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Schikane: Der Umgang mit kritischen Soldaten

Begonnen von Niederbayer, 02. Juni 2013, 13:39:44

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Niederbayer

Wenn Oberleutnant Philip Klever morgens zur Arbeit in die Kaserne fährt, steht ihm meistens ein äußerst langweiliger Tag bevor. "Ich mache heute rein gar nichts", sagt er im Interview mit Panorama. Allerdings würde der Offizier gerne arbeiten. Klever ist speziell für die Systeme des Eurofighters der Bundeswehr ausgebildet. Ein Experte auf seinem Gebiet. Ein jahrelanges Studium war für diese Spezialkenntnisse in der Elektrotechnik notwendig; alles finanziert von der Bundeswehr.

http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2013/soldat125.html

justice005

Hier an dieser Stelle muss ich mal etwas tun, was ich eher selten tue und in diesem Forum noch weniger, nämlich die Rechtsprechung massiv zu kritisieren. Vor einigen Jahren hat das Bundesverwaltungsgericht nämlich in einem sehr ähnlichen Fall das Konstrukt des rechtmäßigen aber dennoch unverbindlichen Befehls eingeführt. Danach ist es kein Dienstvergehen, einen Befehl aus Gewissensgründen zu verweigern.

Meines Erachtens ein Skandal. Wer Gewissensprobleme hat, der kann im Sinne des Grundgesetzes einen KDV-Antrag stellen und die Bundeswehr verlassen. Damit ist es dann aber auch getan.

Rechtmäßige Befehle zu verweigern, aber dann trotzdem schön weiter von der Bundeswehr bezahlt werden, geht aber gar nicht. Sich dann noch beschweren, dass man ihm keine verantwortungsvollen Aufgaben mehr gibt, setzt dem Fass die Krone auf.

Auch der Unsinn mit dem BT-Mandat ist rechtlich völliger Schwachsinn. Entscheidend ist völkerrechtlich lediglich das UN-Mandat. Selbst wenn er sich tatsächlich am targeting killing beteiligen würde, wäre das weder strafbar noch dienstrechtswidrig.

Andi

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 18:53:16
Meines Erachtens ein Skandal. Wer Gewissensprobleme hat, der kann im Sinne des Grundgesetzes einen KDV-Antrag stellen und die Bundeswehr verlassen. Damit ist es dann aber auch getan.

Das greift ein wenig kurz, denn die Richter haben sich bei dem Urteil sicherlich etwas gedacht. Und der Befehl wird nicht unverbindlich, sondern der Soldat befolgt einen rechtmäßigen verbindlichen Befehl aus einem Gewissensnotstand heraus nicht und bleibt eventuell deswegen straffrei.

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 18:53:16
Rechtmäßige Befehle zu verweigern, aber dann trotzdem schön weiter von der Bundeswehr bezahlt werden, geht aber gar nicht.

Doch und ich kann dir für meine Person derzeit sogar ein ganz klares Szenario nennen in dem ich bestimmte Befehle aus Gewissensgründen verweigern müsste, nämlich wenn die derzeitige Bundesregierung nach §5 Parlamentsbeteiligungsgesetz einen Einsatz bei Gefahr im Verzug (z.B. MilEvakOp) anordnen würde. Da die derzeitige Bundesregierung es nach der Evakuierungsmission in Libyen nämlich klar rechtswidrig versäumt hat nachträglich für den Einsatz vom Bundestag die Zustimmung einzuholen müsste ich davon ausgehen, dass das auch für zukünftige Einsätze nicht geschieht und ich mich dementsprechend an einem rechtswidrigen Einsatz der Bundeswehr beteiligen würde. Und da wird bei mir eine ganz klare rote Gewissensgrenze überschritten.

Und nu?

Gruß Andi
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RekrKp8

Da habe ich eine Frage zu. Mir befiehlt ja nicht die Bundeswehr, sondern mein Vorgesetzter, mein unmittelbarer Vorgesetzter. Der erhält aber auch Befehle von jemandem, der auch Befehle erhält. Der Befehl, den ich direkt kriege, hat selten einen derart offensichtlichen Hintergrund, das ich ihn aus Gewissensgründen "verweigern" könnte. Kann ich mich dann im Nachhinein, wenn ich besser informiert bin, erfolgreich beschweren?

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F_K

@ Andi:

... war doch nur eine Dienstreise - die muss nicht vom BT genehmigt werden.

Klar gibt es da verschiedene Ansichten zu - aber nicht mal die Linken haben geklagt ...

Insoweit gibt es da ein nicht unerhebliches risiko bei Ungehorsam in einem ähnlichen Fall.

ulli76

Ich finde den Artikel ziemlich reisserisch. Wie hat der Kamerad sich das denn gedacht? Wie soll man für jemanden, der so spezialisiert ist, von jetzt auf gleich eine alternative Verwendung finden? Was soll das mit dem Internet-die meisten Soldaten haben kein dienstliches. Mal davon abgesehen, braucht die Einrichtung eines Computerarbeitsplatzes Zeit (und vor allem erst einmal einen zusätzlichen Rechner, der überhaupt mal existieren muss). Kisten im neuen Büro- ist halt so, wenn der Raum bisher anders genutzt wurde. Und wie groß ist dieses neue Büro überhaupt? Gab es Sachgründe, warum er nicht an seinem bisherigen Platz bleiben konnte/sollte?
•Medals are OK, but having your body and all your friends in one piece at the end of the day is better.
http://www.murphys-laws.com/murphy/murphy-war.html

justice005

ZitatDas greift ein wenig kurz, denn die Richter haben sich bei dem Urteil sicherlich etwas gedacht. Und der Befehl wird nicht unverbindlich, sondern der Soldat befolgt einen rechtmäßigen verbindlichen Befehl aus einem Gewissensnotstand heraus nicht und bleibt eventuell deswegen straffrei.

Den Fall kenne ich besser, denn ich habe die Originalentscheidung gelesen. Das BVerwG hat in dem "Pfaff-Urteil" gesagt, dass ein Befehl, der in die Gewissensfreiheit eingreift, unzumutbar ist. Weiter wurde gesagt, dass mit der Unzumutbarkeit die Unverbindlichkeit einhergeht.

ZitatDoch und ich kann dir für meine Person derzeit sogar ein ganz klares Szenario nennen in dem ich bestimmte Befehle aus Gewissensgründen verweigern müsste, nämlich wenn die derzeitige Bundesregierung nach §5 Parlamentsbeteiligungsgesetz einen Einsatz bei Gefahr im Verzug (z.B. MilEvakOp) anordnen würde. Da die derzeitige Bundesregierung es nach der Evakuierungsmission in Libyen nämlich klar rechtswidrig versäumt hat nachträglich für den Einsatz vom Bundestag die Zustimmung einzuholen müsste ich davon ausgehen, dass das auch für zukünftige Einsätze nicht geschieht und ich mich dementsprechend an einem rechtswidrigen Einsatz der Bundeswehr beteiligen würde. Und da wird bei mir eine ganz klare rote Gewissensgrenze überschritten.

Das alles hat mit dem Gewissen im Sinne des Grundgesetzes nichts zu tun. Der Soldat HAT gemäß § 11 SG auch rechtswidrige Befehle auszuführen, sofern kein Unverbindlichkeitsgrund vorliegt und es sich bei dem Befehl nicht um eine Straftat oder einen schweren Verstoß gegen das Völkerecht handelt. Beides ist hier nicht ersichtlich. Wenn ein Vorgesetzter sich nicht an die Rechtslage hält, dann gibt das dem unterstellten Soldaten noch lange nicht das Recht, einen Befehl zu verweigern (Ausnahme sind wie gesagt Aufforderungen zu Straftaten oder schwere Verstöße gege das HVR). Aber auch bei den Ausnahmen muss es jeweils offensichtlich sein.

Ich bin überrascht, diese Sätze ausgerechnet von Dir zu lesen. Diese Einstellung passt gar nicht zu dir.

ZitatMir befiehlt ja nicht die Bundeswehr, sondern mein Vorgesetzter, mein unmittelbarer Vorgesetzter. Der erhält aber auch Befehle von jemandem, der auch Befehle erhält. Der Befehl, den ich direkt kriege, hat selten einen derart offensichtlichen Hintergrund, das ich ihn aus Gewissensgründen "verweigern" könnte.

Exakt so ist es. Der Befehlsempfänger macht sich weder strafbar, noch begeht er ein Dienstvergehen, da er sich als echten Rechtfertigungsgrund darauf berufen kann, einen verbindlichen Befehl ausgeführt zu haben.

Zitat... war doch nur eine Dienstreise - die muss nicht vom BT genehmigt werden.

Einen Verstoß gegen das ParlBetG sehe ich ebenfalls. Das ändert an der Verbindlichkeit von Befehlen aber herzlich wenig, denn es handelt sich weder um einen schweren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht noch um eine Straftat.

ZitatKlar gibt es da verschiedene Ansichten zu - aber nicht mal die Linken haben geklagt ...

Aber die Grünen haben geklagt. Soweit ich weiß, gibt es aber noch kein Urteil.

ZitatInsoweit gibt es da ein nicht unerhebliches risiko bei Ungehorsam in einem ähnlichen Fall.

Sehr richtig, und das ist auch gut so.


F_K

HeHo - andere Herleitung - aber gleiches Ergebnis. (hatte ich nicht mitbekommen, dass die Grünen geklagt haben - schauen wir  mal ...)

Thonar

§7 SG: Der Soldat hat die Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.

Ich finde diese "Kettenargumentation" des Herren Oberleutnant aus dem Artikel sehr fragwürdig. Auf die gleiche Weise könnte jeder Soldat argumentieren. Wie steht es z.B. mit dem Fernmelder der eine, auch durch Verbündete genutzte, Relaisstation in einem Lager betreibt?
Oder dem Infanteristen der seine Beobachtungen der letzten Patroullie als Bericht abgeben muss, die ggf. von anderen Streitkräften genutzt werden?
Oder der Sanni der auch die Kampfkraft der Soldaten ausländischer Streitkräfte erhält?

Ich persönlich finde die Gewissensfrage ist immer auch die Frage nach dem Eid. In wie weit widerspricht ein Befehl meinem Eid?
Die Situation des Oberleutnants ist da leider zwiespältig:

Er soll der Bundesrepublik treu dienen, gleichzeitig Recht und Freiheit tapfer verteidigen.
Was wiegt schwerer?
Recht oder Freiheit?
Das ist nämlich die Frage.
Der Herr Oberleutnant beantwortet diese Frage mit dem "Recht", ich könnte das nicht.

Schwieriger Fall. Hier sollte man kein zu schnelles Urteil fällen.

justice005

Was unter "Gewissen" fällt und was nicht, hat das Bundesverwaltungsgericht in dem von mir angesprochenen Urteil dargestellt. Es ist nach den Buchstaben des Grundgesetzes sicherlich ein rechtlich vertretbares Urteil, aber man hätte auch ebensogut anders entscheiden können.

http://www.bverwg.de/entscheidungen/pdf/210605U2WD12.04.0.pdf


Andi

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 20:41:27
Den Fall kenne ich besser, denn ich habe die Originalentscheidung gelesen. Das BVerwG hat in dem "Pfaff-Urteil" gesagt, dass ein Befehl, der in die Gewissensfreiheit eingreift, unzumutbar ist. Weiter wurde gesagt, dass mit der Unzumutbarkeit die Unverbindlichkeit einhergeht.

Gelesen hab ich das damals auch, aber keinen Bedarf mir das noch mal anzutun. Gleiches gilt für das VMBl, dass zur "Praxis" in der Truppe dazu herausgegeben wurde.
Wenn der Tenor so ist, wie du ihn hier schilderst pervertiert das so in meinen Augen schon den Grundgedanken von Befehl und Gehorsam - kann auch durchaus sein, dass meine "Notstandslösung" diejenige gewesen wäre, die ich damals vorgezogen hätte. Denn so wäre die Verbindlichkeit eines aus Gewissensgründen nicht befolgten Befehls ja gar nicht mehr wirklich gerichtlich prüfbar.

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 20:41:27Das alles hat mit dem Gewissen im Sinne des Grundgesetzes nichts zu tun.

Deine Meinung. Wenn so eklatant gegen die Normen des Grundgesetztes verstoßen wird, dann kann ich eine Beteiligung daran schlicht mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, denn diese Normen stellen für mich als vorbildlichen Staatsbürger in Uniform selbstverständlich das Maß aller Dinge dar.

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 20:41:27
Ich bin überrascht, diese Sätze ausgerechnet von Dir zu lesen. Diese Einstellung passt gar nicht zu dir.

Ich finde es eher schlimm, dass sich nicht alle Offiziere der Bundeswehr mit ihrer persönlichen Meinung so eindeutig positionieren wie ich. Denn dass die Bundeswehr grundgesetzwidrig eingesetzt wurde ist für mich moralisch, ethisch und rechtlich der absolute Supergau und trotzdem wird einfach zur Tagesordnung übergegangen.
Warum? Ich vermute, weil sowieso klar wäre, dass der Bundestag das Mandat gegeben hätte, aber darum geht es ja nicht vordergründig.

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 20:41:27
ZitatMir befiehlt ja nicht die Bundeswehr, sondern mein Vorgesetzter, mein unmittelbarer Vorgesetzter. Der erhält aber auch Befehle von jemandem, der auch Befehle erhält. Der Befehl, den ich direkt kriege, hat selten einen derart offensichtlichen Hintergrund, das ich ihn aus Gewissensgründen "verweigern" könnte.

Exakt so ist es. Der Befehlsempfänger macht sich weder strafbar, noch begeht er ein Dienstvergehen, da er sich als echten Rechtfertigungsgrund darauf berufen kann, einen verbindlichen Befehl ausgeführt zu haben.

Da wären wir dann aber schon wieder fast beim Kadavergehorsam. Gerade von Offizieren erwarte ich, dass der Gesamtzusammenhang gesehen und soweit möglich analysiert wird. Denn bei aller Verbindlichkeit eines Befehls hat der Gesetzgeber ins Grundgesetz das Widerstandrecht eingebaut, woraus beim Soldaten durchaus auch eine Widerstandpflicht resultiert, wenn es darum geht das rechtsstaatliche Handeln der Bundeswehr sicherzustellen.

Aber gut. Ich gehe jetzt von meinem Beispiel aus, was sicherlich nicht repräsentativ für solche Betrachtungen ist. Im Grundsatz hast du natürlich recht. Aber ich war wirklich schockiert, als ich gesehen habe wie einfach und unwidersprochen die Bundeswehr grundgesetzwidrig eingesetzt werden konnte, deswegen ziehe ich mich daran wohl etwas hoch und gerate ins philosophieren - das gehört wohl eher ins Kamingespräch.

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 20:41:27
Einen Verstoß gegen das ParlBetG sehe ich ebenfalls. Das ändert an der Verbindlichkeit von Befehlen aber herzlich wenig, denn es handelt sich weder um einen schweren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht noch um eine Straftat.

Nö, daraus könnte aber resultieren, dass der Befehl schlicht keinen dienstlichen Zweck hat, wenn man davon ausgeht, dass das Beispiel Schule macht. Und da Zeitreisen bisher noch nicht möglich sind muss ich halt irgendwo meine Gewissensgrenze ziehen. Das ist aber nicht meine Schuld, sondern die der handelnden Personen in der Bundesregierung.
Übrigens bin ich seidtem auch sicher, dass wir klare Strafrechtliche Normen für Mitglieder der Bundesregierung brauchen. Dass Streitkräfte verfassungswidrig eingesetzt werden und das für die Anordnenden keinerlei Konsequenzen haben kann erinnert eher an irgendeinen Bananenstaat, als an eine demokratisch-föderale Republik.

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 20:41:27
Aber die Grünen haben geklagt. Soweit ich weiß, gibt es aber noch kein Urteil.

Ja leider.

Gruß Andi
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justice005

ZitatWenn so eklatant gegen die Normen des Grundgesetztes verstoßen wird, dann kann ich eine Beteiligung daran schlicht mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, denn diese Normen stellen für mich als vorbildlichen Staatsbürger in Uniform selbstverständlich das Maß aller Dinge dar.

Das ParlBetG ist ein einfaches Bundesgesetz. Mit den Normen des Grundgesetzes hat das alles überhaupt nichts zu tun. Denn der Einsatz war nach Art 87a I GG eindeutig legitimiert (Verteidigung dt. Staatsbürger). Ein Verstoß gegen ein einfaches Bundesgesetz ändert an der Verbindlichkeit von Befehlen überhaupt nichts und löst auch keinen Gewissenskonflikt im Sinne des Art 4 GG aus. Dazu gehört deutlich (!!) mehr als ein Verstoß gegen ein einfaches Gesetz.

ZitatDenn dass die Bundeswehr grundgesetzwidrig eingesetzt wurde ist für mich moralisch, ethisch und rechtlich der absolute Supergau und trotzdem wird einfach zur Tagesordnung übergegangen.

Siehe oben. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz ist alles andere als eindeutig, da das BVerfG sich in seinem Urteil damals nur auf Artikel 24 II berufen hat, als es den Bundestagsbeschluss gefordert hat. Meine persönliche Meinung ist auch, dass das der Grund für die Entscheidung der Regierung war. Möglicherweise will man ausloten, ob bei einem Einsatz nach Art 87a I GG überhaupt ein BT-Beschluss notwendig ist oder nicht.

ZitatDa wären wir dann aber schon wieder fast beim Kadavergehorsam.

Ganz klares nein. Es wird kein blinder Gehorsam verlangt, sondern durch die Verbindlichkeitsregeln eine klare Grenze gezogen, die das Bild des Staatsbürgers in Uniform mit dem militärisch notwendigen Gehorsamsanspruch in eine ausreichende Balance bringt.

ZitatDenn bei aller Verbindlichkeit eines Befehls hat der Gesetzgeber ins Grundgesetz das Widerstandrecht eingebaut, woraus beim Soldaten durchaus auch eine Widerstandpflicht resultiert, wenn es darum geht das rechtsstaatliche Handeln der Bundeswehr sicherzustellen.

Nein. Um sich auf das von dir genannte Widerstandsrecht zu berufen, müsste der ganze Staat mitsamt Grundrechten und Menschenechten schon zusammengebrochen sein. Das Widerstandsrecht gilt nur, wenn einer die komplette freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen wolle. Leute wie Stauffenberg sind dami gemeint. In unserem jetzigen Staat spielt der genannte Artikel 20 IV keine Rolle und ist vor allem nicht geeignet, Befehle zu verweigern, insbesondere dann nicht, wenn der Befehl verbindlich ist.

ZitatNö, daraus könnte aber resultieren, dass der Befehl schlicht keinen dienstlichen Zweck hat, wenn man davon ausgeht, dass das Beispiel Schule macht.

Der Befehl lautete: Deutsche Staatsbürger im Sinne des Artikel 87a I GG evakuieren. Hier den "dienstlichen Zweck" zu betreiten, ist wirklich nicht vertretbar, da die Bundeswehr damit einen verfassungsmäßigen Auftrag ausgeführt hat. Dass während der Umsetzung möglicherweise gegen sonstige Gesetze verstoßen wurde, hat der Befehlsgeber zu verantworten. Der Untergebene muss bei seiner nüchternen Verbindlichkeitsprüfung bleiben.

ZitatDass Streitkräfte verfassungswidrig eingesetzt werden und das für die Anordnenden keinerlei Konsequenzen haben kann erinnert eher an irgendeinen Bananenstaat, als an eine demokratisch-föderale Republik.

Woher weißt Du denn, dass es verfassungswidrig war? Ich selbst sehe "nur" einen Verstoß gegen das ParlBetG. Ob es verfassungswidrig war, hat das BVerfG ja noch gar nicht entschieden. Aber selbst wenn, dann war es kein "grober" Verstoß gegen die Verfassung, weil Artikel 87a I derartige Aktionen ja grundsätzlich erlaubt. Außerdem muss erstmal einer dem Entscheidungsträger nachweisen, dass er absichtlich rechtswidrig gehandelt hat. Vielleicht hat er ja wirklich nur die Rechtslage fehlerhaft interpretiert und nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt....


justice005

Kleiner Nachtrag aus wikipedia:

Das Bundesverfassungsgericht hat sich bislang zur Frage eines Widerstandrechts nur in seiner Entscheidung vom 17. August 1956 zum KPD-Verbot,[4] also vor Aufnahme dieses Rechts in Art. 20 GG, ausführlicher geäußert. Danach stellt das Gericht grundsätzlich in Frage, ob angesichts des grundgesetzlich gewährleisteten Rechtsbehelfssystems überhaupt noch Raum für ein solches Recht sein kann.[4] Ein Widerstandsrecht gegen Einzelmaßnahmen schließt es jedoch ausdrücklich aus: würde man gegen einzelne staatliche verfassungswidrige Maßnahme bereits ein solches Recht zulassen, so übersähe man, ,,den grundsätzlichen Unterschied zwischen einer intakten Ordnung, in der im Einzelfalle auch Verfassungswidrigkeiten vorkommen mögen, und einer Ordnung, in der die Staatsorgane aus Nichtachtung von Gesetz und Recht die Verfassung, das Volk und den Staat im ganzen verderben, so dass auch die etwa in solcher Ordnung noch bestehenden Rechtsbehelfe nichts mehr nutzen."


StOPfr

@ justice005

Danke für die beiden letzten Beiträge. Sehr fundiert. Jetzt kann ich das auch nachvollziehen ;)!
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Andi

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 22:11:02
Das ParlBetG ist ein einfaches Bundesgesetz. Mit den Normen des Grundgesetzes hat das alles überhaupt nichts zu tun.

Selbstverständlich, da war das Verfassungsgericht bei seiner Entscheidung zu Einsätzen der Bundeswehr ja völlig unzweideutig.

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 22:11:02
Ein Verstoß gegen ein einfaches Bundesgesetz ändert an der Verbindlichkeit von Befehlen überhaupt nichts und löst auch keinen Gewissenskonflikt im Sinne des Art 4 GG aus. Dazu gehört deutlich (!!) mehr als ein Verstoß gegen ein einfaches Gesetz.

Warum versuchst du anderen Leuten eigentlich ihr Gewissen vorzuschreiben? ;) Mutet mehr als nur leicht befremdlich an...
Ausgangspunkt für mein Gewissen als Mensch und Soldat sind das Grundgesetz und mein Eid. Und in meinem Eid habe ich nunmal geschworen das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Und warum das so ist sagt dir die deutsche Geschichte.

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 22:11:02
Siehe oben. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz ist alles andere als eindeutig, da das BVerfG sich in seinem Urteil damals nur auf Artikel 24 II berufen hat, als es den Bundestagsbeschluss gefordert hat.

Wenn du meinst. Dann haben dass wohl alle Fraktionen (bis auf die Linkspartei) aber anders interpretiert als du, als sie in Parlamentsbeteiligungsgesetz hineingeschrieben haben "Gleiches gilt für Einsätze zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen".

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 22:11:02
Meine persönliche Meinung ist auch, dass das der Grund für die Entscheidung der Regierung war. Möglicherweise will man ausloten, ob bei einem Einsatz nach Art 87a I GG überhaupt ein BT-Beschluss notwendig ist oder nicht.

Wenn das tatsächlich Antrieb des Handelns war wäre das die Bankrotterklärung des Rechtsstaates und zudem die Aufhebung der Gewaltenteilung durch ein verselbständigtes Rechtssystem.

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 22:11:02
Ganz klares nein. Es wird kein blinder Gehorsam verlangt, sondern durch die Verbindlichkeitsregeln eine klare Grenze gezogen, die das Bild des Staatsbürgers in Uniform mit dem militärisch notwendigen Gehorsamsanspruch in eine ausreichende Balance bringt.

...was das Bundesverwaltungsgericht aber anders gesehen hat und deswegen den Gewissensaspekt eingebracht hat.

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 22:11:02
Nein. Um sich auf das von dir genannte Widerstandsrecht zu berufen, müsste der ganze Staat mitsamt Grundrechten und Menschenechten schon zusammengebrochen sein.

Nö, denn dann wäre er Artikel ja sinnlos. Er setzt die Schwelle ja explizit davor, auf dem Weg dahin. Und wenn die Regierung (grund)gesetzwidrig Streitkräfte einsetzt dann sind wir da ganz unzweifelhaft auf einem klar erkennbaren Weg...
Aber hier geht es ja um einen ganz speziellen Fall: Die Bundesregierung verstößt gegen geltendes Recht und der Soldat müsste dies von amtswegen umsetzen - ohne Rechtsbehelf vor Ausführung der Maßnahme. Es geht nicht um den Otto-Normalbürger, sondern um den Amtsträger Soldat, der dem Rechtsstaat dient.
Aus deutscher Geschichte heraus ein schwieriges Thema...

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 22:11:02
Das Widerstandsrecht gilt nur, wenn einer die komplette freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen wolle. Leute wie Stauffenberg sind dami gemeint. In unserem jetzigen Staat spielt der genannte Artikel 20 IV keine Rolle und ist vor allem nicht geeignet, Befehle zu verweigern, insbesondere dann nicht, wenn der Befehl verbindlich ist.

Ja, alles nette Erwägungen. Aber effektiv bringen Urteile, Kommentare und Auffassungen bezüglich dieses Artikels nicht weiter bis es die ersten praktische Erfahrungen im geschilderten Kontext gibt.

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 22:11:02
Der Befehl lautete: Deutsche Staatsbürger im Sinne des Artikel 87a I GG evakuieren. Hier den "dienstlichen Zweck" zu betreiten, ist wirklich nicht vertretbar, da die Bundeswehr damit einen verfassungsmäßigen Auftrag ausgeführt hat. Dass während der Umsetzung möglicherweise gegen sonstige Gesetze verstoßen wurde, hat der Befehlsgeber zu verantworten. Der Untergebene muss bei seiner nüchternen Verbindlichkeitsprüfung bleiben.

Nein, dank des Bundesverwaltungsgerichtes nicht.

Zitat von: justice005 am 02. Juni 2013, 22:11:02
Vielleicht hat er ja wirklich nur die Rechtslage fehlerhaft interpretiert und nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt....

Ich erwarte von zwei Bundesministern und einer Bundeskanzlerin, dass sie einen ganz simpel formulierten Satz lesen, verstehen und umsetzen können.

Gruß Andi
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