Und noch etwas gebe ich zu bedenken: niemand weiß, welche Begründung die Ausreise wirklich hat. Sprich, wenn es blöd läuft -und auf einen gewissen Anteil wird das aus meiner Sicht zutreffen- hat man da auch Putin-treue darunter oder im schlimmsten Fall sogar extra ins Ausland geschickte Kräfte.
Diese Kräfte haben russische Dienste über die letzten beiden Jahrzehnte längst ganz gezielt in europäische Staaten gebracht - grundsätzlich unterhalb des Radars der Sicherheitsbehörden, aber in jedem Fall unter dem Radar der Bevölkerung. Jetzt gezielt unter den jetzt das Land verlassenden Russen nachrichtendienstliche Kräfte nach Europa "schmuggeln" zu wollen macht kurz- bis mittelfristig wenig Sinn, da diese Personen im Focus der Sicherheitsbehörden stehen und zunächst einmal Zeit benötigen in der Masse der Gesellschaft unterzutauchen.
Die Kräfte, die die Russen in Europa haben sind mutmaßlich gut vernetzt und gut verteilt. Die Frage ist nur, ob es auch die klassischen "ND-Familien" sind oder der Schwerpunkt wirklich nur eine Bevölkerungsgruppe ist.
Für einen normalen linken Anschlag, ist es doch etwas zu professionel. Man wußte genau, wo damit annährend ganz Norddeutschland im Zugverkehr lahmgelegt ist.
Die Vernetzung wäre gar nicht das wirkliche Problem - der Weg durch die Institutionen ist auch konsperativen Gruppen (insbesondere aus dem linken Spektrum) nicht fremd. Das Problem ist - und das macht die Sache wirklich interessant - dass es hier kein Bekennerscheiben gibt. Bei politischen Straftaten ist das eher ungewöhnlich, weil politischer Terrorismus ja eine Agenda verfolgt, die verbreitet werden will. Und gerade bei einer komplexeren Aktion, wie dieser wäre es schon sehr seltsam, wenn politisch motivierte Straftäter den wichtigsten Teil ihres Tatmotivs (Beeinflussung von Sicherheitsgefühl der Bevölkerung) "vergessen".
Wenn wir es hier mit nachrichtendienstlicher Sabotage zu tun haben, dann lassen sich zwei Ableitungen vermuten:
1) die Täter waren so dumm, dass sie ein gefälschtes Bekennerschreiben "vergessen" haben, so dass der Fokus sehr schnell auf staatliche Akteure fällt oder
2) die Täter wollten mit der offensichtlichen Täterschaft eines Staates ganz bewusst den Druck auf Staat und Gesellschaft erhöhen indem sie zeigen, dass solche Anschläge jederzeit möglich sind. Gleichzeitig wollen sie damit evtl. auch darstellen, dass sie sich so sicher fühlen, dass sie polizeiliche Ermittlungen nicht fürchten.
Es kommt also nicht von ungefähr, dass Sicherheitsbehörden und Sicherheitsexperten sehr schnell den Verdacht nachrichtendienstlicher Tätigkeiten geäußert haben. Ich persönlich habe mich gewundert, dass das nicht schon früher passiert ist und dass ein so wenig kritisches Ziel, das leicht instandsetzbar ist gewählt wurde.
Gruß Andi