Guevara, Ernesto (aka Che): “Guerrilla Warfare”, University of Nebraska Press, Lincoln 1998.
Guevara hat ein echtes Imageproblem wenn es um COIN-Theorie geht, und zwar ein doppeltes. Erstmal war er einfach “Che”, und damit ein seltsames Protest-Popkultur-Trend-Idol, auf T-Shirts gedruckt. Kann man den als COIN-Theoretiker dann überhaupt ernst nehmen? Ich meine, schon mal ein 15jähriges Girlie mit Dave-Kilcullen-T-Shirt gesehen? Sicher nicht. Aber Guevara konnte nicht nur gesetzlos in die Kamera gucken, er konnte auch schreiben, und er hat geschrieben, nämlich wie man zur Befreiung der geknechteten Massen Lateinamerikas Guerillakrieg führt. Das liest sich im Wesentlichen erst mal alles wie bei Mao (der außerhalb der VR China auch eher selten auf T-Shirts gedruckt wird, wohl weil er ein dicker Chinese und kein schnittiger Latino ist), und es ist in weiten Teilen auch dasselbe, aber einen wesentlichen Unterschied gibt es: Guevaras “foco”-Theorie, die quasi dem Revolutionsexport dient. Sie besagt, dass nicht unbedingt die Bedingungen für das Volk so mies sein müssen, dass es zur Revolution getrieben wird, sondern dass ein paar entschlossene Revolutionäre durch Terrorismus und Guerillakrieg diesen Zustand künstlich schaffen können (so ähnlich hatte das in Kuba ja funktioniert). Man könne also aus befreiten, revolutionären Ländern kleine Trupps in andere Länder schicken, und Viva la Revolucion! Und den Oberfeind, den Beschützer der Unterdrücker, die USA, könne man so ausbluten, indem man “zwei,, drei, viele Vietnams” schafft. Guevara hat auch in der Praxis versucht, so die Revolution nach Afrika und Bolivien zu exportieren – und damit kommen wir zum zweiten Teil des Imageproblems: er ist nämlich beim Versuch draufgegangen… Zugegeben, nicht gerade die beste Empfehlung für eine Theorie, wenn ihr Schöpfer beim Versuch der Beweisführung scheitert und stirbt. Aber trotzdem ist die Theorie nicht tot, denn z.B. Al Quaida weist heute noch deutliche focoista-Merkmale auf. Also ist es durchaus der Mühe wert, sich mit Guevara zu befassen.