Ich habe mich bisher zurückgehalten, aber hier prallen Welten aufeinander, die mir - mal wieder - beweisen, dass es auf bestimmten Ebenen in BMVg und Bundeswehr einfach gar keinen Bezug mehr zur Truppenrealität gibt.
Wenn wir also feststellen, dass ein Großteil unserer Soldaten zum Dienstantritt nicht die von uns erwartete körperliche Leistungsfähigkeit mitbringt, dann müssen wir eben dafür sorgen, dass diese Leistungsfähigkeit schrittweise vom bestehenden Level angehoben wird und dass die Soldaten, die die gefordere Leistungsfähigkeit bereits mitbringen, diese erhalten.
Wen dies von der politischen Leitung oder dem GI festgestellt wird - und es scheint ja so, als sei dies der Fall - dann hat entsprechend
vor jeglicher militärischer Ausbildung ein entsprechender Lehrgang zur Steigerung/Abgleichung der körperlichen Leistungsfähigkeit zu erfolgen, um die Grundvoraussetzungen für das Absolvieren einer militärischen Grundausbildung zu schaffen. Und dies ist durch die Ministerin oder den GI anzuweisen - sollte eine bestimmte TSK nur noch extrem fitten Nachwuchs bekommen kann man das auch gerne auf die Inspekteur-OrgBer/TSK herunterbrechen.
Eine Feststellung, dass eine entsprechende "sinnvolle Dienstplangestaltung und Ausbildungsplanung", Fürsorge oder Dienstaufsicht solch erheblichen Defizite in der körperlichen Fitness auffangen könnte, kann ich als nichts anderes bezeichnen als als absolut lebens- und dienstfremd.
Die Grundausbildung ist in allen TSK - nach teilweise völliger Entkernung seit De Maiziere - so knapp durchgetaktet, dass ein - offenbar erforderliches - gesondertes Trainigsprogramm nicht implementierbar ist. Die zentral vorgegebenen Zeiten für Dienstsport sind
nicht geeignet elementare Defizite auszugleichen, sondern nur den - nach wie vor vorausgesetzten (!) - durchschnittlich fitten jungen Rekruten an seine Leistungsgrenzen heranzuführen und körperlich und mental aufzubauen.
Wer sich mal die Mühe macht und sich die Vorgaben zur AGA des Heeres, die im Jahr 2000 Gültigkeit hatten und die, die zum heutigen Tag Gültigkeit haben vergleichend nebeneinander legt, der wird feststellen, dass mitnichten eine (ja offenbar notwendige) Erhöhung von Sportausbildungszeiten stattgefunden hat - im Gegenteil.
Im Weiteren macht die SAZV es den Disziplinarvorgesetzten unmöglich erkannte erforderliche Zusatzausbildung in der Grundausbildung - zum Beispiel zusätzlichen Sport - anzusetzen, da dazu die Kapazitäten fehlen.
Ansonsten finde ich es im höchsten Maße unkameradschaftlich und unsachlich hier dem Disziplinarvorgesetzten der verunglückten Soldaten unzweckmäßige Dienstgestaltung oder gar mangelnde Dienstaufsicht vorzuwerfen.
Zu so einem Schluss kann - wenn in diesem Fall denn überhaupt zutreffend, nach umfassender Ermittlung - ein zuständiger Disziplinarvorgesetzter, Wehrdisziplinaranwalt oder Staatsanwalt kommen. Bis dahin (Unschuldsvermutung) hat es aber wohl ein Kompaniechef verdient, dass ihm dahingehend vertraut wird, dass er den durch ihn zu regelnden Dienstbetrieb nach bestem Wissen und Gewissen gestaltet!
Aber letztlich sind das alles Nebelkerzen! Das Obduktionsergebnis ist höchst nebulös hinsichtlich seiner Aussagekraft für die Ursachenermittlung des Todesfalles. In keinem Fall lässt sich der Tod des Rekruten einer konkreten Handlung oder Unterlassung von Vorgesetzten zuordnen - ich gehe übrigens jede Wette ein, dass das auch die Staatsanwaltschaft am Ende so sehen wird.
Eine Ministerin und auch ein GI stehen in der Verantwortung, dass Soldaten der Bundeswehr für das scharfe Gefecht ausgebildet sind. Dies erfordert Robustheit und Abhärtung, welche nur durch fordernde Ausbildung zu erreichen ist. Dabei wird es
immer auch tödliche Einzelschicksale geben. Und zwar nicht auf Grund unmenschlicher Ausbildung, sondern auf Grund individueller Vorerkrankungen oder aber auf Grund der Verkettung ungünstiger Umstände oder Zufälle.
Ich habe es andernorts schon geschrieben: Militärische Ausbildung bedeutet m.E. immer die billigende Inkaufnahme von Todesfällen durch den Dienstherren. Dem tritt er durch die bestmögliche Gefahrenreduzierung entgegen, soweit diese nicht zur Beeinträchtigung der notwendigen Ausbildung führt. Diese Tatsache hat die Politik angemessen zu vertreten! Das ist nichts, was sich irgendein Unteroffizier aus Langeweile ausdenkt, sondern das ist die unmittelbare Konsequenz aus dem schlichten Satz im Grundgesetz "Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf"!
Wer das nicht sieht riskiert das Leben von deutschen Soldaten!
Wer behauptet, dass man solche traurigen Einzelfälle verhindern kann lügt!
Wer behauptet, dass man eine wirtschaftliche und auch verhältnismäßige (!) 100% Musterung durchführen kann lügt!
Wer denjenigen, die in einer nicht mehr einsatzfähigen Bundeswehr - die kaputtgespart und durch völlig aus dem Ruder gelaufene Verwaltung und Bürokratisierung, ein für den Einzelnen nicht mehr nachvollziehbares Normengeflecht geschaffen hat - noch versuchen auf der Arbeitsebene einen irgendwie praktizierbaren Dienstalltag zu gestalten vorwirft das Leben von Rekruten zu gefährden hat den Schuss nicht gehört!
Ich habe viel gesehen und erlebt in den letzten Jahren, aber noch nie (!) einen Vorgesetzten, der sich nicht um das Wohl seiner Untergebenen gesorgt hätte.
Ich sehe allerdings genau eine Person, die seit über 8 Jahren im Amt ist und jede Möglichkeit und Pflicht gehabt hätte erkannten Defiziten durch strukturelle Maßnahmen zu begegnen.
Gruß Andi