feldjäger und ihrer militärischen Einbettung. Denn wo Offizialdelikte vorliegen kann dann ein fiktiver Feldjäger der Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft ist nicht bei einer Sache strafrechtlich (für einen Staatsanwalt) und bei einer anderen nur disziplinar (für einen Disziplinarvorgesetzten) ermitteln.

Diese Probleme werden m.E. von der politischen Führung vermutlich mal wieder so lange ausgesessen, bis es zu spät ist und ein Gericht entscheiden musste. - Schade - und wohl der nächste Verfassungsbruch.
Aber wenn mittlerweile die Bundeswehr trotz klarer Vorgaben im Entsendegesetz ohne Bundestagsmandat eingesetzt wird ohne dass das Konsequenzen hat wundert mich das nicht mehr wirklich. ;)

Gruß Andi
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wolverine

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Antw:Degradiert - der Soldat vor Gericht
« Antwort #1 am: 19. Juli 2012, 13:52:12 »

Ganz ehrlich finde ich das Problem in weiten Teilen konstruiert. Die StA ermittelt auch im Inland nicht selbst sondern lässt es durch die Polizeien machen. Im Einsatz sehe ich wirklich als einzigen problematischen Fall die Blutentnahme, da es ja schon interessant sein kann ob der Soldat bei der Tat alkoholisiert war oder nicht. Diese "Lüge-Aussageverweigerungsgeschichte" kommt doch nicht wirklich zum Tragen. Der Soldat wird auch im Rahmen disziplinarer Ermittlungen als Beschuldigter belehrt, dass er nichts sagen muss. Wenn er denn unbedingt lügen will, sich dabei aber an seine soldatische Pflicht gebunden fühlt, soll er hlt gar nichts sagen. Und wenn er denn gelogen hat aber hinterher dafür disziplinar belangt werden soll, wird das BVerfG das schon im Rahmen "kollidierender Pflichten" oder verfassungskonform reduziert lösen.

Interessantes Denkspiel ja aber als Problem nicht wirklich brennend.
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F_K

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Antw:Degradiert - der Soldat vor Gericht
« Antwort #2 am: 19. Juli 2012, 15:31:42 »

Mal so als Zwischenfrage:

- Über wieviele Fälle reden wir hier eigentlich?

- Wem "schadet" der derzeitige Zustand? (ggf. bekommt die ANKLAGEbehörde zu wenig Informationen - dies ist aber eher von Vorteil für einen potentiellen Täter. Da dieser "Täter" aber gerade bei Risikoeinsätzen einer guten Dienstaufsicht unterliegt, ist nicht davon auszugehen, dass hier Straftaten unenddeckt bleiben. Sind die Einsätze weniger risikobehaftet gibt es immer noch die Strafverfolgung des entsprechenden Landes, je nach Stationierungsabkommen).

Ich sehe ich also kein Problem - außer dass einige Feldjäger gerne eine echte Militärpolizei werden würden ...

(Wo ist der Verfassungsbruch?)
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wolverine

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Antw:Degradiert - der Soldat vor Gericht
« Antwort #3 am: 19. Juli 2012, 15:41:42 »

Naja, da liegt schon die interessante Denkaufgabe: Wenn man jedes "Anhalten eines KFZ" als mögliche Nötigung begreift, sind das schon einige Fälle. Aber wie gesagt: Die Brisanz vermag ich auch nicht zu sehen.
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F_K

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Antw:Degradiert - der Soldat vor Gericht
« Antwort #4 am: 19. Juli 2012, 16:19:57 »

@ Wolverine:

Selbst in Deutschland wird nicht jedes "Anhalten eines KFZ" durch die StA überprüft - und dann haben wir auch in D das Problem, dass die Ermittlungsbehörde die eigenen "Schäfchen" überprüfen darf.

Ernsthaft: Es handelt sich meiner Erkenntnis nach um eine paar Handvoll Fälle (zweistellig), wobei es nach Auskunft der Rechtsberater noch NIE zu einer Anklage gekommen ist - der Soldat hat eben ein sehr umfassendes SCHÄDIGUNGSRECHT.

Das einzige Problem ist aus meiner Sicht, dass die Politik / die Bevölkerung noch nicht verstanden hat, was es bedeutet, wenn man bewaffnete Soldaten mit einem so  umfassenden Schädigungsrecht ausstattet - dass es nämlich im Zweifelsfall einen Haufen Tote gibt - für die die Politik verantwortlich ist (und nicht der einzelne Soldat mit dem Strafrecht).
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Andi

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Antw:Degradiert - der Soldat vor Gericht
« Antwort #5 am: 19. Juli 2012, 16:24:02 »

Nein, da ist nichts konstruiert. ;)

Die Bundesrepublik Deutschland schickt deutsche Soldaten in Einsätze in denen sie - je nach Auftrag - auftragsgemäß und rechtmäßig z.B. Schädigungshandlungen gemäß HVR (welche gleichzeitig regelmäßig Straftaten nach StGB sind) durchführen. Durch die rechtmäßige Dienstausübung begehen diese Soldaten also Straftaten nach deutschen Strafgesetzen (das es dafür mutmaßlich hinreichende Rechtfertigungsgründe gibt ist ja zunächst einmal egal).
Aus gutem Grund ist eine juristische Zuständigkeit der Behörden des Aufnahmestaates im Normalfall ausgeschlossen (wenn es sie überhaupt gibt) - von hieraus kann also nicht ermittelt werden.
Gleichzeitig sind deutsche Staatsanwaltschaften verpflichtet dem Verdacht einer Straftat nachzugehen. Da es aber keine Institution gibt, die - entweder als Staatsanwaltschaft oder als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft - vor Ort ermitteln kann, werden deutsche Soldaten durch die Bundesrepublik Deutschland in eine Situation gebracht in dienstlichem Auftrag Straftatbestände zu verwirklichen ohne dass es überhaupt die Möglichkeit eines rechtsstatlichen Strafverfahrens zur Klärung etwaiger aus dieser Handlung resultierender Verdachtsmomente gibt.
Kurz: Es kann keine hierfür ausgebildete, fachlich versierte und von der Staatsanwaltschaft dafür berufene Ermittlungsperson vor Ort be- oder entlastende Beweisaufnahmen durchführen. Die Frage "Wem schadet das?" ist an sich schon ein schlechter Witz, denn natürlich schadet es dem gesamten Rechtsstaat!
Es kann keine Maßnahmen bei Verdunkelungsgefahr oder Gefahr im Verzug geben, der Soldat hat evtl. Probleme sich juristischen Beistand zu besorgen, schlimmsten falls werden be- oder entlastende Beweise vom fachlich nicht versierten (weil nicht dafür bezahlten geschweige den ausgebildeten) DV zerstört oder nicht beachtet.
Was ist überhaupt mit den handelnden Personen der Bundeswehr die Ermitteln? Die ermitteln in Disziplinarsachen, machen sich aber vielleicht durch bedingten Vorsatz einer Strafvereitelung schuldig, wenn es doof läuft (aber wer soll schon gegen sie ermitteln...). Was ist mit den Tageslaunen von Vorgesetzten, die in vorrauseilendem Gehorsam evtl. bewusst oder unbewusst Einfluss auf die Ermittlungen des DV nehmen? Was ist mit evtl. vorgeschobenen Gründen der Geheimhaltung?
An sich kann ein Staatsanwalt in Deutschland so eine Akte der Disziplinarermittlung für nicht viel mehr als den Papierkorb nutzen. Worauf also soll er seine Ermittlungen aufbauen? Zeugenaussagen? Möglichst von Soldaten die nach einer etwaigen Tat noch 3 Monate im Kampfeinsatz waren?
Nach zwei Monaten ein Ermittlerteam des BKA ins Einsatzland zu schicken ist wohl keine sinnvolle Lösung. BP und/oder BKA ständig vor Ort zu haben wäre erforderlich, aber wohl nicht durchführbar, denn den Beamten kann man einen Einsatz nicht befehlen.

In letzter Konsequenz heißt das, dass ein Soldat in dem Moment, wo er Deutschland für einen Einsatz verlässt das Recht auf einen fairen rechtsstaatlichen Strafprozess an den Nagel hängt. Und da ich keinerlei rechtliche Grundlage sehe Soldaten dieses Menschenrecht abzuerkennen kann die aktuelle Lage so nicht bleiben.
Bzw. da ich kaum Grundlagen sehe, dass ein faires Verfahren nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft überhaupt zustande kommen kann wird der Rechtsstaat ad absurdum geführt und Deutschland kann seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen gemäß HVR schlicht nicht nachkommen. Man könnte auch sagen: Soldaten haben hier einen rechtsfreien Raum bzw. ihnen wird Rechtssicherheit aberkannt.

Zitat
Ich sehe ich also kein Problem - außer dass einige Feldjäger gerne eine echte Militärpolizei werden würden ...

Oder vielleicht übersiehst du auch das Problem, dass du in unserem Rechtsstaat doch nicht so verankert bist, wie du es gern wärst. ;)
Und es ist völlig egal, wer diese Lücke schließt, aber sie hat geschlossen zu werden, denn es geht hier um den Schutz der Menschenwürde von Soldaten.

Gruß Andi
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Antw:Degradiert - der Soldat vor Gericht
« Antwort #6 am: 19. Juli 2012, 16:32:20 »

Ernsthaft: Es handelt sich meiner Erkenntnis nach um eine paar Handvoll Fälle (zweistellig), wobei es nach Auskunft der Rechtsberater noch NIE zu einer Anklage gekommen ist - der Soldat hat eben ein sehr umfassendes SCHÄDIGUNGSRECHT.

Stimmt, aber mit Rechten gehen auch Pflichten einher. Staatliches Handeln muss via Gewaltenteilung oder durch Rechtsmittel kontrollierbar sein und Streitkräfte müssen im Rahmen des Geltungsbereichs des HVR rechtsstaatlicher Kontrolle unterliegen. Beides kann hier schlicht nicht sichergestellt werden.
Entweder ist dieses System nicht realisierbar (was ich aber nicht glaube, denn andere Staaten machen es vor) oder aber die deutsche Systematik entspricht nicht international anerkannten Vorstellungen des Rechtsstatsprinzips, weil da die Ermittlungs- und Kontrollinstitution fehlt. ;)

(und nicht der einzelne Soldat mit dem Strafrecht).

Das sieht das derzeitige internationale und auch deutsche System aber anders.

Gruß Andi
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wolverine

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Antw:Degradiert - der Soldat vor Gericht
« Antwort #7 am: 19. Juli 2012, 16:36:13 »

Auch Polizisten im Inland haben Launen und vorauseilenden Gehorsam, ermitteln z. T. einseitig und vereiteln Beweise und Beweisermittlungen. Und selbst wenn ich den Generalbundesanwalt vor Ort hätte, wären die Soldaten auch dann evtl. noch "drei Tage nach der Tat im Gefecht" und auch dann - ebenso bei abgeordnete BKA-Beamten - würde die StPO nicht in AStan gelten.

Die Probleme sehe ich wohl aber die liegen nicht an irgendwelchen politischen Versäumnissen oder Gesetzeslücken sondern an der Situation an sich. In Kriegsgebieten fern ab der Zivilisation ist nun einmal schlecht ermitteln. Das wird niemand ändern können.

Die Kontrolle findet doch durch eine Justiz im Inland statt. Wo steht in internationalen Vereinbarungen und Konventionen, dass nicht durch Disziplinarvorgesetzte ermittelt werden darf? Die Ermittlungsbehörde ist immer Behörde und darum nie "gewaltengeteilt". Nur die Justiz ist unabhängig und das ist sie hier auch.

Selbst in Deutschland wird nicht jedes "Anhalten eines KFZ" durch die StA überprüft - und dann haben wir auch in D das Problem, dass die Ermittlungsbehörde die eigenen "Schäfchen" überprüfen darf.
In Deutschland gibt es dafür auch eine eindeutige Rechtsgrundlage. Das Schädigungsrecht des Soldaten wird von den RB´s so gesehen - ich teile das auch; unumstritten ist es aber nicht. Darauf hat bisher noh keine StA und kein Gericht direkt abgestellt. Die haben sich bisher alee darum herumgemogelt.
« Letzte Änderung: 19. Juli 2012, 16:41:30 von wolverine »
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Andi

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Antw:Degradiert - der Soldat vor Gericht
« Antwort #8 am: 19. Juli 2012, 16:52:28 »

Auch Polizisten im Inland haben Launen und vorauseilenden Gehorsam, ermitteln z. T. einseitig und vereiteln Beweise und Beweisermittlungen.

Das ist menschlich, aber wieder ein anderes Thema. ;) Denn Polizisten haben in diesem Kontext einen klaren Auftrag, andere Möglichkeiten und gesetzliche Pflichten. DV/FJg haben einen ganz anderen Auftrag, ganz andere Möglichkeiten und ganz andere Pflichten.

Und selbst wenn ich den Generalbundesanwalt vor Ort hätte, wären die Soldaten auch dann evtl. noch "drei Tage nach der Tat im Gefecht" und auch dann - ebenso bei abgeordnete BKA-Beamten - würde die StPO nicht in AStan gelten.

Was doch nur bestätigt, dass es hier schlicht Lücken im System gibt.

In Kriegsgebieten fern ab der Zivilisation ist nun einmal schlecht ermitteln.

Lieber schlecht ermittelt als gar nicht. Diese Argumantation ist wohl kaum mit dem Rechtsstaatprinzip in Einklang zu bringen.
Abgesehen davon ist das Feedback über die Ermittlungsberichte von Feldjägern im Einsatz seltsamer Weise immer wieder das gleiche: Top. Man kann also ermitteln...wenn man will.
Bringt aber auch nichts, wenn das ganze dann disziplinar ausermittelt ist.

Aber man muss sich ja nicht auf Gefechtshandlungen versteifen:
- Soldat A vergewaltigt Soldatin B im Camp C (und wieder ein Ärzteproblem bei der Beweissicherung),
- Soldat A beteiligt sich am örtlichen Drogen oder Menschenhandel,
- Soldat A ist Angehöriger der Einsatzwehrverwaltung und hat ein umfassendes Korruptionsnetz aufgebaut...

Das lässt sich ewig fortführen. Die WDO ist nicht dafür das Straftaten auszuermitteln. Die Bundeswehr hat kein Personal und keine Befugnisse mit solchen Vorgängen adäquat umzugehen. Und jede Minute des Nichthandelns begünstigt Straftäter, verunglimpft Opfer oder bringt sie vielleicht sogar in Gefahr.

Gruß Andi
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wolverine

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Antw:Degradiert - der Soldat vor Gericht
« Antwort #9 am: 19. Juli 2012, 17:03:14 »

In allen drei von Dir beschriebenen Konstellationen müsste zwangsläufig auch disziplinar ermittelt werden und wird es dann vermutlich auch. Im ersten Fall kann ich den Soldat A nicht zwangsweise "innerhalb der Körperöffnungen" untersuchen. Abstriche/ Fotos können gemacht werden. Das Opfer kann freiwillig beitragen (im Inland nicht anders).
Wenn ich dann sorgfältige Ermittlungsergebnisse habe, kann ich die als StA nutzen. Die letztendliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung findet im Gerichtssaal statt und das ist auch hier oft ein Jahr nach der Tat.
Ich finde das Ganze ja nicht völlig abwegig aber maßlos übertrieben. Insbesondere, dass hier kein rechtsstaatliches Verfahren stattfinden könnte. Das amerikanische Pendant einer eigenen Militärgerichtsbarkeit ist ja auch nicht völlig unumstritten. Übrigens gäbe das unsere Verfassung her, wird aber wohl politisch nicht umsetzbar sein. Und - wie gesagt - auch da gibt es Punkte, die man hinterfragen könnte.
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Antw:Degradiert - der Soldat vor Gericht
« Antwort #10 am: 19. Juli 2012, 18:13:00 »

Ich frage mich, worin nun das besonders Regelungsbedürftige liegt:

Auch bei Großeinsätzen der Polizei, z.B. Castortransporten etc. können Polizeibeamte in Verdacht geraten, Straftaten begangen zu haben. Oft gehen die Anzeigen dazu erst deutlich nach Ende ein. Da auch dort nicht durchgehend Staatsanwälte vor Ort waren, wird ganz normal ermittelt - von Polizeibeamten. Und wenn es den Staatsanwälten nicht reicht, befragen oder vernehmen sie selbst, um zu entscheiden, Anklage zu erheben oder das Verfahren einzustellen. Auch in diesem Fall ermitteln Polizisten gegen ihre in Verdacht geratenen Kollegen und dies sowohl als Grundlage für die Staatsanwaltschaft und ggf. ein Gericht, gleichzeitig sicher aber auch in dem Disziplinarverfahren.

Was, bitte ist bei den Einsätzen der Bw so exorbitant anders - außer dass die Feldjägerberichte in Amtshilfe von der Staatsanwaltschaft verwendet werden, dass es hier eine rechtsstaatliche Lücke gäbe, die außer Andi bisher weder die Bundesanwaltschaft, noch die damit befassten Staatsanwaltschaften der Länder in bisherigen Verfahren und auch noch kein deutsches Gericht sahen?
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Andi

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Antw:Degradiert - der Soldat vor Gericht
« Antwort #11 am: 19. Juli 2012, 18:17:24 »

In allen drei von Dir beschriebenen Konstellationen müsste zwangsläufig auch disziplinar ermittelt werden

Klar und wahrscheinlich wird der hauptteil der relevanten Beweise nicht gesichert. Von wem auch?

Wenn ich dann sorgfältige Ermittlungsergebnisse habe, kann ich die als StA nutzen.

Wenn ich sie habe. Der Normalfall ist eher, dass im Einsatz - bzw. der Bundeswehr - vielen Verdachtsmomenten mangels Zuständigkeit, Interesse oder was auch immer gar nicht nachgegangen wird.
Aber auf welcher Grundlage sollten diese Ergebnisse denn genutzt werden können? Und wieso haben wir eine StPO die klare Vorgaben macht, wenn sie mangels Geltung im Einsatzland zu Ermittlungsergebnissen führt die nicht den engen Grenzen der StPO entsprechen?
Der Normalfall sieht so aus, dass alles in die Tonne wandert und die Beteiligten als Zeugen vernommen werden.

Der Kamerad der im Einsatz aus Versehen seinen Kamerad erschossen hat, hätte wahrscheinlich von einem kreativen Anwalt profitieren können. Wer weiß, vielleicht hätte es mal wieder eine Rüge des EUGH gegeben...

Ich finde das Ganze ja nicht völlig abwegig aber maßlos übertrieben. Insbesondere, dass hier kein rechtsstaatliches Verfahren stattfinden könnte.

Wieso? In meinen Augen benötigt ein rechtsstaatliches Verfahren die entsprechenden Grundlagen. Und die umfassen eben saubere, zeitnahe, angemessene und umfassende Ermittlungen entsprechend ausgebildeter und befugter Personen - in unserem Land also von Polizisten und Staatsanwälten.
Und die Bundesrepublik Deutschland unterlässt es hier ganz bewusst die notwendigen Grundlagen für ein solches Verfahren bei einer Risikogruppe zu schaffen.

Das amerikanische Pendant einer eigenen Militärgerichtsbarkeit ist ja auch nicht völlig unumstritten.

Ich bin auch nicht der Meinung, dass wir soetwas bräuchten. Mir fehlt schlicht das theoretisch-rechtliche und praktisch-personelle Bindeglied rechtsstaatliche Praxis, um rechtsstaatliche Strafverfolgung bzw. Ermittlungen in Strafsachen bei Soldaten im Ausland sicherzustellen.
Und außer einen pauschalen Verweigerungshaltung bzw. Ignoranz in der Politik kann ich dafür keinen logischen Grund erkennen.

Gruß Andi
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« Antwort #12 am: 19. Juli 2012, 18:32:41 »

Auch bei Großeinsätzen der Polizei, z.B. Castortransporten etc. können Polizeibeamte in Verdacht geraten, Straftaten begangen zu haben.

Und es kann umgehend durch Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft - wegen dem Verdacht einer Straftat - eine Beweisaufnahme stattfinden und die Beteiligten können einvernommen werden.
Und da das eben im Einsatzland nicht geht ist dieses Beispiel nicht vergleichbar.

Auch in diesem Fall ermitteln Polizisten gegen ihre in Verdacht geratenen Kollegen und dies sowohl als Grundlage für die Staatsanwaltschaft und ggf. ein Gericht, gleichzeitig sicher aber auch in dem Disziplinarverfahren.

Eben, und genau das gibt die WDO nicht her, dafür ist sie auch nicht da. Zudem haben die Polizeien in Deutschland hier nicht nur andere Möglichkeiten, sondern mit dem Bereich "Innere Ermittlungen" auch völlig andere Institutionen.

Was, bitte ist bei den Einsätzen der Bw so exorbitant anders

Alles. Die Bundeswehr hat in Strafverfahren kein Ermittlungsrecht und auch keinerlei Ermittlungsaufgaben. Die Dauerpraxis Ermittlungen nach WDO in Auslandseinsätzten für Strafverfahren zu nutzen dürfte darüber hinaus noch ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz sein, denn das sieht eine klare Trennung zwischen Polizei/Staatsanwaltschaft und Bundeswehr vor.

- außer dass die Feldjägerberichte in Amtshilfe von der Staatsanwaltschaft verwendet werden, dass es hier eine rechtsstaatliche Lücke gäbe, die außer Andi bisher weder die Bundesanwaltschaft, noch die damit befassten Staatsanwaltschaften der Länder in bisherigen Verfahren

Diese Berichte haben regelmäßig nicht mal Indizienwert - egal wie gut sie sind und was die Presse draus macht. Und ich wette darauf, dass ein guter Anwalt es letztlich schaffen würde jegliche durch die Bundeswehr gesammelte Informationen oder Aussagen von beteiligten Ermittlern der Bundeswehr als nicht zulässige Beweismittel oder Indizien feststellen zu lassen. Und das schlicht deswegen, weil die Bundeswehr hier systematisch Ermittlungsaufgaben wahrnimmt, die ihr gemäß dem Grundgesetz nicht zustehen und der Vorgabe, dass es nur "disziplinare Ermittlungen" wären.

und auch noch kein deutsches Gericht sahen?

Gerichte befassen sich mit dem, was ihnen an Verfahren angetragen wird und nicht mit dem, was sie selbst an Mängeln sehen. Wäre es anders wäre das Bundesverfassungsgericht rechtgebende und rechtsprechende Gewalt in einem und Bundestag und Bundesrat könnten wir abschaffen.

Gruß Andi
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« Antwort #13 am: 19. Juli 2012, 18:55:38 »

Ich schließe mich wolverine und miguhamburg vollumfänglich an. Es gibt in kleinen Teilbereichen Probleme, wie zum Beispiel bei den Mitteln, die nach StPO erlaubt sind, jedoch nicht nach der WDo (Stichwort Blutentnahme etc.)

Alles andere ist wirklich kein Rechtsproblem, sondern durchaus lösbar. Verfassungsrechtliche Probleme gibt es nicht mal ansatzweise. Ganz im Gegenteil. Art 35 I GG gilt auch für die Kooperation zwischen Staatsanwaltschaft und Bundeswehr. Wenn Soldaten im Heimatland Straftaten begehen (zum Beispiel innerhalb einer Kaserne), dann kommt es auch hier regelmäßig vor, dass der Chef oder WDA ermittelt und der StA dann alle Unterlagen zur Verfügug stellt. Die StA klagt dann an, wenn ihr die Beweismittel ausreichen. Das ist weder im Inland noch im Ausland ein Problem.

Sowohl die Justiz wie auch die Bundeswehr sieht ebenfalls nur in kleinen Teilen Problemen, nicht aber im Großen und Ganzen. Die Zusammenarbeit in der Kette RBStOffz im Einsatz --> RB EinsFüKdo --> StA Potsdam --> zuständige StA klappt bisher gut und hat sich zwischenzeitlich auch eingespielt.

Die Aussage, dass alle Soldaten bei Kampfhandlungen Straftaten begehen, ist schlichtweg Unsinn. Der Generalbundesanwalt hat sich im Zusammenhang mit Oberst Klein wohl eindeutig dazu geäußert. Das der Tatbestand eines Tötungsdelikts erfüllt ist und erst auf der Ebene der Rechtfertigung eine Straflosigkeit eintritt, ist völlig unproblematisch. Chirurgen begehen von morgens bis abends gefährliche Körperverletzungen und werden auch nur wegen der Rechtfertigungsgründe nicht bestraft. Die schlafen deswegen auch nicht schlecht.

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miguhamburg1

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« Antwort #14 am: 19. Juli 2012, 19:31:34 »

Lieber Andi, dass Gerichte keine Gesetze formulieren, ist schon klar, auch dass sie nur dann tätig werden, wenn sie ein Antrag/Klage/Anklage erreicht, auch.

Das ist hier aber nicht das Thema gewesen. Denn es gab bereits Dutzende Ermittlungsverfahren und Anklagen, die die StA lange nach dem Geschehen aufgrund im Wesentlichen der Ermittlungen der FJg im Einsatz auf den Weg brachten. In keinem Fall wurde die Rechtmäßigkeit dieser Ermittlungen von der Justiz bemängelt oder gar als unbrauchbar empfunden. Wäre das der Fall gewesen oder wäre die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens bezweifelt worden, wäre sehr sicher etwas in Andis Hinsicht geschehen.
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