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WB-Zuständigkeit, Wahlrecht DU vs Entlassung

Begonnen von Plattschi89, 20. Juni 2025, 16:37:43

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Plattschi89

Ja, das ist ein valider Punkt. Allerdings muss ich einwenden, dass ich nicht den Eindruck gewonnen habe, dass sich mit meiner Eingabe (die eine Personalentscheidung und vor allem die Wahrung der Grundrechte betraf) bei der Wehrbeauftragten angemessen beschäftigt wurde.

Es führt jetzt weg vom Thema des Threads, aber es ging in der Eingabe um einen Rekruten in der Kompanie, der Probleme in der Ausbildung hatte, nach § 55 (4) SG entlassen werden sollte und sich daraufhin versucht hat, das Leben zu nehmen. Ich habe das nicht mehr mit ansehen können und den Sachverhalt nach Rücksprache mit dem Kameraden an die Wehrbeauftragte gemeldet, weil in der Einheit selbst die Situation mit ihm völlig verfahren war. Er hatte mir die Stellungnahmen des direkten und nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten zum Entlassungsverfahren gezeigt und das waren schon ,,Hausnummern", was die Ausdrucksweise und die Darstellung des Rekruten betraf. Insbesondere habe ich in der Eingabe darum gebeten, ihn per DU-Verfahren zu entlassen und nicht wegen ,,Nichteignung", ihm außerdem Besuche in der Kaserne und das Gerede über ihn zu ersparen und ihn vor allem durch ein anderes SanVersZ behandeln zu lassen, da es ihm offensichtlich nicht guttat, am Standort zu sein bzw. im SanVersZ am Standort behandelt zu werden. Die Antwort vom Platz der Republik war dann nach dem Motto ,,wir gehen davon aus, dass die Vorgesetzten ihrer Fürsorgepflicht nachkommen." Passiert ist nichts. Das fand ich schon richtig schwach und ich bin auf die Wehrbeauftragte als Institution daher auch nicht mehr gut zu sprechen. Kurze Zeit später wurde dann ein Interview mit der damaligen Wehrbeauftragten publiziert, in der sie die Wichtigkeit von Suizidprävention thematisiert und die Bundeswehr für ihren Umgang mit der Thematik lobt. Ich habe nur noch mit dem Kopf schütteln können, als ich das gelesen habe. Diese Erfahrung ist auch der Grund für meine anderen Posts hier, in denen ich ja doch eine etwas andere Perspektive auf Themen wie Depression habe als manch andere und auch schnell etwas emotional werde. Die ganze Sache beschäftigt mich nach wie vor sehr.

SolSim

Zitat von: Plattschi89 am 20. Juni 2025, 16:37:43Ja, das ist ein valider Punkt. Allerdings muss ich einwenden, dass ich nicht den Eindruck gewonnen habe, dass sich mit meiner Eingabe (die eine Personalentscheidung und vor allem die Wahrung der Grundrechte betraf) bei der Wehrbeauftragten angemessen beschäftigt wurde.

Es führt jetzt weg vom Thema des Threads, aber es ging in der Eingabe um einen Rekruten in der Kompanie, der Probleme in der Ausbildung hatte, nach § 55 (4) SG entlassen werden sollte und sich daraufhin versucht hat, das Leben zu nehmen. Ich habe das nicht mehr mit ansehen können und den Sachverhalt nach Rücksprache mit dem Kameraden an die Wehrbeauftragte gemeldet, weil in der Einheit selbst die Situation mit ihm völlig verfahren war. Er hatte mir die Stellungnahmen des direkten und nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten zum Entlassungsverfahren gezeigt und das waren schon ,,Hausnummern", was die Ausdrucksweise und die Darstellung des Rekruten betraf. Insbesondere habe ich in der Eingabe darum gebeten, ihn per DU-Verfahren zu entlassen und nicht wegen ,,Nichteignung", ihm außerdem Besuche in der Kaserne und das Gerede über ihn zu ersparen und ihn vor allem durch ein anderes SanVersZ behandeln zu lassen, da es ihm offensichtlich nicht guttat, am Standort zu sein bzw. im SanVersZ am Standort behandelt zu werden. Die Antwort vom Platz der Republik war dann nach dem Motto ,,wir gehen davon aus, dass die Vorgesetzten ihrer Fürsorgepflicht nachkommen." Passiert ist nichts. Das fand ich schon richtig schwach und ich bin auf die Wehrbeauftragte als Institution daher auch nicht mehr gut zu sprechen. Kurze Zeit später wurde dann ein Interview mit der damaligen Wehrbeauftragten publiziert, in der sie die Wichtigkeit von Suizidprävention thematisiert und die Bundeswehr für ihren Umgang mit der Thematik lobt. Ich habe nur noch mit dem Kopf schütteln können, als ich das gelesen habe. Diese Erfahrung ist auch der Grund für meine anderen Posts hier, in denen ich ja doch eine etwas andere Perspektive auf Themen wie Depression habe als manch andere und auch schnell etwas emotional werde. Die ganze Sache beschäftigt mich nach wie vor sehr.

Wenn Sie nicht selber direkt betroffen sind, wird das Büro des Wehrbeauftragten Ihnen gegenüber immer unverbindlich auftreten.

Dennoch können Sie davon ausgehen, dass auch diese Sachverhalte angemessen geprüft werden. Was passiert in so einem Fall?

Der\Die Wehrbeauftragte erstellte zu einem Sachverhalt eine Anfrage an den zuständigen Disziplinarvorgesetzten und fordert diesen zu einer umfangreichen Stellungnahme auf (U.a. wird auch ein auf den Fall bezogener detalierter Fragenkatalog und eine enge Terminsetzung zur Beantwortung gesetzt). Allein das beschäftigt schon den DV und auch ein/zwei von ihm beauftragte Offiziere mir Ermittlungen.


wolverine

Ojeh, wo soll ich anfangen ...

Eingaben "für andere" sind schon per se ein Problem und grundsätzlich unzulässig.

Wenn jemand nun einmal nicht geeignet ist, wird er als nicht geeignet entlassen. Man kann doch nicht korrekte Bewertungen nach belieben verändern. DAS wäre unzulässige Willkür.

Gleiches gilt für örtlich Zuständigkeiten. Wenn ein Arzt/ SanVersZ zuständig ist, kann man nicht woanders hinschicken. Wenn genau dieser Punkt medizinisch relevant ist, muss das der behandelnde Arzt klären. Nicht aber der WBdBT.
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Helft mit, dass es so bleiben kann

Plattschi89

@wolverine

(1) Schauen Sie mal in das WBeauftrG und nennen Sie mir bitte die Rechtsgrundlage dafür, dass Eingaben für andere unzulässig seien.

(2) Wer stellt eine Nichteignung unumstößlich fest? Sind Kompaniechef und Bataillonskommandeur unfehlbar? Was bedeutet ,,Nichteignung" überhaupt? Worauf ich hinaus möchte: Man hätte dem Kameraden mit einer Versetzung in einen anderen Dienstkontext helfen können. Er war für die Verwendung im Heer nicht geeignet, aber man hätte ihn in einem weniger ,,grünen" Kontext einsetzen können. Das war offensichtlich. Prinzipen hinter einer Versetzung: Fürsorge, Kameradschaft und (leider in der Bundeswehr meiner Erfahrung nach sehr selten) Mitmenschlichkeit.

(3) Selbstverständlich kann ein Soldat auf Antrag beim zuständigen Sanitätsunterstützungszentrum in einem anderen SanVersZ behandelt werden. Dem Antrag muss halt stattgegeben werden.

F_K

Offtopic:

Platschi:

Man sollte Gesetze lesen und verstehen können - der 7ner ist ein PERSÖNLICHES Recht, jeder Soldat kann dies für SICH in Anspruch nehmen - aber eben nicht für andere / Dritte Soldaten.

Plattschi89

Natürlich kann ich eine Eingabe schreiben, die einen Sachverhalt betrifft, der jemand anderes belastet. Ich habe ja nicht in seinem Namen geschrieben. Wissen Sie, wie es dem Kameraden damals ging? Wie kann man so wenig Mitgefühl haben? Was hätten Sie denn gemacht? Weg geschaut?

F_K

@ Platschi:

Nein, ich habe keine Sachkenntnis von dem Einzelfall.

Alleine die Idee, "statt" fehlender Eignung auf DU "zu wechseln", zeigt ein fehlendes Sach- und Rechtsverständnis.

"Melden" mag man ja alles können - bringt halt manchmal wenig, wenn keine Zugriffsrechte auf den Vorgang hat.

Beschwerden sind halt eine persönliche Sache, und viele Rechtsmittel sind ebenfalls persönlich - also unterstützt man Kameraden in der Wahrnehmung IHRER Rechte.

Plattschi89

Es gibt Fälle, wo beide Entlassungsmöglichkeiten [,,DU-Verfahren" und 55 (4)] möglich sind. Wenn Sie beispielsweise jemanden haben (wie in dem Fall hier), der die SGA nicht besteht, weil er über längere Zeit krank zu Hause geschrieben ist. Dann kann der DV sagen, ich stelle einen Antrag auf 55 (4) oder ich warte eben, bis was vom Truppenarzt kommt. Korrigieren Sie mich, falls ich das falsch sehe.

KlausP

Sie haben recht, im steht  explizit nichts darüber, dass man keine Eingabe, einen anderen Soldaten und den Umgang mit ihm betreffend, schreiben kann/darf.
Bevor jetzt wieder ein total schlauer Oberlehrer um die Ecke kommt (Zei läuft ... ): Ja, in der WBO ist das für eine Beschwerde ausgeschlossen. ABER: Eine Eingabe an den WBdBT ist nun mal keine Beschwerde nach der WBO sondern ein Eingabe nach dem Wehrbeauftragtengesetz.
StOFä (NVA) a.D., StFw a.D.
aktiver Soldat vom 01.11.71 bis 30.06.06, gedient in zwei Armeen

Plattschi89

Zitat von: KlausP am 20. Juni 2025, 18:02:46Sie haben recht, im steht  explizit nichts darüber, dass man keine Eingabe, einen anderen Soldaten und den Umgang mit ihm betreffend, schreiben kann/darf.
Bevor jetzt wieder ein total schlauer Oberlehrer um die Ecke kommt (Zei läuft ... ): Ja, in der WBO ist das für eine Beschwerde ausgeschlossen. ABER: Eine Eingabe an den WBdBT ist nun mal keine Beschwerde nach der WBO sondern ein Eingabe nach dem Wehrbeauftragtengesetz.

Vielen Dank für die gute Klarstellung! Exakt so sehe ich den Sachverhalt auch.

F_K

Offtopic:

Nunja, win Rechtsanwalt / StOffz, der truppenseitig Eingaben / Beschwerden bearbeitet, hat seine Sichtweise dargestellt - ich sehe dies auch so.

Trennung:

Eine Erkrankung ist keine Basis für 55/4, und einige Wochen Krank keine Basis für ein DU Verfahren, Lehrgang hin oder her - die Entlassung ist daher SICHER anders begründet worden.

Ist die Entlassung erfolgt? Wurden Rechtsmittel eingelegt? Mit welchem Ergebnis?

Vermutlich ist der "Fall" ohne Rechtsmittel rechtskräftig geworden ...

Plattschi89


Ralf

Bundeswehrforum.de - Seit 23 Jahren werbefrei!
Helft mit, dass es so bleibt.

Plattschi89

Vielen Dank für die hilfreiche Restrukturierung, Ralf!

Entschuldigung, dass es mit meiner Antwort ein wenig gedauert hat, aber ich habe mit dem (ehemaligen) Kameraden erst Rücksprache gehalten, ob ich seine Geschichte hier wiedergeben darf. Außerdem habe ich ihn noch nach dem Wortlaut der Stellungnahmen zu seiner geplanten Entlassung gefragt (s.u.).

Disclaimer: Ich bin mit dem in Rede stehenden ehemaligen Soldaten befreundet und schätze ihn menschlich sehr. Wie bereits von SolSim im Kontext der Eingabe richtig beschrieben, habe ich als nicht direkt Betroffener in der Sache nie detaillierte Informationen oder Aussagen vom DV oder der WBdB bekommen (was ja auch aus Gründen der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes absolut sinnvoll und korrekt ist). Daher ist meine Perspektive natürlich primär durch die Bekanntschaft mit ihm und die von ihm erhaltenen Angaben geprägt. Trotzdem habe ich versucht, die Sache möglichst objektiv zu beschreiben.

Kurz zu mir: Ich habe mich nach dem Abitur als Mannschafter verpflichtet und wurde vor allem als Hilfsausbilder und Zugsoldat eingesetzt. Mein Plan war es ursprünglich, mich als OA zu bewerben, habe es dann aber gelassen und studiere nun zivil auf Gymnasiallehramt. In der Oberstufe hatte ich einen ziemlich guten Geschichtslehrer. Daraufhin habe ich begonnen, mich für (Militär-)Geschichte zu interessieren. Besonders die Kavallerie hatte es mir angetan, somit habe ich mich auch für die Heeresaufklärungstruppe beworben (und wurde dort auch eingesetzt).

Ich bin mit etwas gespaltenen Gefühlen aus der Bundeswehr ausgeschieden. Auf der einen Seite gab es bei den Aufklärern coole Ausbildungen (an die eigenen Grenzen gehen etc.) und auch immer wieder das Gefühl von Kameradschaft und Zusammenhalt. Gerade während meines aktuellen Studiums in der Retrospektive sehe ich auf der anderen Seite aber auch (zum Teil strukturelle) Probleme am Standort. Besonders der Alltag im Regeldienst war für mich und andere zum Teil einfach nur Zeit totschlagen (und auf dumme Ideen kommen). Am gravierendsten wiegt jedoch die Geschichte, um die es hier geht und die mich auch noch mehr als vier Jahre nach DZE immer noch beschäftigt. Mir ist bewusst, dass mir hier niemand die Absolution erteilen kann und wird, aber ich fühle mich halt trotzdem verantwortlich.

Mit der Darstellung geht es mir zum einen darum, die Sache zu kommunizieren, da ich es wichtig finde, dass die Bundeswehr sich im Hinblick auf ihren Umgang mit seelischen Problemen und der Thematik ,,Suizid(alität)" verändert. Über eine Recherche zu diesen Themen bin ich auch auf dieses Forum gestoßen (vgl. meine älteren Posts). Zum anderen hat mich der in Rede stehende junge Mann gebeten, hier Rückmeldungen von Fachkundigen, die nicht direkt involviert waren, zu seinem Fall einzuholen und ihm vor allem zu sagen, ob es Chancen für eine Rehabilitierung gibt. Ich habe eben mit ihm telefoniert, und er hat mich unter Tränen gebeten, diese Frage hier zu stellen, da er sich eine Rehabilitierung sehnlich wünscht. Auch frage ich mich, ob ich damals mehr für ihn hätte tun können oder sogar müssen.

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass der junge Mann wirklich am Boden zerstört ist und darum bitte, mit ihm (und auch mir) respektvoll umzugehen (es ist möglich, dass er sich die Antworten anschaut). Die ganze Angelegenheit ist umgangssprachlich formuliert doch schon ziemlich ,,heftig", und ich werde bei ihr auch schnell emotional. Ich möchte mich auch bei F_K entschuldigen, dass ich ihm oben mangelndes Mitleid vorgeworfen habe. Ich kenne Sie, F_K, nicht persönlich, schätze aber Ihre hier immer wieder unter Beweis gestellte langjährige Erfahrung als Soldat und möchte Sie (und alle anderen) dazu einladen, sich zu der von mir geschilderten Sache respektvoll und konstruktiv auszutauschen.

Es folgt die Schilderung, nach bestem Wissen und Gewissen von mir wiedergegeben:

Der Kamerad hat sich nach Abschluss des Studiums und begonnener Promotion als ROA beworben. Nach erfolgreich abgeschlossenem Assessment-Center wurde er als SaZ 2 bei den Heeresaufklärern eingestellt. Die GA absolvierte er in der 5. Kompanie eines Heeresaufklärungsbataillons, die an einem Panzergrenadierstandort (also nicht am ,,Stammstandort") stationiert war und ist. Nach der bestandenen GA wurde der Rekrut zu mir in die 2. Kompanie desselben Heeresaufklärungsbataillons an den ,,Stammstandort" versetzt.

In der SGA zeigte sich, dass der junge Mann extrem talentiert war, was alle intellektuellen Ausbildungsinhalte betraf. Im (theoretischen) Unterricht arbeitete er mit Begeisterung mit, stellte gute Fragen etc. Auch bei grobmotorisch fordernden Inhalten (Ausdauerlauf etc.) gehörte er zur leistungsmäßigen Spitzengruppe des Zuges. Demgegenüber stand eine völlige feinmotorische Unbeholfenheit. Umgangssprachlich formuliert hatte er ,,zwei linke Hände und an diesen auch nur Daumen". Der Umgang mit den Handwaffen, aber auch das schnelle Packen des Rucksacks etc. waren für den Kameraden nur sehr schwer umzusetzen.

Er begann auch im Laufe der SGA immer mehr zu zittern. Ich habe ihn einmal gefragt, was genau das Problem ist. Er meinte, dass er riesigen Respekt vor den Waffen hätte und in Anbetracht seiner großen Verantwortung als Einzelschütze Angst hätte, Fehler zu machen. Am schlimmsten sei jedoch für ihn das Gefühl, den Zug aufzuhalten und den Ausbildungsfortschritt bzw. Ausbildungserfolg der anderen zu gefährden. Es wurde schließlich so schlimm, dass er einmal angefangen hat zu weinen, als er in den Anschlag gehen sollte.

Hinzu kam der Charakter des jungen Mannes: Er war (bzw. ist) so ein Mensch, ,,der einfach zu gut für die Welt ist". Als Beispiel ist mir noch in Erinnerung, wie einmal einem anderen, ihm nicht bekannten Soldaten in der Truppenküche ein Glas vom Tablett rutschte. Der junge Mann stand von seinem Essen auf und half dem Kameraden, die Reste aufzuwischen. Ein anderes Mal teilte der Gruppenführer nach einer besonders anstrengenden Übung im Gefechtsdienst eine Tafel Schokolade unter dem Zug auf. Ohne zu zögern gab der junge Mann sein Stück einem anderen Ausbildungsteilnehmer, der ihm zuvor geholfen hatte. Kurzum: Er war (bzw. ist) ein richtig feiner Kerl, den ich persönlich enorm schätze.

Besonders beeindruckt hat mich, dass er nie den Fehler bei anderen gesucht hat und sich auch nicht hängen ließ. Er hat es wirklich gewollt und auch wirklich versucht. Es kam mir so vor, als ob jemand mit voller Geschwindigkeit immer wieder gegen dieselbe Wand läuft, wieder aufsteht und neu Anlauf nimmt (nur leider stets aufs Neue ohne Erfolg). Einmal habe ich nach Dienstschluss mit ihm geredet, und dann hat er mir erneut gesagt, dass er so Angst habe, die anderen zu belasten und aufzuhalten. Das Schlimmste sei für ihn nicht, individuell ,,bestraft" zu werden, sondern dass der Zug wegen ihm kollektiv Probleme bekommen könnte. Auch bezeichnete er sich selbst als ,,Versager" und ,,minderwertig". Da habe ich das erste Mal geahnt, dass die ganze Sache noch richtig problematisch werden könnte.

Die Situation in der SGA wurde für ihn immer schwieriger. Ich erinnere mich an folgende Situation: Nach einer Ausbildung am Ende, kurz vor Dienstschluss, sollten alle im Zug ihre Rucksäcke packen und sich aufstellen. Alle standen in Formation, bis auf den Rekruten, der zunehmend zitternd seine Sachen in den Rucksack presste (es war ein bewusst vollgepackter Rucksack mit NATO-Rolle etc.). Ein anderer Ausbildungsteilnehmer wollte ihm helfen, doch wurde vom Zugführer zurückgehalten, der sagte: ,,Er muss es selber lernen." Sie können sich vorstellen, wie das für den jungen Mann gewesen sein muss. Alle wollten nur in den Dienstschluss und unter die Dusche, und er bekam nicht einmal den Rucksack gepackt. Ich kann sogar den Zugführer auch verstehen. Man muss als Soldat [und insbesondere (Reserve-)Offizier] seine Ausrüstung im Griff haben, insbesondere unter Stress. Aber ist es eine Lösung, in so einer Lage mit kollektivem Druck zu operieren?

Dem Rekruten wurde schließlich ein individuell für ihn zuständiger Ausbilder zur Seite gestellt. Es war wohl so, dass der Rekrut sich an den Truppenarzt gewandt hatte. Dieser hatte im Beisein des Rekruten den Kompaniechef angerufen, woraufhin dieser wiederum einen ,,persönlichen Ausbilder" abstellte. Dabei handelte es sich um einen in der Reserve zum Oberfeldwebel ausgebildeten OA, der somit einerseits die Ausbildung mit durchlief, aber andererseits auch bei der Ausbildung mitwirkte. Das Problem war, dass dieser Oberfeldwebel eine ganz klare Meinung zu dem jungen Mann hatte: Er sei nicht geeignet, und es sei nun die Aufgabe der Ausbilder und Vorgesetzten, ihm das deutlich zu machen, damit er den Widerruf ziehe, solange es noch möglich sei. Ich habe den Rekruten auch gefragt, ob das nicht vielleicht eine Option wäre, da er sich ja offensichtlich unwohl fühle und viel leiden würde. Er entgegnete, dass er es sich doch so wünsche, Reserveoffizier zu werden, er freue sich so sehr auf die OSH, und ihm würde das Gefühl so guttun, (zur militärischen Gemeinschaft) dazuzugehören. Ich kann mich erinnern, wie er einmal beim Drei-Kilometer-Lauf die beste Zeit des Zuges lief (knapp über 12 Minuten). Ein Ausbilder kam auf ihn zu, klopfte ihm auf die Schulter und sagte: ,,[Name], Maschine!" Auch die anderen im Zug schauten ihn mit Respekt an. Ich habe selten jemanden so glücklich und stolz gesehen.

Auch habe ich dem Soldaten vorgeschlagen, doch einen Antrag auf Versetzung einzureichen. Ich war mir nicht sicher, ob es in der SGA möglich ist, in eine andere ROA-Verwendung zu wechseln (das wäre eine Frage an die Perser hier), aber ich schlug ihm vor, dass er in jedem Fall einen Antrag auf Wechsel in die Laufbahn der Mannschaften stellen könnte und beispielsweise als OG/HG in der Luftwaffe oder im CIR seine zweijährige Dienstzeit in Würde und ohne diese Qualen zu Ende bringen könne. Er entgegnete, dass er Angst habe, dass sein Antrag in der Kompanie als Affront gewertet werden könne, und er auch so unfassbar stolz auf die silbernen Litzen sei.

Allen Beteiligten wurde bewusst, dass es so nicht mehr weitergehen konnte, als der Soldat von dem Oberfeldwebel wieder einmal heftig angegangen wurde. Schon vorher habe ich gesehen, dass der Oberfeldwebel ihm zum Teil richtig grob die Hand an der P8 ,,in Form drückte". Nun brüllte der Oberfeldwebel ihn an: ,,Was ist das für eine Sch**** wieder mit Ihnen? Sie haben mich abgeschwenkt." Ich habe die Szene selbst nicht gesehen, aber habe die starke Vermutung, dass der Rekrut den Oberfeldwebel nicht abgeschwenkt hat. In jedem Fall steckte der junge Mann die P8 zurück in das Holster und begann stark zu zittern und zu weinen. Er war komplett ,,durch" und überfordert.

Daraufhin wurde ihm nahegelegt, sich erneut beim Truppenarzt zu melden. Dieser schickte ihn in eine FU VI, wo bereits nach zwei Terminen die Vergabe einer VI 13 und die Einleitung eines DU-Verfahrens empfohlen wurde. Zwischenzeitlich wurde der Kamerad im Status ,,krank zu Hause" geführt. Beim Antreten fragte dann jemand mal: ,,Wo ist denn eigentlich [Name]?" und jemand anderes meinte leicht spöttisch: ,,Na ja, wahrscheinlich halt KzH bis DZE." Später erfuhr ich dann, dass der Soldat im Krankenhaus war, nachdem er sich in der FU VI selbst verletzt hatte. Was mich besonders betroffen gemacht hat, war, dass er keinen Besuch aus der Einheit erhielt, nicht mal eine Karte oder Genesungswünsche, gar nichts. Die Ausbildungsteilnehmer und ich wussten nicht, dass er im Krankenhaus lag (was ja wie oben beschrieben aus Gründen auch nachvollziehbar ist), aber warum vom DV oder Zugführer da nichts kam, das finde ich schon bedenklich.

Bei dem folgenden Teil habe ich nur Kenntnis auf Basis der Angaben des Kameraden. Ich halte ihn allerdings für sehr integer und die Angaben daher auch für glaubwürdig. Aus dem Krankenhaus schrieb er eine E-Mail an den Bataillonskommandeur und flehte ihn an, ihn zu versetzen. Er hatte einen Studienhintergrund in Regionalstudien Osteuropa und Geographie, sprach mehrere Fremdsprachen und wollte ins ZGeoBw oder ins ZMS. Der Kommandeur hat ihm wohl sinngemäß geantwortet, dass es sein Auftrag sei, erst einmal gesund zu werden, und danach könne man gegebenenfalls über eine Versetzung reden. Das Bataillon könne im Moment nichts für ihn tun, da das primär eine medizinische Angelegenheit sei. Er würde sich aber für eine wehrpsychiatrische Begutachtung einsetzen.

Diese wurde dann auch tatsächlich durchgeführt, und zwar in der FU VI im BWK Berlin. Sorry, dass ich jetzt meine Meinung hier deutlich mache, aber die FU VI im BWK Berlin hatte bei uns einen sehr eindeutigen Ruf. Ich war daher auch überhaupt nicht überrascht, dass der Kamerad nach eineinhalb Tagen mit der Polizei von dort in die Charité überführt wurde, da er versucht habe, sich etwas anzutun. Er weist dies bis heute zurück und sagte mir, dass er lediglich den Ärzten gegenüber geäußert hätte, dass die Entlassung aus der Bundeswehr eine Katastrophe sei und er nicht mehr weiterwisse. Das hat wohl schon ausgereicht, um ihn abholen zu lassen. Ich habe auch andere Erfahrungsberichte über die FU VI im BWK Berlin gehört und muss sagen, dass das für mich ins Bild passt.

Aus diesen Entwicklungen ergab sich eine Bestätigung der Gradationsziffer VI 13. Zwischenzeitlich war die SGA beendet und auch die Probezeit des Soldaten abgelaufen, sodass er nicht mehr so einfach entlassen werden konnte. Kompaniechef und Truppenarzt standen dann wohl in Austausch zueinander (hätte nicht eigentlich hier das S-Blatt vom Zentrum für Innere Führung zum Einsatz kommen müssen? Es ist wohl keines in der Akte des Soldaten zu finden). Sie beschlossen, ihn nicht per ,,DU-Verfahren", sondern nach § 55 (4) SG zu entlassen. Ausschlaggebend seien Fürsorgegründe. Der Soldat sei intellektuell leistungsfähig und könne im Zivilleben einen Job ergreifen. Das ,,DU-Verfahren" würde wahrscheinlich sehr lange dauern. Bei einer verbleibenden Restdienstzeit von 18 Monaten würde sogar die Gefahr bestehen, dass das Verfahren vor DZE nicht abgeschlossen werden könne. Daher hätte man sich für die Entlassung nach § 55 (4) SG entschieden.

Plattschi89

(Fortsetzung)

Der Kompaniechef legte ihm folgende Stellungnahmen vor:

Kompaniechef:

Begründung des antragstellenden Disziplinarvorgesetzten:

OG ROA [Name] war Teilnehmer in der Spezialgrundausbildung im IV. Quartal bei [Einheit], die er nicht erfolgreich abschließen konnte.

Insbesondere in der Handwaffenausbildung zeigte sich, dass OG ROA [Name] einen stark auffällig unbeholfenen und vor allem unsicheren Umgang mit den Handwaffen aufwies. Im Zuge dieser Auffälligkeiten wurde OG ROA [Name] bei dem zuständigen Truppenarzt und weiterführend bei fachärztlichen psychiatrischen Begutachtungen vorstellig.

Im Dezember führte die Konfrontation mit der Dienstunfähigkeit zu Suizidgedanken.

[Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes paraphrasiere ich die folgenden zwei Absätze: Es geht um die genauen Daten der Krankenhausaufenthalte des Kameraden und seine Suizidgedanken. Der Kamerad fragt sich bis heute, woher der Kompaniechef darüber Bescheid wusste. Er hat ihm das nie kommuniziert.]

OG ROA [Name] ist aus meiner – rein truppendienstlichen Sicht – in seinem derzeitigen Gesundheitszustand nicht für den Dienst als Soldat geeignet. Seine intellektuelle Leistungsfähigkeit ist unbenommen, der handwerkliche Umgang mit Waffen und Gerät sowie die Umsetzung taktischer Grundsätze des Einzelschützen können von dem Soldaten jedoch nur sehr begrenzt bis gar nicht umgesetzt werden. Mitunter stellt dies, gerade bei Schießvorhaben, eine Selbst- und Fremdgefährdung dar. Unter Aufbietung aller Möglichkeiten bis hin zur ,,Individualbetreuung" bei Ausbildungsabschnitten wurde versucht, den Kameraden ,,mitzuziehen". Auch dies blieb leider erfolglos.

Daher beantrage ich die Entlassung des Soldaten, da er die Voraussetzungen, die seine Laufbahn an ihn stellt, nicht erfüllen kann.

Ort/Datum
Signatur

Bataillonskommandeur:

Stellungnahme der/des nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten:

Ich stütze den Antrag des Kompaniechefs mit Nachdruck. Aus eigenem Erleben und in guter Kenntnis der Gesamtsituation komme ich zum selben Urteil: OG ROA [Name] ist für jegliche Form von Dienst als Soldat ungeeignet.

Intellektuell zwar unstrittig begabt, gelingt es ihm jedoch nicht einmal im Ansatz, die einfachsten Tätigkeiten eines Einzelschützen umzusetzen. Sein Verhalten bewegt sich hier zwischen absoluter Unsicherheit, völliger Überforderung und spür-/sichtbaren Angstzuständen – körperlich wie kognitiv.

Dies kann weder durch Ausbildung noch durch Erfahrung oder Erziehung wettgemacht werden und stellt für Kameraden und Vorgesetzte vielmehr eine Gefährdung und schwerwiegende Belastung dar.

Ich halte OG ROA [Name] selbst für die Ausübung rein administrativer Tätigkeiten für ungeeignet, da ihm ganzheitlich für jede Art des soldatischen Dienstes die Voraussetzungen fehlen. Selbst einem Laien erschließt sich dies ohne dezidierte Kenntnis medizinischer Sachverhalte.

Ich bitte um Entlassung auf schnellstmögliche Art.

Ort/Datum
Signatur


Am Abend nach der Offenbarung dieser Stellungnahmen kam es zu einem Suizidversuch des Kameraden.

Entschuldigung, dass ich hier etwas deutlicher werde, aber mir fehlen bei diesem Vorgehen die Worte.

  • Es ist meiner Meinung nach völlig verfehlt, den Kameraden nach § 55 (4) SG entlassen zu wollen. Ich glaube, dass das für ihn der sprichwörtliche ,,Knockout" war. Er hat versucht, sich immer korrekt zu verhalten und hatte ja nie ein Diszi oder Ähnliches am Hals (ganz im Gegenteil). Nun sollte er nach einem Paragraphen gehen, der ja durchaus im Kontext von disziplinarem Fehlverhalten zur Anwendung kommt und dort oft unter dem Schlagwort ,,charakterliche Nichteignung" als etwas weniger schlimmer 55 (5) firmiert.
  • Wie kann man sich in solch einer Situation wie der Bataillonskommandeur ausdrücken? Den Kameraden auf den Status einer ,,Gefährdung und schwerwiegenden Belastung" zu reduzieren. Sorry, aber das ist entwürdigend und herabsetzend. Er hat niemals jemanden gefährdet, das stimmt einfach nicht!
  • Gekrönt wird das Ganze dadurch, dass die Entlassung unter dem Diktum der ,,Fürsorge" lief. In den Einlageblättern zur G-Akte hat der Truppenarzt notiert, dass ihn der Bataillonskommandeur nach der Lektüre der E-Mail aus dem Krankenhaus auf Suizidgedanken des Kameraden hinwies. Trotzdem verfasst er eine solche Stellungnahme und lässt sie ihm vorlegen.
  • Der Kamerad erzählte mir heute Morgen am Telefon unter Tränen, dass er in das Soldatengesetz geschaut habe und sogar Angst gehabt hätte, die Ausbildungskosten für die GA zurückzahlen zu müssen [das war mir überhaupt nicht bewusst, dass das bei § 55 (4) SG passieren kann!]. Es ist völlig verfehlt, hier von Fürsorge zu sprechen. Er wäre bei einer Entlassung nach § 55 (4) SG ins Bürgergeld (damals Hartz IV) gefallen, und ein ,,DU-Verfahren" hätte ihm doch mehr Zeit und vor allem eine bessere gesundheitliche Versorgung garantiert. Ich bin über das Verhalten der DVs, aber auch des Truppenarztes, nur noch entsetzt. In der G-Akte scheint auch die Aussage protokolliert zu sein: ,,Bitte entlassen Sie mich nicht wegen Nichteignung. Bitte, bitte, das überlebe ich nicht!" Und die DVs und auch der Truppenarzt machten einfach weiter.

Ich habe den Kameraden danach einmal wiedergetroffen, als er zum Truppenarzt ging, um sich krankschreiben zu lassen. Ich dachte, dass ich mit einer lebenden Leiche rede. Der junge Mann war gebrochen. Ich verzichte auf Details, weil das nicht in ein öffentliches Forum gehört, aber das kann und werde ich nicht vergessen, was man mit ihm gemacht hat und wie er damals aussah.

Genau unter diesem Eindruck stehend habe ich mich an die Wehrbeauftragte gewandt und gebeten zu prüfen, ob er versetzt werden könne oder zumindest nicht mehr an diesem Standort behandelt werden müsse. Der ihn behandelnde Truppenarzt an dem Standort galt als charakterlich ausgesprochen schwierig und machte auch keinen Hehl daraus, nicht an diesem Standort sein zu wollen. Er ging wohl sogar den Kompaniechef an und warf diesem vor, ,,gepennt" zu haben, da er den Rekruten nicht während der Probezeit entlassen hätte und er als Truppenarzt nun die Arbeit damit hätte. Wie bereits oben beschrieben, bekam ich lediglich eine völlig generische Antwort mit der Kernaussage: ,,Lassen Sie die Disziplinarvorgesetzten und den Truppenarzt ihre Arbeit machen. Sie werden ihrer Fürsorgepflicht nachkommen." Danke für nichts, liebe Wehrbeauftragte!

Nach dem Suizidversuch des Kameraden änderte der Kompaniechef sein Verhalten und legte den Entlassungsantrag auf Eis. Der junge Mann brachte zum Ausdruck, dass er nicht mehr am Standort sein möchte. Zwischenzeitlich war er auch richtig vom Truppenarzt angefahren worden, weil er beim Arztbesuch nur weinte und kein Wort herausbrachte. Laut Aussage des jungen Mannes sagte der Truppenarzt damals zu ihm: ,,Sie stellen Ihre Nichteignung immer wieder eindrucksvoll aufs Neue unter Beweis."

Auf Grundlage des abgeschlossenen Studiums fragte der Kompaniechef beim ZGeoBw in Euskirchen nach einem Praktikum für den Kameraden an. Nach ca. zwei Monaten erhielt der Kompaniechef die Absage. Man könne mit dem jungen Mann nicht arbeiten, aufgrund seiner Gesundheitsziffer. Diese würde einen Zugang zum PC (und auch das Führen von Dienst-Kfz und den Umgang mit Waffen) ausschließen. Heute hat mir der junge Mann erzählt, dass ihn diese Nachricht noch heute trifft, vor allem deswegen, dass sie ihm nicht persönlich, sondern nur über den Disziplinarvorgesetzten kommuniziert wurde. Das ZGeoBw hat ihn nicht einmal an den Standort eingeladen.

Schließlich organisierte sich der Kamerad eigenständig Gesprächstermine beim Truppenpsychologen der Brigade. Dort berichtete er, wie viel Angst er vor der Entlassung habe. Der Psychologe kam auf die Idee, einen Antrag auf eigene Entlassung (,,Dienstzeitverkürzung") zu stellen. Der Kompaniechef und der junge Mann verständigten sich dann auch tatsächlich auf diesen Weg, und der Kamerad schied nach 13 Monaten Dienstzeit als OG aus. Der Dienstgradzusatz ,,ROA" wurde ihm aberkannt, da er die Ausbildung nicht beendet habe. Er fühlt sich bis heute deswegen degradiert.

Nach Ende seiner Dienstzeit studierte der junge Mann Geoinformatik und schloss dieses zusätzliche Studium mit einem Master ab. Nach Abschluss des Studiums hat er Deutschland verlassen, da er ein Leben hier nicht mehr erträgt. Vor allem die aktuellen Diskussionen über die Reaktivierung der Wehrpflicht, die personelle Ausstattung der Bundeswehr, den gewünschten Aufwuchs der Reserve etc. belasten ihn sehr. Er fühlt sich nicht gebraucht und ,,fortgejagt" (laut eigener Aussage).

Auf Basis seines Studiums der Geoinformatik hat er sich im letzten Jahr noch einmal an das ZGeoBw gewandt. Dort hatte man dann tatsächlich Interesse an ihm. Er berichtete mir, dass er so sehr auf ein gutes Ende gehofft hatte. Doch das nun zuständige Karrierecenter in Düsseldorf wies den Antrag des ZGeoBw auf Reservistendienst auf Aktenlage zurück. Es kam auch zu keiner neuen Musterung. Das Karrierecenter vertritt die Auffassung, dass die bei Entlassung vorliegende Erkrankung (schwere depressive Episoden) und die damit verbundene Gradationsziffer VI 13 so gravierend seien, dass die Rückfallwahrscheinlichkeit zu hoch sei und damit die Ziffer bestehen bleibe. Aufgrund des Wohnsitzes im Ausland habe der Kamerad auch keine rechtliche Handhabe, um gegen diesen Bescheid vorzugehen. Es war der nächste schwere Schlag für ihn.

Sogar seine Einsatzfähigkeit als ziviler Mitarbeiter steht in Frage, da ja eine Verbeamtung ebenfalls an eine Gesundheitsprüfung gebunden ist. Die schlimmste Vorstellung für den jungen Mann ist nun, dass er nur noch Tarifbeschäftigter im ZGeoBw werden könne und dabei dasselbe wie ein Geoinformationsoffizier oder Beamter leisten würde, aber nicht diesen Status haben darf. Es ist zum Haare raufen!

Ein weiterer Problemkomplex ist, dass bei ihm durch den Suizidversuch und die sich anschließende Behandlung eine PTBS im Raum steht. Er hat einen Antrag auf Anerkennung als Wehrdienstbeschädigter gestellt, der nach drei Jahren Bearbeitungszeit zurückgewiesen wurde. Zwar würde sein Fall grundsätzlich den Kriterien von ,,Mobbing" mit entsprechenden Folgeschäden genügen, aber dies sei keine wehrdiensteigentümliche Erkrankung bzw. Schädigung. Er hatte sich in einer verzweifelten Phase auch schon an die ZALK gewandt, die ihm nicht weiterhelfen konnte, da sie ja nur für einsatzgeschädigte Soldaten zuständig ist. Nach Ablehnung des WDB-Antrags bleibt ihm wohl nur noch eine Beratung durch den Sozialdienst als einziges Hilfsangebot der Bundeswehr übrig. Ich und auch er haben den Eindruck, dass er hier komplett durchs Raster gefallen ist. Es kann doch nicht sein, dass bei ihm eine wehrdienstinduzierte Erkrankung im Raum steht, wo die Bundeswehr mit ihren Strukturen gut helfen könnte, die Bundeswehr dies aber nicht muss, lediglich deswegen, weil die Erkrankung in der Ausbildung und nicht im Einsatz passiert ist. Das ist doch Wahnsinn!

Auch frage ich mich bis heute, wie der junge Mann eigentlich bei den Heeresaufklärern gelandet ist. Die Frage stellte sich auch einer der Ausbilder in der SGA immer wieder. Der junge Mann berichtete mir hierzu, dass er beim Karriereberater zum Ausdruck gebracht hätte, am liebsten Geoinformationsspezialist der Reserve zu werden. Der Berater teilte ihm nach einer Recherche mit, dass das ZGeoBw keine Ausbildungen zum Reserveoffizier im Rahmen eines Dienstverhältnisses als SaZ durchführe. Aber er könne ihm die Heeresaufklärungstruppe empfehlen. Mit seinen Fremdsprachenkenntnissen sei er doch für das Feldnachrichtenwesen prädestiniert. Auch würde er sich für Drohnen und drohnengenberierte Geodaten interessieren und könne somit in der technischen Aufklärung eingesetzt werden.

Der Haken an der ganzen Sache: ROAs werden bei den Heeresaufklärern nur in der Kampfkompanie ausgebildet. Der dem Soldaten aufgezeigte Karriereweg war ihm daher von Anfang an verschlossen bzw. überhaupt nicht möglich. Diese Information, wie die ROA-Ausbildung in der Heeresaufklärungstruppe aufgestellt ist, ist nirgendwo frei zugänglich zu finden. Wie kann man jemanden, der offensichtlich ein unsicherer ,,Kopfmensch" ist, sich für Drohnen und Fremdsprachen interessiert, zur ,,grünen" Verwendung bei den Heeresaufklärern raten? Es ist mir ein Rätsel!

Fazit:

Als Fazit möchte ich zum Ausdruck bringen, dass es tragisch ist. Sicher war der junge Mann nicht für eine Ausbildung zum Reserveoffizier im Heer geeignet. Aber er trägt nicht alleine die Verantwortung dafür, was da passiert ist.

In diesem Sinne: Danke für die Zeit, die Sie bzw. Du sich genommen haben/hast, um das zu lesen. Mir ist bewusst, dass es sehr ausführlich war, aber ich finde, der Kamerad hat das verdient. Falls du das liest: Stay strong, du bist ein richtig guter Mensch!