Hallo an Alle, da mir die Erfahrungsberichte selbst sehr geholfen habe das Konzept Assessment zu durchsteigen, möchte ich der Community auch gern meine Erfahrungen da lassen. Erfahrungsberichte aus Berlin scheinen ja nun auch nicht sehr zahlreich.
Zu meiner Person:
- 33 Jahre
- männlich, verheiratet, 1 Kind, Eigenheimbesitzer
- Schulabschluss: Abitur (eher schlecht als recht)
- Ausbildung: B.Eng (Kunststofftechnik Ingenieur; eher gut
)
- Wiedereinsteller (OG 2010/2011)
Bewerbungsphase:
Da ich nicht wusste was sich in der Bundeswehr nach meinem Abgang vor 13 Jahren getan hat und was ich mit meinem doch sehr nischigem Kunststofftechnik Ingenieur gegebenenfalls in der Truppe tun kann, habe ich mich dazu entschlossen erstmal in Köln nach einer möglichen Truppenverwertbarkeit meines Ingenieurtitels via E-Mail und Telefonat zu erkundigen. Gesagt, getan, am 16.08.23 ging die E-Mail raus und 2 Tage später war die nicht sehr vielsagende Antwort auch schon da. Ich solle mich einfach als Akademiker Seiteneinsteiger bewerben. Da ich aber etwas machen möchte was mir liegt und auf was ich Lust habe auch wenn ich dafür neu ausgebildet werden muss und gegebenenfalls auch weniger verdiene als jetzt, hat mir diese allgemeingültige Aussage (die ich auch ohne E-Mail in 5 Minuten selbst gegoogelt hatte) nicht ausgereicht, sodass ich kurzentschlossen wie Eingangs erwähnt zum Telefon griff und unverblümt einfach mal bei den Kameraden in Köln, sowie in meinem heimatnahem KarrC angerufen habe um mich nach Einsatzverwendungen zu informieren.(Ich muss erwähnen, dass jeder, den ich am Telefon hatte, sehr nett und nicht genervt auf alle meine Anliegen eingegangen ist!)
Leider wurde rechts schnell klar, dass für den Kusntofftechnik Ingenieur recht wenig Spielraum in der Truppe ist. Als Prüfingenieur wäre die Waffentechnik ein mögliches Feld, jedoch zivil und ich will ja zurück in die Truppe, also was solls, ich habe ja ein weiteres Steckenpferd, die Medizin. Ja ich weißder Leser wird jetzt sagen; “Was? Medizin? Als Ingenieur im Maschinenbau/Chemie? Wie kommt der denn darauf?”, um es kurz zu halten, die Medizin ist in unserer Familie ein ständiger Begleiter und wäre auch für mein Studium die erste Wahl gewesen (wenn da nicht das bereits erwähnte eher schlechte Abitur gewesen wäre). Da ich mich mit 33 nicht unbedingt nochmal in ein Medizinstudium zwängen möchte, fiel nach einiger Zeit an Recherche die Wahl auf die Verwendung als Notfallsanitäter Fw.
Die Bewerbung ging mit allen nötigen Bewerbungsunterlagen über das Online Bewerberportal der BW raus (Datum habe ich leider nicht mehr greifbar). Circa eine Woche später kam dann auch schon die Antwort, sinngemäß: "Ähmmm…. Sorry , aber militärische Bewerbungen müssen immer über ein Karrierecenter laufen und können nicht selbst online eingereicht werden. Bitte machen Sie einen Beratungstermin in einem KarrC in Ihrer Nähe aus, danke.", warum einem das keiner bei den Telefonaten sagt und vor Allem warum es überhaupt möglich ist, sich online direkt auf solche Stellen zu bewerben, bleibt ein Rätsel, aber sei es drum.
Also online einen Termin für den nächsten Tag gemacht, sogar mit dem netten Herren, mit dem ich einige Wochen vorher bereits telefoniert hatte. Am nächsten Morgen direkt ab ins Auto 30 km ins nächste KarrC gefahren. Dort angekommen, wurde ich super nett empfangen und sogar umgehend mit Kaffee ausgestattet! Zehn Minuten Wartezeit später (wohl auf die nicht ganz so schnelle VPN Verbindung nach Berlin zurückzuführen) saß ich schon beim Karriereberater, einem sehr netten Stabsbootsmann, welcher sogar vorbereitend schon meinen Lebenslauf gelesen hatte. Da ich Wiedereinsteller war und auch schon ein wenig lebenserfahrener meinte er: “Wenn hier einer mit 17 rein kommt, muss ich dem noch erklären, was die Bundeswehr überhaupt ist, aber bei Ihnen passt das schon! Was wollen Sie machen?”. Eine kurze Erklärung später waren auch alle nötigen Unterlagen teilweise vorausgefüllt an meine E-Mail gesendet mit Bitte um Vervollständigung und Buchung eines neuen Termins zur Abgabe. Erklären musste er die Unterlagen nicht mehr, ich hatte sie ja schließlich schon einmal selbst ausgefüllt und versandt.
Also beschränkte sich der restliche Termin auf Smalltalk und Kaffeetrinken und nach 20 Minuten war alles vorbei. Also wieder ins Auto ab nach Hause, alles vervollständigt und ausgedruckt und direkt wieder für den nächsten Tag ein Termin über die Hotline gemacht.
Am nächsten Tag wieder ins Auto wieder 30km hin, alles abgeben 5 Minuten Kaffee und 30km zurück, sodass ich am Ende der Bewerbungsphase ganze 120 km gefahren bin um mich insgesamt 25 Minuten auf eine Verwendung zu bewerben, auf welche ich mich schon einmal vollständig beworben hatte klingt wie ein Treppenwitz ist aber leider bürokratische Realität in einem Land in welchem “Das Internet für uns Alle Neuland ist!”.
Aber jetzt begann die schlimmste Phase des Bewerbungsprozesses… das Warten!
Die Bewerbung wurde am 15.10.23 versandt. Am 23.10.23 kam auch postal die Eingangsbestätigung, auf welcher vermerkt war, dass meine Bewerbung am 17.10.23 eingegangen sei und nun bearbeitet werde. In der Zwischenzeit auf den CAT vorbereitet und natürlich Sport getrieben.
Über 3 Monate, und 14 kg Körpergewicht, später (31.01.24) kam dann endlich die erlösende E-Mail, in welcher stand, dass ich mich bitte, am 20. und 21.02.24 im KarrC Berlin bis 10:30 Uhr zum Assessment einfinden möge. Um die Kosten für den Bund und somit die Steuerzahler zu minimieren, entschied ich mich für die Deutsche Bahn als Transportmittel meiner Wahl und kaufte bereits am 06.02.24 ein Super Sparticket mit dem ICE nach Berlin.
Assessment Tag 1, 20.02.24
Um nicht zu spät zu kommen und noch einen Zeitpuffer zu haben (man kennt ja die DB) entschloss ich mich 6:07 Uhr am nächstgelegenen Bahnhof abzufahren um laut Plan gegen 9:00 Uhr am Kasernentor der Dahme-Spree-Kaserne in Berlin Grünau zu stehen. Der Zeitpuffer erwies sich auch im nachhinein als ziemlich cleverer Schachzug, da bereits der zweite Zug auf meiner Reise 55 Minuten Verspätung hatte und die nachfolgende Bahn somit nicht mehr zu erreichen war (ironischer Weise die einzige Verspätung auf der gesamten Strecke und natürlich das Aushängeschild der DB, der ICE von München nach Berlin).
Zum Glück hebt die DB bei mehr als 20 Minuten Verspätung die Zugbindung auf, sodass ich durch schnelles Umplanen meiner Verbindungen in Berlin Südkreuz trotz 55 Minuten Verspätung, 9:43 Uhr in der Kaserne ankam. Kleiner Tipp: nicht klingeln und einfach durchs Drehkreuz (wurde in anderen Berlin Berichten auch bereits erwähnt und hat noch Bestand) zum nächsten Fenster und beim netten Pförtner anmelden. Der Pförtner erklärte mir auch noch schnell die Liegenschaft und wo ich mich jetzt hinbegeben solle. Also auf in den Block 2 zur Anmeldung.
Zum glück war diese leer, sodass ich ausgestattet mit Schlüssel für die Stube 108 in Block 7 (aber ohne Schloss oder Schlüssel für den Spind) und einem ausgeblichenem grünem Stoffbeutel voller Bettwäsche, sowie meiner Laufmappe inklusive Laufzettel und Reisekostenabrechnung, 9:45 Uhr schon auf dem Weg in die Stube war, aber laut Anweisung bitte direkt in Block 8 zur ärztlichen Untersuchung gehen solle. Also schnell alle Sachen in der Stube verstaut, Bettwäsche auf den Tisch gelegt, schnell noch einen Schluck Wasser und ab in Block 8.
In Block 8 angekommen, wurde ich umgehend ins Anmeldezimmer gerufen und hinterlegte dort meine ärztlichen Unterlagen sowie meinen Laufzettel (auf welchem die Ankunftszeit mit 9:55 Uhr notiert wurde) und wurde anschließend direkt mit zur ersten Station dem Drogenscreening genommen.
Also kurz in den Nebenraum den Becher vorschriftsmäßig bis zur Hälfte mit Mittelstrahlurin gefüllt (zum Glück hatte ich keine Zeit auf Stube noch die Toilette zu suchen) und ins Übergabefenster gestellt. Wieder im benachbarten Raum angekommen, noch Hose und Schuhe ausziehen, kurz Wiegen und Messen und schon ging es ohne weiteres Warten zum Sehtest.
Beim Sehtest angekommen dauerte es nicht lange um zu merken, dass ich blind bin (Brillenträger mit tatsächlich nur - 0,75 dpt beidseitig), da ich ohne Brille nichts aber wirklich keine der angeblich in den Kreisen vorhandenen Öffnungen zuordnen konnte. Zum Glück durfte ich in Phase 2 mit der Brille dann zeigen, dass ich doch nicht ganz nutzlos bin und erreichte 125% Sehkraft. Aus dem Sehtest wurde ich direkt zum Hörtest entführt, welcher in einer kleinen schalldichten Box durchgeführt wird, welche sich, den Kratzern am Verschluss und Türrahmen zufolge, schon seit längerem nicht mehr ordentlich schließen lässt. Aber auch ohne geschlossene Tür ist es leise genug, um die Taste beim Erklingen des Tones rechtzeitig zu drücken.
Nach dem Hörtest ging es das erste Mal ins Wartezimmer, wo bereits 5 weitere Anwärter warteten (2 Damen und 3 Herren), welche augenscheinlich alle nicht älter als 23 Jahre waren. Auf die Uhr geschaut war es auch erst 10:05 Uhr und ich sagte zu mir: "Wow, 9:43 Uhr die Kaserne betreten und 20 Minuten später schon so viel gemacht!”. Hätte ich mir diese Gedanken mal lieber gespart…
Im Wartezimmer war kein Gespräch zu erwarten, alle hatten ein Smartphone in der Hand und waren mit sich selbst beschäftigt. Komisch, da im Block 26 (Steuerkopf), Block 7 (CAT) und Block 8 (Arzt) ja laut hastig von mir gelesener Anweisung an der Stubentür, Smartphones untersagt waren, sodass ich nicht mal mein eigenes dabei hatte. Leider war der immerwährend n-TV sendende TV auch ausgeschaltet, sodass ich bis 11:30 Uhr den Anderen dabei zusah, wie Sie auf ihren DDR Holzschulstühlen von Links nach Rechts wankten und dabei ihr Gehirn mit Informationen aus dem World Wide Web mittels Smartphone füllten… oder auch nicht, weil die meisten eher irgendwelche bunten Spiele spielten.
Punkt 11:30 Uhr erschien die nette Dame von der Anmeldung und verteilte die Laufzettel mit der Anweisung zur Truppenküche zu verlegen und sich anschließend Gruppe 1 zum CAT und Gruppe 2, inklusive meiner Wenigkeit, wieder zum Arzt um 12:30 Uhr einzufinden.
Vor der noch bis 11:45 Uhr verschlossenen Truppenküche angekommen, ergaben sich die ersten Gelegenheiten zur Kommunikation mit meinen Leidensgenossen. Es stellte sich heraus, dass ich erstens bei weitem nicht der Älteste und zweitens nicht der einzige aus meiner Heimatstadt bin.
30 Minuten, eine Mitfahrgelegenheit nach Hause und 4 Klopse mit verkochten Kartoffeln später (Feldküche ist lecker, keine Frage zumal umsonst für Bewerber) war ich auch mit den neuen Bekanntschaften auf dem Weg zurück zum Arzt.
Dort saß ich dann bis 14:10 Uhr, bis ich endlich zur netten Frau Oberstabsarzt ins Zimmer durfte. Was folgte war ein typischer 90/5er, wie er mir als Wiedereinsteller bereits mehr als bekannt war. Für alle die wissen wollen was passiert hier eine kurze Zusammenfassung:
- Frage nach Vorgeschichte (Krankheiten in der Familie, Operationen, Allergien, Impfstatus usw.)
- Fragen nach Drogenkonsum (Alkohol + verbotene Substanzen)
- Ruhepuls und Blutdruck messen
- Puls und Blutdruck messen nach Belastung (20 Kniebeuge oder neudeutsch Squats)
- Puls und Blutdruckmessen 1 Minute nach Belastung
- Reflexkontrolle an Armen, Beinen, Bauch
- Haltungskontrolle der Wirbelsäule und Füße
- der Klassiker → Leistenbruchkontrolle und Kremasterreflex (“Bitte einmal stark Husten!”, zum Glück hatte sie warme Hände)
- nach Vorn Beugen und Backen spreizen
Falls genauere Informationen benötigt werden, kann man mich auch gern kontaktieren.
Die Ärztin bestätigte mir danach, dass ich für meine angestrebte Verwendung geeignet und aufgrund meiner hühnenhaften Größe von 1,75 m (75 kg) und meiner Brille D2 gemustert bin.
Zurück im Wartezimmer wurde ich aus der ärztlichen Obhut um 14:29 Uhr entlassen und zum CAT geschickt. Dort im Block 7 angekommen und angemeldet, eröffnete mir die nette Dame, dass es für den CAT zu spät wäre und bei der Organisation etwas falsch gelaufen sei, da am morgen alle erst beim Arzt waren aber keiner beim CAT und erst nach dem Mittag die ersten beim CAT waren.
Immerhin durfte ich noch den sogenannten biografischen Bogen ausfüllen, auf welchem in Satzform kurz und bündig Motivationen und Lebensumstände in 30 Minuten niedergeschrieben werden sollen. Ich merkte schnell, dass sowohl der Platz als auch die Zeit eng bemessen waren für all das, was ich zu erzählen hatte. (Komisch bin ich ja nun eindeutig nicht der Typ, der lange Texte schreibt
)
Nach Abgabe des Bogens gegen 15:10 Uhr noch schnell in die Steurorganisation in Block 26 das ärztliche Gutachten abgeben und anschließend in Block 2 zum Meldekopf. Dort erfuhr ich, dass ich für heute durch bin und mich am nächsten Morgen um 6:55 Uhr wieder in Block 2 anmelden muss und anschließend um 7:00 Uhr den CAT durchführen werde.
Also endlich wieder auf Stube das erste Mal seit circa 10 Uhr. Dort erwartete mich mein Stubenkamerad. Ein 17 jähriger, sportlicher Herr aus Berlin, welcher wohl trotzdem in der Kaserne übernachten sollte, obwohl alle anderen Berliner zuhause schliefen. Schnell Bett bezogen und mit dem Kameraden ausgetauscht, wie sein erster Tag so war, erfuhr ich, dass er eine Stunde nach mir in der Kaserne war, jedoch schon Arzt und CAT erledigt hat und erst 9:00 Uhr zum Psychologengespräch geladen ist. (Was uns 2 schon wunderte, da er ja noch den Sporttest brauchte, aber später dazu mehr). Nach dem kurzen Gespräch meinte er, er fahre jetzt zu seiner Familie, Abendessen und komme dann so gegen 21 Uhr wieder.
Also war ich wieder allein auf Stube, das Wetter war schlecht, also war niemand auf den Raucherplätzen zu finden. So entschloss ich mich mal eine Rückmeldung nach hause zu schicken und kontaktierte Frau und Kind (nicht ganz leicht weil schrecklicher Empfang) und hatte dann jedoch soviel zu erzählen (komisch weil eigentlich habe ich ja nur im Warteraum gesessen), dass ich das Abendessen um 16:00 Uhr verpasst habe. Was sich aber als halb so schlimm herausstellte, da ich noch genug Wegverpflegung im Rucksack hatte. So hieß es nach dem Telefonat, TV an (ja die gibt es auf Stube, war zu meiner Zeit nicht Standard) und auf den Kameraden warten. Kurz nach 21 Uhr war dieser auch wieder wie versprochen auf Stube und wir erzählten noch kurz über Fußball und was man sonst so labert, bis wir gegen 22 Uhr schlafen gingen.
Fortsetzung folgt...