Die Koalititon diskutiere nun die Einführung von Sonderstaatsanwaltschaften. Eine eigene Militärgerichtsbarkeit wie in anderen Staaten stünde aber nicht zur Diskussion.
Lustig, genau darüber habe ich gestern unabhängig von dem Artikel auch sinniert und bin zu dem Schluss gekommen, dass ein Sonderstaatsanwalt bei der Bundesanwaltschaft, der zum einen Sachkenntnis und Kenntnis von den besonderen Umständen bei Kriegseinsätzen hat notwendig ist.
Weiter bin ich mittlerweile auch der Überzeugung, das auf Dauer die Einführung von ständigen Wehrstrafgerichten für Auslandseinsätze nach Art 96 (2) Grundgesetz und eine Novellierung und Ausweitung des Wehrstrafgesetzes und der Strafprozessordnung notwendig ist.
Warum Wehrstrafgerichte? Ich halte den durchschnittlichen deutschen Richter schlicht fachlich überfordert, wenn es um die Beurteilung von und die Meinungsbildung bei Sachverhalten geht, die sich in bewaffneten Konflikten oder in deren Kontext ereignet haben, zudem ist ein Bezug zu den Streitkräften und ein gehobenes Verständnis der inneren Strukturen und dienstlichen Notwendigkeiten unverzichtbar. Aus ähnlichen Gründen gibt es ja in Deutschland auch eine Arbeits-, Sozial-, Finanz-, Verfassungs- und ordentliche Gerichtsbarkeit, da für bestimmte Rechtsgebiete einfach entsprechende Sachkenntnis und Fachexpertise von Nöten ist.
Zudem liegt es in der traditionellen Natur von Militärstrafgerichten, das alle anfallenden Kosten dem Staat zur Last fallen - egal ob eine Schuld festgestellt wird, oder nicht - und das dem Angeklagten ebenfalls auf Staatskosten ein kompetenter Verteidiger gestellt wird. In diesem Kontext wäre eine Erweiterung der StPO unumgänglich.
Aber schon alleine der Begriff "Wehrstrafgericht" ist ja im heutigen Deutschland politisch unkorrekt, weil man nicht in der Lage ist sich von Geistern der Vergangenheit zu lösen und daraus lernend zukunftsorientiert zu handeln.
Warum eine Überarbeitung des Wehrstrafgesetzes? Ich gehe davon aus, das bestimmte Straftatbestände in Zeiten bewaffneter Konflikte innerhalb der militärischen Ordnung bei weitem schwerer wiegen, als im Friedensdienst. Als Beispiel seien hier Wachvergehen oder z.B. auch der einfache Diebstahl bei Kameraden genannt. Nur um mal deutlich zu machen, was ich meine: Das Militärstrafgesetzbuch des Deutschen Reiches vom 20.06.1872 (es war in ergänzter/geänderter Form bis 1945, also in zwei Weltkriegen gültig) kannte exakt 166 Paragraphen und in den meisten wurde explizit zwischen einer Tatbegehung im Frieden oder "im Felde" unterschieden. Zum Vergleich: das Wehrstrafgesetz hat 48 Paragraphen (von denen drei weggefallen sind) und unterscheidet nicht zwischen Friedensdienst und Frontdienst.
Und wenn man in diese Richtung weiterdenkt und über die Sanktionierung von militärischen Straftaten im Felde nachdenkt wird man wohl auch irgendwann auf das Stichwort "Todesstrafe" kommen...
Ein weiterer Punkt wäre die Schaffung einer Bundeswehr internen Institution, deren Soldaten im Einsatz als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft tätig werden können, denn derzeit haben wir in den Auslandseinsätzen eine Grauzone in Sachen der praktischen Strafverfolgung.
Das Hauptproblem ist aber denke ich - und deswegen sind solche Überlegungen obsolet - das unsere Gesellschaft nicht in der Lage ist der Realität angemessene Entscheidungen zu verstehen und zu akzeptieren. Oder um es anders zu sagen: Man ist noch nicht so weit sich mit dem Gedanken abzufinden, dass deutsche Soldaten in Kriegen und bewaffneten Konflikten wie Soldaten eingesetzt werden. Solange die Hauptziele deutscher Politiker in
political correctness liegen und nicht im Treffen notwendiger, lageangepasster Entscheidungen (was ihre eigentliche Aufgabe wäre) ist ein verantwortungsvoller Umgang mit deutschen Soldaten und dem Einsatz der Bundeswehr schlicht nicht möglich. Man ist halt das ungeliebte und geduldete Stiefkind der Nation.
Gruß Andi