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Fragen und Antworten => Allgemein => Thema gestartet von: Plattschi89 am 20. Juni 2025, 16:37:43

Titel: WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: Plattschi89 am 20. Juni 2025, 16:37:43
Ja, das ist ein valider Punkt. Allerdings muss ich einwenden, dass ich nicht den Eindruck gewonnen habe, dass sich mit meiner Eingabe (die eine Personalentscheidung und vor allem die Wahrung der Grundrechte betraf) bei der Wehrbeauftragten angemessen beschäftigt wurde.

Es führt jetzt weg vom Thema des Threads, aber es ging in der Eingabe um einen Rekruten in der Kompanie, der Probleme in der Ausbildung hatte, nach § 55 (4) SG entlassen werden sollte und sich daraufhin versucht hat, das Leben zu nehmen. Ich habe das nicht mehr mit ansehen können und den Sachverhalt nach Rücksprache mit dem Kameraden an die Wehrbeauftragte gemeldet, weil in der Einheit selbst die Situation mit ihm völlig verfahren war. Er hatte mir die Stellungnahmen des direkten und nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten zum Entlassungsverfahren gezeigt und das waren schon ,,Hausnummern", was die Ausdrucksweise und die Darstellung des Rekruten betraf. Insbesondere habe ich in der Eingabe darum gebeten, ihn per DU-Verfahren zu entlassen und nicht wegen ,,Nichteignung", ihm außerdem Besuche in der Kaserne und das Gerede über ihn zu ersparen und ihn vor allem durch ein anderes SanVersZ behandeln zu lassen, da es ihm offensichtlich nicht guttat, am Standort zu sein bzw. im SanVersZ am Standort behandelt zu werden. Die Antwort vom Platz der Republik war dann nach dem Motto ,,wir gehen davon aus, dass die Vorgesetzten ihrer Fürsorgepflicht nachkommen." Passiert ist nichts. Das fand ich schon richtig schwach und ich bin auf die Wehrbeauftragte als Institution daher auch nicht mehr gut zu sprechen. Kurze Zeit später wurde dann ein Interview mit der damaligen Wehrbeauftragten publiziert, in der sie die Wichtigkeit von Suizidprävention thematisiert und die Bundeswehr für ihren Umgang mit der Thematik lobt. Ich habe nur noch mit dem Kopf schütteln können, als ich das gelesen habe. Diese Erfahrung ist auch der Grund für meine anderen Posts hier, in denen ich ja doch eine etwas andere Perspektive auf Themen wie Depression habe als manch andere und auch schnell etwas emotional werde. Die ganze Sache beschäftigt mich nach wie vor sehr.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, "Wahlrecht DU vs Entlassung"
Beitrag von: SolSim am 20. Juni 2025, 16:50:15
Zitat von: Plattschi89 am 20. Juni 2025, 16:37:43Ja, das ist ein valider Punkt. Allerdings muss ich einwenden, dass ich nicht den Eindruck gewonnen habe, dass sich mit meiner Eingabe (die eine Personalentscheidung und vor allem die Wahrung der Grundrechte betraf) bei der Wehrbeauftragten angemessen beschäftigt wurde.

Es führt jetzt weg vom Thema des Threads, aber es ging in der Eingabe um einen Rekruten in der Kompanie, der Probleme in der Ausbildung hatte, nach § 55 (4) SG entlassen werden sollte und sich daraufhin versucht hat, das Leben zu nehmen. Ich habe das nicht mehr mit ansehen können und den Sachverhalt nach Rücksprache mit dem Kameraden an die Wehrbeauftragte gemeldet, weil in der Einheit selbst die Situation mit ihm völlig verfahren war. Er hatte mir die Stellungnahmen des direkten und nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten zum Entlassungsverfahren gezeigt und das waren schon ,,Hausnummern", was die Ausdrucksweise und die Darstellung des Rekruten betraf. Insbesondere habe ich in der Eingabe darum gebeten, ihn per DU-Verfahren zu entlassen und nicht wegen ,,Nichteignung", ihm außerdem Besuche in der Kaserne und das Gerede über ihn zu ersparen und ihn vor allem durch ein anderes SanVersZ behandeln zu lassen, da es ihm offensichtlich nicht guttat, am Standort zu sein bzw. im SanVersZ am Standort behandelt zu werden. Die Antwort vom Platz der Republik war dann nach dem Motto ,,wir gehen davon aus, dass die Vorgesetzten ihrer Fürsorgepflicht nachkommen." Passiert ist nichts. Das fand ich schon richtig schwach und ich bin auf die Wehrbeauftragte als Institution daher auch nicht mehr gut zu sprechen. Kurze Zeit später wurde dann ein Interview mit der damaligen Wehrbeauftragten publiziert, in der sie die Wichtigkeit von Suizidprävention thematisiert und die Bundeswehr für ihren Umgang mit der Thematik lobt. Ich habe nur noch mit dem Kopf schütteln können, als ich das gelesen habe. Diese Erfahrung ist auch der Grund für meine anderen Posts hier, in denen ich ja doch eine etwas andere Perspektive auf Themen wie Depression habe als manch andere und auch schnell etwas emotional werde. Die ganze Sache beschäftigt mich nach wie vor sehr.

Wenn Sie nicht selber direkt betroffen sind, wird das Büro des Wehrbeauftragten Ihnen gegenüber immer unverbindlich auftreten.

Dennoch können Sie davon ausgehen, dass auch diese Sachverhalte angemessen geprüft werden. Was passiert in so einem Fall?

Der\Die Wehrbeauftragte erstellte zu einem Sachverhalt eine Anfrage an den zuständigen Disziplinarvorgesetzten und fordert diesen zu einer umfangreichen Stellungnahme auf (U.a. wird auch ein auf den Fall bezogener detalierter Fragenkatalog und eine enge Terminsetzung zur Beantwortung gesetzt). Allein das beschäftigt schon den DV und auch ein/zwei von ihm beauftragte Offiziere mir Ermittlungen.

Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, "Wahlrecht DU vs Entlassung"
Beitrag von: wolverine am 20. Juni 2025, 17:06:17
Ojeh, wo soll ich anfangen ...

Eingaben "für andere" sind schon per se ein Problem und grundsätzlich unzulässig.

Wenn jemand nun einmal nicht geeignet ist, wird er als nicht geeignet entlassen. Man kann doch nicht korrekte Bewertungen nach belieben verändern. DAS wäre unzulässige Willkür.

Gleiches gilt für örtlich Zuständigkeiten. Wenn ein Arzt/ SanVersZ zuständig ist, kann man nicht woanders hinschicken. Wenn genau dieser Punkt medizinisch relevant ist, muss das der behandelnde Arzt klären. Nicht aber der WBdBT.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, "Wahlrecht DU vs Entlassung"
Beitrag von: Plattschi89 am 20. Juni 2025, 17:27:53
@wolverine

(1) Schauen Sie mal in das WBeauftrG und nennen Sie mir bitte die Rechtsgrundlage dafür, dass Eingaben für andere unzulässig seien.

(2) Wer stellt eine Nichteignung unumstößlich fest? Sind Kompaniechef und Bataillonskommandeur unfehlbar? Was bedeutet ,,Nichteignung" überhaupt? Worauf ich hinaus möchte: Man hätte dem Kameraden mit einer Versetzung in einen anderen Dienstkontext helfen können. Er war für die Verwendung im Heer nicht geeignet, aber man hätte ihn in einem weniger ,,grünen" Kontext einsetzen können. Das war offensichtlich. Prinzipen hinter einer Versetzung: Fürsorge, Kameradschaft und (leider in der Bundeswehr meiner Erfahrung nach sehr selten) Mitmenschlichkeit.

(3) Selbstverständlich kann ein Soldat auf Antrag beim zuständigen Sanitätsunterstützungszentrum in einem anderen SanVersZ behandelt werden. Dem Antrag muss halt stattgegeben werden.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, "Wahlrecht DU vs Entlassung"
Beitrag von: F_K am 20. Juni 2025, 17:36:39
Offtopic:

Platschi:

Man sollte Gesetze lesen und verstehen können - der 7ner ist ein PERSÖNLICHES Recht, jeder Soldat kann dies für SICH in Anspruch nehmen - aber eben nicht für andere / Dritte Soldaten.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, "Wahlrecht DU vs Entlassung"
Beitrag von: Plattschi89 am 20. Juni 2025, 17:41:56
Natürlich kann ich eine Eingabe schreiben, die einen Sachverhalt betrifft, der jemand anderes belastet. Ich habe ja nicht in seinem Namen geschrieben. Wissen Sie, wie es dem Kameraden damals ging? Wie kann man so wenig Mitgefühl haben? Was hätten Sie denn gemacht? Weg geschaut?
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, "Wahlrecht DU vs Entlassung"
Beitrag von: F_K am 20. Juni 2025, 17:48:31
@ Platschi:

Nein, ich habe keine Sachkenntnis von dem Einzelfall.

Alleine die Idee, "statt" fehlender Eignung auf DU "zu wechseln", zeigt ein fehlendes Sach- und Rechtsverständnis.

"Melden" mag man ja alles können - bringt halt manchmal wenig, wenn keine Zugriffsrechte auf den Vorgang hat.

Beschwerden sind halt eine persönliche Sache, und viele Rechtsmittel sind ebenfalls persönlich - also unterstützt man Kameraden in der Wahrnehmung IHRER Rechte.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, "Wahlrecht DU vs Entlassung"
Beitrag von: Plattschi89 am 20. Juni 2025, 17:58:22
Es gibt Fälle, wo beide Entlassungsmöglichkeiten [,,DU-Verfahren" und 55 (4)] möglich sind. Wenn Sie beispielsweise jemanden haben (wie in dem Fall hier), der die SGA nicht besteht, weil er über längere Zeit krank zu Hause geschrieben ist. Dann kann der DV sagen, ich stelle einen Antrag auf 55 (4) oder ich warte eben, bis was vom Truppenarzt kommt. Korrigieren Sie mich, falls ich das falsch sehe.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, "Wahlrecht DU vs Entlassung"
Beitrag von: KlausP am 20. Juni 2025, 18:02:46
Sie haben recht, im steht  explizit nichts darüber, dass man keine Eingabe, einen anderen Soldaten und den Umgang mit ihm betreffend, schreiben kann/darf.
Bevor jetzt wieder ein total schlauer Oberlehrer um die Ecke kommt (Zei läuft ... ): Ja, in der WBO ist das für eine Beschwerde ausgeschlossen. ABER: Eine Eingabe an den WBdBT ist nun mal keine Beschwerde nach der WBO sondern ein Eingabe nach dem Wehrbeauftragtengesetz.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, "Wahlrecht DU vs Entlassung"
Beitrag von: Plattschi89 am 20. Juni 2025, 18:10:51
Zitat von: KlausP am 20. Juni 2025, 18:02:46Sie haben recht, im steht  explizit nichts darüber, dass man keine Eingabe, einen anderen Soldaten und den Umgang mit ihm betreffend, schreiben kann/darf.
Bevor jetzt wieder ein total schlauer Oberlehrer um die Ecke kommt (Zei läuft ... ): Ja, in der WBO ist das für eine Beschwerde ausgeschlossen. ABER: Eine Eingabe an den WBdBT ist nun mal keine Beschwerde nach der WBO sondern ein Eingabe nach dem Wehrbeauftragtengesetz.

Vielen Dank für die gute Klarstellung! Exakt so sehe ich den Sachverhalt auch.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, "Wahlrecht DU vs Entlassung"
Beitrag von: F_K am 20. Juni 2025, 19:46:30
Offtopic:

Nunja, win Rechtsanwalt / StOffz, der truppenseitig Eingaben / Beschwerden bearbeitet, hat seine Sichtweise dargestellt - ich sehe dies auch so.

Trennung:

Eine Erkrankung ist keine Basis für 55/4, und einige Wochen Krank keine Basis für ein DU Verfahren, Lehrgang hin oder her - die Entlassung ist daher SICHER anders begründet worden.

Ist die Entlassung erfolgt? Wurden Rechtsmittel eingelegt? Mit welchem Ergebnis?

Vermutlich ist der "Fall" ohne Rechtsmittel rechtskräftig geworden ...
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, "Wahlrecht DU vs Entlassung"
Beitrag von: Plattschi89 am 20. Juni 2025, 20:12:18
Ich eröffne einen neuen Thread in dieser Sache.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: Ralf am 21. Juni 2025, 05:29:03
Zitat von: Plattschi89 am 20. Juni 2025, 20:12:18Ich eröffne einen neuen Thread in dieser Sache.
Das habe ich erledigt.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: Plattschi89 am 21. Juni 2025, 16:21:51
Vielen Dank für die hilfreiche Restrukturierung, Ralf!

Entschuldigung, dass es mit meiner Antwort ein wenig gedauert hat, aber ich habe mit dem (ehemaligen) Kameraden erst Rücksprache gehalten, ob ich seine Geschichte hier wiedergeben darf. Außerdem habe ich ihn noch nach dem Wortlaut der Stellungnahmen zu seiner geplanten Entlassung gefragt (s.u.).

Disclaimer: Ich bin mit dem in Rede stehenden ehemaligen Soldaten befreundet und schätze ihn menschlich sehr. Wie bereits von SolSim im Kontext der Eingabe richtig beschrieben, habe ich als nicht direkt Betroffener in der Sache nie detaillierte Informationen oder Aussagen vom DV oder der WBdB bekommen (was ja auch aus Gründen der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes absolut sinnvoll und korrekt ist). Daher ist meine Perspektive natürlich primär durch die Bekanntschaft mit ihm und die von ihm erhaltenen Angaben geprägt. Trotzdem habe ich versucht, die Sache möglichst objektiv zu beschreiben.

Kurz zu mir: Ich habe mich nach dem Abitur als Mannschafter verpflichtet und wurde vor allem als Hilfsausbilder und Zugsoldat eingesetzt. Mein Plan war es ursprünglich, mich als OA zu bewerben, habe es dann aber gelassen und studiere nun zivil auf Gymnasiallehramt. In der Oberstufe hatte ich einen ziemlich guten Geschichtslehrer. Daraufhin habe ich begonnen, mich für (Militär-)Geschichte zu interessieren. Besonders die Kavallerie hatte es mir angetan, somit habe ich mich auch für die Heeresaufklärungstruppe beworben (und wurde dort auch eingesetzt).

Ich bin mit etwas gespaltenen Gefühlen aus der Bundeswehr ausgeschieden. Auf der einen Seite gab es bei den Aufklärern coole Ausbildungen (an die eigenen Grenzen gehen etc.) und auch immer wieder das Gefühl von Kameradschaft und Zusammenhalt. Gerade während meines aktuellen Studiums in der Retrospektive sehe ich auf der anderen Seite aber auch (zum Teil strukturelle) Probleme am Standort. Besonders der Alltag im Regeldienst war für mich und andere zum Teil einfach nur Zeit totschlagen (und auf dumme Ideen kommen). Am gravierendsten wiegt jedoch die Geschichte, um die es hier geht und die mich auch noch mehr als vier Jahre nach DZE immer noch beschäftigt. Mir ist bewusst, dass mir hier niemand die Absolution erteilen kann und wird, aber ich fühle mich halt trotzdem verantwortlich.

Mit der Darstellung geht es mir zum einen darum, die Sache zu kommunizieren, da ich es wichtig finde, dass die Bundeswehr sich im Hinblick auf ihren Umgang mit seelischen Problemen und der Thematik ,,Suizid(alität)" verändert. Über eine Recherche zu diesen Themen bin ich auch auf dieses Forum gestoßen (vgl. meine älteren Posts). Zum anderen hat mich der in Rede stehende junge Mann gebeten, hier Rückmeldungen von Fachkundigen, die nicht direkt involviert waren, zu seinem Fall einzuholen und ihm vor allem zu sagen, ob es Chancen für eine Rehabilitierung gibt. Ich habe eben mit ihm telefoniert, und er hat mich unter Tränen gebeten, diese Frage hier zu stellen, da er sich eine Rehabilitierung sehnlich wünscht. Auch frage ich mich, ob ich damals mehr für ihn hätte tun können oder sogar müssen.

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass der junge Mann wirklich am Boden zerstört ist und darum bitte, mit ihm (und auch mir) respektvoll umzugehen (es ist möglich, dass er sich die Antworten anschaut). Die ganze Angelegenheit ist umgangssprachlich formuliert doch schon ziemlich ,,heftig", und ich werde bei ihr auch schnell emotional. Ich möchte mich auch bei F_K entschuldigen, dass ich ihm oben mangelndes Mitleid vorgeworfen habe. Ich kenne Sie, F_K, nicht persönlich, schätze aber Ihre hier immer wieder unter Beweis gestellte langjährige Erfahrung als Soldat und möchte Sie (und alle anderen) dazu einladen, sich zu der von mir geschilderten Sache respektvoll und konstruktiv auszutauschen.

Es folgt die Schilderung, nach bestem Wissen und Gewissen von mir wiedergegeben:

Der Kamerad hat sich nach Abschluss des Studiums und begonnener Promotion als ROA beworben. Nach erfolgreich abgeschlossenem Assessment-Center wurde er als SaZ 2 bei den Heeresaufklärern eingestellt. Die GA absolvierte er in der 5. Kompanie eines Heeresaufklärungsbataillons, die an einem Panzergrenadierstandort (also nicht am ,,Stammstandort") stationiert war und ist. Nach der bestandenen GA wurde der Rekrut zu mir in die 2. Kompanie desselben Heeresaufklärungsbataillons an den ,,Stammstandort" versetzt.

In der SGA zeigte sich, dass der junge Mann extrem talentiert war, was alle intellektuellen Ausbildungsinhalte betraf. Im (theoretischen) Unterricht arbeitete er mit Begeisterung mit, stellte gute Fragen etc. Auch bei grobmotorisch fordernden Inhalten (Ausdauerlauf etc.) gehörte er zur leistungsmäßigen Spitzengruppe des Zuges. Demgegenüber stand eine völlige feinmotorische Unbeholfenheit. Umgangssprachlich formuliert hatte er ,,zwei linke Hände und an diesen auch nur Daumen". Der Umgang mit den Handwaffen, aber auch das schnelle Packen des Rucksacks etc. waren für den Kameraden nur sehr schwer umzusetzen.

Er begann auch im Laufe der SGA immer mehr zu zittern. Ich habe ihn einmal gefragt, was genau das Problem ist. Er meinte, dass er riesigen Respekt vor den Waffen hätte und in Anbetracht seiner großen Verantwortung als Einzelschütze Angst hätte, Fehler zu machen. Am schlimmsten sei jedoch für ihn das Gefühl, den Zug aufzuhalten und den Ausbildungsfortschritt bzw. Ausbildungserfolg der anderen zu gefährden. Es wurde schließlich so schlimm, dass er einmal angefangen hat zu weinen, als er in den Anschlag gehen sollte.

Hinzu kam der Charakter des jungen Mannes: Er war (bzw. ist) so ein Mensch, ,,der einfach zu gut für die Welt ist". Als Beispiel ist mir noch in Erinnerung, wie einmal einem anderen, ihm nicht bekannten Soldaten in der Truppenküche ein Glas vom Tablett rutschte. Der junge Mann stand von seinem Essen auf und half dem Kameraden, die Reste aufzuwischen. Ein anderes Mal teilte der Gruppenführer nach einer besonders anstrengenden Übung im Gefechtsdienst eine Tafel Schokolade unter dem Zug auf. Ohne zu zögern gab der junge Mann sein Stück einem anderen Ausbildungsteilnehmer, der ihm zuvor geholfen hatte. Kurzum: Er war (bzw. ist) ein richtig feiner Kerl, den ich persönlich enorm schätze.

Besonders beeindruckt hat mich, dass er nie den Fehler bei anderen gesucht hat und sich auch nicht hängen ließ. Er hat es wirklich gewollt und auch wirklich versucht. Es kam mir so vor, als ob jemand mit voller Geschwindigkeit immer wieder gegen dieselbe Wand läuft, wieder aufsteht und neu Anlauf nimmt (nur leider stets aufs Neue ohne Erfolg). Einmal habe ich nach Dienstschluss mit ihm geredet, und dann hat er mir erneut gesagt, dass er so Angst habe, die anderen zu belasten und aufzuhalten. Das Schlimmste sei für ihn nicht, individuell ,,bestraft" zu werden, sondern dass der Zug wegen ihm kollektiv Probleme bekommen könnte. Auch bezeichnete er sich selbst als ,,Versager" und ,,minderwertig". Da habe ich das erste Mal geahnt, dass die ganze Sache noch richtig problematisch werden könnte.

Die Situation in der SGA wurde für ihn immer schwieriger. Ich erinnere mich an folgende Situation: Nach einer Ausbildung am Ende, kurz vor Dienstschluss, sollten alle im Zug ihre Rucksäcke packen und sich aufstellen. Alle standen in Formation, bis auf den Rekruten, der zunehmend zitternd seine Sachen in den Rucksack presste (es war ein bewusst vollgepackter Rucksack mit NATO-Rolle etc.). Ein anderer Ausbildungsteilnehmer wollte ihm helfen, doch wurde vom Zugführer zurückgehalten, der sagte: ,,Er muss es selber lernen." Sie können sich vorstellen, wie das für den jungen Mann gewesen sein muss. Alle wollten nur in den Dienstschluss und unter die Dusche, und er bekam nicht einmal den Rucksack gepackt. Ich kann sogar den Zugführer auch verstehen. Man muss als Soldat [und insbesondere (Reserve-)Offizier] seine Ausrüstung im Griff haben, insbesondere unter Stress. Aber ist es eine Lösung, in so einer Lage mit kollektivem Druck zu operieren?

Dem Rekruten wurde schließlich ein individuell für ihn zuständiger Ausbilder zur Seite gestellt. Es war wohl so, dass der Rekrut sich an den Truppenarzt gewandt hatte. Dieser hatte im Beisein des Rekruten den Kompaniechef angerufen, woraufhin dieser wiederum einen ,,persönlichen Ausbilder" abstellte. Dabei handelte es sich um einen in der Reserve zum Oberfeldwebel ausgebildeten OA, der somit einerseits die Ausbildung mit durchlief, aber andererseits auch bei der Ausbildung mitwirkte. Das Problem war, dass dieser Oberfeldwebel eine ganz klare Meinung zu dem jungen Mann hatte: Er sei nicht geeignet, und es sei nun die Aufgabe der Ausbilder und Vorgesetzten, ihm das deutlich zu machen, damit er den Widerruf ziehe, solange es noch möglich sei. Ich habe den Rekruten auch gefragt, ob das nicht vielleicht eine Option wäre, da er sich ja offensichtlich unwohl fühle und viel leiden würde. Er entgegnete, dass er es sich doch so wünsche, Reserveoffizier zu werden, er freue sich so sehr auf die OSH, und ihm würde das Gefühl so guttun, (zur militärischen Gemeinschaft) dazuzugehören. Ich kann mich erinnern, wie er einmal beim Drei-Kilometer-Lauf die beste Zeit des Zuges lief (knapp über 12 Minuten). Ein Ausbilder kam auf ihn zu, klopfte ihm auf die Schulter und sagte: ,,[Name], Maschine!" Auch die anderen im Zug schauten ihn mit Respekt an. Ich habe selten jemanden so glücklich und stolz gesehen.

Auch habe ich dem Soldaten vorgeschlagen, doch einen Antrag auf Versetzung einzureichen. Ich war mir nicht sicher, ob es in der SGA möglich ist, in eine andere ROA-Verwendung zu wechseln (das wäre eine Frage an die Perser hier), aber ich schlug ihm vor, dass er in jedem Fall einen Antrag auf Wechsel in die Laufbahn der Mannschaften stellen könnte und beispielsweise als OG/HG in der Luftwaffe oder im CIR seine zweijährige Dienstzeit in Würde und ohne diese Qualen zu Ende bringen könne. Er entgegnete, dass er Angst habe, dass sein Antrag in der Kompanie als Affront gewertet werden könne, und er auch so unfassbar stolz auf die silbernen Litzen sei.

Allen Beteiligten wurde bewusst, dass es so nicht mehr weitergehen konnte, als der Soldat von dem Oberfeldwebel wieder einmal heftig angegangen wurde. Schon vorher habe ich gesehen, dass der Oberfeldwebel ihm zum Teil richtig grob die Hand an der P8 ,,in Form drückte". Nun brüllte der Oberfeldwebel ihn an: ,,Was ist das für eine Sch**** wieder mit Ihnen? Sie haben mich abgeschwenkt." Ich habe die Szene selbst nicht gesehen, aber habe die starke Vermutung, dass der Rekrut den Oberfeldwebel nicht abgeschwenkt hat. In jedem Fall steckte der junge Mann die P8 zurück in das Holster und begann stark zu zittern und zu weinen. Er war komplett ,,durch" und überfordert.

Daraufhin wurde ihm nahegelegt, sich erneut beim Truppenarzt zu melden. Dieser schickte ihn in eine FU VI, wo bereits nach zwei Terminen die Vergabe einer VI 13 und die Einleitung eines DU-Verfahrens empfohlen wurde. Zwischenzeitlich wurde der Kamerad im Status ,,krank zu Hause" geführt. Beim Antreten fragte dann jemand mal: ,,Wo ist denn eigentlich [Name]?" und jemand anderes meinte leicht spöttisch: ,,Na ja, wahrscheinlich halt KzH bis DZE." Später erfuhr ich dann, dass der Soldat im Krankenhaus war, nachdem er sich in der FU VI selbst verletzt hatte. Was mich besonders betroffen gemacht hat, war, dass er keinen Besuch aus der Einheit erhielt, nicht mal eine Karte oder Genesungswünsche, gar nichts. Die Ausbildungsteilnehmer und ich wussten nicht, dass er im Krankenhaus lag (was ja wie oben beschrieben aus Gründen auch nachvollziehbar ist), aber warum vom DV oder Zugführer da nichts kam, das finde ich schon bedenklich.

Bei dem folgenden Teil habe ich nur Kenntnis auf Basis der Angaben des Kameraden. Ich halte ihn allerdings für sehr integer und die Angaben daher auch für glaubwürdig. Aus dem Krankenhaus schrieb er eine E-Mail an den Bataillonskommandeur und flehte ihn an, ihn zu versetzen. Er hatte einen Studienhintergrund in Regionalstudien Osteuropa und Geographie, sprach mehrere Fremdsprachen und wollte ins ZGeoBw oder ins ZMS. Der Kommandeur hat ihm wohl sinngemäß geantwortet, dass es sein Auftrag sei, erst einmal gesund zu werden, und danach könne man gegebenenfalls über eine Versetzung reden. Das Bataillon könne im Moment nichts für ihn tun, da das primär eine medizinische Angelegenheit sei. Er würde sich aber für eine wehrpsychiatrische Begutachtung einsetzen.

Diese wurde dann auch tatsächlich durchgeführt, und zwar in der FU VI im BWK Berlin. Sorry, dass ich jetzt meine Meinung hier deutlich mache, aber die FU VI im BWK Berlin hatte bei uns einen sehr eindeutigen Ruf. Ich war daher auch überhaupt nicht überrascht, dass der Kamerad nach eineinhalb Tagen mit der Polizei von dort in die Charité überführt wurde, da er versucht habe, sich etwas anzutun. Er weist dies bis heute zurück und sagte mir, dass er lediglich den Ärzten gegenüber geäußert hätte, dass die Entlassung aus der Bundeswehr eine Katastrophe sei und er nicht mehr weiterwisse. Das hat wohl schon ausgereicht, um ihn abholen zu lassen. Ich habe auch andere Erfahrungsberichte über die FU VI im BWK Berlin gehört und muss sagen, dass das für mich ins Bild passt.

Aus diesen Entwicklungen ergab sich eine Bestätigung der Gradationsziffer VI 13. Zwischenzeitlich war die SGA beendet und auch die Probezeit des Soldaten abgelaufen, sodass er nicht mehr so einfach entlassen werden konnte. Kompaniechef und Truppenarzt standen dann wohl in Austausch zueinander (hätte nicht eigentlich hier das S-Blatt vom Zentrum für Innere Führung zum Einsatz kommen müssen? Es ist wohl keines in der Akte des Soldaten zu finden). Sie beschlossen, ihn nicht per ,,DU-Verfahren", sondern nach § 55 (4) SG zu entlassen. Ausschlaggebend seien Fürsorgegründe. Der Soldat sei intellektuell leistungsfähig und könne im Zivilleben einen Job ergreifen. Das ,,DU-Verfahren" würde wahrscheinlich sehr lange dauern. Bei einer verbleibenden Restdienstzeit von 18 Monaten würde sogar die Gefahr bestehen, dass das Verfahren vor DZE nicht abgeschlossen werden könne. Daher hätte man sich für die Entlassung nach § 55 (4) SG entschieden.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: Plattschi89 am 21. Juni 2025, 16:24:31
(Fortsetzung)

Der Kompaniechef legte ihm folgende Stellungnahmen vor:

Kompaniechef:

Begründung des antragstellenden Disziplinarvorgesetzten:

OG ROA [Name] war Teilnehmer in der Spezialgrundausbildung im IV. Quartal bei [Einheit], die er nicht erfolgreich abschließen konnte.

Insbesondere in der Handwaffenausbildung zeigte sich, dass OG ROA [Name] einen stark auffällig unbeholfenen und vor allem unsicheren Umgang mit den Handwaffen aufwies. Im Zuge dieser Auffälligkeiten wurde OG ROA [Name] bei dem zuständigen Truppenarzt und weiterführend bei fachärztlichen psychiatrischen Begutachtungen vorstellig.

Im Dezember führte die Konfrontation mit der Dienstunfähigkeit zu Suizidgedanken.

[Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes paraphrasiere ich die folgenden zwei Absätze: Es geht um die genauen Daten der Krankenhausaufenthalte des Kameraden und seine Suizidgedanken. Der Kamerad fragt sich bis heute, woher der Kompaniechef darüber Bescheid wusste. Er hat ihm das nie kommuniziert.]

OG ROA [Name] ist aus meiner – rein truppendienstlichen Sicht – in seinem derzeitigen Gesundheitszustand nicht für den Dienst als Soldat geeignet. Seine intellektuelle Leistungsfähigkeit ist unbenommen, der handwerkliche Umgang mit Waffen und Gerät sowie die Umsetzung taktischer Grundsätze des Einzelschützen können von dem Soldaten jedoch nur sehr begrenzt bis gar nicht umgesetzt werden. Mitunter stellt dies, gerade bei Schießvorhaben, eine Selbst- und Fremdgefährdung dar. Unter Aufbietung aller Möglichkeiten bis hin zur ,,Individualbetreuung" bei Ausbildungsabschnitten wurde versucht, den Kameraden ,,mitzuziehen". Auch dies blieb leider erfolglos.

Daher beantrage ich die Entlassung des Soldaten, da er die Voraussetzungen, die seine Laufbahn an ihn stellt, nicht erfüllen kann.

Ort/Datum
Signatur

Bataillonskommandeur:

Stellungnahme der/des nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten:

Ich stütze den Antrag des Kompaniechefs mit Nachdruck. Aus eigenem Erleben und in guter Kenntnis der Gesamtsituation komme ich zum selben Urteil: OG ROA [Name] ist für jegliche Form von Dienst als Soldat ungeeignet.

Intellektuell zwar unstrittig begabt, gelingt es ihm jedoch nicht einmal im Ansatz, die einfachsten Tätigkeiten eines Einzelschützen umzusetzen. Sein Verhalten bewegt sich hier zwischen absoluter Unsicherheit, völliger Überforderung und spür-/sichtbaren Angstzuständen – körperlich wie kognitiv.

Dies kann weder durch Ausbildung noch durch Erfahrung oder Erziehung wettgemacht werden und stellt für Kameraden und Vorgesetzte vielmehr eine Gefährdung und schwerwiegende Belastung dar.

Ich halte OG ROA [Name] selbst für die Ausübung rein administrativer Tätigkeiten für ungeeignet, da ihm ganzheitlich für jede Art des soldatischen Dienstes die Voraussetzungen fehlen. Selbst einem Laien erschließt sich dies ohne dezidierte Kenntnis medizinischer Sachverhalte.

Ich bitte um Entlassung auf schnellstmögliche Art.

Ort/Datum
Signatur


Am Abend nach der Offenbarung dieser Stellungnahmen kam es zu einem Suizidversuch des Kameraden.

Entschuldigung, dass ich hier etwas deutlicher werde, aber mir fehlen bei diesem Vorgehen die Worte.


Ich habe den Kameraden danach einmal wiedergetroffen, als er zum Truppenarzt ging, um sich krankschreiben zu lassen. Ich dachte, dass ich mit einer lebenden Leiche rede. Der junge Mann war gebrochen. Ich verzichte auf Details, weil das nicht in ein öffentliches Forum gehört, aber das kann und werde ich nicht vergessen, was man mit ihm gemacht hat und wie er damals aussah.

Genau unter diesem Eindruck stehend habe ich mich an die Wehrbeauftragte gewandt und gebeten zu prüfen, ob er versetzt werden könne oder zumindest nicht mehr an diesem Standort behandelt werden müsse. Der ihn behandelnde Truppenarzt an dem Standort galt als charakterlich ausgesprochen schwierig und machte auch keinen Hehl daraus, nicht an diesem Standort sein zu wollen. Er ging wohl sogar den Kompaniechef an und warf diesem vor, ,,gepennt" zu haben, da er den Rekruten nicht während der Probezeit entlassen hätte und er als Truppenarzt nun die Arbeit damit hätte. Wie bereits oben beschrieben, bekam ich lediglich eine völlig generische Antwort mit der Kernaussage: ,,Lassen Sie die Disziplinarvorgesetzten und den Truppenarzt ihre Arbeit machen. Sie werden ihrer Fürsorgepflicht nachkommen." Danke für nichts, liebe Wehrbeauftragte!

Nach dem Suizidversuch des Kameraden änderte der Kompaniechef sein Verhalten und legte den Entlassungsantrag auf Eis. Der junge Mann brachte zum Ausdruck, dass er nicht mehr am Standort sein möchte. Zwischenzeitlich war er auch richtig vom Truppenarzt angefahren worden, weil er beim Arztbesuch nur weinte und kein Wort herausbrachte. Laut Aussage des jungen Mannes sagte der Truppenarzt damals zu ihm: ,,Sie stellen Ihre Nichteignung immer wieder eindrucksvoll aufs Neue unter Beweis."

Auf Grundlage des abgeschlossenen Studiums fragte der Kompaniechef beim ZGeoBw in Euskirchen nach einem Praktikum für den Kameraden an. Nach ca. zwei Monaten erhielt der Kompaniechef die Absage. Man könne mit dem jungen Mann nicht arbeiten, aufgrund seiner Gesundheitsziffer. Diese würde einen Zugang zum PC (und auch das Führen von Dienst-Kfz und den Umgang mit Waffen) ausschließen. Heute hat mir der junge Mann erzählt, dass ihn diese Nachricht noch heute trifft, vor allem deswegen, dass sie ihm nicht persönlich, sondern nur über den Disziplinarvorgesetzten kommuniziert wurde. Das ZGeoBw hat ihn nicht einmal an den Standort eingeladen.

Schließlich organisierte sich der Kamerad eigenständig Gesprächstermine beim Truppenpsychologen der Brigade. Dort berichtete er, wie viel Angst er vor der Entlassung habe. Der Psychologe kam auf die Idee, einen Antrag auf eigene Entlassung (,,Dienstzeitverkürzung") zu stellen. Der Kompaniechef und der junge Mann verständigten sich dann auch tatsächlich auf diesen Weg, und der Kamerad schied nach 13 Monaten Dienstzeit als OG aus. Der Dienstgradzusatz ,,ROA" wurde ihm aberkannt, da er die Ausbildung nicht beendet habe. Er fühlt sich bis heute deswegen degradiert.

Nach Ende seiner Dienstzeit studierte der junge Mann Geoinformatik und schloss dieses zusätzliche Studium mit einem Master ab. Nach Abschluss des Studiums hat er Deutschland verlassen, da er ein Leben hier nicht mehr erträgt. Vor allem die aktuellen Diskussionen über die Reaktivierung der Wehrpflicht, die personelle Ausstattung der Bundeswehr, den gewünschten Aufwuchs der Reserve etc. belasten ihn sehr. Er fühlt sich nicht gebraucht und ,,fortgejagt" (laut eigener Aussage).

Auf Basis seines Studiums der Geoinformatik hat er sich im letzten Jahr noch einmal an das ZGeoBw gewandt. Dort hatte man dann tatsächlich Interesse an ihm. Er berichtete mir, dass er so sehr auf ein gutes Ende gehofft hatte. Doch das nun zuständige Karrierecenter in Düsseldorf wies den Antrag des ZGeoBw auf Reservistendienst auf Aktenlage zurück. Es kam auch zu keiner neuen Musterung. Das Karrierecenter vertritt die Auffassung, dass die bei Entlassung vorliegende Erkrankung (schwere depressive Episoden) und die damit verbundene Gradationsziffer VI 13 so gravierend seien, dass die Rückfallwahrscheinlichkeit zu hoch sei und damit die Ziffer bestehen bleibe. Aufgrund des Wohnsitzes im Ausland habe der Kamerad auch keine rechtliche Handhabe, um gegen diesen Bescheid vorzugehen. Es war der nächste schwere Schlag für ihn.

Sogar seine Einsatzfähigkeit als ziviler Mitarbeiter steht in Frage, da ja eine Verbeamtung ebenfalls an eine Gesundheitsprüfung gebunden ist. Die schlimmste Vorstellung für den jungen Mann ist nun, dass er nur noch Tarifbeschäftigter im ZGeoBw werden könne und dabei dasselbe wie ein Geoinformationsoffizier oder Beamter leisten würde, aber nicht diesen Status haben darf. Es ist zum Haare raufen!

Ein weiterer Problemkomplex ist, dass bei ihm durch den Suizidversuch und die sich anschließende Behandlung eine PTBS im Raum steht. Er hat einen Antrag auf Anerkennung als Wehrdienstbeschädigter gestellt, der nach drei Jahren Bearbeitungszeit zurückgewiesen wurde. Zwar würde sein Fall grundsätzlich den Kriterien von ,,Mobbing" mit entsprechenden Folgeschäden genügen, aber dies sei keine wehrdiensteigentümliche Erkrankung bzw. Schädigung. Er hatte sich in einer verzweifelten Phase auch schon an die ZALK gewandt, die ihm nicht weiterhelfen konnte, da sie ja nur für einsatzgeschädigte Soldaten zuständig ist. Nach Ablehnung des WDB-Antrags bleibt ihm wohl nur noch eine Beratung durch den Sozialdienst als einziges Hilfsangebot der Bundeswehr übrig. Ich und auch er haben den Eindruck, dass er hier komplett durchs Raster gefallen ist. Es kann doch nicht sein, dass bei ihm eine wehrdienstinduzierte Erkrankung im Raum steht, wo die Bundeswehr mit ihren Strukturen gut helfen könnte, die Bundeswehr dies aber nicht muss, lediglich deswegen, weil die Erkrankung in der Ausbildung und nicht im Einsatz passiert ist. Das ist doch Wahnsinn!

Auch frage ich mich bis heute, wie der junge Mann eigentlich bei den Heeresaufklärern gelandet ist. Die Frage stellte sich auch einer der Ausbilder in der SGA immer wieder. Der junge Mann berichtete mir hierzu, dass er beim Karriereberater zum Ausdruck gebracht hätte, am liebsten Geoinformationsspezialist der Reserve zu werden. Der Berater teilte ihm nach einer Recherche mit, dass das ZGeoBw keine Ausbildungen zum Reserveoffizier im Rahmen eines Dienstverhältnisses als SaZ durchführe. Aber er könne ihm die Heeresaufklärungstruppe empfehlen. Mit seinen Fremdsprachenkenntnissen sei er doch für das Feldnachrichtenwesen prädestiniert. Auch würde er sich für Drohnen und drohnengenberierte Geodaten interessieren und könne somit in der technischen Aufklärung eingesetzt werden.

Der Haken an der ganzen Sache: ROAs werden bei den Heeresaufklärern nur in der Kampfkompanie ausgebildet. Der dem Soldaten aufgezeigte Karriereweg war ihm daher von Anfang an verschlossen bzw. überhaupt nicht möglich. Diese Information, wie die ROA-Ausbildung in der Heeresaufklärungstruppe aufgestellt ist, ist nirgendwo frei zugänglich zu finden. Wie kann man jemanden, der offensichtlich ein unsicherer ,,Kopfmensch" ist, sich für Drohnen und Fremdsprachen interessiert, zur ,,grünen" Verwendung bei den Heeresaufklärern raten? Es ist mir ein Rätsel!

Fazit:

Als Fazit möchte ich zum Ausdruck bringen, dass es tragisch ist. Sicher war der junge Mann nicht für eine Ausbildung zum Reserveoffizier im Heer geeignet. Aber er trägt nicht alleine die Verantwortung dafür, was da passiert ist.

In diesem Sinne: Danke für die Zeit, die Sie bzw. Du sich genommen haben/hast, um das zu lesen. Mir ist bewusst, dass es sehr ausführlich war, aber ich finde, der Kamerad hat das verdient. Falls du das liest: Stay strong, du bist ein richtig guter Mensch!
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: Ralf am 22. Juni 2025, 08:33:56
Ich sehe erst einmal hier keinen Widerspruch hinsichtlich der Entlassung.
Er ist ja auch unter nichtmedizinischen Gründen nicht als Soldat geeignet gewesen. Von daher liegt eine Nichteignung vor. Das ist ja auch gar nicht schlimm, wenn jemand nicht für den Soldatenberuf geeignet ist. Da ist die Trennung für beide Seiten doch der logische Schluss und wenn man ehrlich ist, auch das Beste.
Du schreibst das ja selbst mit den beiden linken Händen und zumindest für die Waffenausbildung und/oder Handhabung der Waffe bedarf es das. Aber auch seine getätigten Aussagen und sein Verhalten lassen sich mit der Eignung zum Offz nicht wirklich vereinbaren- Letztendlich hätte er das aber auch selbst erkennen müssen, dass er für diesen Beruf nicht geeignet ist.
ZitatEr meinte, dass er riesigen Respekt vor den Waffen hätte und in Anbetracht seiner großen Verantwortung als Einzelschütze Angst hätte, Fehler zu machen.

Zitat,,Bitte entlassen Sie mich nicht wegen Nichteignung. Bitte, bitte, das überlebe ich nicht!"
Das ist kein Grund, eine tatsächliche Nichteignung nicht weiter zu verfolgen. Es ist eher ein medizinisches Problem, ob man ihn dann weiter ohne Betreuung / Aufsicht lassen kann.

ZitatDer Haken an der ganzen Sache: ROAs werden bei den Heeresaufklärern nur in der Kampfkompanie ausgebildet. Der dem Soldaten aufgezeigte Karriereweg war ihm daher von Anfang an verschlossen bzw. überhaupt nicht möglich. Diese Information, wie die ROA-Ausbildung in der Heeresaufklärungstruppe aufgestellt ist, ist nirgendwo frei zugänglich zu finden. Wie kann man jemanden, der offensichtlich ein unsicherer ,,Kopfmensch" ist, sich für Drohnen und Fremdsprachen interessiert, zur ,,grünen" Verwendung bei den Heeresaufklärern raten? Es ist mir ein Rätsel!
Das liegt daran, dass eben bei den ROA nur bestimmte Verwendungen gesucht werden. Wäre er als Msch eingestiegen, hätte man ihn ggf. (!) beim Scheitern der grünen SGA bspw. in den StDst stecken können. So wollte er aber ROA werden, mal davon ab, dass an Offz höhere Anforderungen gestellt werden als an Msch. Und wenn im Assessment gut performt hat, entsprechende (mal dahingestellt ob auch geschönte Antworten) gegeben hat, dann bekommt er auch eine Eignung. Genau dafür gibt es ja dann auch die Möglichkeit einer nachträglichen Nichteignung über 55 (4). Und wir wissen nicht, was er als Wunsch geäußert hat, was er machen möchte. Gegen den eigenen Wusch wird auf jeden Fall keiner eingeplant (letztendlich unterschreibt man es ja auch, dass man das will). Und eine SGA ist "nur" auf Msch Niveau, das ist etwas, was man als Offz aller Werdegänge hinbekommen sollte. Denn ab bestimmten Szenarien können "schreibtischnahes" Personal rausgezogen werden und als Führer vor Ort bspw. in der Verteidigung herangezogen werden. So bildet bspw. die Lw deswegen ihre OffzTrD, die als PersOffz und damit wohl eher "Kopfmenschen" eingesetzt werden, in Hammelburg infanteristisch aus zum OffzLwSichTr. Soldat sein ist mehr als die Verwendungstätigkeit.

Bei allem Verständnis: Er hätte wirklich selbst erkennen müssen, dass er als Offz nicht geeignet ist. Wie soll er mit Kriegssituationen umgehen, wenn er mit seiner eigenen Situation schon so belastet ist, dass er die von dir geschilderten Aussagen und Verhaltensweisen an den Tag legt? An den Soldatenberuf werden bestimmte Anforderungen gestellt.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: F_K am 22. Juni 2025, 09:09:09
Emotionslos:

Eine sichere Waffenhandhabung ist für ALLE Soldaten notwendig und zwingend - es gehört zu den IGF.

Die Tätigkeiten eines Einzelschützen MUSS ein Offizier zumindest "durchschnittlich" beherrschen, eigentlich besser (zumindest in seinem Bereich).

Es gibt Menschen, die sind nicht zum Soldaten geeignet- dies ist manchmal ein Fakt - aus welchen Gründen auch immer.

Ich erkenne hier (auch) ein Erkenntnisproblem auf Seiten des Betroffenen, er hätte dies früher erkennen müssen, und die entsprechenden Schlüsse ziehen.

Insgesamt eine "traurige" Geschichte - aber eine schnelle Trennung des Betroffenen von der BW war zwingend.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: schlammtreiber am 23. Juni 2025, 10:04:38
Ich sehe das ähnlich wie F_K.
Die Schilderungen sind tragisch, dennoch scheint die Nichteignung für den Soldatenberuf recht offensichtlich, so traurig das auch für den Betroffenen ist.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: Plattschi89 am 23. Juni 2025, 12:47:42
Vielen Dank für die bisherigen Rückmeldungen!

Einerseits kann ich die Argumentation mit der Nichteignung verstehen, andererseits frage ich mich, ob die Angelegenheit wirklich so wie von mir beschrieben hat ablaufen müssen. Ich sehe es auch so, dass man rechtlich gesehen so agieren kann wie der DV, aber er ja auch Spielräume hatte. Insbesondere empfinde ich nach wie vor die versuchte Entlassung nach § 55 (4) SG als einen Fehler, da ja auch ein ,,DU-Verfahren" möglich gewesen wäre und dies meiner Ansicht nach aus Fürsorgegründen dem 55 4er vorzuziehen gewesen wäre. Die Bundeswehr hat ja die Strukturen und Ressourcen, um jemanden, der sich in solch einer Situation befindet, einen geschützten Rahmen zu bietet, damit er sich erst einmal materiell keine Sorgen machen braucht.

Ein Aspekt, den ich in meiner Beschreibung noch nicht erwähnt habe, ist, dass sich der Kamerad bewusst für eine Ausbildung zum Reserveoffizier im Wehrdienst entschlossen hatte, da er kein ,,Neckermann"-Reserveoffizier werden wollte. Er erwähnte auch, dass er wirklich dazu bereit war, an sich zu arbeiten. Ich finde das schon unfassbar tragisch; jemand wählt bewusst diese Laufbahn und wird dann letztlich so stark dafür bestraft. Ich denke nicht, dass mit ihm so umgegangen wäre, wenn er in einer Laufbahn ROA adW gewesen wäre. Aus Interesse: Hat hier jemand Erfahrungen mit ROAs adW, die wegen Nichteignung entlassen wurden? Kommt so etwas überhaupt vor?

In Anbetracht dessen sehe ich auch das Argument, dass jeder Soldat grundsätzlich ,,grün" befähigt sein muss, ambivalent. Ich stimmte Ihnen bzw. Euch da grundsätzlich zu, aber ist es denn Realität? No offence intended, aber gerade im (ehemaligen) ZSan habe ich nicht wenige Leute erlebt, wo jetzt im Hinblick auf IGF etc. nicht sehr viel los war (um es vorsichtig auszudrücken). Selbstverständlich gilt das nicht für alle, aber ich war über das Mindset mancher dort schon überrascht (,,na ja, als Soldat sehe ich mich nicht, ich bin ja Arzt. Aber ich gehe ja einmal im Jahr schießen."). Meines Eindrucks nach ist das Argument mit grüner Ausbildung und IGF in der Bundeswehr sehr dehnbar. Wenn jemand entlassen werden soll, weil er hier Probleme hat, wird es richtig stark gemacht. Wenn aber jemand gebraucht wird (zum Beispiel aufgrund einer zivil erworbenen Qualifikation) wird das plötzlich ganz klein geschrieben. Ohne jetzt hierzu eine Grundsatzdebatte anstoßen zu wollen, aber gerecht ist das nicht.

Darf ich in die Runde fragen, ob es hier andere Erfahrungen mit § 55 (4) SG bei gesundheitlichen Problemen gibt? Ich habe den Paragraphen eigentlich nur in der strafenden Anwendung im Sinne der ,,charakterlichen Nichteignung" erlebt. Von daher war ich auch so überrascht, dass er bei dem in Rede stehenden Kameraden zur Anwendung kommen sollte. Was ich in jedem Fall für ein großes Problem halte, ist die enorme Macht des DV bei § 55 (4) SG.

Eine weitere Sache, die ich erwähnen möchte, ist das Ausbildungskonzept in der SGA, so wie ich es bei den Aufklärern erlebt habe. Es mag sein, dass ich das zu sehr als angehender Pädagoge sehe, aber der Ablauf der Ausbildung war bei uns auch echt nicht berauschend. Entweder die Ausbildungsteilnehmer konnten es, oder sie konnten es eben nicht. Jemand wie der hier in Rede stehende Kamerad hat völlig das System und die pädagogischen Fähigkeiten von Ausbildern und Vorgesetzten gesprengt. Ihm einen Ausbilder zu Seite zu stellen, der nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass er ihn für nicht geeignet hält, halte ich dann auch nicht für sehr förderlich. Ein Konzept, wie ihm geholfen werden konnte, hatte von den Verantwortlichen niemand. Dabei hatte ich den Eindruck, dass er schon mit der Zeit manche Ausbildungsinhalte besser umsetzen konnte. Er brauchte halt mehr Anleitung und vor allem Übung als die anderen.

Abschließend würde ich noch gerne fragen, ob hier jemand Rückmeldung zu den Themen ,,Rehabilitierung" und vor allem ,,gesundheitliche Leistungen" in dem beschriebenen Fall geben kann. Ich habe gesehen, dass es in dem Forum viel Kompetenz zu den Themen ,,PTBS" und ,,Beschädigtenversorgung" gibt und würde daher gerne um Rückmeldungen zum Themenkomplex ,,PTBS Inland" bitten. Was wir nicht vergessen dürfen, ist, dass der (ehemalige) Kamerad sehr leidet und ich wünsche mir sehr, dass ihm geholfen wird.

Nochmals vielen Dank!
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: wolverine am 23. Juni 2025, 13:13:07
Ich melde mich auch noch einmal hierzu und möchte zunächst zugestehen, dass ich das wohl wirklich mit der WBO verwechselt habe. Die Eingabe ist ein informeller Rechtsbehelf und von daher an wenige Zulässigkeitsvoraussetzungen gebunden. Letztlich ist sie ja auch beschieden worden.

Inhaltlich springen wir hier aber aus meiner Sicht Meilen zu weit. Es geht hier um grundsätzliche Fähigkeiten des Einzelschützen in der SGA, also um Qualifikationen die jeder Soldat im untersten Dienstgrad lernen kann und auch muss. Ganz konkret reden wir um das Packen des Rucksacks und Bedienung einer Pistole!

Ich finde hier jede Diskussion müßig, dass ein Bewerber, der das nicht hinbekommt, für jede höhere Verwendung und klar auch zum Offizier selbstredend ungeeignet ist.

Da braucht man nicht wirklich irgendwelche Anekdoten über das Selbstverständnis von irgendwelchen Ärzten diskutieren: offenbar haben diese alle ihre GA und SGA bestanden!

Die Maßnahme, einen individuellen Ausbilder abzustellen, war doch sehr zuvorkommend. Unabhängig wie diese subjektiv bewertet wird, geht es doch nur darum: hat er korrekt nachgeschult oder nicht?

In der Ausbildung "außerhalb des Wehrdienstes" ist man ausschließlich während der Module statusrechtlich Soldat und wird danach entlassen. Die nächste RDL ist wieder eine neue Einstellung. Ich vermute mal, wenn man hier solche Mindeststandarts nicht erfüllt, wird man ganz einfach ausgeplant und nicht wieder eingeladen.

Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: F_K am 23. Juni 2025, 13:28:22
Nochmal:

Es geht um das Packen eines Rucksacks.

Da gilt, wie oft - VENÜ - und dann kann man das - wenn nicht, nach erneuter Erklärung, kann und muss tatsächlich die Frage nach der Eignung als Soldat stellen - und zwar auf der Ebene Mannschaftssoldat, nicht auf der Ebene Unteroffizier / Offizier.

Hier, im Beispiel, hat diese Tätigkeit ein gesamter Zug Rekruten gekonnt - an der Ausbildung hat es nicht gelegen - und diese Inhalte werden schon in der GA  vermittelt.

Die Ursache der hier geschilderten Tragik ist ein Wunsch, der aufgrund der eigenen Fähigkeiten unrealistisch ist - und der damit verbundenen psychischen Probleme.

Etwas härter - wer aufgrund einer Enttäuschung schon im Inland ohne Gefahr an Selbstmord denkt, ist als Soldat nicht geeignet - da steht nämlich Tod und Verwundung im Raum - und dann muss weiter geführt und gekämpft werden.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: Plattschi89 am 23. Juni 2025, 13:46:07
@Wolverine

Vielen Dank für die Klarstellung mit der/dem Wehrbeauftragten! Was ich zum Thema ,,Eingabe" aber in jedem Fall noch einmal klar festhalten muss, da es in dem Fall überhaupt nichts gebracht hat und verschwendete Zeit war, obwohl ganz dringender Handlungsbedarf bestanden hat. In der Ausbildung wurde mir die Wehrbeauftragte immer als ,,Anwältin der Soldaten" verkauft und ich habe das fast schon als Desinteresse wahrgenommen, was ich da aus Berlin zurückbekommen habe. So eine ,,Anwältin" würde ich nie wieder beauftragen...

Ich finde das Beispiel mit dem ZSan schon passend. Sofern ich das weiß, absolvieren ja beispielsweise SanOAs ihre drei Monate GA in Feldkirchen und dann geht es ab Oktober an die Uni, mit SGA ist da also nichts (oder kommt die später?!). Das ist überhaupt nicht mit der SGA im Heer und insbesondere bei den Aufklärern zu vergleichen. Nehmen wir das Beispiel P8: Es ist schon ein Unterschied, ob ich eine vorgeladene P8 in die Hand gedrückt bekomme und dann ein paar Mal abdrücken darf oder mich ein mir feindselig eingestellter Ausbilder permanent angeht und ich von Grund auf mit der Waffe agieren muss. Aus meiner Perspektive als Hilfsausbilder war das auch keine korrekte Nachschulung, sondern eine bewusste Vorführung des Kameraden durch den OFw (OA). Er wollte halt dadurch den Widerruf erzwingen, das hat er mir auch ganz klar so gesagt.

Zu den ROAs adW: Entschuldigung, wenn ich da jetzt Verständnisschwierigkeiten habe, aber nehmen wir mal an, der Kamerad hätte in einem der adW-Module so unsicher agiert. Hätte er dann nicht bestanden und wäre nicht zu den weiteren Modulen herangezogen worden? Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen...

@F_K

Ja, ich verstehe den Punkt. Aber ganz ehrlich, ich finde es jetzt auch nicht völlig überraschend, dass man versucht, sich das Leben zu nehmen, wenn man bereits nicht über das höchste Selbstbewusstsein verfügt, über Monate (mit Verlaub) ,,auf den Sack bekommt", trotzdem durchhält und am Ende eine Stellungnahme vorgelegt bekommt, in der man auf den Status einer ,,Gefährdung und schwerwiegenden Belastung für Kameraden und Vorgesetzte" (sic!) reduziert wird und nach demselben Paragraphen gehen soll wie Soldaten, die Straftaten begangen haben. Ganz ehrlich, da geht es schon um Werte wie Respekt und auch Würde, egal ob er einen Rucksack schnell packen konnte oder nicht. Wenn das so ein großes Problem ist, soll man eben in die Stellungnahmen schreiben ,,OG ROA [Name] kann nicht schnell genug einen Rucksack packen" und ihn nicht komplett zerreißen. Dann hätte man in Köln bzw. Siegburg entscheiden müssen, wie es mit ihm weitergeht, aber auf Grundlage von Fakten und nicht solchen Herabwürdigungen.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: wolverine am 23. Juni 2025, 14:06:16
Zitat von: Plattschi89 am 23. Juni 2025, 13:46:07Was ich zum Thema ,,Eingabe" aber in jedem Fall noch einmal klar festhalten muss, da es in dem Fall überhaupt nichts gebracht hat und verschwendete Zeit war, obwohl ganz dringender Handlungsbedarf bestanden hat. In der Ausbildung wurde mir die Wehrbeauftragte immer als ,,Anwältin der Soldaten" verkauft und ich habe das fast schon als Desinteresse wahrgenommen, was ich da aus Berlin zurückbekommen habe. So eine ,,Anwältin" würde ich nie wieder beauftragen...
Da liegt schon der erste Fehler: Das Institut des WBdBT ist ein parlamentarisches Kontrollorgan, das strukturelle Missstände aufdecken soll. Darum schreibt der WB dies auch jährlich in seinen Bericht gegenüber dem Bundestag. Es soll grundsätzlich keinen Einzelfall individuell bescheiden. Hier wäre dann tatsächlich die Wehrbeschwerde das Mittel der Wahl. "Anwalt der Soldaten" ist eine simplifizierende Floskel, die in dieser Form völlig verfehlt ist.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: F_K am 23. Juni 2025, 14:15:29
@ Plattschi89:

Bitte NICHT so "emotional" werden.

Ich habe auch in anderen Threads geschrieben: Soldat sein ist ein Handwerk - es ist keine "theoretische Gedankenspielaufgabe für "Nur Akademiker" im Elfenbeinturm".

Auch der "Offizier" wendet ein Handwerk an, deswegen ist eben ein Studium für den Offizierberuf NICHT zwingend, sondern ein "Goodie".

Jemand, wie Du es selber schreibst, mit 2 linken Händen, ist bei einem Handwerk eben NICHT zu gebrauchen - er ist nicht geeignet.

Dies ist kein "Verriss oder Abwertung", sondern die Beschreibung der Anforderungen, und das entsprechende Gesetz.

(Rucksack packen ist eine EINFACHE Aufgabe, unter Feinddruck im Dunkeln die Richtmine richtig verlegen und scharf machen - dass ist schwierig - und muss auch von Mannschaften ausgeführt werden - und der Offizier muss überprüfen können, ob es richtig ausgeführt ist ... )

Ich verstehe, dass es schwierig ist, manche seiner eigenen Wünsche zu begraben, und dass man dann mit seinem Schicksal am Hadern ist - aber hier ist mMn offensichtlich, dass Dein Freund NICHT zum Soldaten geeignet ist, und zum Offizier schonmal gar nicht - auch wenn er es sich so sehr gewünscht hat ....
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: wolverine am 23. Juni 2025, 14:16:52
Zitat von: Plattschi89 am 23. Juni 2025, 13:46:07am Ende eine Stellungnahme vorgelegt bekommt, in der man auf den Status einer ,,Gefährdung und schwerwiegenden Belastung für Kameraden und Vorgesetzte" (sic!) reduziert wird und nach demselben Paragraphen gehen soll wie Soldaten, die Straftaten begangen haben.
Das ist mir schon beim ersten Lesen aufgefallen: Nach meiner Lesart geht es hier doch dar nicht um die Bewertung - und schon gar nicht Abwertung - der Person, sondern allein um die Beschreibung seiner Fähigkeiten.

Und hier ist es nun einmal so, dass jemand, der eine Kurzwaffe nicht händeln kann, eine Gefährdung seiner Umgebung darstellt und wer nach mehren Monaten seine Ausrüstung nicht packen kann "wie der gesamte sonstige Zug" diesen belastet.

Ich lege mich hier fest: die Vosrtellung des Bewerbers war offensichtlich von Anfang an verfehlt. Die Bw, zumindest der Offiziersberuf, war nichts für ihn. Die Entlassung war absolut nicht zu beanstanden und ein vorheriger Widerruf vielleicht sogar zielführender.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: Plattschi89 am 23. Juni 2025, 14:34:46
Mit Verlaub, aber wenn wir darüber diskutieren müssen, ob die Aussage ,,Gefährdung und schwerwiegenden Belastung für Kameraden und Vorgesetzte" für jemanden, der sich in einer suizidalen Krise befindet, angemessen ist, dann bin ich hier raus. ,,Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Mehr schreibe ich dazu nicht.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: F_K am 23. Juni 2025, 14:47:26
@ Plattschi:

Mit Verlaub - Du musst und solltest die Erkrankung deines Freundes von der Bewertung trennen - und natürlich muss man auch mit kranken Menschen ehrlich sein.

Die mangelnden motorischen Fähigkeiten alleine begründen die Nichteignung, die Erkrankung alleine würde ein DU Verfahren rechtfertigen - die fehlende Selbstkritik, dies selber zu erkennen, macht die Nichteignung überdeutlich.

Glaubst Du, die Vorgesetzten / Kameraden haben hier "Spass gehabt"?

Die Situation hat sicherlich ALLE Soldaten belastet.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: Ralf am 23. Juni 2025, 14:51:51
Zitat von: Plattschi89 am 23. Juni 2025, 14:34:46Mit Verlaub, aber wenn wir darüber diskutieren müssen, ob die Aussage ,,Gefährdung und schwerwiegenden Belastung für Kameraden und Vorgesetzte" für jemanden, der sich in einer suizidalen Krise befindet, angemessen ist, dann bin ich hier raus. ,,Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Mehr schreibe ich dazu nicht.
Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun. Auch und vielleicht auch gerade jemand, der in einer "suizidalen Krise" sich befindet, kann damit eine Gefährdung seines Umfeld werden. Diese Feststellung ist auch nicht gegen die Menschenwürde.

Selbst wenn dein Bsp mit dem SanOffz ziehen würde. dein Kamerad ist kein SanOffz, sondern ein OffzTrD und damit sind es unterschiedliche Verwendungen.

Eine Entlassung aufgrund 55 (4) ist keine Herabwürdigung. Jeder Anwärter, der seine Lehrgänge abschließend nicht besteht, scheidet entweder mit Ablauf seiner Zwischenfestsetzung aus oder aufgrund Nichteignung, also auch 55 (4). Was willst du nur immer mit Straftaten? Wir reden hier gar nicht von 55 (5), sondern eine Nichteignung und die ist eben aus mehrerlei Gründen nicht gegeben gewesen.
Versuch doch mal einen Schritt zurückzutreten und ohne Kenntnis der Peron das zu bewerten.
Zumindest an der Entlassung und die aufgeführten Gründe kann man nicht rütteln.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: tdn am 23. Juni 2025, 14:54:14
Zitat von: Plattschi89 am 23. Juni 2025, 13:46:07Zu den ROAs adW: Entschuldigung, wenn ich da jetzt Verständnisschwierigkeiten habe, aber nehmen wir mal an, der Kamerad hätte in einem der adW-Module so unsicher agiert. Hätte er dann nicht bestanden und wäre nicht zu den weiteren Modulen herangezogen worden? Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen...
Keine Ahnung wie das heute ist, bei meinen ROA Modulen hatte jeder Teilnehmende mindestens GWDL abgeschlossen, damals war Pistole auch noch Teil der AGA.
Die Frage hat sich nicht gestellt. Hätte jemand so unsicher agiert, hätte derjenige den praktischen Teil für den Gefechtsdienst allerdings definitiv nicht bestanden. Genausowenig wie das Schießen (ich weiß nicht mehr ob das damals bewertet wurde).
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: wolverine am 23. Juni 2025, 15:04:15
Zitat von: Plattschi89 am 23. Juni 2025, 14:34:46Mit Verlaub, aber wenn wir darüber diskutieren müssen, ob die Aussage ,,Gefährdung und schwerwiegenden Belastung für Kameraden und Vorgesetzte" für jemanden, der sich in einer suizidalen Krise befindet, angemessen ist, dann bin ich hier raus. ,,Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Mehr schreibe ich dazu nicht.
Jetzt fange ich aber an, an Fähigkeiten zu zweifeln und zwar an Ihren. Sie geben vor, Pädagoge zu sein und ich habe explizit klargestellt, dass die inkriminierte Aussage - zumindest nach meinem Leseverständnis - keine Bewertung der Person war und ist. Sie beschreibt die Fähigkeiten der zu beurteilenden Person.

Das auch nach Hinweis nicht zu verstehen, finde ich ... schwierig.

Sie benoten doch die Leistungen Ihrer Schüler und wenn man ein "mangelhaft" oder gar "ungenügend" vergibt, bewertet das doch nicht die Person in seiner Würde; sie kann halt nur nicht richtig lesen, schreiben, rechnen .. whatever.

Nichts anderes ist es bei Ihrem Bekannten. Mit seinen Fähigkeiten war er nicht geeignet für das geforderte Fähigkeitsprofil.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: Plattschi89 am 23. Juni 2025, 15:18:19
Zitat von: F_K am 23. Juni 2025, 14:47:26Glaubst Du, die Vorgesetzten / Kameraden haben hier "Spass gehabt"?

Die Situation hat sicherlich ALLE Soldaten belastet.

Da muss ich Dir widersprechen. Ich glaube nicht, dass die DVs und der Truppenarzt da sehr belastet von waren. Die machen doch weiter Karriere, während der Kamerad jetzt im Ausland sitzt, denkt, er sei der letzte Versager und seines Lebens nicht mehr froh wird. Könnt Ihr Euch das vorstellen, wie das für ihn ist, immer zu hören ,,die Bundeswehr braucht und nimmt doch jeden" etc.?

Die nun überdeutlich gewordene Argumentation mit der Nichteignung sehe ich (und ich glaube er auch) ja ein, aber den Ablauf der Sache halte ich nach wie vor für ein Unding. So geht man nicht mit Untergebenen um. Wie bereits geschrieben, rechtlich kann man es so machen, aber ich für meinen Teil könnte danach nicht mehr in den Spiegel schauen. Der § 55 (4) SG hat meines Eindrucks nach klar strafenden Charakter. Das zeigt sich ja allein schon daran, dass nach einer Entlassung nach seinen Maßgaben grundsätzlich keine Wiedereinstellung möglich ist und auch eventuell eine Rückzahlung von Ausbildungskosten gefordert werden kann. Das zeigt die Schärfe des Paragraphen, der ja (soweit ich weiß) in der Regel auch erst nach mehrmaligem Nichtbestehen von Lehrgängen oder Ausbildungsabschnitten greift.

Es wird immer wieder die fehlende Selbstkritik erwähnt. Er hat gekämpft und alles gegeben. Wir hatten Leute am Standort, die nicht einmal vernünftig lesen konnten und da wurde nie die Frage nach Nichteignung gestellt. Und es gab auch nie ein Gespräch mit ihm, in dem man ihm mal den Widerruf nahegelegt hätte. Damit habe ich dann auch mal den OFw (OA) konfrontiert, der dann auch nur meinte ,,das muss er selber wissen, wir zwingen ja niemanden dazu". Das ist einfach so unfassbar selbstgerecht. In der GA und auch SGA wird doch den Rekruten das ganze Denken abgenommen (,,Gehirn an der Wache abgeben" etc.), aber da sollte er komplett autonom eine fundamentale Entscheidung treffen. Finde ich schwierig...

@tdn Danke für die Rückmeldung! Es würde mich bei ROAs adW interessieren, die vorher keinen GWD absolviert habe, das wäre ein interessanter Fall.

@wolverine Ehrlich gesagt beginne ich mich massiv über Ihre Posts zu ärgern. Erst die Sache mit der Eingabe (wo Sie Unrecht hatten) und jetzt gehen Sie mich in meinem Berufsverständnis an. Jemanden als ,,Belastung" für andere zu beschreiben ist ein Angriff auf dessen Persönlichkeit. Stellen Sie sich mal vor, was los wäre, wenn ich einen Schüler als ,,Belastung für seine Klasse" bezeichne. Dann kann ich mir einen neuen Job suchen (zurecht). Klar haben Menschen unterschiedliche Befähigungen, aber dieses essentialisierende ,,Gefährdung und Belastung" ist ein klarer Angriff auf die Persönlichkeit und das Wesen des Kameraden. Ich verstehe Ihre Trennung von Person und Fähigkeiten nicht. Sind Sie der Auffassung, dass es sich hierbei um zwei vollständig voneinander separierte Entitäten handeln würde? Wenn der Kommandeur ihn als Mensch geschätzt hätte, hätte man das dann auch zumindest in die Stellungnahme hereinschreiben können, um dieser ihre Schärfe zu nehmen.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: F_K am 23. Juni 2025, 15:30:45
Oh man - natürlich und selbstverständlich sind Mensch / Person / Menschenwürde von den Fähigkeiten eines Menschen zu trennen - ein bewegungsunfähiger Mensch im Wachkoma ist ein Mensch mit Menschenwürde - aber ohne Fähigkeiten.

Hoffentlich unstreitig ist ein Mensch mit Selbstmordgedanken und Zugriff zu Waffen eine Gefährdung für sich (und damit schnell auch für Andere).

Die BW "nimmt" eben nicht jeden.

Ein Soldat, der die Tätigkeiten Einzelschütze nicht zeitgerecht erledigt, belastet seine Gruppe / den Zug - dies hat mit Menschenwürde nichts zu tun.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: Plattschi89 am 23. Juni 2025, 15:38:29
Gut, in dem Punkt sind wir dann unterschiedlicher Meinung. Ich denke, dass kann dann jeder selbst entscheiden, ob man jemanden in so einer Situation (ohne Notwendigkeit) so bezeichnen darf. Das hat halt auch etwas mit individuellen Werte- und Moralvorstellungen zu tun.

Im Übrigen ist es für mich ableistisch, jemanden im Wachkoma als ,,Menschen ohne Fähigkeiten" zu beschreiben.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: schlammtreiber am 23. Juni 2025, 15:44:24
Zitat von: Plattschi89 am 23. Juni 2025, 15:38:29ob man jemanden in so einer Situation (ohne Notwendigkeit) so bezeichnen darf.

Weshalb denn "ohne Notwendigkeit"? Wenn der Soldat wie beschrieben mit der Waffe (fehl)hantiert hat, dann ist das Urteil "Gefährdung für sich und andere" eventuell doch in der Sache zutreffend? Und ein Vorgesetzter muss das dann auch klar benennen können, um diese mögliche Gefährdung von den Soldaten abzuwenden.

Ich würde hier nicht unbedingt böse Absicht oder unmenschliche Rücksichtslosigkeit unterstellen wollen, eventuell fällt oder fiel es einfach unter "Pflicht zur Wahrheit in dienstlichen Belangen"?
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: F_K am 23. Juni 2025, 15:48:27
@ Plattschi:

Eine rein sachliche Beschreibung eines Sachverhaltes ist eben keine Bewertung der Person.

Die Person im Wachkoma kann keinen Rucksack packen, keine Pistole bedienen und ist als Soldat nicht geeignet - und diese sachliche Feststellung ist nicht diskriminierend.

Ein Antrag auf Entlassung ist keine Wertung der Person, sondern eine sachliche Beschreibung der Gründe - genau wie Du geschrieben hast, dass Dein Freund zwei linke Hände hat.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: Plattschi89 am 23. Juni 2025, 16:00:58
Ja, den Punkt beginne ich besser zu verstehen und sehe ihn auch ein.

Allerdings finde ich, dass der Kommandeur dann auch mehr auf seine Ausdrucksweise hätte achten müssen bzw. auch dem Kameraden die Stellungnahme erklären können. So wie ich es verstanden habe, wurde ihm der Antrag mehr oder weniger in die Hand gedrückt und er hat ihn (aus für mich nachvollziehbaren Gründen) auch sehr persönlich genommen. Eben als Versuch, ihn möglichst schlecht darzustellen, um ihn loswerden zu können. Hier wird ja auch immer wieder geschrieben, dass er potentiell eine Gefährdung für andere gewesen sei. Sie/Ihr könnt ihn nicht kennen, aber ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass er niemals bewusst jemanden gefährdet hätte.

Warum schreibt der Kommandeur nicht einfach etwas in dem Stil:

,,Der von mir menschlich geschätzte OG ROA [Name] zeigte in der SGA ausgeprägte Unsicherheiten, die auf seine motorische Unbeholfenheit zurückgehen. Beispiele hierfür sind die Interaktion mit Handwaffen oder der Umgang mit Ausrüstungsgegenständen unter Zeitdruck.

Auch wenn es mir in Anbetracht meiner Wertschätzung des Kameraden, insbesondere wegen seines freundlichen und stets höflichen Umgangs mit anderen Ausbildungsteilnehmern und Vorgesetzten, schwerfällt, muss ich aus rein fachlichen Gründen als Disziplinarvorgesetzter um eine Entlassung des Soldaten nach § 55 (4) SG bitten. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn die Möglichkeit einer Anstellung von Herrn [Name] als ziviler Mitarbeiter der Bundeswehr mit ihm besprochen werden könnte."


Das ist doch ein diametraler Unterschied zur ursprünglichen Stellungnahme! Mein Beispiel wird der damaligen Situation viel besser gerecht. Was ich damit sagen möchte: Wir haben doch alle eine Wahl und gerade als Bataillonskommandeur auch eine Verantwortung. Ich erkenne keine Notwendigkeit für die Schärfe der Stellungnahme (hatte er eventuell Angst, dass BAPersBw von einer Entlassung absehen würde, wenn er nicht diese Schärfe reinbringt?).
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: F_K am 23. Juni 2025, 16:49:52
@ Plattschi:

Eine klare, deutliche Sprache zur Vermeidung von Fehlinterpretationen ist gerade im Militär zwingend notwendig.

Ein Entlassungsantrag ist kein Empfehlungsschreiben für eine zivile Anstellung - so eine Äußerungen hat dort nichts verloren.

Emotionslos - ein Soldat, der seine Handwaffe nicht bedienen kann, gefährdet sich und andere, insbesondere im Einsatz - und dabei ist unerheblich, warum die Bedienung nicht "funktioniert".

Ein psychisch labiler Soldat gefährdet ggf. sich und andere.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: Plattschi89 am 23. Juni 2025, 17:15:39
Gut, ich glaube, dass wir da nicht mehr weiterkommen. Du hast grundsätzlich andere Vorstellungen von Umgangsformen in Streitkräften im Vergleich zu mir. Das sind so die Momente, wo ich sehr froh bin, nicht mehr dabei zu sein und auch überlege, einen KDV-Antrag zu stellen. So eine Reduzierung von Menschen (!) auf ,,Funktionieren" in Kombination mit der Zurückweisung von Empathie, das ist mir zutiefst zuwider. Ich glaube, dass gerade wir uns in Deutschland in Anbetracht der Geschichte die Frage stellen müssen, ob ein solches bedingungsloses Funktionieren der richtige Weg ist. Hätten zwischen 1939 und 1945 deutsche Soldaten weniger ,,funktoniert" und mehr Fragen gestellt, wäre das sehr, sehr gut gewesen.

Natürlich kann ein DV so eine Bitte (es ist keine Empfehlung) abgeben. Oder fängt er sich dann ein Diszi wegen ,,übermäßiger Fürsorge"? (Ironie off)
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: F_K am 23. Juni 2025, 17:19:45
Militärische Personaldinge werden der "zivilen BW Seite" nicht zugänglich gemacht.

So eine Anmerkung in einem Antrag wäre also nicht nur sachfremd, sondern nutzlos.

Ansonsten - nun noch die "Nazikeule"?

Das Prinzip der Auswahl von geeignetem Personal gibt es übrigens universell - dass ist keine BW Geschichte.
Titel: Antw:WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung
Beitrag von: Ralf am 23. Juni 2025, 17:22:44
Zitat von: Plattschi89 am 23. Juni 2025, 17:15:39Gut, ich glaube, dass wir da nicht mehr weiterkommen. Du hast grundsätzlich andere Vorstellungen von Umgangsformen in Streitkräften im Vergleich zu mir. Das sind so die Momente, wo ich sehr froh bin, nicht mehr dabei zu sein und auch überlege, einen KDV-Antrag zu stellen. So eine Reduzierung von Menschen (!) auf ,,Funktionieren" in Kombination mit der Zurückweisung von Empathie, das ist mir zutiefst zuwider. Ich glaube, dass gerade wir uns in Deutschland in Anbetracht der Geschichte die Frage stellen müssen, ob ein solches bedingungsloses Funktionieren der richtige Weg ist. Hätten zwischen 1939 und 1945 deutsche Soldaten weniger ,,funktoniert" und mehr Fragen gestellt, wäre das sehr, sehr gut gewesen.

Natürlich kann ein DV so eine Bitte (es ist keine Empfehlung) abgeben. Oder fängt er sich dann ein Diszi wegen ,,übermäßiger Fürsorge"? (Ironie off)
Nun schlägst du aber mit deinen whataboutism über die Strenge, Kamerad!

Deswegen schließe ich hier.