Ich weiß, dass Du sauer bist, dass du als Chef Deiner Meinung nach zuviel Verwaltungsarbeit machen musst, die früher andere Dienststellen gemacht haben sollen und dass du ja deswegen keine Zeit für Dienstaufsicht hast und das früher alles besser war. Das erzählst Du ja regelmäßig und dies ist ja auch Dein gutes Recht.
Ich wiederhole mich einfach mal kurz: Du umreißt das Problem offenbar nicht, das ist das Kernproblem der inneren Verfasstheit und Nichteinsatzbereitschaft der deutschen Streitkräfte...
Oder anders: Du hast keine Ahnung von der Realität der Bundeswehr!
Ich rede von einer systemischen und systematischen Aufweichung einer durch das Grundgesetz klar vorgegebenen Grenze, deren Verschiebung/Aufweichung/mittelbare Verneinung aber ganz nebenbei eben interessanter Weise auch die grundgesetzliche Auftragserfüllung der Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland mittlerweile unmöglich gemacht hat. Und das ist keine "gefühlte Wahrheit", das ist schlicht und einfach Fakt.
Und offenkundig bist du einer der Juristen - wie fast alle -, die eben einem sich selbsterhaltenden/-befruchtenden/-beschäftigenden System folgen und nicht dem unsprünglichen gesellschaftlichen/rechtlichen Zweck eines Systems - dadurch binden wird ja mittlerweile mehr als die Hälfte der staatlichen Verwaltungs- und Gerichtskapazitäten (wenn es reicht). Führt halt - wie in diesem Fall - dazu dass ein Jurist zwar bewerten will, aber den Zweck der Norm weder kennt/kennen will noch in der Lage ist diesen mit aktuellen Zuständen in Bezug zu setzen.
1. Der Staat und alle staatlichen Stellen sind an Recht und Gesetz gebunden und sie halten sich auch daran!
Du hast natürlich das Wort "grundsätzlich" um zweiten Teil des Satzes vergessen. Sonst könnten wir uns Verwaltungsgerichte und das Bundesverfassungsgericht wohl sparen.
2. Wenn sich ein Staatsbediensteter irrt und versehentlich eine rechtswidrige Entscheidung trifft, dann wird dies entweder durch die Dienstaufsicht oder durch die Justiz korrigiert. Allerdings muss es erstmal jemand wissen (wo kein Kläger, da kein Richter)
Es sei denn es ist ein systemisches Versagen, was für alle "gesetzt" ist, weil es "schon immer" so war - ein sich selbst befruchtendes Verwaltungssystem zum Beispiel.
Gerade in Deutschland für Juristen absolut prägend und normal in so einem System mitzuschwimmen. Im angelsächischen Rechtsraum wäre das eine juristische Herausforderung alles in Frage zu stellen...
Aber bei der Anzahl der in Deutschland seit 1990 für verfassungswidrig erklärten Normen kann man schon nachdenklich werden. Wie du schon gesagt hast: Das Verfassungsgericht braucht erst mal einen Input von außen...
3. Wenn tatsächlich Ministerentscheidungen verfassungswidrig sein sollten, dann wird sich entweder ein Betroffener finden, der den Fall vor die Justiz bringt oder aber die politische Opposition freut sich wie ein Keks, den Fall öffentlich machen zu können.
Wäre ja toll, wenn das so einfach wäre. Und wir haben ja schon immer unendlich viele Oppositionsparteien in Deutschland gehabt die Interesse an einer umfassend einsatzbereiten Bundeswehr gehabt hätten.
Im konkreten Fall:
Wird gegen meine Menschenwürde oder die eines anderen verstoßen, wenn ich oder andere Soldaten reine Verwaltungstätigkeiten machen müssen?
- Wohl kaum.
Habe ich eine Beschwer?
- Wohl kaum.
Kann jemand deswegen mit Aussicht auf Erfolg klagen, weil er nicht Beamter geworden ist, weil ich seinen etwaigen Job mache und es die entsprechende Stelle gar nicht gibt?
- Wohl kaum.
Gibt es überhaupt noch jemanden der überblickt wie viele Soldaten innerhalb der Bundeswehr mit Aufgaben betraut sind die nicht Aufgabe der Streitkräfte sind?
- Wohl kaum.
Haben wir hier überhaupt eine Definition was Aufgaben der Verwaltung und die der Streitkräfte der Bundeswehr sauber unterscheidet?
- Ups, nein. Höchstens ganz grob in einigen Kernbereichen (z.B. Haushaltsmittelabfluss, Waffengebrauch...). Da dachte wohl mal jemand, dass das selbsterklärend ist und das nicht notwendig wäre.
Ist die aktuelle Systemverfasstheit der Bundeswehr und des BMVg auf die Entscheidung eines einzelnen Ministers oder eine einzelne Gerichtsentscheidung zurückzuführen?
- Wohl kaum.
Besteht die Trennung zwischen Streitkräften und Verwaltung noch so, wie sie im Grundgesetz dargelegt ist?
- Wohl kaum. Es sei denn man hat so wenig Rechtsverständnis, dass man diese Vorgabe auf die reine Existenz beider Bundeswehrteile beschränkt.
Ist die Bundeswehr einsatzfähig?
- Wohl kaum.
Es kann da keinen "Kläger"/Betroffenen geben, es sei denn die Bürger der Bundesrepublik Deutschland wenden sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Nichterfüllung des einfachen Satzes: "Die Bundesrepublik Deutschland stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf."
Zum einen steht konkret in Frage, ob die deutschen Streitkräfte derzeit die Bundesrepublik Deutschland überhaupt verteidigen können und zum anderen stellt sich die Frage inwieweit Teile der Streitkräfte eben außerhalb des originären Auftrages der Streitkräfte eingesetzt werden dürfen mal ganz anders als bisher: In der Verwaltung.
Aber solange es eben ein sich selbst erhaltendes System und insbesondere Juristen ohne gesamtstaatliches und gesamtgesellschaftliches Systemverständnis gibt wird sich nichts ändern.
Im letzten halben Jahr nähere ich mich tatsächlich geistig immer mehr denjenigen an die sagen, dass die Bundeswehr nicht reformierbar ist und sie komplett aufgelöst werden muss, um sie neu wieder aufzubauen.
Aber mal realistisch: Solange es Menschen gibt (Anwesende natürlich nicht ausgeschlossen), deren ihr eigenes Hemd näher ist als alles andere und der Russe hier nicht einmarschiert wird sich nichts ändern. Strom kommt aus der Steckdose und das Geld aus dem Automaten. Prost.
Werd mit deiner Kurzsichtigkeit glücklich und reg dich über alles auf ohne es zu reflektieren. Passt schon.
Gruß Andi